Wie bereits dargestellt, ist das Sache der Selbstkontrolle. Diese Verpflichtung gibt es zurzeit nicht. Eine entsprechende Änderung könnten wir auch nicht durch ein niedersächsisches Gesetz erreichen, sondern dazu müsste eine bundesgesetzliche Änderung erfolgen. Insofern wird das auf Bundesebene zu prüfen sein. Zum jetzigen Zeitpunkt sehen wir eine solche Notwendigkeit nicht. Aber wir werden die Diskussion auf Bundesebene verfolgen und uns zu gegebener Zeit ein Urteil bilden.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung vor dem Hintergrund der sehr begrüßenswerten Aussagen des Ministers zum Datenschutz und zur Datensorgfalt im Wirtschaftsbereich, wie sie die enorme Datenflut bzw. die vielen Details bewertet, die zusammen mit dem elektronischen Einkommensnachweis, dem ELENA-System, seit Anfang dieses Jahres von den Firmen abgefordert werden, und ob sie sich in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber selbst entsprechend beteiligt hat oder im Sinne ihrer Antwort eher sparsam mit Informationen ge
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie haben recht, mit dem ELENA-Verfahrensgesetz wurden alle Arbeitgeber verpflichtet, ab dem 1. Januar 2010 die Entgeltdaten ihrer Beschäftigten an eine bei der Deutschen Rentenversicherung eingerichtete zentrale Speicherstelle zu melden. Die Daten sollen ab dem 1. Januar 2012 von den berechtigten Stellen nach Freigabe durch die Betroffenen abgerufen werden können.
Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum ELENA-Verfahrensgesetz wurde von den Ländern im Bundesrat insbesondere aus datenschutzrechtlichen Gründen gefordert, dass nur die Daten erhoben werden, die für die Erstellung von Einkommensnachweisen tatsächlich erforderlich sind. Darüber hinausgehende Daten, z. B. über Streikteilnahmen und Abmahnungen, dürfen nicht erfasst werden. Die zu meldenden Daten werden in der ELENA-Datensatzverordnung konkretisiert. Erneut hat der Bundesrat bei der Beratung der Verordnung darauf hingewiesen, dass die Datenhaltung verfassungsrechtlich nur zulässig ist, wenn neben der grundsätzlichen Erforderlichkeit zum Zeitpunkt der Speicherung deren Zweck bestimmt ist und wirksame technische, organisatorische und rechtliche Sicherungen gegen Zweckänderungen und Datenmissbrauch gewährleistet sind. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz ist bei der Datenverwaltung und -sicherung eingebunden worden. Insofern ist auch über den Bundesrat und die Verordnung sichergestellt, dass mit diesen Daten verantwortungsvoll umgegangen wird.
Danke schön. - Die nächste Zusatzfrage stellt Frau Kollegin Jahns von der CDU-Fraktion. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Kollegin Jahns, Google Street View ist in vielen europäischen Ländern bereits eingeführt und auch in den USA und anderen Ländern bereits Praxis. In Deutschland ist man gerade dabei, die entsprechenden Daten zu erheben und zu sammeln. In Deutschland gab es von Anfang an, wie Sie sicherlich wissen, sehr viel Zurückhaltung, um es vorsichtig auszudrücken. Man war schon der Auffassung, dass dadurch Persönlichkeitsrechte eingeschränkt werden. Deshalb haben die Datenschutzbeauftragten sehr frühzeitig mit der Firma Google Kontakt aufgenommen, um mehr Rechtssicherheit zu schaffen und den Betroffenen mehr Möglichkeiten zu geben, um im Vorfeld zu reagieren.
Google hat sich verpflichtet, wenn Bilder veröffentlicht werden, Gesichter, Autokennzeichen und auch Hausnummern unkenntlich zu machen, also zu pixeln. Darüber hinaus haben Betroffene ein Widerspruchsrecht. Das heißt, wenn ein Bild eingestellt wird und jemand damit nicht einverstanden ist, auch nicht akzeptiert, dass die entsprechenden Bereiche unkenntlich gemacht werden, hat er ein Anrecht darauf, dass das Bild sofort gelöscht wird. Ebenfalls ist es möglich, Google im Vorfeld mitzuteilen, dass die eigenen Grundstücke oder Häuser nicht im Internet abgebildet werden und nicht erscheinen sollen. Dies ist möglich, weil Google auch dazu verpflichtet worden ist, den Termin der Aufnahmen von Grundstücken usw. frühzeitig bekannt zu geben - im Internet oder darüber hinaus möglichst auch in der örtlichen Presse -, damit jeder weiß, dass in den nächsten Wochen etwas passiert.
