Protocol of the Session on August 17, 2010

lassen kann. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann haben Sie das so beschlossen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 8 auf:

Erste Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drs. 16/2709

Für die SPD-Fraktion erhält Frau Kollegin Groskurt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion zur Änderung des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes war dringend erforderlich, da die Zeit abläuft.

Der Gesetzgeber ging 1994 davon aus, dass es nach 16 Jahren Gleichberechtigungsgesetz in Niedersachsen keine Unterrepräsentanz von Frauen im öffentlichen Dienst mehr geben würde. Aus diesem Grund hat er in § 26 Abs. 2 beschlossen, dass die §§ 5 und 6 zum 31. Dezember 2010 außer Kraft treten können.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP, Sie haben Ihre Chance nicht genutzt. Ich meine die Chance, zu beweisen, dass Sie die Gleichberechtigung der Frauen stärken wollen. Im Gegenteil: Der Entwurf Ihres Gleichberechtigungsgesetzes, den wir mit Interesse gelesen haben, ist eine Rückwärtsbewegung weg von der Gleichberechtigung der Frauen.

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Nun kann der Mensch rückwärtsgehend auch nicht so gut sehen. Deswegen verwundert es mich nicht, dass Sie den Überblick verloren haben und bis heute nichts unternommen haben, die Außerkraftsetzung der §§ 5 und 6 zum 31. Dezember 2010 abzuwenden.

§ 5 bestimmt: Frauen sind bei Einstellung, Beförderung und Übertragung höherwertiger Tätigkeiten gegenüber männlichen Mitbewerbern mit gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung so lange vorrangig zu berücksichtigen, bis sie in der

Lohn-, Vergütungs- und Besoldungsgruppe der jeweiligen Dienststelle bis zu 50 vom Hundert vertreten sind.

(André Wiese [CDU]: „Mindestens zu 50 vom Hundert“!)

- Das würde mir noch besser gefallen.

§ 6 bestimmt: Bewerberinnen für Ausbildungsplätze sind bei gleicher Eignung und Befähigung so lange gegenüber männlichen Bewerbern vorrangig zu berücksichtigen, bis sie zu 50 vom Hundert der bei der Dienststelle zu besetzenden Ausbildungsplätze innehaben.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, diese Ziele sind bis heute nicht erreicht. Sie sind nicht nur nicht erreicht, sondern wir sind meilenweit davon entfernt. Das ist wirklich nicht übertrieben. Der Frauenanteil z. B. in der Besoldungsgruppe A 12 liegt bei 21,3 %, in A 13 bei 16,8 % bis hin zu 14,4 % in der Spitzengruppe. Der Bericht der Landesregierung drückt das so aus: Frauen in Führungspositionen sind deutlich unterrepräsentiert. In den höheren Hierarchiegruppen des gehobenen Dienstes sind sie stark unterrepräsentiert.

(Zuruf: Hört! Hört!)

Auf der Grundlage dieser Dokumentation können wir doch nicht stillschweigend abwarten, bis die §§ 5 und 6 des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes außer Kraft sind.

Die Mitglieder des Sozialausschusses, Frau Ministerin Özkan und die Vorsitzende der Frauenunion, Frau Dr. Möllring, haben alle den Brief der Arbeitsgemeinschaft der Frauenbeauftragten der Obersten Landesbehörden in Niedersachsen bekommen. Hierin werden alle eindringlich gebeten, darauf hinzuwirken, dass die Frauenförderung in Niedersachsen weiter gesichert bleibt. In dem Brief stellen die Frauenbeauftragten mit Sorge fest, dass mit Wegfall der §§ 5 und 6 NGG wichtige Grundlagen für die Frauenförderung entfallen werden.

Nun können wir uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, fragen: Warum müssen wir uns Sorgen machen? Warum sind die Ziele des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes von 1994 noch nicht erreicht? - Meine Überzeugung ist die, dass der Landtag 1994 nicht einkalkulieren konnte, dass seit 2003 Frauenpolitik in Niedersachsen nicht mehr stattfindet.

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Sieben Jahre, in denen die Gleichberechtigung der Frauen eingefroren wurde!

(Gudrun Pieper [CDU]: Und was war neun Jahre vorher?)

Nur ein ganz frisches Beispiel. Sie alle können sich erinnern: Zum 1. Juni 2010 wurde im Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit die Führungsposition einer Frau gestrichen. Die Aufgaben, die ja nicht weggefallen sind, darf auch jetzt eine Frau erledigen, nur leider mit einer niedrigeren Besoldung, da aus einer Abteilung eine Referatsgruppe geworden ist. Das lässt Böses für die Zukunft ahnen.

Damit diese beunruhigenden Vorahnungen aber nicht in Erfüllung gehen, gestatten Sie mir einen Satz, um Sie zu motivieren, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen. Diesen Appell richte ich besonders an die Herren Kollegen der CDU und FDP. Ganze Männer machen halbe-halbe. Die SPDMänner sind ganze Männer!

(Zustimmung und Heiterkeit bei der SPD - Jens Nacke [CDU] - zur SPD -: Das hört man doch immer gerne!)

