Protocol of the Session on June 10, 2010

Entfristung der Besetzungsreduktion

Seit dem 11. Januar 1993 ist es - aufgrund jeweils zeitlich befristeter Regelungen - möglich, bei großen Straf- und Jugendkammern die Hauptverhandlung in geeigneten Fällen nur mit zwei statt mit drei Berufsrichtern durchzuführen.

Dass sich die Besetzungsreduktion bewährt hat, entspricht nicht nur der Auffassung der Landesregierung Niedersachsens, sondern der nahezu einhelligen Meinung der Praktiker bei Staatsanwaltschaften und Gerichten. Die Forderung nach einer Entfristung der Besetzungsreduktion bei den Strafkammern wird daher nachhaltig unterstützt.

Das Bundesministerium der Justiz lässt allerdings zunächst ein Forschungsvorhaben zur Evaluierung der Besetzungsreduktion bei den großen Straf- und Jugendkammern nach den §§ 76 Abs. 2 GVG, 33 b Abs. 2 JGG durchführen, welches von einem Forschungsbeirat begleitet wird. Die Niedersächsische Landesregierung ist im Forschungsbeirat vertreten.

Anhebung der Höchststrafe bei Heranwachsenden

Gegenstand mehrerer Bundesratsinitiativen, die Niedersachsen unterstützt hat (BT-Drs. 312/03 und BT-Drs. 16/1027), war eine nicht auf bestimmte Delikte beschränkte Anhebung des Höchstmaßes der Jugendstrafe bei Heranwachsenden. Im Koalitionsvertrag auf Bundesebene ist nun vorgesehen, dass im Jugendstrafrecht die Höchststrafe für Mord auf 15 Jahre erhöht wird.

Umgestaltung des § 69 StGB (Entziehung der Fahrerlaubnis)

Für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist nach dem geltenden § 69 StGB eine Anlasstat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs erforderlich.

Niedersachsen bereitet zurzeit eine Initiative zur Aufwertung und zum Ausbau des Fahrverbots in § 44 StGB vor. Diese Initiative soll dem Bedürfnis Rechnung tragen, dass bei jeglicher missbräuchli

chen Verwendung des Kraftfahrzeugs als Tatmittel eine effektive Sanktion angeordnet werden kann. Das Fahrverbot als Hauptstrafe ermöglicht eine punktgenaue Ahndung jeglichen Missbrauchs eines Kraftfahrzeugs im Zusammenhang mit der Begehung von Straftaten auch in den Fällen, in denen eine verkehrsspezifische Ungeeignetheit als Voraussetzung für die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht angenommen werden kann. Einer so aufgewerteten Sanktion Fahrverbot kann durch eine Regelwirkung ein besonderer Anwendungsbereich bei den Zusammenhangstaten zugewiesen werden. Nur wenn besondere Umstände vorliegen, dürfte bei Zusammenhangstaten dann noch von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden.

Stärkung und Ausbau der internationalen Zusammenarbeit

In Zeiten der Globalisierung müssen die Strafverfolgungsbehörden international zusammenarbeiten. Das Niedersächsische Justizministerium sowie die niedersächsischen Gerichte und Staatsanwaltschaften unterhalten neben unregelmäßigen Kontakten zu Justizbehörden in unterschiedlichen Ländern verschiedener Erdteile intensive Justizpartnerschaften in Polen, dort mit Partnergerichten und -staatsanwaltschaften in Breslau und Posen, sowie in Russland, dort in der Region Perm, aber auch in Kirgisien. Zukünftig wird es weiter darum gehen, die internationale Zusammenarbeit u. a. durch Harmonisierung der Verfahrensordnungen bzw. des materiellen Strafrechts, aber auch und primär durch intensive persönliche Kontakte zu verbessern. Anders als noch vor einigen Jahren sind Sprachkenntnisse für Richterinnen und Richter sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte zwingende Notwendigkeit. Das Niedersächsische Justizministerium hat die Fortbildung insoweit bereits angepasst.

Zu 3: Der von Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern initiierte Gesetzentwurf zur Verbesserung der Effektivität des Strafverfahrens (BR-Drs.) greift drei Vorschläge des der Diskontinuität anheimgefallenen Entwurfs eines Gesetzes zur Effektivierung des Strafverfahrens (BR-Drs. 660/06) wieder auf, namentlich:

- Vereinfachung des Ermittlungsverfahrens durch Einführung der Pflicht von Zeugen, auf Ladung vor der Polizei zu erscheinen und auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag oder Ersuchen der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt,

- Erstreckung des § 153 a StPO auf das Revisionsverfahren und

- Modifizierung der gerichtlichen Zuständigkeit bei Entscheidungen nach § 454 b Abs. 3 StPO.

Die Niedersächsische Landesregierung begrüßt diese Anliegen. Sie hat am 20. April 2010 beschlossen, der Initiative beizutreten und als Mitantragsteller aufzutreten.

