Herr Jüttner, mir ist während Ihrer Rede aufgefallen, dass Sie kaum - eigentlich gar nicht - auf die Krise hingewiesen haben. Wir beraten in dieser Woche einen Landeshaushalt in einer außerordentlich schwierigen Zeit.
- Sie mögen darüber lachen. Tatsache ist aber: Die Bewältigung dieser Krise, die einzigartig ist, stellt Bund, Länder und Kommunen insgesamt vor große Herausforderungen, vor so große Herausforderungen, wie wir das in der Geschichte unserer Bundesrepublik Deutschland noch nicht erlebt haben. Sie gehen darauf nicht ein. Insofern war Ihre Rede in Ton und Inhalt unangemessen.
Wir erleben den größten Wirtschaftseinbruch in der Geschichte unserer Bundesrepublik. Die Prognosen gehen von einem Minuswachstum von 4,5 bis 5 % in diesem Jahr aus. Damit ist das Minus fünf- bis sechsmal so groß wie im bisher schlechtesten Jahr unserer Wirtschaftsgeschichte; das war bekanntlich das Jahr 1975, als das Bruttoinlandsprodukt um 0,9 % zurückging. Das hat natürlich gravierende Folgen für die Staatseinnahmen: Die Steuereinnahmen des Bundes gehen beispielsweise in diesem Jahr um 9,9 % zurück.
Auf der anderen Seite gibt es international vereinbarte Ausgabensteigerungen. Alle Regierungen der führenden Industriestaaten haben sich darauf verständigt, international abgestimmt Konjunkturprogramme auf den Weg zu bringen, also zusätzliches Geld in den Kreislauf zu geben. Wegbrechende Einnahmen und zusätzliche Ausgaben treffen alle Industriestaaten.
Schauen Sie sich die Haushaltsdebatten in Großbritannien, in Irland, in Griechenland oder wo auch immer an. Das trifft uns genauso auch in Deutschland - im Bund wie in den 16 Ländern wie in den Kommunen.
Herr Jüttner, Sie haben zu Beginn Ihrer Rede versucht, die Haushaltsentwicklung in Niedersachsen als niedersächsische Besonderheit darzustellen. Wenn das so wäre, Herr Jüttner, dann frage ich Sie: Wie kommt es, dass das SPD-geführte Rheinland-Pfalz statt einer ursprünglich vorgesehen Nettokreditaufnahme von 698 Millionen Euro laut Mipla jetzt 1 186 Millionen Euro neue Schulden macht, also fast 500 Millionen Euro mehr. Wenn es eine niedersächsische Singularität wäre, Herr Jüttner, dann erklären Sie mir bitte, warum Berlin - in Ihrer Wunschkonstellation, Rot-Rot regiert - in diesem Jahr 2,8 Milliarden Euro neue Schulden macht und nicht, wie ursprünglich vorgesehen, fast
null neue Schulden. Herr Jüttner, Sie machen den Menschen doch etwas vor, wenn Sie meinen, dass dies nur ein niedersächsisches Phänomen sei. Räumen Sie doch ein, dass diese Krise alle Länder, den Bund und die Kommunen gleichermaßen betrifft!
Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieser weltweite Finanztsunami hat auch für uns in Niedersachsen entsprechende Konsequenzen. Wir verzeichnen gravierende Steuereinnahmeausfälle. Die Steuerschätzung aus dem Mai dieses Jahres prognostizierte ein Minuswachstum von ungefähr 6 %. Das bedeutet in der Konsequenz Steuermindereinnahmen im Jahr 2009 in Höhe von 1,26 Milliarden Euro und im Jahr 2010 in Höhe von 2,4 Milliarden Euro. Die November-Steuerschätzung unterstellte bei ihren Berechnungen ein Minuswachstum von 5 % des BIP. Daraus ergeben sich für Niedersachsen weitere Steuermindereinnahmen in Höhe von 251 Millionen Euro in diesem Jahr und in Höhe von 137 Millionen Euro im nächsten Jahr.
wird man feststellen müssen, dass diese Mindereinnahmen an einem Land mit einem Haushaltsvolumen von 25 Milliarden Euro nicht spurlos vorbeigehen können. Hinzu kommen die national wie international vereinbarten notwendigen Konjunkturprogramme. Wir haben den Dritten Nachtragshaushalt für das Haushaltsjahr 2009 hier im Landtag beschlossen, der eine Nettoneuverschuldung in Höhe von 2,3 Milliarden Euro vorsieht. Auch dieser Haushalt sieht genau so eine Neuverschuldung von 2,3 Milliarden Euro vor.
Das ist bitter; keine Frage. Aber eines ist auch klar: Es wäre falsch, jetzt gegen die Krise anzusparen. Das schafft keine Sicherheit. Das würde alles schlimmer machen. Das hätte vor allem negative Auswirkungen auf die Konjunktur, auf unseren Mittelstand, auf die Infrastruktur usw. usf. Deshalb sage ich: Obwohl wir unseren Konsolidierungskurs
aus übergeordneten Gründen vorübergehend verlassen, ist diese Neuverschuldung ohne Alternative. Von Ihnen habe ich keinen einzigen Beitrag dazu gehört, wie wir es hätten anders machen sollen.
