Protocol of the Session on April 29, 2010

Die Antwort auf die Große Anfrage macht sehr deutlich, dass die Landesregierung schon seit einiger Zeit eine ganze Reihe von Maßnahmen mit dem Ziel der Prävention auf den Weg gebracht hat. Dabei geht es auch um Aufklärung über die Gefahren im Internet. Wir schulen Multiplikatoren über rechtsextremistische Internetstrategien und suchen die Zusammenarbeit mit Providern.

Meine Damen und Herren, wir wollen einen weiteren neuen Weg beschreiten. Mit der Aktion „Neustart“ soll der Verfassungsschutz die bereits vorhandene „AussteigerhilfeRechts“ des Justizministeriums ergänzen. Es geht darum, noch nicht straffällig gewordene Rechtsextremisten aus der Szene zurückzuholen bzw. sie vor einem weiteren Abgleiten zu bewahren. Wir sind auf vielfältige Weise unterwegs, um den Rechtsextremismus aktiv zu bekämpfen.

Meine Damen und Herren, so wie die Gewalt von Islamisten und Rechtsextremisten, so muss auch die Gewalt, die von Linksextremisten ausgeht, klar geächtet werden. Für das Jahr 2009 und auch bereits für das Jahr 2010 haben wir ein steigendes Gewaltpotenzial im linksextremistischen Bereich zu verzeichnen. Zahlreiche Brandanschläge auf Autos in Berlin, in Hamburg, aber auch in Göttingen und Lüneburg gehen auf das Konto von Linksextremisten. Wir sind das Land mit der drittgrößten Häufigkeit an Brandanschlägen auf Autos und auf andere Gegenstände. Das muss uns zu denken geben.

Auch Menschen werden gezielt angegriffen, oder es wird in Kauf genommen, dass sie zu Schaden kommen. Vor allem sind Polizisten immer wieder das Ziel linker Extremisten.

Mit Sorge beobachte ich, dass vor allem die LinksRechts-Konfrontation zunimmt. Teile des rechten Spektrums, die sogenannten autonomen Nationalisten, haben das szenetypische Verhalten ihrer linken Gegner weitgehend übernommen, und zwar hinsichtlich der Strategie, der Feindbilder, des Erscheinungsbilds und des Auftretens bei Demonstrationen. Auch dies hat Auswirkungen auf das Aggressionspotenzial, vor allem gegenüber Polizeikräften.

Meine Damen und Herren, die Akzeptanz von Gewalt ist ein Spiel mit dem Feuer. Gewalt darf keinerlei Toleranz finden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP - Zustimmung von Helge Lim- burg [GRÜNE])

Ich wünsche mir, dass wir ein gesamtgesellschaftliches Bündnis schmieden können, um insgesamt gegen Gewalt aufzustehen. Das ist im Bereich des Rechtsextremismus Gott sei Dank der Fall. Dies wünsche ich mir genauso für den Bereich des Linksextremismus. Meiner Ansicht nach ist es wichtig, dass wir gemeinsam mit allen gesellschaftlichen Gruppen ein Signal setzen.

Ich halte es allerdings für unerträglich, dass Abgeordnete der Partei DIE LINKE, zum Teil aber auch andere Kräfte, die sich selbst links einordnen, Bündnisse mit gewaltbereiten linksextremistischen Autonomen eingehen, z. B. bei Demonstrationen. Dabei fungieren sie sogar als Anmelder einer Demonstration. Insbesondere in Berlin, Frau Leuschner, aber auch in Niedersachsen, insbesondere in Göttingen, mussten wir dies dokumentieren. Dies ist eine Form der Solidarisierung, die der Gewalt den Rücken stärkt und die jede rein verbale Gewaltdistanzierung aus meiner Sicht als Heuchelei entlarvt, meine Damen und Herren.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

In ihrem neuen Programmentwurf spricht die Partei DIE LINKE davon, sie strebe Umwälzungen mit revolutionärer Tiefe an. Sie verlangt darin die Einführung von Räten, die sogar die Parlamente überstimmen dürfen sollen. Ferner redet sie einer kollektivistischen, zutiefst freiheitsfeindlichen Wirtschafts- und Sozialpolitik das Wort. Es war der Landesvorsitzende der niedersächsischen Linkspartei, der zu dem Programmentwurf sagte: Das ist eine gute Grundlage, die trägt.

(Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Ich kann nur jedem empfehlen, den neuen Programmentwurf der Linken zu lesen. Genauso empfehle ich aber auch das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Februar 2009 zur Lektüre, das sich intensiv mit der Linkspartei auseinandersetzt.

Herr Briese, in der vergangenen Debatte haben Sie gefragt: Warum hat die Partei DIE LINKE nicht Klage dagegen erhoben, dass sie beobachtet wird? - Meine Damen und Herren, wenn Sie sich das Urteil eingehend anschauen, dann wissen Sie genau, weshalb diese Klage erstens nicht erhoben wird und zweitens keine Aussicht auf Erfolg hätte.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Freuen Sie sich nicht zu früh, Herr Schüne- mann!)

Meine Damen und Herren, in dem Programm wird für jeden erkennbar, was Annemarie Renger damit meinte, als sie sagte, dass die antidemokratischen Bestrebungen fortleben.

Meine Damen und Herren, dem Extremismus wird der Boden entzogen, wenn sich die Demokraten ihm geschlossen in aller Klarheit entgegenstellen. Dazu bedarf es der Aufklärung und der Information.

Ich glaube, dass wir mit der Antwort auf die Große Anfrage die Fakten geliefert haben. Wichtig ist aber, dass dieses Parlament geschlossen ein Signal setzt, was uns bisher in der Regel gelungen ist. Dies wünsche ich mir auch in Detaildebatten, wie wir sie in der Vergangenheit über den Rechtsextremismus geführt haben. Ich wünsche mir, dass es keine Unterstellungen gibt. Das wäre fatal.

Meine Damen und Herren, es wäre gut, wenn von dieser Debatte nicht Streitigkeiten und unwürdige Dinge als Signal ausgehen würden. Vielmehr sollte von dieser Debatte das Signal ausgehen, dass wir geschlossen für Freiheit, für Demokratie und für unsere Grundordnung eintreten und wir jede Form von Gewalt und von Extremismus bekämpfen. Das ist meiner Ansicht nach notwendig. Das haben wir in der Vergangenheit geschafft, und das sollte heute genauso gelingen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Zimmermann für die Fraktion DIE LINKE. - Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Überschrift der Großen Anfrage „Extremismus in Niedersachsen“ verrät, wie kurzsichtig und ideologisch-konservativ gefärbt diese Anfrage der Fraktionen der CDU und der FDP angelegt ist.

Während rechtsextreme Truppen strategisch und mit langem Atem agieren, scheren Sie alles über einen Kamm und verwischen dabei völlig die neofaschistische Wirklichkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

In Sachsen gibt es sogar eine Initiative gegen Rechtsextremismus, in der CDU und NPD zusammenarbeiten. Es kommt aber noch schlimmer. Sie stellen zivilgesellschaftliche Initiativen unter Generalverdacht. Unterstützung bekommen Sie dabei noch von der Bundesfamilienministerin Köhler, die ab dem Jahr 2011 alle Anträge auf Bundesmittel durch Initiativen gegen Rechtsextremismus automatisch durch den Verfassungsschutz überprüfen lassen will. Das ist ja wohl ein Ding. Gerade jetzt wäre es Aufgabe der Ministerin, den Menschen Mut zu machen und aktiv für Zivilcourage und Toleranz einzutreten.

