Protocol of the Session on November 26, 2009

(Zustimmung bei der CDU - Johanne Modder [SPD]: Na, na, na!)

Des Weiteren wird in der Anfrage behauptet, Niedersachsen habe bei den Kassenkrediten bundesweit die Spitzenposition. Auch das ist falsch. In absoluten Zahlen wird die Spitzenposition von Nordrhein-Westfalen gehalten. Die Kommunen dort hatten am 31. Dezember 2008 Kassenkredite in Höhe von 16,5 Milliarden Euro.

(Zuruf von Heinrich Aller [SPD])

- 16,5 Milliarden Euro, Herr Aller. - Davon sind wir glücklicherweise noch weit entfernt. Relativ betrachtet liegt Niedersachsen mit 514 Euro pro Einwohner und deutlichem Abstand zur höchsten ProKopf-Verschuldung im Mittelfeld.

Auch aus der Erkenntnis der hohen Kassenkredite will die Landesregierung mit dem von ihr initiierten Zukunftsvertrag ein Instrumentarium schaffen, welches zur Leistungsfähigkeit der Gebietskörperschaften und zur Entspannung der strukturellen Finanzprobleme einzelner besonders stark betroffener Kommunen beitragen wird. Mit der Einrichtung eines Entschuldungsfonds können Kommunen im Einzelfall dauerhaft von ihrer finanziellen Belastung durch Zins und Tilgung der aufgelaufenen Liquiditätskredite in Höhe von bis zu 75 % freigestellt werden.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Auf der Grundlage eines Kabinettsbeschlusses vom 3. März 2009 hat das Niedersächsische Ministerium für Inneres, Sport und Integration mit den kommunalen Spitzenverbänden eine gemeinsame Erklärung zur Zukunftsfähigkeit der niedersächsischen Kommunen verhandelt. Nach einem grundsätzlichen Einvernehmen der kommunalen Spitzenverbände im September/Oktober 2009 hat auch die Landesregierung mit Kabinettsbeschluss vom 24. November 2009 diesem Vertragsentwurf mit kleinen Ergänzungen zugestimmt. Die endgültige Zustimmung der kommunalen Spitzenverbände wird demnächst erwartet.

Die Landesregierung und die kommunalen Spitzenverbände verabreden mit diesem Vertrag den Ausbau eines Instrumentariums zur Steigerung der Leistungsfähigkeit der Gebietskörperschaften und damit auch einen Beitrag zur Entspannung der strukturellen Finanzprobleme einzelner besonders stark betroffener Kommunen. Im Mittelpunkt stehen dabei das Prinzip der bürgernahen Durchführung öffentlicher Aufgaben, die Möglichkeit einer kommunalen Entschuldung als zentraler Baustein

für eine zukunftsfähige Ausrichtung zahlreicher strukturschwacher Gemeinden und Landkreise sowie eine ressortübergreifende Strukturpolitik mit den Kommunen des Landes.

Zur Finanzierung dieses Entschuldungsprogramms, mit dem der prekären Finanzlage zahlreicher Kommunen wirkungsvoll begegnet werden kann, sollen ab dem Jahr 2012 jährlich bis zu 70 Millionen Euro in einem Sondervermögen bereitgestellt werden. Die Hälfte des Betrages erbringt die kommunale Ebene durch Inanspruchnahme des kommunalen Finanzausgleichs als Ausdruck der gelebten Solidarität zwischen dem Land und seinen Kommunen. Die konkrete Ausschöpfung der Beträge ist abhängig vom Umfang der Angebotsinanspruchnahme und der im jeweiligen Einzelfall unabweisbar erforderlichen Entschuldungshöhe. Die Entschuldungshilfe wird dabei individuell mit den einzelnen Kommunen vereinbart.

Entsprechend der vertraglichen Vereinbarung sollen in den Genuss einer entsprechenden Entschuldungshilfe „insbesondere diejenigen strukturschwachen Kommunen kommen, welche zum Zweck der Haushaltskonsolidierung Fusionen mit anderen Gebietskörperschaften oder die Umwandlung von einer Samtgemeinde in eine Einheitsgemeinde anstreben, soweit dieses zur finanziellen Gesundung beiträgt und erforderlich ist“. Unabhängig von einer Fusion sollen nach dem Vertrag aber auch diejenigen Kommunen unterstützt werden, „die ihre dauernde Leistungsfähigkeit trotz extremer Kassenkreditverschuldung auch ohne Fusion wiederherstellen können.“

Dementsprechend werden keine Kommunen mit überdurchschnittlich hohen Kassenkrediten und strukturellen Haushaltsdefiziten vom Zukunftsvertrag ausgeschlossen. Dies gilt auch für den Landkreis Soltau-Fallingbostel. Ob tatsächlich eine Entschuldungshilfe in Anspruch genommen werden kann, hängt von den konkreten Haushaltszahlen ab. Nach Gewährung einer Entschuldungshilfe muss die dauernde Leistungsfähigkeit des Landkreises gegeben sein. Eine mit Mitgliedern der kommunalen Spitzenverbände und der Landesregierung paritätisch besetzte Kommission wird bei der Mittelvergabe mitwirken.

