Kettenduldung auseinandergesetzt. Die unterschiedlichsten Gruppen - Wohlfahrtsverbände, Kirchen, Gewerkschaften, kommunale Vertretungen und viele gesellschaftliche Initiativen - fordern schon lange eine nach menschenrechtlichen und humanitären Gesichtspunkten gelöste Bleiberechtsregelung. Die Menschen benötigen Rechtssicherheit und keine Duldung. Dazu bedarf es einer Bundesratsinitiative, die hier von allen Oppositionsfraktionen gefordert wird.
Wer fünf Jahre in der Bundesrepublik Deutschland lebt, soll ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten, Familien mit Kindern bereits nach drei Jahren. Personen, die besonders schutzbedürftig sind, z. B. Kranke, Alte, Behinderte, sollen noch früher ein dauerhaftes Bleiberecht erhalten; denn diese Gruppe ist im Moment überhaupt nicht wirklich berücksichtigt.
Notwendig ist vor allem auch, dass Aufenthaltserlaubnisse unabhängig vom Nachweis des eigenen Einkommens erteilt werden. Ich will hier noch einmal ganz deutlich sagen: Sie haben diesen Menschen lange Zeit ein Arbeitsverbot auferlegt und ihnen durch die Residenzpflicht die Möglichkeit genommen, sich um Arbeit zu bemühen. Selbst Fachleute sagen, aufgrund der Wirtschaftskrise hätten diese Menschen die geringsten Chancen, einen Job zu finden.
Doch dieses Spiel kennen wir seit Langem und zur Genüge. Die Bundesregierung und die Innenminister schieben sich gegenseitig die Verantwortung zu, und wer genau hinsieht, erkennt: Die Innenministerkonferenz hat bis heute überhaupt keine wirkliche Lösung gefunden. Die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis auf Probe wurde einfach durchgeführt, aber mit völlig unklar formulierten Bedingungen. Da wird z. B. eine positive Erwerbsprognose gefordert. Aber was ist das eigentlich, meine Damen und Herren, und wie kann man glauben, dass eine solche Prognose in diesen Krisenzeiten überhaupt möglich ist? Die Auslegungsmöglichkeiten für die Innenminister sind beliebig gestrickt.
Meine Damen und Herren, das alles zeigt, wie berechtigt die Forderung nach einer dauerhaften und großzügigen gesetzlichen Bleiberechtsregelung ist. Schon jetzt sind wieder um die 60 000 Menschen länger als sechs Jahre im Duldungsstatus, was zeigt, wie fatal eine Stichtagsregelung wirkt.
Wir begrüßen es, dass die SPD in ihrem Gesetzentwurf auf Bundesebene eine Regelung ohne Stichtag vorschlägt. Aber der Gesetzentwurf ist mit seinen zahlreichen Bedingungen auch ein Dokument des Misstrauens gegenüber den langjährig Geduldeten. Bemerkenswert ist - das will ich an dieser Stelle auch noch einmal sagen -, dass die SPD in der Opposition einen solchen Entwurf vorlegt. Warum, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben Sie das nicht im letzten Sommer getan, als Sie noch am Kabinettstisch saßen?
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen jetzt zum wiederholten Mal über dieses Thema. Deshalb kann ich mich kurz fassen.
Erstens bleibt festzustellen, dass die SPD jetzt als Oppositionspartei hier und auch im Bund wirklich eine Kehrtwende vollzogen hat. Sie ist jetzt bereit, Zuzug in die Sozialsysteme tatsächlich hinzunehmen. Nichts anderes bedeutet der Antrag auf Bundesebene, in dem es heißt: Wenn man fünf Jahre, auch illegal, in Deutschland geblieben ist, muss man tatsächlich lediglich nachweisen, dass man versucht, einen Arbeitsplatz zu bekommen - das Bestreiten des Lebensunterhalts spielt im Ergebnis nicht die entscheidende Rolle -, und nach zehn Jahren, egal ob man sich um Arbeit bemüht hat oder nicht, kann man grundsätzlich hier bleiben. Das ist eine Kehrtwende, die auch die Bevölkerung zur Kenntnis nehmen muss. Ich kann nur sagen: Das ist nicht das Ziel und entspricht auch nicht der Politik zumindest dieser Seite dieses Hauses.
Richtig ist, wirklich eine Einzelfallprüfung vorzunehmen. Das ist im Prinzip auch im Asylrecht der Hauptgedanke. In dem Zusammenhang werden Bleiberechtsregelung, Asylrecht und Aufenthaltsrecht immer wieder vermischt und miteinander vermengt. Mir wird immer vorgeworfen, bei der Bleiberechtsregelung fielen einige, die besonders betroffen sind, im Prinzip durchs Netz. Sie sprechen dann von kranken, traumatisierten und pfle
gebedürftigen Ausländern. Dieser Personenkreis hat aber mit dem Bleiberecht nichts zu tun, sondern für diese Personen gibt es andere Möglichkeiten im Aufenthaltsgesetz. Hier können humanitäre Gründe geltend gemacht und entsprechend umgesetzt werden. Deshalb sollte man die unterschiedlichen Regelungen nicht miteinander vermischen.
