Protocol of the Session on March 18, 2010

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Wir auch nicht!)

eben weil wir eine besondere Gefährdungslage zu berücksichtigen haben und dies nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg machen sollten.

Allerdings - das ist meine herzliche Bitte an Sie, Herr Innenminister Schünemann - ist die Entwicklung, die sich insbesondere in Berlin abzeichnet, aus meiner Sicht sehr bedenklich, weil es nicht sein kann, dass es in geschlossenen Einsätzen, die zum Teil länderübergreifend geführt werden, unterschiedliche Regelungen zur Kennzeichnung gibt. Ich bitte daher sehr herzlich, das in der Innenministerkonferenz zum Thema zu machen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Ulf Thiele [CDU]: Das war eine gute Rede!)

Es gibt den Wunsch auf eine Kurzintervention. Frau Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE, ich erteile Ihnen das Wort für anderthalb Minuten. Bitte sehr!

(Victor Perli [LINKE]: Einladung nach Gorleben! - Gegenruf von Heiner Bart- ling [SPD]: Wir kommen gerne hin!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Modder, ich finde es schon ziemlich anmaßend, wenn Sie uns unseren Respekt und unsere Anerkennung für die Arbeit der Polizistinnen und Polizisten in Niedersachsen absprechen.

(Beifall bei der LINKEN - Editha Lor- berg [CDU]: Dann machen Sie nicht solche Äußerungen!)

Das ist auf gar keinen Fall so. Wir nehmen natürlich auch die Bedrohung der Polizistinnen und Polizisten ernst. Deshalb haben wir uns selbstverständlich auch mit der GdP unterhalten. Ich weiß nicht, warum es nicht möglich sein soll, durch eine Kennzeichnung mit Ziffern und Zeichen Übergriffe in die Privatsphäre der Polizistinnen und Polizisten zu vermeiden. Das müssen Sie mir schon noch einmal erklären.

(Beifall bei der LINKEN - Editha Lor- berg [CDU]: Wenn man darüber nachdenkt, wird einem das von allein klar!)

Uns geht es auf der einen Seite selbstverständlich darum, die Polizistinnen und Polizisten zu schützen, aber es geht natürlich auch darum, die Demonstrantinnen und Demonstranten zu schützen

(Editha Lorberg [CDU]: Natürlich!)

und damit das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf Demonstrations- und Versammlungsfreiheit zu sichern.

(Beifall bei der LINKEN - Angelika Jahns [CDU]: Unglaublich!)

Frau Modder möchte antworten. Ich erteile Ihnen das Wort, Frau Modder.

Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr verehrte Kollegin Zimmermann, Sie sollten wissen - Sie wissen es auch -, dass insbesondere Großeinsätze oder geschlossene Einsätze, die Sie ansprechen, dokumentiert werden.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: So ist es! - Kurt Herzog [LINKE]: Nur die Gegenseite!)

Die Identifizierung des einzelnen Beamten war noch nie das Problem, sondern etwas ganz anderes.

(Lachen bei der LINKEN)

Ihr Antrag streut weiter Misstrauen gegen die Polizei. Das weisen wir zurück.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist doch abstrus!)

Nächster Redner ist Herr Briese von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Briese, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Frau Modder, für mich ist es etwas widersprüchlich, wenn Sie einerseits sagen, die Polizisten tragen im normalen Alltagsgeschäft Namensschilder, und das sei erwünscht und problemlos, und das finden Sie sinnvoll,

(Johanne Modder [SPD]: Ja!)

aber andererseits sagen, wir würden der Polizei großes Misstrauen entgegenbringen, wenn wir dieses Prinzip durchgängig für Polizeieinsätze fordern würden. Wenn Sie auf der einen Seite sagen, dass es sinnvoll ist, dass die Polizisten identifizierbar sind, verstehe ich nicht, dass Sie das aber auf der anderen Seite nicht durchgängig wollen.

Ich finde es unfair, wenn behauptet wird, das wäre eine große Misstrauensbekundung gegenüber der Polizei.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann muss man auf der anderen Seite sagen, das, was die andere Seite des Hauses an den Tag legt, ist eine große Misstrauensbekundung gegenüber Demonstranten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Björn Thümler [CDU]: Herr Briese, das war berechtigt!)

