Danke schön, Herr Kollege Schwarz. - Herr Perli von der Fraktion DIE LINKE hat für anderthalb Minuten das Wort zu einer Kurzintervention.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Schwarz, Sie haben gerade zum einen Ihre Worte und zum anderen meinen Zwischenruf zitiert. Aus beidem ist herauszuhören, dass eine Verurteilung
stattgefunden hat. Meine Fraktion und auch ich persönlich verurteilen sowohl das, was Sie aus der DDR geschildert haben, als auch das, was im Rahmen von Castortransporten oder G8-Gipfeln an nicht juristisch konformen Maßnahmen stattgefunden hat. Zu beidem gehört einfach, wie mit politischen Demonstranten umgegangen wird.
Ich persönlich möchte Ihnen sagen, dass Sie mir nicht vorwerfen können, dass ich mich mit der DDR nicht befasst hätte. Meine Familie ist nach der Wende in die östlichste Region dieses Landes gezogen. Meine Eltern haben sich selbstständig gemacht, um in Sachsen-Anhalt „blühende Landschaft“ mit aufzubauen. Zu Hause bei uns liegt eine Urkunde von FDP-Bundeswirtschaftsminister Möllemann, der meiner Familie gratuliert, das erste italienische Restaurant in Sachsen-Anhalt eröffnet zu haben. Wir haben dort viele Arbeitsplätze geschaffen. Auch ich habe gesehen, was an der Erhaltung von Architektur sowie kultureller Förderung gut war und was dort an Problemen vorhanden war. Ich habe überhaupt keine Veranlassung, irgendetwas zu beschönigen oder schlechtzureden.
(Beifall bei der LINKEN - Karin Bert- holdes-Sandrock [CDU]: Dann können Sie ja alles bestätigen, was ich gesagt habe!)
Herr Kollege Perli, ich biete Ihnen an - dies sage ich ganz offen -, sich einmal länger hinzusetzen und darüber zu diskutieren. Ich halte es wirklich für nicht gerechtfertigt, die Vorkommnisse bei Castortransporten, die Gewahrsamnahmen von Demonstranten oder was auch immer, mit dem Unrecht in der DDR zu vergleichen.
Das hat nichts mit Demonstrationen zu tun. Das hat inhaltlich damit zu tun, dass wir auf der einen Seite den Unrechtsstaat hatten und das wir auf der anderen Seite in einem ganz anderen Staat lebten. Das ist das Wesentliche. Darüber biete ich Ihnen gerne einmal eine Diskussion an. Es lohnt sich jetzt nicht, intensiv darauf einzugehen.
Danke schön, Herr Schwarz. - Für die Landesregierung hat sich Frau Ministerin Heister-Neumann zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein deutscher Theologe hat einmal gesagt: „Geschichte ist nicht nur Geschehenes, sondern Geschichtetes - also der Boden, auf dem wir stehen und bauen.“ Zu unserer Geschichte gehört auch das DDR-Unrechtssystem.
Angesichts der furchtbaren Erfahrungen, die wir in Deutschland mit Diktaturen gemacht haben, halte ich es für besonders wichtig, dass unsere Bürgerinnen und Bürger und vor allen Dingen auch unsere Kinder und Jugendlichen gute Kenntnisse über diese geschichtlichen Zusammenhänge haben. Es ist wichtig, dass sie die menschenverachtenden Strukturen kennen und darüber Kenntnisse haben. In diesem Zusammenhang ist es auch wichtig, dass sie Kenntnis z. B. über das sehr umfangreiche, detaillierte und schrankenlose Bespitzelungssystem des Ministeriums für Staatssicherheit in der DDR haben. Es ist auch wichtig, dass sie Kenntnis darüber haben, dass es in der DDR zur Realität gehörte, dass es Ausreiseverbote und eben auch den Schießbefehl gab. Nur so - davon bin ich überzeugt - können Wiederholungen tatsächlich ausgeschlossen werden.
Liebe Frau Weddige-Degenhard, diese Landesregierung hat in den Schulen bereits viel gemacht und wird auch weiterhin in dem Sinne arbeiten, dass diese Kenntnisse vertieft werden. Wir haben bereits vor anderthalb Jahren neue Kerncurricula z. B. für das Fach Geschichte herausgegeben, in denen die Entwicklung und das Leben im geteilten Deutschland und auch der Weg zur Deutschen Einheit Themen der Abschlussklassen des Sekundarbereichs I sind.