Ich nehme also die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger vor dem dargestellten Hintergrund ernst. Da aber gerade von den Datenschutzbeauftragten in dieser Weise Vereinbarungen getroffen worden sind, halte ich den Weg zumindest für gangbar. Auf jeden Fall muss darauf geachtet werden, dass alle Versprechen und alle Vereinbarungen, die dort getroffen worden sind, auch wirklich eingehalten werden, wenn das Angebot Ende des Jahres tatsächlich online geschaltet wird.
Frau Präsidentin! Ich frage die Landesregierung erstens: Wie bewertet sie das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung, nach dem nach wie vor grundsätzlich, jetzt allerdings unter bestimmten Voraussetzungen, die Speicherung von Telefon- und Internetdaten zulässig ist?
Vor dem Hintergrund, dass dadurch nachweislich Sicherheitslücken entstehen, frage ich die Landesregierung zweitens: Wie reagiert sie auf diesen Tatbestand?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist zu akzeptieren, und das ohne Wenn und Aber. Fest steht - da haben Sie recht, Herr Biallas -, dass das Bundesverfassungsgericht die Vorratsdatenspeicherung grundsätzlich nicht verboten hat. Es hat allerdings klare Vorgaben gemacht. So muss der Eingriff ganz klar definiert sein. Außerdem müssen die Daten kryptiert werden. Das führt übrigens dazu, dass es zu einer enormen finanziellen Belastung kommt, wenn man die Vorratsdatenspeicherung weiter vornimmt.
Weil das Bundesverfassungsgericht so konkrete Vorgaben gemacht hat, gibt es allerdings auch gar keine Notwendigkeit, darüber zu diskutieren, wie ein solches Gesetz auszusehen hat. Ich habe einmal flapsig gesagt: Eigentlich kann man sich die Begründung des Urteils durchlesen und dann 1 : 1 den Gesetzentwurf schreiben.
Dass dies notwendig ist, und zwar so schnell wie möglich, ist bei Sicherheitsexperten völlig unstrittig. Ich habe am Dienstag die AG Kripo im Gästehaus der Landesregierung begrüßen dürfen. Der BKAPräsident hat als Erstes gesagt, die Sicherheitslücke sei so extrem, dass jetzt schon aktuelle Verfahren wegbrechen und wir Gefahr laufen, dass Verurteilungen deshalb nicht stattfinden können.
Vor dem Hintergrund, dass es gerade im Bereich der Organisierten Kriminalität und im Bereich der Kinderpornografie, um nur zwei Beispiele zu nennen, absolut notwendig ist, auf diese Daten zurückzugreifen, kann ich die Bundesregierung nur auffordern, jetzt schnellstmöglich das Gesetz auf
den Weg zu bringen. Die Sicherheitslücke ist unbestritten vorhanden. Jedes Abwarten ist aus meiner Sicht schlicht unverantwortlich. Ich hoffe, dass noch vor der Sommerpause ein Gesetzentwurf vorgelegt wird.
Die AG Kripo wird die Fälle auflisten, in denen es jetzt schon kritisch wird. Gerade in Bezug auf die von mir eben genannten Bereiche können wir alle es uns nicht leisten, diese Sicherheitslücke noch weiter zu akzeptieren. Ich setze dort auch sehr auf das Verantwortungsbewusstsein der Bundesregierung.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich würde gerne noch einmal zum bereits angesprochenen Thema Google Street View zurückkommen. Ist der Landesregierung bekannt, ob es in Niedersachsen Kommunen gibt, die sich schon gegen die Aufnahmen für Google Street View zur Wehr setzen, und wie unterstützt sie diese Kommunen dabei?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist mir nicht bekannt, dass ganze Kommunen das abgelehnt hätten. Das will ich aber nicht ausschließen. Allerdings hat dies keine Auswirkungen, weil es sich hier um ein Persönlichkeitsrecht handelt. Das bedeutet, dass jeder Einzelne ein Recht darauf hat, dass seine Daten geschützt werden. Ich hatte Ihnen ja all die Maßnahmen genannt, die hier möglich sind, die aus meiner Sicht aber auch nötig sind.