Wir sollten versuchen, in der Debatte ein bisschen zu differenzieren, sachlich und rational vorzugehen und nicht beiden Gruppen kollektiv vorwerfen, dass sie sich nicht rechtsstaatlich verhalten würden. Natürlich ist es absolut richtig, dass sich die Polizei in den allerallerallermeisten Fällen an Recht und Gesetz hält. Das ist gar keine Frage. Niemand stellt das infrage,

(Zuruf von der SPD: Doch!)

und niemand bringt ihr ein irgendwie geartetes kollektives Misstrauensbekunden entgegen. Für Demonstrierende bei Versammlungen gilt genau das Gleiche. 95 oder 99 % der Versammlungsteilnehmer verhalten sich rechtstaatskonform und machen keine Übergriffe auf die Polizei. Diese saubere Argumentation sollten wir mal einhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Hier ist, glaube ich, deutlich geworden, dass die Grünen prinzipiell dafür sind, dass die Polizei identifizierbar ist, und zwar nicht nur im normalen Alltagsgeschäft, sondern gerade bei sensiblen Großeinsätzen. Das ist auch dargestellt worden. Diese Forderung haben sich nicht nur Grüne oder Linke ausgedacht, sondern das ist eine alte Bürgerrechtsforderung etwa von Amnesty International - die haben, glaube ich, sogar einmal den Friedensnobelpreis bekommen - und der Humanistischen Union, der sehr kluge Liberale angehören. Meine Lieblingsliberalen Herr Baum und Herr Hirsch sind dort sehr prominent vertreten.

Herr Briese, ich komme kaum dazwischen. - Herr Biallas möchte eine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie diese?

Nein, Herr Biallas kann hier gleich seine Ausführungen dazu machen.

(David McAllister [CDU]: Schade! - Gegenruf von Kreszentia Flauger [LINKE]: Nicht wirklich, Herr McAl- lister! - Weitere Zurufe)

- Ja, ganz genau. Das ist sehr schade. Ich kann mich aber nicht daran erinnern, dass die Beiträge von Herrn Biallas hier jemals sehr gehaltvoll waren.

(Heiterkeit bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Deshalb muss ich seine Zusatzfrage auch nicht zulassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die polizeiliche Identifizierbarkeit auch bei Großeinsätzen wird von vielen renommierten Bürgerrechtsorganisationen und Fachwissenschaftlern gefordert. Auch die SPD in Berlin ist ja dafür. Es

gibt grundsätzliche rechtsstaatliche Erwägungen, die dafür sprechen, und es gibt darüber hinaus das Rechtsstaatsprinzip nach Artikel 19 des Grundgesetzes. Danach hat der individuell Betroffene in diesem Staat eine Rechtsschutzgewähr. Dieses Recht läuft schlicht und ergreifend leer, wenn der Beschuldigte nicht identifizierbar ist.

(Editha Lorberg [CDU]: Luft holen!)

Ihre Behauptung, Frau Modder, dass dies niemals vorkomme und die Identifikation immer einfach herzustellen sei, trifft nicht zu. Aus einer Untersuchung aus Berlin geht hervor, dass in 10 % der Fälle von Beschuldigungen gegenüber Polizeibeamten eine Identifikation nicht möglich ist. Nun kann man sagen: 10 % sind nicht besonders viel. Damit können wir leben. - Ich aber finde, dass 10 % ein nicht so ganz geringer Wert ist. Es geht um Vorwürfe, die nicht aufgeklärt werden können, weil eine Identifikation nicht hergestellt werden kann.

Nun zu den zwei oder drei Gegenargumenten, die immer angeführt werden. „Die Polizei fürchtet individuelle Racheakte.“ - Meiner Meinung nach hat Frau Zimmermann dieses Gegenargument hier schon sehr gut entkräftet. Natürlich können wir über eine Pseudoanonymisierung, über eine Dienstnummer reden. Das ist doch gar keine Frage. Das heißt, dass nicht individuell ein Namensschild getragen werden muss. Wird nur eine Dienstnummer vergeben, kann die Dienststelle daraus ableiten, wer es damals war. Damit hätte der Dienstherr die ihm obliegenden Schutzpflichten erfüllt. Man kann also pseudoanonymisiert vorgehen.

Und dann das Argument der Racheakte. Im gesamten normalen Strafverfahren, meine sehr verehrten Damen und Herren, tritt der Staat transparent auf. Meinen Sie, wir haben anonyme Staatsanwälte, anonyme Vernehmungsbeamte, anonyme Richter? Haben wir anonyme Geschworene und anonyme Justizvollzugsbeamte? Die müssten doch auch alle sagen: Ich habe mit gefährlichen Straftätern zu tun. Ich möchte gern anonymisiert tätig sein.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Dieses Argument, meine sehr verehrten Damen und Herren, trifft das Problem einfach nicht.

Zum Misstrauensbekunden habe ich schon einiges gesagt.