Protocol of the Session on February 19, 2010

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Miriam Staudte [GRÜNE]: Für die Kinder ändert sich also gar nichts!)

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, beschränkt sich die Koalitionsvereinbarung zum Thema Kinderbetreuung keineswegs auf das Betreuungsgeld, sondern die Koalition hat sich ebenfalls Folgendes vorgenommen: Erstens den quantitativen und qualitativen flexiblen Ausbau der Kinderbetreuung bei Trägervielfalt. Zweitens die Einbeziehung von Tagespflege. Reden Sie uns das nicht weg! Drittens die Qualifikation von Tagespflegepersonen. Viertens die Qualifikation von Erzieherinnen und Erziehern.

(Norbert Böhlke [CDU]: So ist es!)

Fünftens allgemein bessere Rahmenbedingungen für Ausbildung und Beruf in Kooperation mit Ländern, Kommunen und Verbänden.

Die Bundesregierung und die dortige Koalition sind auf dem richtigen Weg, die Grünen im Niedersächsischen Landtag wie immer auf dem falschen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr HumkeFocks. Ich erteile Ihnen das Wort.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst zwei Vorbemerkungen, zum einen zu Frau Pieper und zum anderen zu Herrn Riese.

Frau Pieper, Sie haben von Zeit und Muße gesprochen, die wir uns nehmen müssten, um den Rechtsanspruch durchzusetzen. Aber ich sage Ihnen: Diese Zeit und Muße haben wir im Hinblick auf die Umsetzung des Rechtsanspruchs bis 2013 nicht

(Norbert Böhlke [CDU]: Doch!)

Sprechen Sie doch einfach einmal mit den kommunalen Spitzenverbänden, die schon jetzt ratlos sind, wie ihre Mitgliedsstädte und -gemeinden überhaupt in die Lage versetzt werden können, diesem Rechtsanspruch gerecht zu werden!

(Norbert Böhlke [CDU]: Wir sind stän- dig im Dialog!)

Ich möchte Sie an dieser Stelle an eine Textzeile erinnern. In diesem Zusammenhang komme ich auf Herrn Riese zurück. In einem bekannten Lied, das vermutlich nur auf der linken Seite bekannt sein dürfte, heißt es in einer Textzeile: „Die Müßiggänger schiebt beiseite“,

(Beifall bei der LINKEN - David McAl- lister [CDU]: Was ist das für ein Lied? - Norbert Böhlke [CDU]: Bertolt Brecht?)

damit man entsprechende Fortschritte umsetzen kann.

(Norbert Böhlke [CDU]: Nennen Sie doch einmal die Quelle!)

Die LINKE-Fraktion im Niedersächsischen Landtag unterstützt die Positionen, die in dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen artikuliert werden.

Die CDU-Fraktion hat gerade in der Ausschussdebatte immer wieder betont, dass der Erziehungserfolg nicht von einem Krippenbesuch abhängig sei. Dies mag sicherlich wahr sein. Aber die Regierungsfraktionen haben eine bestimmte Tatsache ausgeblendet, nämlich dass erwiesen ist, dass gerade bei Kindern zwischen 8 und 24 Monaten die Entwicklung der soziokommunikativen Kompetenzen wesentlich weiter entwickelt ist als bei Kindern, die keine Krippen besucht haben. Nehmen Sie das einfach einmal zur Kenntnis!

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Dann eine weitere Unverschämtheit. Es bringt mich fast in Rage, dass Sie von einer Wahlfreiheit sprechen: Die Wahlfreiheit für die Eltern im Zentrum der Gesellschaft. - Das waren Ihre Worte. Dies

ist aus meiner Sicht fast Unfug; denn diese Wahlfreiheit gibt es in diesem Lande nicht,

(Björn Thümler [CDU]: Quatsch!)

weil gerade in Niedersachsen keine angemessene Anzahl an Krippenplätzen vorgehalten wird.

(Björn Thümler [CDU]: Blödsinn!)

Sie provozieren Mitnahmeeffekte, und zwar zum einen bei denjenigen, die ohnehin besser verdienen - darauf ist schon hingewiesen worden -, und zum anderen - auch darauf ist bereits hingewiesen worden - gerade bei Menschen aus ärmeren, sogenannten bildungsfernen Schichten, wie es gerne ausgedrückt wird, die die 150 Euro eventuell mitnehmen würden.