Anlage 57

Antwort

des Kultusministeriums auf die Frage 60 der Abg. Dr. Karl-Ludwig von Danwitz und Kai Seefried (CDU)

Schreiben lernen an Niedersachsens Schulen

Der Grundschulverband widmet die aktuelle Ausgabe seiner Zeitschrift Grundschule aktuell vom Mai 2010 dem Thema „Schreiben lernen mit der Grundschrift“. Dazu werden Lehrkräfte gesucht, die sich mit ihren Klassen am Projekt „Grundschrift“ beteiligen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Vorgaben haben Grundschullehrkräfte in Niedersachsen derzeit, wenn sie ihren Schülern das Schreiben beibringen?

2. Wie beurteilt die Landesregierung eine mögliche Einführung der Grundschrift?

3. Wird es in Niedersachsen Schulklassen geben, die sich am Projekt „Grundschrift“ beteiligen?

Schreiben zu erlernen, die orthografischen Grundregeln zu kennen, zu verstehen und einzuüben ist wesentliche Aufgabe in der Grundschule. Der Schreibunterricht zielt auch darauf ab, dass sich die Schülerinnen und Schüler eine persönliche, formklare und geläufige Handschrift aneignen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1: Gemäß Kerncurriculum ist es Ziel im Bereich „Schreiben“, dass die Schülerinnen und Schüler am Ende der Grundschulzeit über eine flüssige, gut lesbare Handschrift verfügen. Dazu ist es notwendig, dass den Schülerinnen und Schülern eine verbundene Schrift (es werden im Kerncurriculum explizit keine verbundenen Schriften benannt) angeboten wird, damit die Schülerinnen und Schüler selbst ausprobieren können, ob sie in Schreibschrift oder in Druckschrift formklar, gut lesbar und

flüssig schreiben können. Die Kriterien für die Wahl der Schreibschrift sind also die Lesbarkeit und das Schreibtempo.

Lesen können müssen die Schülerinnen und Schüler alle Schriften, seien es unterschiedliche Druckschriften oder unterschiedliche verbundene Schriften.

Das Kerncurriculum lässt zu, dass Schülerinnen und Schüler ihre Texte in Druckschrift schreiben, wenn diese Schrift schneller und besser lesbar geschrieben wird als eine verbundene Schrift.

Es ist Aufgabe der jeweiligen Fachkonferenz, Absprachen zur einheitlichen Verwendung der Fachsprache, Schreibschriften und fachbezogenen Hilfsmittel zu treffen. Die Fachkonferenz könnte sich daher auch für die Einführung der Grundschrift entscheiden. Das Kerncurriculum schreibt vor, dass sich die Schule auf die Verwendung einer Schreibschrift zu verständigen hat. Auf diese Weise wird für die Schülerinnen und Schüler gewährleistet, dass bei einem Klassenwechsel (z. B. be- dingt durch eine Klassenwiederholung) ein Umlernen entfällt. Des Weiteren müssen sich Lehrkräfte (z. B. im Vertretungsfall) nicht auf unterschiedliche Schreibschriften einstellen.

Zu 2: Außer dem Fachkonferenzbeschluss bedarf es keiner weiteren Grundlage, um die Grundschrift einzuführen. Im Übrigen siehe Antwort zu Nr. 1.

Zu 3: Es kann davon ausgegangen werden, dass sich niedersächsische Grundschulen an dem Projekt beteiligen. Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, wie viele Schulen sich entscheiden, an dem Projekt „Grundschrift“ teilzunehmen, da eine mögliche Projektteilnahme nicht abgefragt wird.

Anlage 58

Antwort

des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 61 des Abg. Reinhold Coenen (CDU)

Die Linke und ihr Verhältnis zur Stasi

Zur jährlichen Tagung der haupt- und nebenamtlichen Mitarbeiter der DDR-Auslandsaufklärung, der „Hauptverwaltung A“ (HVA), die am Samstag, 15. Mai, in Strausberg bei Berlin stattfand, übersandte die innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag, Ulla Jelpke MdB, ein „Grußwort an die Aufklärer“ (Quelle: http://www.ulla- jelpke.de/news_detail.php?newsid=1602) :

„Liebe Genossinnen und Genossen, auch über 20 Jahre nach der sogenannten Wende wird

die Stasi-Keule munter weiter geschwungen. Dabei geht es keineswegs um die Aufarbeitung der Vergangenheit, um die Suche nach der historischen Wahrheit oder der unvoreingenommenen Analyse des Scheiterns des ersten Sozialismusversuches. Vielmehr sollen jede positive Erinnerung an soziale Errungenschaften der DDR ebenso wie jede aktuelle Kapitalismuskritik diskreditiert werden.