Aber die Herausgabe von Lehrplänen ist das eine. Weitere Unterstützungsmaßnahmen sind das andere. Wir werden unseren Schulen weitere Unterstützung für den Unterricht anbieten, z. B. durch Informationen über aktuelle Materialien und Publikationen der Bundesstiftung Aufarbeitung, durch die Förderung von Schulpartnerschaften mit der Gedenkstätte Marienborn und durch die Einrichtung einer Zeitzeugenbörse, die Niedersachsen gemeinsam mit den Ländern sowie der Bundesstiftung Aufarbeitung finanziert und für die wir, meine Damen und Herren, in Niedersachsen geradezu
prädestiniert sind; denn Sie sollten sich vergegenwärtigen, dass wir in Niedersachsen ganz viele Flüchtlinge aus der ehemaligen DDR hatten, die vor den Sanktionen, vor den Schikanen dieses Staates ins Ausland, zu uns geflohen sind, meine Damen und Herren. Die Schulen werden auch Unterstützung erhalten durch themenbezogene Schulbuchanalysen des Georg-Eckert-Instituts, das den Auftrag von der Kultusministerkonferenz, und zwar auf Initiative Niedersachsens, erhalten hat, die Schulbücher vor dem Hintergrund der Erkenntnisse über die DDR-Geschichte zu überarbeiten.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung greift die Anregung der Fraktionen der CDU und der FDP gerne auf, die mit ihrem Entschließungsantrag zu Recht auf die Bedeutung des Themas in der Schule hingewiesen haben. Die Landesregierung wird ihre Bemühungen um eine angemessene und sachgerechte Behandlung der DDRGeschichte zukünftig noch weiter intensivieren.
In einem sind wir uns wohl einig. Das ist die Erkenntnis, dass wir gemeinsam in der Verantwortung stehen, dass diese Kenntnisse weitergegeben werden und dass es irgendwann eine Studie gibt, die sagen wird: Unsere Schülerinnen und Schüler wissen, was in der DDR geschehen ist, und werden dafür Sorge tragen, dass diese Gesellschaft eine andere Entwicklung nimmt als die, die es in der Vergangenheit gegeben hat.
Herzlichen Dank. - Herr Kollege McAllister von der CDU-Fraktion bittet nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung um zusätzliche Redezeit. Sie haben eine Redezeit von zwei Minuten. Sie haben das Wort. Bitte schön!
Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich aufgrund der Worte des Kollegen Bachmann gemeldet.
- Natürlich beziehe ich mich auch gerne auf die Worte der Kultusministerin, um den Kollegen Adler zu beruhigen.
Es ist die Rolle der Ost-CDU angesprochen worden. Kollege Bachmann, ich finde, es ist ein bisschen arg vereinfacht, wie Sie das dargestellt haben. Ich sage das deshalb, weil ich Mitglied der CDU-Grundsatzprogrammkommission war und weil wir sehr ausführlich auch über die Rolle der Ost-CDU gesprochen haben.
Tatsache ist: Im Sommer 1945 wurde in der sowjetisch besetzten Zone die CDU gegründet. Bereits wenige Wochen nach der Gründung erfolgten Drangsal, Verbote, Verfolgung, Zuchthaus und für einige Christdemokraten sogar der Tod. Ich darf daran erinnern, dass im Dezember 1945 die beiden ersten Vorsitzenden der Ost-CDU, Andreas Hermes und Walther Schreiber, von ihren Ämtern abgesetzt wurden, weil sie aktiv gegen die Bodenreform der Sowjets vorgingen. Ein ähnliches Schicksal erlitten die anderen beiden Vorsitzenden der Ost-CDU im Dezember 1947, nämlich der bekannte und berühmte Jakob Kaiser und auch Ernst Lemmer wegen ihres Widerstands gegen die sogenannte Volkskongressbewegung in der damaligen DDR.
Bis 1950 verlor die CDU in der sowjetisch besetzten Zone 25 % ihrer Mitglieder. Weil seit 1990 die Quellen frei zugänglich sind, wissen wir mittlerweile, dass mindestens 1 500 Christdemokraten im Osten bzw. in der Mitte Deutschlands, Funktionäre und Mitglieder, ins Zuchthaus kamen und verfolgt wurden, u. a. der Staatssekretär im DDR-Justizministerium Helmut Brandt, der 14 Jahre im Zuchthaus saß. So wurde aus der Ost-CDU - das ist wichtig - in den 50er-Jahren dann die Blockpartei CDU, die unbestritten auch eine Mitverantwortung für das trägt, was in der DDR passiert ist. Das muss auch weiterhin aufgearbeitet werden. Das ist auch Aufgabe der Christlich-Demokratischen Union. Wir akzeptieren aber nicht - deshalb habe ich mich zu Wort gemeldet -, dass CDU und LDPD mit der SED verglichen werden. Denn wer ein Genosse war, hat die Funktionen bekommen.
Wer in der LDPD und in der CDU war, hat im Zweifelsfall nie eine Führungsfunktion bekommen, gerade weil er kein Genosse war. Hier wird jetzt Geschichtsklitterung seitens der niedersächsischen SPD betrieben.
Ein letzter Satz. - Herr Kollege Bachmann, ich habe mich deshalb zu Wort gemeldet, weil wir Ihnen das nicht durchgehen lassen.
Ich schließe mit einem Satz, den ich mir sehr eingeprägt habe. Er ist von unserem Jakob Kaiser, dem damaligen Vorsitzenden der Ost-CDU, einem mutigen Mann, der in der SBZ sehr gelitten hat. Er hat im Dezember 1947 auf dem Parteitag der OstCDU erklärt - ich zitiere -:
„Wir müssen und wir wollen Wellenbrecher des dogmatischen Marxismus und seiner totalitären Tendenzen sein.“
Auch die SPD hat um zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung gebeten. Herr McAllister hat seine Redezeit eben um eine Minute überzogen. Herr Jüttner, Ihnen stehen jetzt somit drei Minuten Redezeit zur Verfügung.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Ich kenne nicht jedes Detail der Geschichte der Parteien in der früheren DDR oder in der damaligen SBZ. Ich weiß aber, dass es mit Sicherheit stimmt, dass CDULeute gelitten haben. Ich weiß vor allem, dass viele SPD-Leute gelitten haben und bei der Gründung der SPD in der SBZ harten Auflagen ausgesetzt waren und dann alle aufgerieben worden sind.
Wenn wir über die Integration der Parteien der Nationalen Front in die Parteien der Bundesrepublik reden, dann reden wir nicht über die Zeit von 1945 bis 1950, sondern wir reden über diejenigen, die in den 1970er- und 1980er-Jahren - man weiß das von Herrn Althaus; es gibt sicherlich noch viele andere Beispiele - mindestens in den Regionen an verantwortlicher Stelle mitgewirkt haben.
Herr McAllister, es gehört zur historischen Wahrheit, dass die CDU bei der Übernahme der gesamten Ost-CDU keinerlei Maßnahmen unternommen hat. Die Übernahme ist problemlos gelaufen, so
wohl was das gesamte Personal als auch was das gesamte Vermögen angeht. Das hätten Sie hier ergänzend noch sagen können. Dann hätten wir ein rundes Bild gehabt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. - Herr Thiele, Sie haben keine restliche Redezeit mehr. - Ich schließe damit die Beratung.
Ich will Sie dabei auf Folgendes aufmerksam machen: In diesem Fall ist eine besondere Situation gegeben. Es hat bereits bei der ersten Beratung ein Änderungsantrag vorgelegen, der in die Ausschussberatungen einbezogen worden ist.
Angesichts des unterschiedlichen Abstimmungsverhaltens im Ausschuss zu dem Antrag und dem Änderungsantrag halte ich Sie alle hier im Hause heute für damit einverstanden, dass wir, abweichend vom Wortlaut der Beschlussempfehlung, aber entsprechend dem Umgang mit Änderungsanträgen, wie wir ihn sonst bei der zweiten oder auch möglichen einzigen abschließenden Beratung pflegen, zunächst über den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE abstimmen. Falls dieser abgelehnt werden sollte, stimmen wir anschließend über den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP ab. - Ich sehe und höre keinen Widerspruch.
Wer dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE in der Drs. 16/1799 zustimmen will, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Ich stelle fest, dass der Änderungsantrag abgelehnt worden ist.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP in der Drs. 16/1743. Wer diesen Antrag unverändert annehmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist dem Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP stattgegeben worden.