Das ist nicht die Zielrichtung, die wir als Linke uns für die Erziehung unserer Kinder vorstellen. Dahinter steckt vielmehr ein antiquiertes Familienbild der - ich sage einmal - parlamentarischen Rechten hier im Haus. Dies wollen wir nicht!

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen in dieser Gesellschaft ein flächendeckendes Angebot an Krippen- und Kita-Plätzen. Schauen Sie einfach einmal in die neuen Bundesländer, z. B. nach Sachsen-Anhalt! Dort gibt es nämlich eine Versorgungsquote von 40 %. Das sollten Sie sich zum Vorbild nehmen, um bis 2013 überhaupt in diese Richtung, zu diesem Rechtsanspruch zu kommen.

Noch einige Worte zur Umverteilung der sozialen Arbeit und der Familienarbeit. Mit Ihrem Nein zu dem vorliegenden Antrag behindern Sie auch die Umverteilung der Familienarbeit in diesem Lande, die noch immer vor allem von den Frauen getragen wird. Wenn Sie es mit der Gleichberechtigung von Mann und Frau wirklich ernst meinen, dann können Sie den vorliegenden Antrag überhaupt nicht ablehnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir Linken unterstützen den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen auf der ganzen Linie. Wir würden uns wünschen, dass wir endlich einmal eine andere Debatte über Familienbilder führten als auf einem solchen antiquierten Niveau wie Ihrem.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Für die SPD-Fraktion hat sich Herr Klein zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort, Herr Klein.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die ehemalige Bundesfamilienministerin hat das Betreuungsgeld als - dies ist bereits angeführt worden - bildungspolitische Katastrophe bezeichnet. Damit hat sie völlig recht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sie führte aus, dass ein Betreuungsgeld keine Anreize setzen dürfe und Kinder mit schlechten Startchancen von fördernden Betreuungseinrichtungen fernhalte. Trotzdem und wider besseres Wissen unterstützen CDU und vor allem CSU die Einführung des Betreuungsgeldes ab dem Jahr 2013.

Das Betreuungsgeld setzt aus unserer Sicht aber genau diese falschen Anreize: Es wird so sein, dass Eltern ihre Kinder nicht in einer Krippe anmelden oder von dort abmelden, um in den Genuss des Betreuungsgeldes zu kommen. Die Kinder werden dort freigekauft, meine Damen und Herren, herausgekauft, um das Betreuungsgeld zu kassieren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dies waren auch die Erfahrungen, die in Thüringen nach der Einführung des Landesbetreuungsgeldes im Juli 2006 gemacht wurden. Diese sogenannte Herdprämie macht die Kinder noch mehr - dies wissen Sie genau - zu einem Einkommensfaktor. Zum Teil gibt es schon jetzt Fälle, bei denen sich Eltern über ihre Kinder einen anderen Lebensunterhalt verschaffen, indem sie die Kinder als Einkommensfaktor nutzen,

(Christian Dürr [FDP]: Wie bitte?)

gerade bei denjenigen Familien, deren Kindern die Förderung durch den Besuch einer Krippe besonders nutzen würde.

(Norbert Böhlke [CDU]: Wen meinen Sie denn?)

Selbstverständlich haben die Eltern - dies ergibt sich aus ihrer Erziehungskompetenz - die Wahl. Das ist auch gut so. Auch wir, lieber Herr Kollege Focke - Sie wurden ja bereits angesprochen -,

erkennen die Bemühungen aller Eltern ausdrücklich an, die für ihre Kinder nur das Beste wollen.

(Norbert Böhlke [CDU]: Aber gerade haben Sie sie beschimpft!)

Aber Ihr im Ausschuss geschildertes schönes, heiles und zum Teil tradiertes Familienbild ist eben nicht überall Realität. Manchmal wird es durch fehlende Förderung getrübt

(Astrid Vockert [CDU]: Wo leben Sie eigentlich?)

und dadurch, dass das Geld eben nicht den Kindern zugute kommt. Gerade in diesen Familien besteht die große Gefahr, dass ein so wichtiger Besuch in einer Krippe nicht zustande kommt.

Zumindest die FDP hatte dies verstanden. Zumindest haben sich einige hochkarätige Liberale, Herr Dürr, derart geäußert: