Protocol of the Session on February 18, 2010

Zu 3: Die Einhaltung rechtlicher Verpflichtungen durch Kontrollen zu überprüfen, ist eines der wesentlichen Elemente der Rechtsdurchsetzung. Wie Kontrollen effektiv zu gestalten sind, hängt von der Art der zu überprüfenden Pflichten ab. Die Verkaufsverbote und -beschränkungen des Jugendschutzrechts gehören zu den Verhaltenspflichten, deren Einhaltung mittels einer angekündigten Kontrolle durch Behördenvertreter, die sich als solche legitimieren, nicht überwacht werden könnte. Testkäufe stellen hingegen eine wirksame Kontrollmöglichkeit dar und sind deutlich weniger belastend und wesentlich effektiver, als es etwa die Beobachtung eines Verkaufsraums durch einen Behördenmitarbeiter wäre, der sich dort unerkannt für einen längeren Zeitraum aufhalten müsste. Bei Testkäufen beschränkt sich die Kontrolle auf die Abwicklung eines alltäglichen Verkaufsvorgangs, der nur von den tatsächlich daran beteiligten Personen wahrgenommen und nicht anderweitig beobachtet wird. Der Eingriff ist daher gering.

Anlage 55

Antwort

des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit auf die Frage 56 der Abg. Heidemarie Mundlos, Dr. Uwe Biester und Norbert Böhlke (CDU)

EU-Antidiskriminierungsrichtlinie - Zwangsumbau von Wohnraum?

Die Europäische Kommission hat im Juli 2008 den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung (KOM 2008/426) vorgelegt, der zurzeit auf europäischer Ebene beraten wird. Bereits im September 2008 hatte der Bundesrat mit den Stimmen von Niedersachsen eine ablehnende Stellung

nahme beschlossen. Dabei hat der Bundesrat darauf hingewiesen, dass die EU bereits jetzt schon über einen der weltweit fortschrittlichsten Rechtsrahmen im Bereich der Nichtdiskriminierung verfüge. Vor weiteren Rechtsakten in diesem Bereich müssten zunächst die Erfahrungen der Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der bisherigen Antidiskriminierungsrichtlinien in nationales Recht geprüft und ausgewertet werden.

Laut einem Zeitungsartikel in der FAZ vom 2. Februar 2010 plant die Europäische Kommission eine Verschärfung des vorliegenden Entwurfs. Bei Gesprächen im Dezember letzten Jahres soll vereinbart worden sein, dass neben dem Staat künftig auch private Vermieter dazu verpflichtet werden sollen, Umbauten am Wohnungsbestand vorzunehmen, um behindertengerechten Wohnraum anbieten zu können. Grenzen finden soll die Verpflichtung dadurch, dass Vermietern keine unzumutbaren Belastungen auferlegt werden sollen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie ist der Stand sowohl des Inhalts und Umfangs als auch der zeitlichen Umsetzung des Richtlinienentwurfs auf europäischer Ebene, und wie wird sich das Land voraussichtlich im Bundesrat dazu verhalten?

2. Liegt der Landesregierung Zahlenmaterial vor, wie viel privater Wohnraum von der in Aussicht genommenen Verschärfung betroffen wäre und mit welchen durchschnittlichen Kosten pro Wohnung ein Vermieter belastet werden könnte?

3. Ist der Landesregierung bekannt, ob in Niedersachsen bei der Versorgung von Behinderten mit geeignetem Wohnraum eine Bedarfsdeckungslücke besteht?

Seit Mitte der 1970er-Jahre hat die EU, gestützt auf Artikel 13 des EU-Vertrages (jetzt Artikel 19 des Vertrages von Lissabon), verschiedene Antidiskriminierungsrichtlinien erlassen. Dabei sind die Richtlinien jeweils auf spezifische Diskriminierungsmerkmale ausgerichtet gewesen. Ihr Geltungsbereich umfasste zum Teil nur die berufliche Tätigkeit, zum Teil auch den Privatrechtsverkehr. Die Rahmenrichtlinie 2000/78/EG verbietet Diskriminierungen wegen der Merkmale Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung im Bereich Beschäftigung und Beruf.

Mit dem Richtlinienvorschlag vom 2. Juli 2008 wollte die Kommission den Diskriminierungsschutz für die von der Rahmenrichtlinie Betroffenen auf die Bereiche Sozialschutz einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste, soziale Vergünstigungen, Bildung und auf den Zugang zu und die Versorgung mit Gütern und Dienstleistun

gen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum, ausdehnen.

Der Entwurf sieht in Artikel 4 vor, dass zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderungen Maßnahmen im Voraus getroffen werden müssen, um ihnen einen effektiven diskriminierungsfreien Zugang u. a. zur Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen einschließlich Wohnraum zu gewährleisten. Maßnahmen müssen aber nicht getroffen werden, wenn sie für die Verantwortlichen eine unverhältnismäßige Belastung bedeuten.

Der Bundesrat hat mit Beschluss vom 19. September 2008 (BR-Drs. 499/08) mit den Stimmen Niedersachsens zu dem Richtlinienentwurf Stellung genommen und zu der Bestimmung in Artikel 4 ausgeführt, dass der EU für eine Verpflichtung zur behindertengerechten Herrichtung von Wohnungen die Regelungskompetenz fehle. Der Bereich des Wohnungswesens unterfalle eindeutig der Gesetzgebungskompetenz der Mitgliedsstaaten. Die Bestimmung sei außerdem zu unbestimmt.

In den EU-Gremien ist der Richtlinienentwurf stark umstritten. Die meisten Mitgliedsstaaten unterstützten zu Anfang der Beratungen die allgemeinen Ziele des Entwurfs, betonten aber die Notwendigkeit, Einzelfragen zu klären. Als klärungsbedürftiger Punkt wurde dabei allgemein die Frage der vorbeugenden Maßnahmen für Menschen mit Behinderungen, ihres Ausmaßes und ihrer Verhältnismäßigkeit gesehen.

Das Europäische Parlament hat zu dem Richtlinienentwurf am 2. April 2009 eine Stellungnahme beschlossen, die den Vorschlag der Kommission grundsätzlich billigt, aber eine Reihe von Änderungen im Detail vorschlägt. Die Erwägung zu Artikel 4 des Entwurfs, die nach dem Kommissionsvorschlag Ausführungen zur Verhältnismäßigkeit vorbeugender Maßnahmen macht, definiert eine vorbeugende Maßnahme nur dann als „unverhältnismäßig“, wenn sie undurchführbar ist oder die Sicherheit gefährdet. Das Parlament wird im Rahmen von Antidiskriminierungsrichtlinien aber nur angehört, es gibt kein Zustimmungserfordernis.

Die im Verlauf der Beratungen zunehmend skeptischere Haltung einer Reihe von Mitgliedsstaaten zum Richtlinienentwurf bewirkte, dass die schwedische Präsidentschaft dem Rat für Beschäftigung, Soziales und Gleichstellung nur einen Sachstandsbericht zur Kenntnis vorlegen konnte. Auf diesen Bericht bezieht sich der in der Kleinen Anfrage erwähnte Zeitungsartikel.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Beratungen in den EU-Gremien sind noch nicht abgeschlossen. In einer Reihe von Einzelfragen besteht noch keine Einigkeit zwischen den Mitgliedsstaaten. Eine anfangs nur von wenigen Mitgliedsstaaten geteilte grundsätzliche Skepsis gegen den Richtlinienentwurf hat sich im Verlauf der Beratungen eher verstärkt.

Die Beratungen werden im Jahre 2010 fortgesetzt werden. Der Bericht der schwedischen Präsidentschaft stellt insoweit nur den Beratungsstand zum Ende des Jahres 2009 dar. Er verschärft die Verpflichtung zu Vorkehrungen für den behindertengerechten Zugang - anders als im Zeitungsartikel ausgeführt - nicht. Diese Bestimmung war vielmehr schon im Entwurf der Kommission von Juli 2008 enthalten.

Die Richtlinie kommt nach dem Vertrag von Lissabon - wie nach den bisherigen Regelungen für Antidiskriminierungsrichtlinien - nur zustande, wenn sie einstimmig beschlossen wird.

Eine erneute Beteiligung des Bundesrates wird im Richtlinienverfahren nicht erfolgen. Der Bundesrat wäre erst wieder zu beteiligen, wenn es um die Umsetzung einer beschlossenen Richtlinie in nationales Recht ginge. Deutschland könnte in diesem Stadium aber nicht mehr hinter den Bestimmungen der Richtlinie zurückbleiben.

Zu 2: Nach § 44 Abs. 3 der Niedersächsischen Bauordnung besteht bei Neubauten grundsätzlich die Verpflichtung, in Gebäuden mit mehr als vier Wohnungen die Wohnungen eines Geschosses barrierefrei und in jeder achten Wohnung eines Gebäudes die Wohn- und Schlafräume, eine Toilette, ein Bad und die Küche oder Kochnische zusätzlich rollstuhlgerecht zu gestalten.

Die Landesregierung hat im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung im Zeitraum von 2003 bis 2009 die Schaffung von 43 Wohnungen für Menschen mit Behinderungen mit einem Mittelvolumen von 2,3 Millionen Euro gefördert.

Im aktuellen Programm der sozialen Wohnraumförderung des Landes Niedersachsen stellt sich die Förderung von Menschen mit Behinderungen wie folgt dar:

Im Bereich des Mietwohnungsbaus können für den Neubau von Mietwohnungen für Menschen mit Behinderungen zunächst zinslose Darlehen von bis zu 45 000 Euro je Wohneinheit sowie für den

Aus- und Umbau im Bestand bis zu 40 % der durch die Maßnahmen verursachten Kosten gewährt werden.

Die Schaffung von Wohneigentum für Menschen mit Behinderungen fördert das Land ebenfalls mit zunächst zinslosen Darlehen. Für einen Neubau können Darlehen bis zu 35 000 Euro je Wohneinheit sowie für durch die Behinderung bedingte Baumaßnahmen zusätzlich bis zu 10 000 Euro bewilligt werden. Für den Erwerb von Wohneigentum, welcher im Zusammenhang mit Modernisierungsmaßnahmen stehen muss, können Darlehen bis zu 25 000 Euro je Wohneinheit, sofern behinderungsbedingte Maßnahmen notwendig sind, bewilligt werden. Für den Aus- und Umbau im Bestand können, sofern durch die Behinderung besondere bauliche Maßnahmen erforderlich sind, 10 000 Euro je Wohneinheit bewilligt werden.

Zahlenmaterial, wie viel privater Wohnraum von der Änderung der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie betroffen wäre und welche Kosten dies verursachen würde, liegt der Landesregierung nicht vor.

Zu 3: Der Landesregierung liegt kein statistisch abgesichertes Zahlenmaterial vor. Beispielhaft kann auf eine Umfrage des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft in Niedersachsen und Bremen (vdw) hingewiesen werden. Dieser hatte Anfang des Jahres 2009 seine Mitgliedsunternehmen befragt. An der Umfrage hatten 72 Wohnungsunternehmen mit 191 502 Wohnungen teilgenommen; das sind ca. 5 % des gesamten Wohnungsbestandes in Niedersachsen. Es wurden seinerzeit von diesen befragten Wohnungsunternehmen 7 441 behindertenfreundliche und 1 149 rollstuhlgerechte Wohnungen gemeldet. Der vdw selbst hatte dabei darauf hingewiesen, dass die Zahl der entsprechenden Wohnungen noch deutlich höher liege, weil mehrere Unternehmen ihre behinderten- und rollstuhlgerechten Wohnungen nicht gesondert auswiesen und Wohnungsanpassungen zum Teil auch individuell vorgenommen würden.

Anlage 56

Antwort

des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit auf die Frage 57 der Abg. Miriam Staudte (GRÜNE)

Scheut die Landesregierung die Diskussion mit der Fachöffentlichkeit über das neue geschlossene Heim bei Vechta?

Während in Hamburg das umstrittene geschlossene Heim in der Feuerbergstraße nach einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss geschlossen wurde und die schwarzgrüne Landesregierung ähnliche Einrichtungen nicht mehr genehmigen will, hat sich die Niedersächsische Landesregierung entschlossen, in Niedersachsen eine geschlossene Unterbringung für Kinder und Jugendliche neu zu installieren. Das Ausschreibungsverfahren des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit ist abgeschlossen, und als Träger wurde die Caritas ausgewählt. Geplanter Standort ist Lohne bei Vechta.

Ich frage die Landesregierung:

1. Nach welchen Kriterien wurde der Träger ausgewählt, und mit welchem Konzept wird er arbeiten?

2. Warum wurde der Landesbeirat für Kinder- und Jugendhilfe nicht in die Konzeptentwicklung einbezogen und um eine Stellungnahme zu dem in der Fachöffentlichkeit umstrittenen Konzept der geschlossenen Unterbringung gebeten?

3. Hält die Landesregierung nach den Erfahrungen mit dem Hamburger Heim in der Feuerbergstraße Intransparenz für qualitätssichernd, oder scheut die Landesregierung die Diskussion mit der Fachöffentlichkeit über das neue geschlossene Heim bei Vechta?

In der Koalitionsvereinbarung 2008 bis 2013 zwischen der CDU und der FDP wurde festgelegt, für hochgradig gefährdete und kriminelle Kinder und Jugendliche eine geschlossene Heimunterbringung mit erzieherischen und therapeutischen Konzepten auch in Niedersachsen zu ermöglichen.

Die Landesregierung hat daraufhin beschlossen, zunächst eine Anzahl von sechs bis zehn Plätzen zur geschlossenen (freiheitsentziehenden) Heimunterbringung hochdelinquenter Kinder und Jugendlicher durch einen Träger der Jugendhilfe zu schaffen. Für die Realisierung der geschlossenen Heimunterbringung wurden Haushaltsmittel bis zu 1 Million Euro zur Verfügung gestellt.

Um das Verfahren zur Umsetzung der geschlossenen Unterbringung in Niedersachsen transparent und offen zu gestalten, wurde im Rahmen einer beschränkten Ausschreibung ein geeigneter freier Träger der Jugendhilfe gesucht. Die Ausschreibung vom 19. Februar 2009 wurde an 38 Träger von Einrichtungen der Jugendhilfe in Niedersachsen versandt. Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens, der VPK-Landesverband privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe Niedersachsen e. V. sowie die Landesarbeitsgemeinschaft der

Freien Wohlfahrtspflege in Niedersachsen haben die Ausschreibung nachrichtlich erhalten.

Mit der Ausschreibung wurden die Eckpunkte zur Erstellung einer pädagogischen Konzeption bzw. einer Leistungsbeschreibung für die Umsetzung der geschlossenen Heimunterbringung versandt. Vier freie Träger hatten ihr Interesse an der Umsetzung der geschlossenen Unterbringung in Niedersachsen bekundet und ihre Bewerbungsunterlagen fristgerecht eingereicht.

Von den vier Bewerbungen wurde das CaritasSozialwerk St. Elisabeth, Vechta, ausgewählt. Die Einrichtung soll in der Stadt Lohne (Landkreis Vechta) geschaffen werden.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Das Caritas-Sozialwerk St. Elisabeth wurde als Träger ausgewählt, weil es das Anforderungsprofil der Ausschreibung erfüllte und am wirtschaftlichsten mit den eingesetzten Landesmitteln umgeht. Das Caritas-Sozialwerk erarbeitet derzeit die Endfassung der Leistungsbeschreibung, die Gegenstand des Betriebserlaubnisverfahrens gemäß § 45 SGB VIII sein wird.