Protocol of the Session on June 10, 2010

Mit diesem Konzept konnten die Beschwerden über Jugendliche am Wilhelmsplatz in Göttingen enorm eingedämmt werden. Ich denke, das wäre auch ein sinnvolles Konzept für Hannover und den Opernplatz.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Anstelle des Innenministers sollte also die Sozialministerin hier häufiger aktiv werden und vergleichbare Konzepte auch an anderen Orten in Niedersachsen unterstützen.

Wir fordern von der Landesregierung einen anderen Schwerpunkt bei diesem Thema „Jugend und Alkohol“ und mehr Engagement im Bundesrat für höhere Steuern etc.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort Herr Humke-Focks von der Fraktion DIE LINKE. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir debattieren in dieser Woche hier nicht zum ersten Mal über Formen des Drogenmissbrauchs, es wird sicherlich leider auch nicht das letzte Mal sein; denn die Problematik exzessiven Alkoholkonsums Jugendlicher ist nicht vom Tisch zu wischen. Er gehört eben zur Lebensrealität dieser Gesellschaft, ob wir das gut finden oder nicht.

Zu den positiven Aspekten der Anträge der SPDFraktion und der Regierungsfraktionen: Die Punkte 8 beider Anträge zeigen jeweils, dass das Problem der Alkoholwerbung inzwischen zumindest halbwegs ernst genommen wird. Leider reichen unserer Auffassung nach die bestehenden gesetzlichen Beschränkungen bei Weitem nicht aus. Gerade zur jetzt beginnenden Fußballweltmeisterschaft werden wir wieder mit jedem Halbzeitpfiff zum Öffnen von Bierflaschen animiert. Ich erspare mir an dieser Stelle, genauer auszuführen, welche kulturelle Wirkung es hat, dass die Werbewirtschaft einen künstlichen Zusammenhang zwischen Alkohol und Sport konstruiert. Für junge Menschen aber kann dieses Konstrukt einen gefährlichen Beitrag zum Umgang mit Alkohol darstellen; das ist nicht zu leugnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Punkt 6 des Antrags der SPD und Punkt 9 des Antrags der Regierungsfraktionen fordern eine landesrechtliche Prüfung zwecks Unterbindung von Koma- und Flatratepartys. Auch dies ist wahrlich kein falscher Ansatz. Das unterstützen wir.

Wie glaubwürdig der Antrag der Regierungsfraktionen allerdings ist, wird deutlich, wenn wir uns an die Bilder alkoholisierter Mitglieder der Jungen Union erinnern, die ich hier gestern vorgestellt habe. Aus deren Reihen gibt es leider auch noch weitere Beispiele für den organisierten Alkoholmissbrauch. Hier habe ich ein Veranstaltungsplakat der Jungen Union, Kreisverband Bochum, für eine Wahlparty - Flatratesaufen bei der Jungen Union.

(Der Redner zeigt ein Plakat)

Schauen Sie sich das einmal an. Es gab zwar etwas Diskussionen und ein bisschen Ärger darum, aber auf der Homepage der Jungen Union wurde später nachgeschoben - ich zitiere -: Damit auch die unter 18-Jährigen aus einem reichhaltigen Angebot wählen können - bei dieser Flatratesaufparty -, hat sich die Junge Union gemeinsam mit dem Playa - das ist die Diskothek, in der das stattgefunden hat - dafür entschieden, dass an diesem Abend auch mehr alkoholfreie Cocktails als üblich auf der Karte erscheinen. - Mensch, das ist wirklich die Bekämpfung von Alkoholmissbrauch und gute Präventionsarbeit!

(Beifall bei der LINKEN)

Das Problem ist genau das kulturelle Selbstverständnis: Es suggeriert, dass Alkohol cool und erwachsen ist und ungeheuer viel Spaß macht. Ich meine jetzt nicht, dass man mal sein Bier trinkt, ob es im Fußballstadion ist, auf der Party, auf dem Schützenfest, oder dass man beim Boßeln auch einen Klaren trinkt oder so. Darum geht es überhaupt nicht. Es geht uns um die Inszenierung des Alkoholkonsums. Es ist ein Unterschied ob ich - oder Sie, Herr Riese -, ob wir irgendwann mit einem Glas Wein zusammen anstoßen. - Sie schauen so, aber dazu hätte es in Norwegen ja durchaus kommen können. - Das ist ein Unterschied; denn wir hätten das Trinken von Alkohol nicht zur Werbung und zur Darstellung des Coolseins inszeniert. Das ist nämlich nicht die Art und Weise, wie wir damit umgehen wollen.

(Zuruf: Herr Riese auch nicht!)

Hinzu kommt auch die Lobby der Spirituosenwirtschaft. All diese Sachen spielen eine Rolle im Umgang mit dem Alkoholmissbrauch. Dafür müssen wir Lösungen finden. Da greifen diese Anträge aus meiner Sicht zu kurz.