Deshalb gibt es für mich auch gar keinen Anlass, solche Resolutionen, wenn es sie gibt, oder etwas in dieser Art zu unterstützen. Für mich ist wichtig, dass jeder Einzelne - egal, wo er wohnt - genau diesen datenschutzrechtlichen Anspruch hat. Insofern begrüße ich die Vereinbarungen, die insbesondere zwischen den Datenschutzbeauftragten und Google getroffen worden sind.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, warum trotz gewachsener Anforderungen an den Datenschutz eine umfassende personelle, materielle und finanzielle Unterstützung des Datenschutzbeauftragten immer abgelehnt worden ist.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Moment haben wir noch die Fachaufsicht über den privaten Teil. Deshalb habe ich selber die Initiative ergriffen und den Datenschutzbeauftragten um ein Konzept insbesondere für den Bereich des privaten Datenschutzes gebeten. In diesem Zusammenhang habe ich zusätzliche Stellen angeboten, die mittlerweile ausgeschrieben worden sind. Bis auf eine Stelle ist die Neubesetzung erfolgt. Im technischen Bereich ist auch die Auswahl getroffen. Hier geht es noch um Details mit der abgebenden Stelle. Insofern haben wir gerade hier in den letzten Monaten um sieben Stellen aufgestockt. Das war übrigens eine Initiative, die genau aus diesem Referat und von mir persönlich gekommen ist.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung, welche Position sie zur Einführung der sogenannten elektronischen Gesundheitskarte vertritt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich gebe zu: Das Innenministerium ist für vieles zuständig, aber nun gerade für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte nicht direkt; ich glaube sogar, nicht unmittelbar. Das ist wirklich Sache des Bundes. Wir sind mit dieser Frage bisher nicht beschäftigt worden - zumindest nicht, was den Datenschutz angeht. Insofern kann ich dazu keine Auskunft geben.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund des eben schon angesprochenen Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Vorratsdatenspeicherung, das erneut den Datenschutz und die Bürgerrechte gegen unzulässige staatliche Übergriffe gestärkt hat, vor dem Hintergrund, dass die Landesregierung sicher auch als gutes Beispiel für die Wirtschaft dastehen möchte, und vor dem Hintergrund, dass sie sicherlich eine Position dazu hat, auch wenn manches in Bundeszuständigkeit fällt, frage ich die Landesregierung, ob sie sich für ein Moratorium aller weiteren elektronischen Großprojekte ausspricht und einsetzt. Dazu gehören z. B. national ELENA, die elektronische Gesundheitskarte sowie der elektronische Personalausweis und international das SWIFTAbkommen sowie der Austausch der Passagierdaten innerhalb der EU und mit den USA. Sprechen Sie sich dagegen aus, damit auf Basis dieses Urteils eine sorgfältige Prüfung stattfinden kann, ob alle diese Großprojekte auch den qualitativen Anforderungen des Tenors des Urteils des Bundesverfassungsgerichts entsprechen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich nehme den Appell zur Kenntnis. Auf die Frage antworte ich aber mit Nein.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte gerne die Antwort von Innenminister Schünemann in Bezug auf die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte ergänzen. In Niedersachsen haben wir mit Wolfsburg eine Testregion, in der es auch um die Frage geht, wie der Datenschutz gewährleistet werden kann. Hier laufen die ersten Abstimmungsverfahren. Wir werden sehen müssen, wie sich das Ganze weiterentwickelt. Uns allen muss es bei der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte darum gehen, dass die elektronische Gesundheitskarte auf Akzeptanz stößt, dass das Verfahren wirklich vereinfacht wird und dass auch der Datenschutz, dem hier eine ganz herausragende Bedeutung zukommt, gewährleistet ist. Deshalb sind die Testregionen in den unterschiedlichsten Gebieten in der Bundesrepublik Deutschland so wichtig.
Herr Minister, in welchen Bereichen des Persönlichkeitsschutzes sieht die Landesregierung die größten Gefahren bei diesen Datensammlungen?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir nehmen dort grundsätzlich keine Priorisierung vor; denn jede einzelne erhobene Datei ist zu schützen. Insofern wäre es völlig falsch zu sagen: Hier wollen wir mehr hingucken. Da wollen wir weniger hingucken. - Persönlichkeitsrechte sind ein hohes Gut. Deshalb differenzieren wir da nicht. Wir wollen alle schützen.
Herzlichen Dank. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen stellt Herr Limburg seine zweite und damit letzte Zusatzfrage.