Zu Frage 2: Zu den finanziellen Grundlagen der Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe gehörte von Beginn an die Zielsetzung, dass die kommunalen Träger durch die Übernahme der Kosten im SGB II nicht schlechter gestellt sein

sollten als in der bis dahin geltenden Sozialhilfe nach dem BSHG.

Die heutige Fassung des § 46 SGB II ist das Ergebnis schwieriger Verhandlungen. Dort ist - neben der jährlichen Entlastung der Kommunen um 2,5 Milliarden Euro - geregelt, dass der Bundesanteil nach einer Formel berechnet wird, die auf die Entwicklung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften abstellt.

Diese Berechnungsformel war von Beginn an umstritten. Kritisiert wurde vor allem, die Entwicklung der Bedarfsgemeinschaften zugrunde zu legen; denn nur die Unterkunftskosten seien relevant. Letztlich war aber die Berechnungsformel ein Kompromiss zwischen dem Bund und den Ländern, der auch mit dem Ziel geschlossen wurde, regelmäßige Auseinandersetzungen zwischen dem Bund und den Ländern über die Höhe der kommunalen Entlastung zu beenden.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Der Rückgang der Bedarfsgemeinschaften hat dazu geführt, dass sich die Höhe der Bundesbeteiligung für Niedersachsen seit 2007 von 31 vom Hundert auf aktuell 25,4 vom Hundert in 2009 reduziert hat.

Die Entwicklung war aus der Sicht der Landesregierung so lange hinnehmbar, wie sich der Rückgang der Zahl der Bedarfsgemeinschaften entsprechend günstig auf die Kosten für Unterkunft und Heizung auswirken würde. Tatsächlich sind die entsprechenden Ausgaben bundesweit von 13,7 Milliarden Euro in 2007 auf 13,35 Milliarden Euro in 2008 gesunken. Von daher war der Quote für 2009 nicht zu widersprechen.

Die infolge der Weltwirtschaftskrise eingetretene Wende sowohl bei der Entwicklung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften als auch bei den Unterkunftskosten hat allerdings die Landesregierung veranlasst, gemeinsam mit den anderen Ländern der beabsichtigten Absenkung der Bundesbeteiligung zu widersprechen und den von NordrheinWestfalen formulierten Entschließungsantrag zu unterstützen. Nach dem aktuellen Stand ist nicht erkennbar, wie mit der nach der Formel errechneten - gegenüber 2009 von 25,4 vom Hundert auf dann 23 vom Hundert abgesenkten - Bundesbeteiligung die zugesagte Entlastung erreicht werden könnte. Die Berechnung des Deutschen Landkreistages ist eher hypothetischer Natur, da sie davon ausgeht, die Quote für 2008 wäre auf der Grundlage der Entwicklung der Kosten für Unterkunft und

Heizung und nicht auf der Grundlage der Entwicklung der Zahl der Bedarfsgemeinschaften ermittelt worden.

(Unruhe)

Herr Minister, darf ich kurz unterbrechen? - Die Gespräche in den Fraktionen sind so intensiv, dass es hier wirklich sehr stört. Wer an dem Thema nicht interessiert ist - was ich mir persönlich fast nicht vorstellen kann -, hat die Möglichkeit, den Plenarsaal zu verlassen und die Gespräche draußen zu führen. Ich glaube, das Thema ist ernst genug, um hier wirklich die entsprechende Aufmerksamkeit zu erlangen. Ich bitte daher dringend darum, die Gespräche in den Fraktionen einzustellen.

Bei Ausgaben für Unterkunft und Heizung von voraussichtlich 1,27 Milliarden Euro in Niedersachsen im Jahr 2009 hätte sich auf der Grundlage der Annahmen des DLT eine Nettobelastung der niedersächsischen Kommunen von 0,8 Milliarden Euro ergeben, während diese nach der gültigen Quote bei 0,95 Milliarden Euro liegen wird. Ich verweise auf den Antrag der Regierungsfraktionen, der im Anschluss an die Dringliche Anfrage zu diesem Thema beraten wird.

Zu Frage 3: Eine Regierung unterscheidet von der Opposition, dass man nicht ständig neue und mehr Ausgaben fordern kann, ohne dafür eine solide Gegenfinanzierung aufzustellen. Natürlich wünschten wir uns alle, unseren Gemeinden und Landkreisen mehr Geld zur Verfügung stellen zu können. Nur, leider gehen manche Wünsche nicht in Erfüllung, wenn man verantwortungsbewusst mit dem Geld umgehen will, das einem vom Steuerzahler anvertraut wird.

Wenn Sie schon die Verfassung zitieren, dann sollten Sie das auch vollständig tun. Das Land wird nämlich nicht ohne Einschränkung zur aufgabengerechten Finanzausstattung verpflichtet. Vielmehr steht diese Verpflichtung im Wechselspiel mit der finanziellen Leistungsfähigkeit des Landes.

