Merkwürdig ist, dass Sie nicht zu würdigen wissen, dass auch die SPD die Worte „demokratischer Sozialismus“ in ihrem Programm manifestiert hat. Ich rate, an dieser Stelle aufzupassen; denn da war ja was.
Zum Schluss will ich noch auf einen richtigen Klopfer hinweisen, den Sie sich in Ihrem Bericht geleistet haben. Sie behaupten nämlich, wir hätten im Zeitraum von Januar 2008 bis September 2009, vor allem im Rahmen der Landtags-, Europa- und Bundestagswahlen nur 26 Infostände, Veranstaltungen oder Ähnliches durchgeführt. Meine Damen und Herren, das geht so gar nicht. Da haben Sie wohl zwei Nullen vergessen. Das können Sie wirklich so nicht stehen lassen. Ich kann Ihnen sagen: Wir würden uns schämen, wenn das so wäre. Glauben Sie mir, wir sind an dieser Stelle viel, viel besser!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Innenministerium hat mich als Extremistin ausgemacht. Das weise ich entschieden zurück. Die Fragesteller kommen mir nicht nur in diesem Punkt beratungsresistent vor. Trotzdem möchte ich Ihnen helfen und etwas zu der Motivation sagen, die Menschen wie mich bewegt, sich in Organisationen oder Parteien zu engagieren, die Sie für Schmuddelkinder halten, die bekämpft werden müssten.
Die Erfahrungen und die Lehren aus dem deutschen Faschismus lauteten u. a.: Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg! - Was hat die Bundesrepublik nach der Befreiung unternommen? - Alte Nazis kamen wieder in Amt und Würden. Die gleichen Richter wie früher konnten erneut Antifaschisten zu Zuchthaus verurteilen. Die Bundesrepublik beschloss die Wiederbewaffnung. Verurteilte Kriegsverbrecher nahmen führend am Aufbau der Bundeswehr teil. Sie beteiligte sich gegen Jugoslawien und beteiligt sich immer noch in Afghanistan an völkerrechtswidrigen Kriegen. Sich dagegen aufzulehnen, ist nicht extremistisch, sondern die Pflicht derer, die sich den Lehren aus Faschismus und Krieg verpflichtet fühlen.
Mit dem Verbot der KPD und den Berufsverboten gegen Kommunistinnen und Kommunisten hat die Bundesrepublik versucht, aufrechte Antifaschistinnen und Antifaschisten einzuschüchtern und mundtot zu machen. Sich dagegen zu wehren und sich mit den Verfolgten zu solidarisieren, ist Ehrensache und nicht extremistisch.
Wenn Sie unterstellen, Menschen, die sich widersetzen, fehlten die sozialen Grundkompetenzen, dann haben Sie sich zumindest in meinem Fall geirrt. Aber nur zu! Verstärken Sie Ihre Bemühungen zur Stärkung der Sozialkompetenzen! Hoffentlich entwickeln sich dabei recht viele Menschen, die sich Ihrer sozialfeindlichen, ungerechten und aggressiven Politik widersetzen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Innenminister Schünemann, wenn Sie bei manchen Fragestellungen eine demokratische Geschlossenheit einfordern - zu der wir bereit sind -, dann bedarf es aber auch einer Diskussion über eine differenzierte Betrachtungsweise zu den Ursachen und Erscheinungsformen und über die unterschiedlichen Bekämpfungsmöglichkeiten. Latente Provokationen und das Verfallen in Opferrollen dürfen bei einem solchen Thema im Plenum keinen Raum haben. Darum sollten wir uns alle gemeinsam bemühen.
Ich möchte im Namen meiner Fraktion den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Beantwortung der Großen Anfrage danken. Aber wir haben natürlich in vielen Punkten unterschiedliche Betrachtungsweisen. Wir teilen die Einschätzungen der fragestellenden Koalition nicht und in vielen Punkten natürlich auch Ihre Antworten nicht.