Meine Damen und Herren, eigentlich liegt doch die Vermutung nahe, dass das Ergebnis gut sein soll, wenn Regierungsfraktionen die Regierung fragen. Die Antworten der Landesregierung sind aber meines Erachtens in weiten Teilen unvollständig, schlecht recherchiert oder schlichtweg falsch. Unter Punkt 25 heißt es:

„Welche Veranstaltungen haben die rechtsextremen Parteien, Vereine, Kameradschaften und sonstigen Organisationen (zur Werbung) … organisiert?“

Sie berichten über einen Zeitraum von Januar 2008 bis September 2009. In diesem Zeitraum versuchte die NPD, eine Bildungsstätte und ein KdF-Museum im damaligen Möbelhaus Alsdorff in Wolfsburg einzurichten. Das war also ein Werbefaktor par excellence. Drahtzieher war der damalige Parteivize Rieger.

Liebe Landesregierung, diese Aktivitäten tauchen in Ihrem Bericht gar nicht auf, obwohl der Verfassungsschutz ständig auf Beobachtungsposten war. Es reicht eben nicht aus, alles einfach nur auf Infotische zu beschränken.

Meine Damen und Herren, kommen wir zum sogenannten Linksextremismus: Hier beziehe ich mich im Besonderen auf die Aussagen in Bezug auf meine Partei, die Linke.

Erstens. Sie beziehen sich auf den „Kampf gegen die friedliche Nutzung der Kernenergie“. Wer hat Ihnen eigentlich ins Ohr geflüstert, dass Kernenergie eine friedliche Nutzung ist? - Andersherum wird ein Schuh daraus. Die Stromgewinnung ist das Abfallprodukt einer insbesondere zu Beginn auf militärische Zwecke angelegten Forschung und Produktion.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie das wirklich nicht so sehen, muss ich mich allerdings fragen, warum Ihre Parteien das gerade für den Iran anders sehen.

Zweitens. Sie sprechen von „relevanten Themenfeldern der Linksextremisten“ und zitieren aus einem Beschluss unseres Parteivorstandes vom 14. März 2009:

„Die privaten Banken sind für die Spekulationen der letzten Jahre und die entstandenen Milliardenverluste wesentlich verantwortlich. Sie sind heute faktisch insolvent und daher ohne Entschädigung der Aktionäre zu verstaatlichen“

Meine Damen und Herren, wer hemmungslos und wie von Sinnen zockt, zum Schaden der Gesellschaft und der kommenden Generationen, der muss am Ende dafür geradestehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Eines will ich Ihnen auch noch einmal sagen: Wie schön wäre es, wenn Sie auch den Extremismus an den Börsen einmal untersuchen würden!

(Beifall bei der LINKEN)

Drittens. Sie erläutern:

„Der Antifaschismus ist das einigende Band aller linksextremistischen Parteien und Organisationen.“

Das ist schon deshalb falsch, weil wir gar nicht linksextremistisch sind. Nicht alles, was Sie durch Ihre Brille als linksextremistisch sehen, ist auch links einzuordnen.

Was Sie gegen Antifaschismus einzuwenden haben, würde ich gerne einmal wissen. Des Weiteren würde mich interessieren, was es daran auszusetzen gibt, wenn eine oder einer von uns gegen Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit redet.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Sie behaupten viertens, unser Genosse HansHenning Adler sei 1990 aus der DKP ausgetreten. Das ist falsch; das war bereits im Jahre 1989. Schlecht recherchiert!

Fünftens. Sie schreiben von „linksextremistischen Bestrebungen“ meiner Partei:

„Unter dem Stichwort ‚Demokratischer Sozialismus’ strebt die Partei eine

weitreichende gesellschaftliche Transformation … an.“

Richtig! Sie geben sogar zu, dass „das Grundgesetz … keine bestimmte Wirtschaftsordnung vor(schreibt)“, sagen aber gleichzeitig, wir seien linksextremistisch.

(Zuruf von der CDU: Was denn sonst?)