Bezeichnend ist eine Sendung von Report Mainz zur NRW-Wahl. Tagelang hatten die Reporter die Kandidatinnen und Kandidaten der LINKEN verfolgt. Gefragt wurden diese nicht etwa, wie bei einer Landtagswahl zu erwarten, was die LINKE gegen die Massenerwerbslosigkeit zu tun gedenke und welche Rezepte sie zur aktuellen Wirtschaftskrise vorlegen können. Nein, weil in einem Papier einer Strömung innerhalb der LINKEN die DDR als ein legitimer Sozialismusversuch bezeichnet wurde, lautete die Gretchenfrage an die Kandidatinnen und Kandidaten allen Ernstes: ‚Wie halten Sie es mit der Stasi?’ Ich bin froh, dass sich zumindest 5,6 % der Wähler nicht durch solche Stimmungsmache beirren ließen.

Während Antikommunisten aller Couleur mit Schaum vorm Munde an der weiteren Dämonisierung der DDR und insbesondere des MfS arbeiten, sind in den letzten Jahren aus Euren Kreisen umfangreiche nüchterne wissenschaftliche Untersuchungen und Dokumentationen zur HVA entstanden. Man muss nicht jede Eurer Einschätzungen teilen. Aber es gilt anzuerkennen, dass wohl kaum ein anderer Geheimdienst so umfassend von seinen eigenen ehemaligen Mitarbeitern und Kundschaftern historisch aufgearbeitet wurde wie die Auslandsaufklärung der DDR. Viele von Euch wurden für ihren mutigen Einsatz für den Frieden nach dem Ende der DDR mit Gefängnis bestraft. Die Spione des BND - eines von Altnazis aufgebauten aggressiven imperialistischen Dienstes - gingen dagegen für ihre Operationen gegen den Sozialismus straffrei aus. Diese Ungleichbehandlung ist bis heute ein himmelschreiendes Unrecht, das ein bezeichnendes Verständnis auch auf den sogenannten ‚demokratischen Rechtsstaat’ wirft, den die Spitzel von BND und Verfassungsschutz angeblich verteidigen.

Ich erinnere an dieser Stelle an den Gewerkschafter, Journalisten und Junge-Welt-Autor Kurt Stand in den USA. Weil er politische Einschätzungen über die US-Gewerkschaftsbewegung in die DDR geschickt hat, wurde Kurt Stand Ende der 90er-Jahre zu einer langjährigen Haftstrafe wegen angeblicher Spionage für die HVA verurteilt und befindet sich seitdem hinter Gittern. Wir dürfen Kurt Stand nicht vergessen. Er muss endlich freikommen! …“

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung das vorgenannte Grußwort, auch vor dem Hintergrund der Beobachtung der Partei DIE LINKE?

2. Wie bewertet die Landesregierung die Kommentierung der Tageszeitung Die Welt vom 22. Mai 2010, dass radikale Geister nicht wie zu PDS-Zeiten an den Rand gedrängt würden, sondern in exponierte Stellung aufstiegen?

3. Welche Gefahren sieht die Landesregierung durch den (gewaltbereiten) Linksextremismus auf das Land Niedersachsen zukommen?

Eines der Kennzeichen der Partei DIE LINKE bzw. ihrer Vorgängerpartei, der aus der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) der DDR hervorgegangenen Partei des demokratischen Sozialismus (PDS), sind die starken Affinitäten zum Macht- und Herrschaftsapparat der ehemaligen DDR. Noch bis weit in die 1990er-Jahre hinein hatten etwa 90 % aller Mitglieder der damaligen PDS eine Vergangenheit in der SED. Ein bei der PDS angesiedeltes Kuratorium der Verbände war für die Kontaktpflege zu den Interessenverbänden der ehemaligen Repräsentanten und Funktionäre der DDR zuständig.

Zahlreiche frühere Funktionäre der SED bekleideten bzw. bekleiden exponierte Positionen in der PDS bzw. DIE LINKE. So war z. B. der letzte SEDMinisterpräsident der DDR, Hans Modrow, Ehrenvorsitzender der PDS und wirkt heute als Vorsitzender des Ältestenrates seiner Partei. Der frühere stellvertretende Kultusminister der DDR, Klaus Höpke, fungiert heute als Mitarbeiter des niedersächsischen Landesvorsitzenden der Partei DIE LINKE, Dr. Diether Dehm. Zuvor war er u. a. Vorsitzender der thüringischen Landtagsfraktion der PDS. Der heutige Vorsitzende der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung und vorherige parlamentarische Geschäftsführer der brandenburgischen PDS-Landtagsfraktion, Heinz Vietze, war zu DDRZeiten als SED-Bezirkssekretär des Bezirkes Potsdam tätig. Diese und andere Personen mit ähnlicher Vergangenheit werden - ebenso wie die extremistischen Zusammenschlüsse innerhalb der Partei DIE LINKE - von der Parteispitze nicht nur geduldet, sondern als wichtiger Bestandteil der Partei angesehen, die auch künftig politisch wirken sollen.