Wir hätten es weitaus besser gefunden, wenn man den unterschiedlichen Extremismusbereichen eigene Anfragen gewidmet hätte.
So steht wieder eine Gleichsetzung im Raum, auch wenn Sie das nicht wollen. Die ideengeschichtlichen Unterschiede blendet man dabei aus. Das führt leider zu einer Vermischung und dazu, dass man Straftaten von rechts und links gegeneinander aufwiegt.
Ich will versuchen, sachlicher an dieses Thema heranzugehen. Einleitend möchte ich sagen: Herr Minister Schünemann, wir haben nie gesagt, dass von Ihrer Seite nichts gegen Rechtsextremismus unternommen werde. Sie führen viele Sachen fort, die teilweise von uns begonnen wurden. Das ist gut und richtig. Was uns aber fehlt, ist ein Gesamtkonzept, das auf Stetigkeit ausgerichtet ist.
Das haben wir in unserem Antrag zum Ausdruck gebracht. Sie haben ihn leider abgelehnt. Die Landesregierung reagiert teilweise sehr schnell auf Erscheinungsformen des Rechtsextremismus. Aber diese Maßnahmen müssen gebündelt werden. Sie müssen in ein Gesamtkonzept eingefügt werden.
Die Ursachen sind unterschiedlich. Ich möchte da Professor Stöss zitieren, der sagt, dass die gesellschaftlichen Ursachen, die zu Rechtsextremismus führen, und die politische Ausgrenzung im Grunde genommen bekämpft werden müssen. Rechtsextremismus entsteht nicht aus sich heraus, sondern hat politische und gesellschaftliche Ursachen. Daran müssen wir als Demokratinnen und Demokraten gemeinsam arbeiten.
Es geht auch um vernünftige, finanziell unterlegte Präventionsmaßnahmen. Wir finden es gut, wenn Aussteigerprogramme gefördert werden. Aber ich glaube, da müssten wir noch eine ganze Menge
mehr tun. Wir müssen auch den Blick darauf richten, was in der sogenannten Mitte der Gesellschaft passiert. Mein ehemaliger Professor Negt hat immer gesagt: Wenn 40 % aller Befragten einer wissenschaftlichen Studie rechtsextremes bzw. ausländerfeindliches Gedankengut transportieren, widersprechen viele nicht, weil sie sich einfach nicht trauen. Das ist nicht ausschließlich ein Problem von Jugendlichen und bildungsfernen Schichten, sondern betrifft viele Bereiche im Zentrum der Gesellschaft.
Ich bin Herrn Briese dafür dankbar, dass er das vorhin für den Bereich des latenten Rassismus noch einmal zum Ausdruck gebracht hat. Hier im Hause kann und darf das doch nicht sein. Man kann sich mit der neuen Ministerin Frau Özkan sachlich streiten. Aber wenn ein repräsentativer Vertreter der hessischen CDU sagt, die Benennung sei eine Fehlentscheidung und sie würde deutsche Interessen nicht vertreten,
Frau Ministerin, da haben Sie uns an Ihrer Seite. Man muss nicht immer voraussetzen, dass alle in diesem Hause immer zwingend Christen sind. Wir müssen Toleranz haben und sie auch in der Diskussion über Unterschiede in den Religionen zum Ausdruck bringen. Aber hier geht es um demokratische Wertvorstellungen. Dafür sollten wir gemeinsam streiten.
Meine Damen und Herren, vielen Dank für die Ausführungen zu den Bereichen der Vernetzung der Rechtsextremen im Bereich der Kameradschaften. Da müssen wir gemeinsam eine ganze Menge von Konzepten entwickeln.
