Protocol of the Session on February 19, 2010

(Zuruf: Der hat es gerade nötig! - Schriftführerin Ernst setzt die Verle- sung der Namen fort: Angelika Jahns Nein Wolfgang Jüttner Ja Karl-Heinz Klare Nein Hans-Jürgen Klein Ja Stefan Klein Ja Ingrid Klopp Nein Lothar Koch Nein Gabriela König Nein Marianne König Ja Ursula Körtner Nein Gabriela Kohlenberg Nein Gisela Konrath Nein Ina Korter Ja Jürgen Krogmann Ja Klaus Krumfuß Nein Clemens Lammerskitten Nein Karl-Heinrich Langspecht Nein Dr. Silke Lesemann Ja Sigrid Leuschner Ja Olaf Lies Ja Helge Limburg Ja Editha Lorberg Nein Dr. Max Matthiesen Nein David McAllister Nein Anette Meyer zu Strohen Nein Christian Meyer Ja Rolf Meyer Ja Axel Miesner Nein Frank Mindermann Nein Johanne Modder Ja Matthias Möhle Ja Dieter Möhrmann Ja Hartmut Möllring Nein Heidemarie Mundlos Nein Jens Nacke Nein Matthias Nerlich Nein Frank Oesterhelweg Nein Jan-Christoph Oetjen Nein Victor Perli Ja Gudrun Pieper Nein Filiz Polat Ja Stefan Politze Ja Claus Peter Poppe Ja Dorothee Prüssner Nein Sigrid Rakow Ja Christa Reichwaldt Ja Klaus Rickert Entschuldigt Roland Riese Nein Heinz Rolfes Nein Mechthild Ross-Luttmann Nein Jutta Rübke Ja Hans-Heinrich Sander Nein Ronald Schminke Ja Klaus Schneck Ja Wittich Schobert Nein Heiner Schönecke Nein Stefan Schostok Ja Andrea Schröder-Ehlers Ja Uwe Schünemann Nein Hans-Werner Schwarz Nein Uwe Schwarz Ja Kai Seefried Nein Silva Seeler Ja Wiard Siebels Ja Dr. Stephan August Siemer Nein Dr. Manfred Sohn Entschuldigt Brigitte Somfleth Ja Miriam Staudte Ja Karin Stief-Kreihe Ja Detlef Tanke Ja Ulf Thiele Nein Björn Thümler Nein Petra Tiemann Ja Sabine Tippelt Ja Dirk Toepffer Nein Grant Hendrik Tonne Ja Elke Twesten Ja Astrid Vockert Nein Ulrich Watermann Ja Dörthe Weddige-Degenhard Ja Christel Wegner Ja Ursula Weisser-Roelle Ja Stefan Wenzel Ja André Wiese Nein Gerd Ludwig Will Ja Wolfgang Wulf Ja Christian Wulff Enthaltung Prof. Dr. Dr. Roland Zielke Nein Pia-Beate Zimmermann Ja)

Ich frage der Ordnung halber, ob alle anwesenden Kolleginnen und Kollegen durch Namensaufruf abgefragt worden sind. - Es zeigt sich kein Widerspruch. Dann stelle ich fest, dass der Antrag der Fraktion der SPD in namentlicher Abstimmung keine Mehrheit gefunden hat.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile jetzt Herrn Minister Schünemann das Wort zu einer Erklärung außerhalb der Tagesordnung.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Wenzel hat in seinem Beitrag bei dem Tagesordnungspunkt, zu dem gerade abgestimmt worden ist, auf einen Fall aufmerksam gemacht, der auch gestern bei der NDR-Sendung „Niedersachsen 19.30“ eine Rolle gespielt hat. Es handelt sich um einen kosovarischen Staatsangehörigen, der 18 Jahre alt ist und abgeschoben werden soll.