Obwohl wir uns in der größten Finanzkrise in der Geschichte unserer Bundesrepublik Deutschland befinden, machen wir in Niedersachsen im Jahr 2010 nur 2,3 Milliarden Euro an neuen Schulden. Ich weise darauf hin, dass in dem letzten Haushalt zu Zeiten der früheren SPD-Landesregierung im Jahr 2002, als es keine Krise gab, 650 Millionen Euro zusätzliche Schulden gemacht worden sind.
Wir brauchen uns insofern beim Thema „Umgang mit Landesfinanzen“ von Sozialdemokraten nicht belehren zu lassen!
(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Björn Thümler [CDU]: Die Wahrheit ist bitter! - Zurufe von der SPD)
Einige - wie der geschätzte Kollege Tanke - machen Zwischenrufe, andere - wie Herr Jüttner und Herr Bartling - tun dies nicht, weil sie genau wissen, dass sie damals an führender Stelle mit Verantwortung dafür getragen haben, dass wir im Jahr 2003 diese schwierige Finanzsituation übernommen haben.
Herr Jüttner, ich will Ihnen noch etwas sagen: Sie haben sich hier vor zwei Jahren hingestellt und den Ministerpräsidenten aufgefordert, Milliarden auf den Markt zu schmeißen, um zusätzliche Volkswagenaktien zu kaufen. Wir sind froh, dass wir nicht auf Sie gehört haben; denn sonst hätten wir in diesem Land noch ganz andere Haushaltsprobleme.
Meine Damen und Herren, wir haben den Landeshaushalt im September-Plenum ausführlich beraten. Die Koalitionsfraktionen haben so wie die Op
positionsfraktionen den Landeshaushalt intensiv beraten. Wir haben eigene Schwerpunkte gesetzt. Stellvertretend für alle Politikbereiche möchte ich jetzt nur auf fünf Themen eingehen.
Erstens möchte ich mich der Umsetzung des Konjunkturpakets II und der „Initiative Niedersachsen“ zuwenden, die mit diesem Haushalt weiter fortgeführt wird. Die aktuelle Kabinettsvorlage zu diesem Thema, die der Rundblick heute dargestellt hat, belegt eindrucksvoll den Erfolg dieser Initiative.
Zum Stichtag 1. November 2009 ist die kommunale Investitionspauschale von 600 Millionen Euro in mehr als 85 % der Kommunen bereits angekommen. 1 393 Vorhaben im ganzen Land mit einem Investitionsvolumen von rund 468 Millionen Euro wurden begonnen. Zudem haben die Kommunen wesentlich mehr Geld investiert, als ihr Kofinanzierungsanteil - im Durchschnitt 20 % - ausmacht. Beim Programm „Kommunale Schwerpunkte“ - sei es bei der Förderung der Schulinfrastruktur, bei der Medienausstattung, bei den Innovations- und Zukunftszentren an den berufsbildenden Schulen und vielem anderen mehr - sind bisher insgesamt 173 Millionen Euro in 2 224 Infrastrukturvorhaben investiert worden. Der Ausbau der Breitbandversorgung im ländlichen Raum geht voran. Fördermittel für die Sanierung kommunaler Sportstätten stehen in Höhe von 50 Millionen Euro zur Verfügung. Ebenso erwähnen möchte ich an dieser Stelle die Förderung von Krankenhäusern und den Hochwasserschutz im Binnenland.
Die kommunalen Förderprogramme mit nahezu allen Vorhaben und ebenso die reinen Landesmaßnahmen befinden sich damit allesamt in der Realisierung.
Was ich damit deutlich machen will, ist: Alle diese Programme, alle diese Maßnahmen helfen der Konjunktur, vor allem der Bauwirtschaft und dem örtlichen mittelständischen Handel und Handwerk.
Eines stelle ich auch fest: Kein Bundesland hat dieses Konjunkturprogramm so kommunalfreundlich und so zeitnah umgesetzt wie wir in Nieder
Zweitens. Wir als Koalition von CDU und FDP sind ferner stolz darauf, dass wir in Niedersachsen jetzt mehr Geld für Bildung, Wissenschaft und Forschung ausgeben als jemals zuvor. Der Bildungsetat umfasst Ausgaben in Höhe von 4,717 Milliarden Euro im Jahr 2010. Das sind 265 Millionen Euro mehr als im Vorjahr. Vor allem damit man auch die Glaubwürdigkeit der Argumente des Oppositionsführers kennenlernt: Das sind in Niedersachsen 1 Milliarde Euro mehr für die Bildung als im Jahr 2002. Das ist die Realität, auf die wir die Menschen in Niedersachsen in aller Deutlichkeit hinweisen.
Der Hochschulpakt 2020 ist auf den Weg gebracht worden. Die Hochschulen haben Planungssicherheit. Außerdem holen wir bei den Betreuungsplätzen für die Kinder unter drei Jahren kräftig auf.
- Meine Damen und Herren, Sie haben in diesem Bereich bis 2003 überhaupt nichts auf den Weg gebracht.