Aber ich will auch ansprechen, dass es für uns genauso wichtig ist, in die Bereiche der Strafverfolgung hineinzugehen. Sie sagen, im rechtsextremistischen Bereich hat es weniger Gewaltverbrechen gegeben. Aber vielfach ist der rassistische Hintergrund gar nicht direkt nachzuweisen. Wenn ein Obdachloser zusammengeschlagen
wird, dann kann das durchaus einen rechtsextremrassistischen Hintergrund haben, der in der Strafverfolgung vielleicht nicht gut ermittelt wird. Ich meine, dass wir da noch eine ganze Menge machen müssen, auch im Bereich des Internets. Mich hat es erschreckt, dass Tausend Homepages von Rechtsradikalen bis auf die unterste Ebene zu verzeichnen sind, auf denen sie ihre Ideologie verbreiten. Wir finden es natürlich auch erschreckend, dass Schülerzeitschriften wie beispielsweise Der Bock auch in der Region Hannover verteilt werden. Dagegen sollten wir gemeinsam vorgehen.
Dabei haben Sie uns an Ihrer Seite. Allerdings wollen wir ein Gesamtkonzept und nicht eine Vermischung.
Im letzten Monat habe ich gesagt, dass einer der Ansatzpunkte unserer Kritik ist, dass man eine gut funktionierende Rechtsextremismus-Ausstellung, die an Schulen und in den Regionen vielfach präsentiert wird, nicht einfach über sechs Tafeln zum Thema Linksextremismus ergänzen kann. Dadurch verwischt man Unterschiede und betreibt man Gleichmache, die bei vielen Jugendlichen und auch bei den pädagogischen Kräften nicht gut ankommt.
Sie veranstalten ja auch mit Unterstützung der Integrationsabteilung einen Jugendkongress „Gegen Extremismus - für Toleranz und Vielfalt“. Das finden wir gut. Aber wenn man einem Workshop den sicherlich provokativen Titel „Zecken gegen Glatzen“ gibt, dann greift man Unworte auf, die, meine ich, in unserer Diskussion keinen Platz haben sollten.
Zum Bereich Linksextremismus: Wir sind uns einig, dass gewalttätiger Linksextremismus ganz entschieden bekämpft werden muss. Aber für uns stellt sich auch die Frage, warum Kritiker und junge Menschen, die friedlich gegen den Klimawandel oder gegen Castortransporte vorgehen und demonstrieren, in die Nähe von linksextremistischen Bereichen gerückt werden.
Das muss sauber untersucht werden. Das können wir so pauschal nicht teilen. Wir meinen, dass dort ein Fehler von Ihrer Seite vorliegt.
Das Gleiche gilt für militante Tierschützer, die nicht zwingend dem linksextremen Spektrum zuzuordnen sein müssen. Teilweise sind das junge Menschen, die sich zu Wort melden und dann gewalttätig werden, wogegen wir vorgehen müssen.
Im Klartext: Es geht um Bürgerrechte und Demonstrationsrechte. Ich freue mich, wenn junge Menschen gegen schlechte Bildungsbedingungen, gegebenenfalls gegen eine schlechte Sozialpolitik oder für internationale Arbeit demonstrieren und auf die Straße gehen. Das sollten wir verteidigen und diejenigen, die Provokateure sind, abwehren.
Lassen Sie mich zum Schluss noch auf den Bereich Islamismus und Ausländerextremismus eingehen. Natürlich müssen wir das bekämpfen. Aber es kann und darf nicht sein, dass salafistische Gruppen - die ausgeschlossen werden sollten, weil sie antidemokratisch sind - als Indikator dafür herhalten müssen, dass insgesamt gegebenenfalls eine muslimfeindliche Stimmung in der Gesellschaft gefördert werden kann.
Das geht nicht. Ich will einige provokative Beispiele dafür bringen, dass Rechtsextreme sofort darauf aufspringen. Letztes Wochenende habe ich eine Bekannte in Essen besucht. Dort plakatiert die NPD mit dem Slogan „Bildung statt Moscheen“. Viele Bürgerinnen und Bürger finden das leider prima. Wir müssen damit sehr vorsichtig umgehen, dass es nicht zu islamophoben Grundstimmungen in unserer Gesellschaft kommt, auf die Rechtsextreme aufspringen.