(Beifall bei der LINKEN)

Bei den angebotenen Lösungswegen wird mehr auf Repression und jugendliche Testkäufer gesetzt. Das lehnen wir grundsätzlich ab. Frau Staudte hatte gerade das Go-Willi-Projekt in Göttingen erwähnt, das in vorbildlicher Weise einen Umgang mit solchem Alkoholmissbrauch gesucht hat. Es war sehr erfolgreich, was von niemandem bestritten wird.

Auch der Deutsche Kinderschutzbund hat diese Testkäufe abgelehnt. Ich will Ihnen ersparen, das im Detail auszuführen. Die Fachmänner und Fachfrauen sind also auf unserer Seite. Stattdessen brauchen wir eine verstärkte aufklärungsorientierte

Präventionsarbeit, die Jugendliche in ihrer gesamten Alltagsproblematik ernst nimmt und mit einbezieht.

Insofern bleibt uns jetzt nur übrig, die Beschlussempfehlung abzulehnen. Selbstverständlich unterstützen wir den Änderungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen, sind aber der Auffassung, dass uns dieses Thema noch öfter beschäftigen wird.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Riese von der FDP-Fraktion hat das Wort. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns gestern bereits mit illegalen Drogen beschäftigt, heute beschäftigen wir uns mit der legalen Droge Alkohol.

Die Rezeption zum Thema Alkohol ist so alt wie die Geschichte der Menschheit. Ich erinnere daran, dass in der Bibel das Thema Alkohol in unterschiedlichster Weise dargestellt wird. Uns allen ist der trunkene Noah gegenwärtig. Uns allen ist gegenwärtig, dass im Galaterbrief vor der Trunkenheit als Gottesstrafe gewarnt wird. Der eine oder andere erinnert sich allerdings auch daran, dass zu den Wundern Jesu gehörte, bei der Hochzeit von Kana Wasser in Wein zu verwandeln. Offenbar war schon damals das alkoholische Getränk eines, das gesellschaftlich nicht geächtet war, dessen Gefahren man aber zu der Zeit erkannt hat.

In der Gegenwart ist der Alkohol in der Gesellschaft bei Weitem weniger geächtet als der Konsum von Tabak, der unmittelbare Auswirkungen auf Damen und Herren hat, die nicht so gerne rauchen wollen, auch auf den Eingangsstufen des Niedersächsischen Landtages übrigens, oder als der Konsum von bewusstseinsändernden Drogen.

Die Gefahren insbesondere des Alkoholmissbrauchs sind uns gegenwärtig. Wir haben uns u. a. im April an dieser Stelle über die gesellschaftlichen Kosten ausgetauscht, aber insbesondere über die Gefahren für die jungen Menschen selbst, die sich gesundheitlich - unter Umständen für den Rest ihres Lebens - etwas antun.

Gerade heute haben wir, passend zu dem Thema, eine Einladung von der Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen unter der Überschrift erhalten: Ju

gendschutzkontrollen durch Ordnungsbehörden - welche Maßnahmen sind sinnvoll? - Das kann man dort weiter miteinander erörtern.

Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir alle eine Gesellschaft anstreben, in der die Menschen Freiräume zur Eigenverantwortung haben und die Aufgabe des Staates allenfalls darin sehen, durch Bildung und Aufklärung einen Beitrag dazu zu leisten, dass diese gesellschaftliche Eigenverantwortung wahrgenommen werden kann.

Verbote und Restriktionen - es geht nicht ohne sie, sonst würde die Gesellschaft nicht funktionieren, aber sie widersprechen vielfach auch dem Bild des mündigen Bürgers - rufen heftige gesellschaftliche Debatten hervor und führen auch zu Umgehungstatbeständen und anderem gesellschaftlich unerwünschten Verhalten. Deswegen müssen Restriktionen immer mit großem Augenmaß erlassen und angewendet werden.

Wie gestern bei Cannabis gilt auch heute für das Thema Alkohol, dass die drei Wege, sich dem Thema zu nähern, in der richtigen Reihenfolge beachtet werden müssen. Der erste - da leistet das Land Niedersachsen Hervorragendes in Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft - ist die Prävention, die Aufklärung. Der zweite ist die Therapie, soweit Suchtverhalten bereits besteht. Der dritte sind repressive Maßnahmen, ohne die es, wie ausgeführt, nicht geht, die aber nur dort angebracht sind, wo Rechtsverletzungen begangen werden und unterbunden werden müssen.