Das Innenministerium ist über diesen Fall von der Ausländerbehörde nicht informiert worden, was bei einem Einzelfall nicht ungewöhnlich ist. Nach jetziger Prüfung hat die Ausländerbehörde auch nach der Rechtslage richtig entschieden; denn es liegt kein Pass vor, und der 18-Jährige hat, weil er volljährig ist, nicht die Möglichkeit bekommen, gleichzeitig mit seinen Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit zu erhalten.

Ich selber bin auf diesen Fall durch die Abgeordnete Frau Ernst in dieser Woche aufmerksam geworden. Ich habe mich sofort mit diesem Fall sehr intensiv beschäftigt. Mir war völlig klar, dass das ein ganz klassischer Fall für die Härtefallkommission ist; denn der 18-Jährige ist sehr stark integriert und hat eine sehr positive Prognose.

Ich habe festgestellt, dass schon eine Petition eingereicht worden ist. Ich habe aber veranlasst, dass der Petent gebeten wird, seine Petition zurückzuziehen und ein Härtefallersuchen einzureichen. Ich kann der Entscheidung der Härtefallkommission natürlich nicht vorgreifen, weil das ein Gremium ist, das unabhängig entscheidet. Ich kann als Innenminister nur sagen, dass das für mich ein eindeutiger Fall ist, in dem eigentlich ein Härtefall vorliegt. Ich habe keinen Anspruch darauf, dass ich vor der Berichterstattung in irgendeiner Weise einbezogen werde. Aber da Sie, Herr Wenzel, es heute Morgen angesprochen haben, ist es, glaube ich, sinnvoll, dass das ganze Parlament weiß, wie das Verfahren im Moment aussieht. Insofern glaube ich, dass das Parlament ein Anrecht darauf hat zu wissen, wie der Innenminister dazu Stellung nimmt.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich leite über zum Tagesordnungspunkt 41:

Zweite Beratung: Telefonterror stoppen - Verbraucherschutz bei unerwünschter Telefonwerbung stärken - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/263 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 16/2166 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/2205

Der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen empfiehlt, den Antrag für erledigt zu erklären.

Mit dem Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird die Annahme des Antrages in einer geänderten Fassung angestrebt.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Jetzt erteile ich dazu dem Kollegen Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

(Unruhe)

- Ich bitte darum, die Gespräche einzustellen, damit der Kollege die entsprechende Aufmerksamkeit hat.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: Auch an der Regierungsbank!)

- Das gilt auch für die Regierungsbank. - Bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unerlaubte Telefonwerbung und unerwünschte Telefonanrufe sind ein Übel und eine erhebliche Belästigung für viele Menschen in diesem Land. Dieses Phänomen hat nach wie vor verschiedene Facetten. Da gibt es zum einen die sogenannten cold calls, also Anrufe, bei denen das Telefonat beendet wird, bevor der Angerufene den Anruf entgegennehmen kann. Ruft das Opfer dann zurück, werden hohe Gebühren fällig. Der Angerufene ist der bzw. die Dumme und muss in Form einer hohen Telefonrechnung dafür zahlen. Dieses Phänomen ist weit verbreitet. Auch ich selbst und meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind schon von solchen cold calls betroffen gewesen.

Anstatt zurückzurufen, haben wir die Fälle der Verbraucherzentrale gemeldet. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben sehr engagiert und kompetent geantwortet, aber haben uns mitgeteilt, dass diese Einzelfälle aufgrund der hohen Zahl solcher Fälle und aufgrund ihrer sehr beschränkten Ressourcen keine hohe Priorität in der Bearbeitung haben. Ich muss sagen, angesichts der knappen Ausstattung der Verbraucherzentrale kann ich das sogar sehr gut verstehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Wenn aber die Verbraucherzentrale und andere Stellen in diesem Land, die eigentlich dafür vorgesehen sind, mittels des UWG gegen solche Fälle vorzugehen, dazu nicht in der Lage sind, dann ist es doch nur logisch und eine sinnvolle Ergänzung des Verbraucherschutzes, wenn - wie in unserem Antrag gefordert - die Verbraucherinnen und Verbraucher einen eigenen Anspruch im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb erhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Neben den cold calls gibt es die Anrufe, die den Angerufenen zu irgendeinem Vertrag, zu einem Kauf oder zu dem Wechsel eines Telefonanbieters bewegen wollen. Da werden Menschen zu Unzei