Meine Damen und Herren, die neue Bundesregierung wird in naher Zukunft hier Änderungen vorschlagen. Ich bin froh, dass gemeinsam mit den Ländern Wege beschritten werden. Ich wundere mich sehr über den Antrag der SPD; denn als sie noch in Regierungsverantwortung war, hatte sie aus ordnungspolitischen Gründen dort immer den Arbeitsmarkt im Blick, und sie hat verhindert, dass wir den Zeitraum für die Vorrangprüfung noch weiter reduzieren. Im Moment sind es vier Jahre. Scholz und Müntefering haben dafür gekämpft, dass diese Frist nicht weiter abgesenkt wird.
Ich kann mir durchaus vorstellen - das will ich Ihnen ganz deutlich sagen -, dass wir auf die Vorrangprüfung ganz verzichten; denn wenn jemand sich auf dem Arbeitsmarkt durchsetzt, obwohl er die Sprache nicht spricht, dann soll man ihm meiner Ansicht nach auch die Möglichkeit geben, hier einen Arbeitsplatz zu bekommen. In diesen Fällen ist die Schutzfunktion aus meiner Sicht überhaupt nicht notwendig, und deshalb bin ich gespannt, wie die SPD jetzt reagiert, wenn sie in der Opposition ist.
Meine Damen und Herren, der nächste Punkt, die Notwendigkeit wirklicher struktureller Veränderungen, ist hier schon angesprochen worden. Wir müssen uns besonders um die Menschen kümmern, die in unserem Land eine Zukunft haben und dieses Land auch weiter voranbringen können. Das sind die Kinder und Jugendlichen. Deshalb ist dieser Vorstoß gemacht worden, und ich freue mich, dass es immer mehr Anhänger dieses Vorstoßes gibt, der auf Jugendliche abzielt, die integriert sind, die hier einen Schulabschluss machen und anschließend die Möglichkeit haben, eine Ausbildung zu absolvieren, und damit unser Land weiter voranbringen.
Dass man diesen Jugendlichen ein gesondertes Aufenthaltsrecht gibt, ist meiner Ansicht nach absolut richtig und auch im Interesse unseres Landes. Denen sollte man eben nicht vorwerfen, dass die Eltern Pässe weggeworfen oder andere Dinge unternommen haben. Das darf kein Grund sein, ihnen ein Aufenthaltsrecht zu verweigern. Genau an dieser Stelle müssen wir ansetzen, meine Da
men und Herren, um Gerechtigkeit herzustellen, damit vor allen Dingen junge Menschen, die zu uns gekommen sind, tatsächlich eine Zukunftschance haben.
Es kann aber nicht sein, dass Eltern, die z. B. straffällig geworden sind oder andere Verstöße begangen haben, automatisch ein Aufenthaltsrecht bekommen, nur weil sie Kinder haben. Das wird nicht gehen. Dass man bis zur Volljährigkeit die Betreuung sicherstellen muss, ist selbstverständlich, aber anschließend muss man auch sagen: Wenn sie tatsächlich ihren Lebensunterhalt nicht sichern oder wenn sie sich etwas haben zuschulden kommen lassen, dann ist es nicht gerechtfertigt, dass sie ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht bekommen. Es kann nicht das Signal sein, dass man sich nur zehn Jahre hier in Niedersachsen oder in Deutschland im Prinzip durchgeschlagen haben muss und auch nicht verpflichtet ist, seinen Lebensunterhalt zu sichern, meine Damen und Herren.
Wir müssen uns um die Kinder und Jugendlichen kümmern, und das ist genau der Weg, den die Union hier in Niedersachsen verfolgen wird.
Ich halte das Haus damit einverstanden, dass wir zunächst über die Beschlussempfehlung abstimmen, die sich inhaltlich am weitesten vom Ausgangsantrag entfernt. Nur falls diese abgelehnt wird, stimmen wir anschließend noch über die Änderungsanträge ab, und zwar dann zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE und danach über den Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. - Ich sehe, Sie sind einverstanden.
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drs. 16/1352 in der Fassung der Beschlussempfehlung annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist mehrheitlich so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe dann den letzten Tagesordnungspunkt für heute, den Tagesordnungspunkt 29 auf:
Zweite Beratung: Kennzeichnungspflicht stärkt Vertrauen in die Polizei - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/2277 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres, Sport und Integration - Drs. 16/2392
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Um es gleich vorwegzunehmen: Es geht hier nicht um einen Generalverdacht gegenüber den Kolleginnen und Kollegen der Polizei. Sie verrichten einen schwierigen Dienst unter oft schwierigsten Umständen. Meine Fraktion ist deshalb in der Vergangenheit für eine bessere Ausstattung und für eine bessere finanzielle Versorgung der Kolleginnen und Kollegen eingetreten. Das werden wir auch in Zukunft tun und wünschen uns, dass die Regierungsfraktionen ein Einsehen haben.
