Das geht nicht. Ich will einige provokative Beispiele dafür bringen, dass Rechtsextreme sofort darauf aufspringen. Letztes Wochenende habe ich eine Bekannte in Essen besucht. Dort plakatiert die NPD mit dem Slogan „Bildung statt Moscheen“. Viele Bürgerinnen und Bürger finden das leider prima. Wir müssen damit sehr vorsichtig umgehen, dass es nicht zu islamophoben Grundstimmungen in unserer Gesellschaft kommt, auf die Rechtsextreme aufspringen.
Ich bitte Sie, gemeinsam mit uns daran zu arbeiten, dass die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer unterschiedlichen Herkunft, ihres Glaubens, ihrer weltanschaulichen Ansicht oder ihres Aussehens in diesem Land keinen Platz hat. Dabei haben Sie uns an Ihrer Seite.
Auf den Beitrag von Frau Leuschner hat sich Frau Flauger zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie haben anderthalb Minuten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Leuschner hat eben das Thema Islamfeindlichkeit angesprochen. Hier führen wir ja eine Debatte zum Thema Extremismus. Damit erfolgt leider immer eine gewisse Gleichsetzung, aber sei es drum.
Ich möchte von der Internetseite Politically Incorrect zitieren. Ich bitte Sie, insbesondere bei dem ersten Satz gut zuzuhören.
„Wie schwer es Politiker etablierter Parteien haben, die sich in der Öffentlichkeit islamkritisch äußern, musste heute einmal mehr der hessische CDU-Landtagsabgeordnete HansJürgen Irmer erfahren.“
Dann folgen ein paar Zitate von ihm: „Der Islam ist auf Eroberung der Weltherrschaft fixiert“, „Der Zuzug von Muslimen ist eine gefühlte Landnahme“, „Wir brauchen nicht mehr, sondern weniger Muslime“.
Jetzt fragen Sie: Was hat das mit der Debatte hier zu tun, und was geht uns das eigentlich an? - Ich will Ihnen sagen, was uns das angeht: Diese Internetseite Politically Incorrect hat Kristina Köhler bis ungefähr zu dem Zeitpunkt, als sie zur Familienministerin ernannt wurde, regelmäßig auf ihrer Internetseite verlinkt!
Wenn Sie Menschen in Ihrer Partei haben, die solche Dinge unterstützen, dann sollten Sie sich schwer zurückhalten, wenn Sie Vergleiche zwischen verschiedenen Arten ziehen, die Sie alle Extremismus nennen! Mit so etwas wie dem, was Frau Köhler da verlinkt hat und was Sie offensichtlich unterstützen, wollen wir nicht in einen Topf geworfen werden!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die uns vorliegende Große Anfrage zum Thema Extremismus macht eines deutlich: Die Struktur sowohl der Fragestellung als auch der Antwort entstammt offensichtlich den Theorien der Professoren Backes und Jesse aus Sachsen, die enge Berater der dortigen CDU sind. Deren Lehre ist aber keineswegs so unumstritten, wie Sie es uns hier glauben machen wollen, meine Damen und Herren.
Die Auffassung, dass es in unserer Gesellschaft Rechtsextreme, Linksextreme und dazwischen die verfassungstreuen Bürgerinnen und Bürger gebe und dass Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat nur von den Rändern her drohe, ist zu pauschalierend und zu undifferenziert.
Sie verharmlost, wie Kollegin Leuschner gerade ausgeführt hat, den Rassismus der Mitte, den es in anderen Teilen gibt. Sie ist darum völlig ungeeignet, um die gegenwärtige Lage zu erklären.
Aber der Reihe nach. Aus dem Kapitel über Rechtsextremismus geht deutlich hervor, dass wir in Niedersachsen eine feste und teilweise regional sehr starke rechtsextreme Szene haben. Das zeigt die Anzahl der Straftaten, und das zeigen auch die Zahlen der sonstigen Aktivitäten. Das erfordert von Landesseite her entschlossenes und dauerhaftes Handeln gegen Rechtsextremismus.
Wie sieht es damit bei dieser Landesregierung aus? - Dazu sollte man sich die Reaktionen der Landesregierung in den vergangenen Landtagsdebatten anschauen. Egal welche neue Maßnahme die Opposition gefordert hat, stets haben Sie, Herr Innenminister, betont, dass Sie bereits alles Notwendige tun und dass es überhaupt keinen Bedarf für neue Maßnahmen gebe. Nun kündigen Sie in der Antwort immerhin Lehrerfortbildungen, eine Broschüre, eine Ausweitung der „Aussteigerhilfe Rechts“ und vieles mehr an. Es freut mich sehr, dass wir Oppositionsparteien zu Ihrem Erkenntnisgewinn beitragen konnten, Herr Schünemann.
Lassen Sich mich das klarstellen - Frau Leuschner hat das gerade auch richtig gesagt; ich möchte das ebenfalls klarstellen, damit kein schiefes Bild entsteht -: Es ist nicht so, dass wir Ihnen vorwerfen, dass Sie nichts tun oder dass Sie auf dem Auge blind wären. Das haben wir in den Landtagsdebatten auch nicht gesagt. Sie haben z. B. die Förderung der ARUG verstetigt, was wir sehr begrüßen und sehr unterstützen. Aber was wir einfordern - ich kann nach wie vor nicht nachvollziehen, warum Sie sich dagegen sperren -, ist ein ressortübergreifendes abgestimmtes Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, wie es das in vielen ostdeutschen Bundesländern längst gibt, meine Damen und Herren.