Vor diesem Hintergrund hat die SPD-Fraktion, Männer und Frauen, den vorliegenden Gesetzentwurf eingebracht, mit dem beschlossen werden soll, § 26 Abs. 2 zu streichen. Wir sollten uns hier den Slogan der jungen Leute des FSJ Politik als gutes Beispiel nehmen: Machen statt meckern!

Also, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, machen Sie bei der Zustimmung zu unserem Gesetzentwurf mit. Die SPD-Fraktion meckert auch nicht.

Danke schön.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Groskurt. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Twesten das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eigentlich ist bei diesem Thema nur eine Frage interessant, nämlich: Wer oder was hindert diese Landesregierung eigentlich daran, eine zeitgemäße, eine gute und eine wirkungsvolle Frauenpolitik zu machen?

Die Rechnung, Frauenpolitik zur Familienpolitik zu machen, also Fraueninteressen mit Familieninteressen gleichzusetzen, ist misslungen. Sie musste misslingen, weil dieser Versuch mit der Realität inkompatibel ist; denn auch CDU und FDP können nicht gegen die Wirklichkeit anregieren. Das ist beruhigend.

Sie hätten nach den Anhörungen klüger sein können. Ob Landesfrauenrat, Deutscher Juristinnenbund, ob die LAG der kommunalen Frauenbüros, die Gewerkschaften oder die Gleichstellungsbeauftragten der Obersten Landesbehörden: Alle Teilnehmer der Anhörung in 2007 schlugen Ihnen die Novelle kräftig um die Ohren.

(Gudrun Pieper [CDU]: Das stimmt ja nun nicht!)

Das Ergebnis: CDU und FDP trauten sich nicht, die Novelle ein zweites Mal anzufassen, und ließen sie verstauben.

2008 legten CDU und FDP die Novelle, die den Namen nicht verdiente, in ihrer zweiten Regierungszeit dann erneut vor. Aber auch diese Novelle ist seit mehr als zwei Jahren im Ablagekorb Frauenpolitik verschwunden. Dort stapelt sich vermutlich viel, weil nichts ordentlich abgearbeitet wird.

Es ist Fakt, dass in einem Kerngeschäft der Landesregierung jetzt die Opposition die Arbeit der Regierung machen muss. Es ist vielleicht eine Lösung, dass die Regierung das Frauenressort an die Opposition abgibt: Die, die es können, sollen es machen.

Dass diese Arbeit nötig ist, zeigt uns der hauseigene aktuelle Landesbericht, der uns letzte Woche im Ausschuss vorgestellt wurde. Der Bericht stellt der Gleichstellungspolitik von CDU und FDP ein wahrlich schlechtes Zeugnis aus: Teilzeitarbeit ist weiblich, Führungspositionen sind männlich, und Frauen werden unterdurchschnittlich bezahlt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Auf den höchsten Leitungsebenen mit entsprechender Verantwortung und Bezahlung müssen Frauen nach wie vor mit der Lupe gesucht werden. Der Anteil der Mitarbeiterinnen im höheren Dienst liegt bei noch nicht einmal einem Drittel.

Für den Stillstand in der Gleichstellungspolitik gibt es einen schlüssigen Grund: Laut Landesbericht haben Gleichstellungsbeauftragte keinen nennenswerten Einfluss auf strukturelle Entscheidun

gen. Sie sind bei der Personalentwicklung, der Arbeitsplatzbewertung und der Gremienbesetzung nicht eingebunden.

Die Folgerungen und zukünftigen Maßnahmen, die die Landesregierung aus dem Bericht zieht, sind armselig und äußerst dünn. Was die Regierung konkret plant, um die äußerst schleppende Umsetzung voranzutreiben, bleibt ihr Geheimnis.

Was das alte Gesetz nur mühsam schafft, wollen unsere Regierungsfraktionen jetzt sogar noch unmöglich machen. Die Quote - ich betone es noch einmal: eines der wirkungsvollsten Instrumente, Gleichstellung zu erreichen - soll nach den Vorstellungen von CDU und FDP aufgeweicht werden. Die Frist wurde ursprünglich im Gesetz eingeräumt, weil man davon ausging, dass bis heute alles paletti sein würde. Das Ergebnis ist allerdings niederschmetternd: Gleichstellung ist nicht erreicht, es gibt noch weniger Gleichstellungsbeauftragte mit noch weniger Einfluss. Aus dem Gleichstellungsgesetz wurde ein Vereinbarkeitsgesetz.

Wir wollen eine moderne Gleichstellungspolitik - Sie wollen einen modernen Herd.

(Beifall und Heiterkeit bei den GRÜ- NEN und bei der SPD - Glocke der Präsidentin)

Deshalb mein Rat - - -

Einen letzten Satz!

- - - an die Regierungsfraktionen zum Schluss: Die rechtliche Gleichstellung haben wir weitgehend erreicht. Von einer tatsächlichen Gleichstellung sind wir weit entfernt. Es bedarf noch großer Anstrengungen, und es wäre schön, liebe Kolleginnen von der CDU und von der FDP, wenn Sie sich daran beteiligen. Unterstützen Sie den Gesetzentwurf der SPD, um die Quote zu entfristen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Für die CDU-Fraktion hat Frau Kollegin Pieper das Wort. Bitte schön!