ten mit Telefonanrufen belästigt und überrumpelt, und ihnen werden Verträge aufgenötigt, bei denen sie mangels irgendeiner schriftlichen Bestätigung nicht einmal die genauen Vertragsdetails kennen. Wir Grüne fordern gemeinsam mit zahlreichen Verbraucherschützerinnen und Verbraucherschützern, dass ein Vertrag erst dann Gültigkeit hat, wenn eine schriftliche Bestätigung vorliegt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Eine solche Regelung war bereits Bestandteil eines Bundesratsbeschlusses, den Niedersachsen mitgetragen hat. Auch die Niedersächsische Landesregierung war also schon einmal weiter, als es zurzeit der Fall zu sein scheint. Deshalb mein Appell an die Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP: Stehen Sie doch weiterhin zu Ihren Forderungen! Kämpfen Sie weiterhin dafür!

Bemerkenswert fand ich in diesem Zusammenhang die Aussage des geschätzten Kollegen Dr. Biester im Rechtsausschuss. Grundsätzlich unterstützen Sie die Forderung, aber Sie sehen nach den Beschlüssen auf Bundesebene im letzten Jahr keine Chance auf Verwirklichung. Deswegen unterstützen Sie die Forderung dieses Mal nicht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, da kann ich nur sagen: Mehr Mut, mehr Standhaftigkeit! Warum sind Sie denn auf einmal so pessimistisch? - Sie stellen doch seit letztem September - das nur noch einmal zur Erinnerung, gerade auch an die FDP - die Bundesregierung. Sie sind nicht mehr in der Opposition, auch wenn Herr Westerwelle sich gerne so geriert, als sei er nach wie vor Oppositionsführer. Sie stellen die Bundesregierung! Sie haben die Mehrheiten, um das zu ändern! Wenn Sie also inhaltlich zu diesen Forderungen stehen, dann setzen Sie sie doch auch durch, meine Damen und Herren!

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Sie haben bei anderen Themen eine ganz andere Zähigkeit an den Tag gelegt, so etwa bei der Verschärfung des Jugendstrafrechts. Die haben Sie jahrelang gefordert. Sie haben dazu zahlreiche Initiativen auch hier im Landtag ergriffen. Sie sind zum Glück immer wieder gescheitert. Dennoch haben Sie nicht locker gelassen. Sie haben es jetzt sogar im Koalitionsvertrag auf Bundesebene verankert. Meine Damen und Herren, wenn Ihnen der Verbraucherschutz auch nur annähernd so wichtig wäre wie Strafrechtsverschärfungen für Jugendli

che, dann würden Sie unseren Antrag hier unterstützen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Schließlich fordern wir als dritten Punkt in unserem Antrag, den Verschuldensmaßstab im UWG auf grob fahrlässiges Handeln zu erweitern. Hier geht es uns in erster Linie um schwierige Beweislastfragen. Es gibt immer wieder Fälle, in denen ein Vorsatz eigentlich offenkundig erscheint, dieser aber nicht sicher bewiesen werden kann, woran dann die Gewinnabschöpfung scheitert. Wir meinen, in solchen Fällen muss auch grob fahrlässiges Handeln ausreichen, damit es zur Gewinnabschöpfung kommen kann.

Ich bitte um Zustimmung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich erteile der Kollegin Flauger, Fraktion DIE LINKE, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle kennen diese Werbeanrufe, in denen uns ein unglaublich günstiges Angebot nahegelegt wird, das wir überhaupt noch nicht kennen, das aber befristet ist, und in dem uns mitgeteilt wird, dass wir bei einem Gewinnspiel mitgemacht haben, und andere tolle Gelegenheiten mehr. Das ist höchst lästig. Das sehe ich so, und ich glaube, dass das kaum jemand anders sieht.