Zum Thema Linksextremismus muss ich sagen: Mir ist nach wie vor nicht klar, was nach Ihrer Definition, Herr Innenminister, eigentlich Linksextremismus ist.
Damit es keine Missverständnisse gibt: Wenn wir mit Linksextremen diejenigen meinen, die Steine oder, noch schlimmer, Molotowcocktails auf Polizisten oder andere schmeißen, dann sind wir uns in der Ablehnung und Verurteilung einig.
Wir haben ein staatliches Gewaltmonopol, und wir haben ergänzend dazu die §§ 32 bis 34 Strafgesetzbuch, die Notwehr und Nothilfe regeln. Wer darüber hinaus Gewalt anwendet - sei es gegen Polizisten, sei es gegen Nazis oder andere -, der steht nicht auf dem Boden unserer Rechtsordnung, und von solchen Leuten distanzieren wir uns scharf.
Die Zeit reicht leider nicht aus, um auf alle Ihre Antworten im Einzelnen einzugehen. Deshalb nur ein paar Beispiele dafür, wer bei Ihnen alles unter „linksextrem“ fungiert. Da sind zum einen Globalisierungskritiker, die Maßnahmen der Bundesanwaltschaft kritisieren, die vom BGH später als rechtswidrig eingestuft worden sind - laut Schünemann linksextrem. Da sind Antifaschisten, die auch den Kapitalismus ablehnen - laut Schünemann linksextrem, obwohl das Grundgesetz keine Wirt
schaftsordnung vorgibt, wie Sie selber schreiben. Und es geht weiter: Selbst Clowns, die sich zunehmend auf Demos finden, sind laut Schünemann linksextrem.
Wenn es nicht so ernst wäre, Herr Innenminister, dann müsste ich Sie fragen, wann Sie den Verfassungsschutz in Marsch setzen, um hier in Hannover die Clownschule beobachten zu lassen.
Für unsere Partei besonders sensibel sind schließlich die Warnungen vor den Demonstrationen gegen die Castortransporte. Herr Schünemann, hören Sie endlich auf, die Atomkraft zu rechtfertigen, indem Sie deren Gegner diskreditieren! Die Menschenkette am vergangenen Wochenende hat eindrucksvoll gezeigt, wie friedlicher Protest von über 100 000 Menschen gegen Atomkraft funktionieren kann. Das sollten Sie anerkennen, anstatt durch Ihre Aussagen die Stimmung vor den Castortransporten anzuheizen.
Auf die Frage nach linksextremen Demonstrationen werden einfach pauschal alle Demonstrationen aufgelistet, bei denen nach Auffassung der Landesregierung auch Linksextreme mitgelaufen sind, darunter auch etliche Demonstrationen, die von Grünen, SPD und der Partei DIE LINKE getragen worden sind. Auch Sie müssen eines Tages lernen, Herr Schünemann: Friedliche Demonstrationen bedrohen nicht die Demokratie, sie sind deren Bestandteil, und sie bewahren diese Regierungsform, meine Damen und Herren. Nicht jeder, der einen schwarzen Kapuzenpulli trägt, ist gewaltbereit. Nicht jede Gruppe, die antifaschistisch arbeitet, möchte Nazis mit rechtswidrigen Mitteln bekämpfen. Hier wären Differenzierung und Taktgefühl angebracht, Herr Innenminister. Stattdessen packen Sie wieder einmal den Holzhammer aus und dreschen verbal auf junge Menschen ein.
Sie grenzen aus, stempeln junge Menschen ab, die sich gegen Nazis engagieren, und spalten die Gesellschaft.
Protest und Ablehnung, Herr Innenminister, gehören zur Sozialisation vieler junger Menschen dazu. Statt sie dafür auszugrenzen und abzustempeln, wäre es Ihre Aufgabe, ihnen Wege im Rahmen der Verfassung aufzuzeigen.
Zum Kapitel Ausländerextremismus gilt: Auch hier beherrscht Pauschalität das Bild, wo Differenzierung angebracht wäre. Schon der Begriff scheint der Mottenkiste zu entstammen. Geht es hier denn wirklich überwiegend um Ausländer, also um Zusammenschlüsse von Personen mit nichtdeutscher Staatsangehörigkeit, oder handelt es sich bei den allermeisten Organisationen nicht vielmehr um solche, die von Deutschen getragen und organisiert werden und die zum Teil auch ausländische Mitglieder haben? Mit Ihrer Begriffswahl suggerieren Sie, dass es sich hierbei um Problembereiche handelt, die gewissermaßen von außen nach Deutschland hereingetragen worden sind und eigentlich gar nicht zu uns gehören.
Dass Sie Maßnahmen gegen die vorhandene islamistisch-terroristische Bedrohung ergreifen, ist notwendig und angemessen. Aber ich vermisse bei Ihnen eine echte Kultur der Anerkennung eines demokratischen und toleranten Islam. Ihre rechtswidrigen Moscheekontrollen und nicht zuletzt die scharfen Töne in der Debatte um die Kruzifixe machen das Vertrauen in muslimischen Kreisen kaputt.
Abschließend bleibt zu wünschen, dass Differenzierung und Feingefühl von dieser Landesregierung möglichst bald als Mittel der Wahl entdeckt werden, meine Damen und Herren.
Ganz herzlichen Dank, Herr Präsident. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Extremismus ist jegliche politisch bestimmte Bestrebung, die sich gegen unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung richtet. Extremismus, und zwar jede Form von Extremismus, ist daher eine Gefahr. Deswegen haben wir uns entschieden, in der Großen Anfrage alle Formen des Extremismus gemeinsam zu be