Nun interessieren Sie sich für gewöhnlich nicht für die finanzielle Leistungsfähigkeit des Landes,

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Das ist eine üble Unterstellung!)

aber diese Landesregierung achtet sehr genau darauf, was sie den Landesfinanzen zumuten kann und was nicht.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich wiederhole daher noch einmal, was ich zu ähnlichen Anfragen in den vergangenen Wochen immer wieder ausgeführt habe:

Die Steuerverbundquote, die wesentlichen Einfluss auf die Höhe der Zuweisungsmasse im kommunalen Finanzausgleich hat, ist nicht willkürlich gegriffen. Dies wäre aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich. Vielmehr basiert die Verbundquote auf einem sorgfältig zwischen Land und Kommunen austarierten Verhältnis, das finanzielle Leistungsfähigkeit und die Belastung beider Ebenen miteinander vergleicht.

Die Landesregierung ist zur regelmäßigen Überprüfung verpflichtet, ob diese als Verteilungssymmetrie bezeichnete Lastenverteilung noch gewahrt ist. Aus dem Ergebnis dieser Überprüfung schlägt sie dem Landtag als Budgetverantwortlichem vor, ob eine Anpassung der Verbundquote nach unten - wie zuletzt 2005 - oder nach oben - wie zuletzt 2007 - geboten ist. Die letzte Überprüfung hat ergeben, dass die Verteilungssymmetrie zwischen Land und Kommunen derzeit gewahrt ist. Die derzeitige Höhe der Steuerverbundquote ist also, bei allem Wunsch nach höheren Zuweisungen für die kommunalen Körperschaften, ein angemessener Kompromiss zwischen den Interessen der Kommunen und des Landes.

Ob und welche Einnahmeverluste durch die Beschlüsse der Koalitionsvereinbarung der schwarzgelben Koalition auf der Bundesebene tatsächlich eintreffen und wann dies sein wird, vermag derzeit niemand abschließend zu sagen. Tatsache ist: Die zu erwartenden Einnahmeverluste treffen Land und Kommunen gleichermaßen entsprechend ihrem gesetzlichen Anteil an den jeweiligen Einnahmen. Selbstverständlich ist es für diese Landesregierung, dass die Kommunen in Niedersachsen fair partizipieren werden, wenn der Bund den Ländern für die aus der Erhöhung des Kindergeldes ab dem Jahr 2010 resultierenden Mindereinnahmen bei der Lohn- und Einkommensteuer einen Ausgleich zahlt. Im Übrigen werden mögliche Einnahmeausfälle aufgrund von Maßnahmen, die auf der Koalitionsvereinbarung der schwarz-gelben Koalition auf Bundesebene beruhen, verstärkte Konsolidierungsmaßnahmen aufseiten des Landes

und der Kommunen unabdingbar machen. Das ist klar.

(Beifall bei der CDU)

Bevor ich die erste Zusatzfrage aufrufe, stelle ich die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Die erste Zusatzfrage stellt Herr Kollege Jüttner von der SPD-Fraktion. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schünemann, die Qualität von Antworten zeigt sich auch darin, ob man auf Diffamierungen der Opposition verzichten kann.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Zu meiner Frage: Der Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung hat auf dem Fachkongress „Leitlinien der niedersächsischen Landesentwicklungspolitik“ am 12. November ein Referat mit der Überschrift „Landesentwicklung aus einem Guss“ gehalten, in dem er deutlich gemacht hat, dass die Landkreise aus seiner Sicht überfordert seien, mit den gegenwärtigen Herausforderungen klarzukommen, auch in Fragen Europas wie auch in Fragen zusätzlicher Aufgaben. Stattdessen hat er 11 bis 14 neue Superbehörden - niedersächsische Entwicklungszentren - vorgeschlagen.

Ich frage die Landesregierung, ob sie die Einschätzung aus Regierungskreisen teilt - wie im Weserkurier vom 20. November nachzulesen -, dass es sich bei diesen Aussagen um eine Privatmeinung eines Privatmannes handelt, der dort geredet hat, und dass diese Aussagen des Privatmannes im Gegensatz sowohl zur Meinung der Landesregierung als auch zum bisherigen Planungsstand beim Zukunftsvertrag stehen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Minister Schünemann, bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär Ripke ist falsch zitiert worden. Bei seinen Überlegungen handelt es sich

in keiner Weise darum, neue überregionale Ämter zu schaffen. Dies ist mitnichten ein Vorschlag von Staatssekretär Ripke. Insofern ist dieses Zitat daraus falsch.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Was hat Herr Ripke denn nun vorgeschla- gen?)

Im Übrigen sind die Landkreise - nicht nur Holzminden, sondern die Landkreise insgesamt - natürlich sehr leistungsstark. Das ist überhaupt keine Frage.

(Lachen bei der SPD - Unruhe - Glo- cke des Präsidenten)

Es ist aber sinnvoll, über Strukturen nachzudenken, die auch auf die Zukunft ausgerichtet sind. Denn wir haben teilweise - deshalb habe ich Holzminden und auch andere genannt - eine negative demografische Entwicklung. Insofern ist es sinnvoll, diesen Regionen über den Zukunftsvertrag zu helfen, damit sie in der Zukunft Verwaltungsstrukturen haben, die diese Leistungsfähigkeit auch auf Dauer halten können.