Zum Glück hat es in diesem Bereich einige gesetzliche Änderungen gegeben. Zumindest darf man jetzt nicht mehr anonym und mit unterdrückter Rufnummer anrufen. Man hat jetzt auch umfassende Möglichkeiten des Rücktritts von so abgeschlossenen Verträgen. Wer Menschen mit unerbetener Telefonwerbung belästigt, muss inzwischen mit nicht unerheblichen Geldbußen rechnen. Das alles ist gut so, aber es reicht nicht. Es besteht immer noch Handlungsbedarf. Es ist ein wesentlicher Punkt offen, nämlich eine Gesetzesvorschrift, wonach alle Verträge, die sich aus Werbeanrufen ergeben, vom Verbraucher schriftlich bestätigt werden müssen. Warum ist es so wichtig, dass es dieses schriftliche Einverständnis gibt? - Erstens ist es eine nicht unerhebliche Belästigung, wie ich schon gesagt habe, zweitens ist diese Telefonsitu

ation schon eine besondere Situation, in der man sich auch schon einmal dazu gedrängt fühlen kann, einen Vertrag abzuschließen, den man sonst nicht abgeschlossen hätte.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Ganz ge- nau!)

Es gibt noch einen weiteren einen Punkt - einen Punkt, den ich noch wichtiger finde als das andere. Ich versetze mich einmal auf die andere Seite dieser Telefonleitung. Die Menschen in diesen Callcentern, die diese Anrufe tätigen, arbeiten üblicherweise zu Dumpinglöhnen und teilweise sittenwidrig niedrigen Löhnen, auch wenn Herr Bode wahrscheinlich wieder irgendwo etwas ausgräbt, dass diese Mitarbeiter im Durchschnitt 13 Euro kriegen. Sie erleiden einen Misserfolg nach dem anderen. Wenn sie hundertmal anrufen, haben sie vielleicht zwei- oder dreimal einen Erfolg erzielt. Das ist eine hohe Frustration. Für den Anbieter lohnt sich das aufgrund der niedrigen Löhne immer noch. Die Mitarbeiter stehen unter einem erheblichen Erfolgsdruck. Der steht in klarem Kontrast zu dieser hohen Misserfolgsquote. Hinzu kommt: Ich bin zu diesen Callcenter-Mitarbeitern zwar immer sehr bestimmt, aber höflich, und Sie alle wahrscheinlich auch. Ich möchte aber nicht wissen, was sie den ganzen Tag zu hören kriegen. Das geht mit Sicherheit von Beleidigungen über Beschimpfungen bis hin zum Anschreien. Es sind menschenunwürdige Bedingungen, unter denen diese Leute da arbeiten müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Es mag sein, dass Einzelne das aus Neigung und reiner Begeisterung machen. Die meisten aber machen das wohl deshalb, weil sie keine andere Arbeit bekommen oder weil sie von der für sie zuständigen Arge dazu gedrängt werden, indem sie ihnen mit der Kürzung ihrer Hartz IV-Bezüge droht, wenn sie diese Tätigkeit nicht annehmen. Es gibt also mehre gute Gründe, diesem Unwesen den Boden zu entziehen. Das kann man erreichen, indem man regelt, dass solche Verträge anschließend schriftlich bestätigt werden müssen, wie es in dem Änderungsantrag der Grünen gefordert wird.

Wichtig ist auch die ebenfalls geforderte Möglichkeit, dass sich der Verbraucher gegen solche Praktiken juristisch wehren kann. Wir finden den Punkt c) juristisch schwierig, weil der Maßstab „grob fahrlässiges Handeln“ auf Sachverhalte angewendet werden soll, die ziemlich unbestimmt sind, wie „spürbar beeinträchtigen“ oder „unzumutbar“.

Aber wir werden die Ausschussempfehlung definitiv ablehnen, weil, wie ich ausgeführt habe, der Ursprungsantrag keinesfalls erledigt ist, sondern in diesem Zusammenhang durchaus noch einiges zu tun ist.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ich erteile dem Kollegen Adasch von der CDUFraktion das Wort.