Meine Damen und Herren, der Änderungsantrag der Grünen umfasst die Vorlage des Ausschusses, allerdings mit einigen Ergänzungen, die ich zur Ablehnung empfehle. Es ist nicht in Ordnung, wenn wir im Landtag das Geld anderer Leute so ohne Weiteres ausgeben. Das tun Sie, liebe Frau Staudte, wenn Sie z. B. dem Einzelhandel vorschreiben, wie er seine Kassen einzurichten hat. Der Einzelhandel tut das an der einen oder anderen Stelle, aber ich meine, es sollen die Beschäftigten und die Arbeitgeber im Einzelhandel miteinander ausmachen, was dort das Richtige ist. Das ist ein wunderschönes Thema für Betriebsvereinbarungen, aber bitte nicht für Entschließungen des Landtages. Deswegen empfehle ich Ihnen, meine Damen und Herren, die Annahme der Beschlussempfehlung des Ausschusses.

Sehr bedauerlich ist es, dass sich bei dieser Thematik die Koalitionsfraktionen und die SPDFraktion nicht einig werden konnten. Es waren Erfolg versprechende Ansätze vorhanden. Dann

gab es Verstimmungen über das Verfahren. Das wäre nicht nötig gewesen, weil wir alle uns im Ergebnis sehr einig sind: Prävention hat einen hohen Stellenwert, Repression ist eine Ergänzungsmaßnahme.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die CDU-Fraktion hat Herr Focke das Wort. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorab zu den Bemerkungen des Kollegen Humke-Focks: Wissen Sie, Flatratepartys, da sind wir alle uns einig, sind schlimm und falsch. Aber zu behaupten, sie seien neu? Es gab sie schon früher. Früher hieß das „15-DM-freisaufen-Fete“. Das macht die Sache nicht besser. Wir müssen konsequent dafür eintreten, dass solche Partys nicht stattfinden. Dass die Junge Union Bochum solche Partys gemacht hat, ist bedauerlich. Aber ich will Ihnen auch sagen: Wer einen Jugendverband hat, der Drogentouren „Schöner Leben mit Drogen“ durch Sachsen macht oder wer linke MdLs hat, die die Heroinabgabe an 14Jährige fordern, der sollte sich mit solchen Vergleichen doch ein Stück zurückhalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Wenn Ih- nen nichts mehr einfällt, Herr Focke!)

- Dann muss ich die Wahrheit sagen. Richtig!

(Heiterkeit bei der CDU)

Eine Anmerkung noch zur Jungen Union: Als ich Stadtverbandsvorsitzender der Jungen Union Vechta war, gab es insbesondere zu dem Thema „Alkoholmissbrauch durch Jugendliche“ eine Initiative der Jungen Union. Wir waren die ersten, die in Zusammenarbeit der Ordnungskräfte ein System eingeführt haben, wie Minderjährige trotzdem zu Feten gehen konnten. Dabei mussten sie ihre Personalausweis abgeben, die ab 12 Uhr an die Ordnungskräfte übergeben wurden. Die haben dann die Jugendlichen angesprochen, warum sie noch da sind. Entsprechend gab es unterschiedliche Stempel für die Jugendlichen, damit man das Alter erkennen kann. Dieses Modell war Beispiel für viele Abi-Feten usw. Das ist ein Verdienst der Jungen Union in Vechta gewesen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zum Thema. Alkoholmissbrauch durch Jugendliche bewegt uns alle. Bevor ich zu den Einzelheiten unseres Antrages komme, ist mir wichtig klarzustellen - das bestätigen die Untersuchungen, die in unserem Antrag aufgeführt werden -, dass die meisten jungen Menschen eben nicht ihr Wochenende damit verbringen, sich ins Koma zu saufen.

Die allermeisten jungen Menschen verbringen ihre Freizeit sinnvoll und eben nicht mit dem Konsum alkoholischer Getränke. Frau Staudte hat dies auch gesagt. 87 % der Jugendlichen trinken eben nicht regelmäßig Alkohol. Das, was uns bedrückt, ist die weiterhin hohe Zahl der Extremfälle, die nachher im Krankenhaus gelandet sind, wenn es nicht gar noch schlimmer geendet ist.

Meine Damen und Herren, wenn wir uns dem Thema widmen, dann müssen wir mit den jungen Leuten in einen Dialog eintreten. Deswegen haben wir in einem eigenen Antrag unsere eigene Position formuliert. Beispielsweise gehen wir mit der Überschrift des SPD-Antrags „Vorglühen, Komasaufen, Notaufnahme...“ als Beschreibung eines üblichen Wochenendrituals junger Leute eben nicht konform. Wir halten es für falsch, alle Jugendlichen unter einen Generalverdacht zu stellen.

(Zustimmung bei der CDU)

Das Anliegen, das wir haben, scheinen im Übrigen auch die Grünen zu haben. Frau Kollegin Staudte, die Vorbemerkungen zu unseren beiden Anträgen sind ja nahezu deckungsgleich. Was den ersten Teil angeht, sind wir doch sehr nah beieinander.