Meine Damen und Herren, unser Antrag hat das Ziel, das Vertrauen in die Polizei und das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat zu stärken; denn der Staat ist der Bürgerin und dem Bürger gegenüber zu Transparenz verpflichtet. Das bedeutet: Wenn Beamtinnen und Beamte hoheitlich handeln, treten sie auch immer als Individuen auf.
Auch im öffentlichen Dienst ist das so. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die für die Weitergabe von Sanktionen verantwortlich sind - z. B. bei der Arge, der Gerichtsvollzieher oder auch der Finanzbeamte -, sind namentlich allesamt bekannt, auch wenn sie schlechte Nachrichten bringen.
Oder betrachten wir einen Menschen, der ein Verbrechen begangen hat: Er wird verhört. Der Name des Kriminalbeamten ist selbstverständlich bekannt. Er trifft den Staatsanwalt - Name bekannt. Er steht vor dem Richter - Name bekannt. So ließe sich die Kette noch weiter fortführen.
Meine Damen und Herren, am 19. September 2001 wurde vom Ministerkomitee des Europarats ein Europäischer Kodex für Polizeiethik verabschiedet, der eine Selbstverpflichtung für alle Mitgliedstaaten des Europarats darstellt. Zentral sind
„Beamtinnen und Beamte mit Polizeibefugnissen sind auf allen Rangstufen persönlich verantwortlich und rechenschaftspflichtig für ihr eigenes Tun und Unterlassen oder für ihre Anweisungen an Untergebene.“
„Beamtinnen und Beamte mit Polizeibefugnissen sind während Einsätzen gewöhnlich in der Lage, sich hinsichtlich ihrer Zugehörigkeit zur Polizei und ihrer amtlichen Identität auszuweisen.“
Kommentiert wird das dann wie folgt: Ohne die Möglichkeit, eine Polizistin oder einen Polizisten persönlich zu identifizieren, wird der Begriff der Rechenschaftspflicht aus der Perspektive der Öffentlichkeit sinnentleert. - Klare Worte und ein klares Plädoyer für eine Kennzeichnungspflicht, wie wir sie mit diesem Antrag fordern.
Meine Damen und Herren, die Kennzeichnungspflicht gibt es in Hamburg und auch in Holland sowie ferner in Berlin, Großbritannien, Nordirland und auch in Spanien sowie in Tschechien.
Meine Damen und Herren, noch einmal, weil einmal für Sie ja nie reicht: Mit der vorgeschlagenen Regelung wird ausdrücklich kein Generalverdacht gegen die Polizei ausgesprochen, sondern ein neuer Vertrauenstatbestand geschaffen. Die Diskussion über die Identifizierbarkeit der Polizeikräfte gibt es gegenwärtig in vielen Bundesländern. So liegt eine entsprechende Initiative beispielweise auch in Schleswig-Holstein vor. Unterstützt wird das Vorhaben von Bürgerrechtsgruppen wie beispielsweise Amnesty International.
Meine Damen und Herren, es geht nicht darum, dass die Polizistin bzw. der Polizist im Streifendienst in Zukunft eine Nummer oder ihren bzw. seinen Namen tragen soll. Das geschieht in der Regel ohnehin freiwillig, weil damit ein besonderes Vertrauensverhältnis aufgebaut wird. Es geht vielmehr um die geschlossenen Einheiten und die Einsätze, bei denen unter Umständen auch Zwangsmaßnahmen notwendig sein können.
Aber gerade hier, wo dem einzelnen Polizisten ein Mittel an die Hand gegeben wird, das keinem anderen Bürger zusteht, nämlich unmittelbaren
Zwang auszuüben, muss auch überprüfbar sein, ob die Pflicht zur Verhältnismäßigkeit und das Übermaßverbot individuell eingehalten werden.
Auch in Niedersachsen hat es Ereignisse, z. B. während der Castortransporte oder auch bei anderen Demonstrationen, gegeben, die den Eindruck erweckt haben, dass das Tragen von Uniformen und Helmen eine Strafverfolgung faktisch ausschließt. Der Rat der Stadt Dannenberg hat einstimmig beschlossen, die Polizeidirektion anzuhören. Die Vertreter der Polizeidirektion sind aber nicht gekommen; sie haben abgesagt. Sie wollten nicht Rede und Antwort zu der Frage stehen, wie Polizistinnen oder Polizisten bei Castortransporten nach Vorfällen wieder sichtbar gemacht werden können. Das schwächt und beschädigt allerdings das Vertrauen in die Polizei und schadet insbesondere der übergroßen Mehrheit der Polizistinnen und Polizisten, die ihre schweren Aufgaben korrekt, verantwortungsbewusst und engagiert erfüllen.