Protocol of the Session on November 26, 2009

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sehr präzise darauf eingehen würden.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Herr Kollege Schwarz, Sie möchten antworten. Bitte schön!

Herr Kollege Wenzel, wir hatten eigentlich dafür plädiert, heute darüber abzustimmen. Herr Bartling hat darum gebeten, nicht so zu verfahren. Ich verweise auf die Ausschussberatungen.

Danke schön. - Jetzt hat sich von der Landesregierung Herr Minister Schünemann zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 9. November 1989 fiel die Berliner Mauer und damit das Symbol für kommunistische Unterdrückung im 20. Jahrhundert. Vorausgegangen waren bewegte Wochen und Monate, in denen immer mehr Bürgerinnen und Bürger in der DDR den Mut fanden, sich gegen die SED-Diktatur aufzulehnen. Diese Zeit war geprägt von Massenflucht und der Bildung oppositioneller Gruppen und von Großdemonstrationen bis zur Öffnung der Grenzen und zum Ende der SED-Willkürherrschaft.

In unzähligen Städten und Gemeinden gingen im Herbst 1989 die Menschen auf die Straßen, um für ihre Freiheit zu demonstrieren. Oppositionelle Gruppen wurden gebildet, die runden Tische formierten sich. „Wir sind das Volk“ wurde zum Motto der Proteste gegen die DDR-Führung. Der Aufstand gewann zusehends an Eigendynamik. Dem Massenprotest konnte die SED schließlich nichts mehr entgegensetzen. Dem Fall der Mauer am 9. November folgte der Sturz des Regimes.

All dies geschah ohne Gewalt. Auch und gerade deshalb ist das Erinnern an diese Ereignisse von fundamentaler Bedeutung. Der Zusammenbruch dieser Diktatur auf deutschem Boden geschah ohne Blutvergießen. Wir erlebten eine friedliche Revolution. Dies ist in der deutschen Geschichte einmalig.

Für uns Deutsche ist dieses Ereignis ein Grund zu Freude und Dankbarkeit. Mit ihrem Mut hat die Bürgerrechtsbewegung in der ehemaligen DDR die Mauer zum Einsturz gebracht. Es gehörte großer Mut - ich finde sogar: Tapferkeit - dazu, den Machthabern in Ostberlin die Stirn zu bieten. Die friedliche Revolution hat den Weg für die Deutsche Einheit entscheidend gebahnt. An erster Stelle stand vor 20 Jahren der Wunsch vieler Ostdeutscher nach Freiheit. Sie wollten nicht länger entmündigt sein.

Meine Damen und Herren, niemand will die Lebensbiographien der Menschen in der DDR und ihre persönlichen Leistungen schmälern. Darauf ist von allen Rednern hingewiesen worden. Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Es geht auch nicht darum, die DDR zu dämonisieren. Aber dieses System war keine Wohlfühldiktatur: Permanente Bespitzelung und Terrorisierung Andersdenkender, die Militarisierung einer ganzen Gesellschaft, Wahlfälschungen und die Todesschüsse an der Mauer - das waren keine Entgleisungen, sondern tragende Säulen des SED-Regimes. Wer diese historischen Tatsachen heute noch in Abrede stellt oder sogar kleinredet, verhöhnt die Opfer von Diktatur und Gewalt. Das dürfen wir nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, mindestens 136 Menschen fielen den Schüssen an der Berliner Mauer zum Opfer. Etwa 1 000 Flüchtlinge starben an der innerdeutschen Grenze. Mehr als 200 000 politische Gefangene waren während der SEDHerrschaft inhaftiert. Bis zu 100 000 Menschen wurden im Zusammenhang mit Fluchtversuchen verhaftet. Unzählige Menschen wurden zudem Opfer staatlicher Zersetzungsmaßnahmen, wie es im Jargon der Stasi hieß. Ihr Ruf wurde auf Anweisung des MfS systematisch ruiniert, beruflicher und privater Misserfolg organisiert. Zu einem ganz überwiegenden Teil handelte es sich dabei um Menschen, die nichts anderes taten, als ihre Menschen- und Bürgerrechte wahrzunehmen, die sich nach Freiheit sehnten, die die staatliche Gängelei nicht länger ertragen konnten und wollten, die Lügen und Missstände offen ansprachen oder die einfach nur einer falschen Gruppe angehörten.

Wer Staatsfeind war, bestimmten allein die SED und ihre Staatssicherheit. Demokratische Rechte gab es nur auf dem Papier, demokratische Kontrolle nur in der Theorie. In der Praxis gab es weder Meinungs- noch Pressefreiheit, eine unabhängige Justiz oder einen wirksamen Rechtsschutz. Erst

1971 wurde die Gewaltanwendung gegen Häftlinge im DDR-Strafvollzug offiziell untersagt. Erst 1987 wurde die Todesstrafe, die zuvor 164 Mal per Guillotine oder Nahschuss vollstreckt worden war, abgeschafft. Insbesondere die Untersuchungshaft in den Gefängnissen der Stasi blieb für politisch Verfolgte bis zum Ende der DDR voller Schikanen wie Einzelhaft, Verhöre zur Nachtzeit, systematischer Schlafentzug, Isolierung und Informationssperren. Auch nach der Haft wurden politische Häftlinge diskriminiert. Viele von ihnen mussten weiterhin Nachteile hinnehmen, z. B. ein Berufsverbot. Manchen von ihnen waren zwischenzeitlich ihre Kinder weggenommen und zur Zwangsadoption freigegeben worden. Zu den Folgen der Haft gehören bei vielen Opfern bis heute Ängste und Depressionen, körperliche Erkrankungen, Schlaf- und Konzentrationsstörungen. Auch deshalb ist es wichtig, die politischen Opfer des SED-Regimes zu rehabilitieren und ihnen ein Minimum an Unterstützung zu ermöglichen. Dafür hat sich diese Landesregierung kontinuierlich eingesetzt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, ich kann nicht nachvollziehen, dass es immer noch Stimmen gibt, die die DDR auch noch 20 Jahre nach dem Mauerfall als international anerkannten Staat auf deutschem Boden bezeichnen können, auf den viele Menschen Hoffnungen gesetzt haben. Diese Sicht geht im Kern vollkommen an der SED-Diktatur vorbei. Mit Sorge beobachten wir, dass sich 20 Jahre nach dem Fall der Mauer eine zunehmende Unwissenheit über die zweite Diktatur auf deutschem Boden und ihre Folgen breit macht. Es gibt Untersuchungen, in denen Schülerinnen und Schüler befragt wurden, wie sie die DDR gesehen haben. Erhebungen zum Schülerwissen über die SED-Diktatur offenbaren unglaubliche Defizite. Da wird Honecker plötzlich zum ersten Bundeskanzler, die Bundesrepublik zum Erbauer der Mauer und die DDR zum demokratischen Rechtsstaat. Viele glauben in der Rückschau sogar, die DDR sei der soziale und freiheitliche deutsche Staat gewesen. Meine Damen und Herren, wir sind es den Opfern schuldig, uns heute und künftig dem Vergessen, Verdrängen und Verklären der SED-Diktatur zu widersetzen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wer heute die historischen Tatsachen in Abrede stellt oder kleinredet, wer von der friedlichen Revolution als der Niederlage von 1989 spricht, wer Vladimir - das ist Lenin - und Walter - gemeint ist Ulbricht - als Lichtgestalten des Sozialismus preist,

wessen Ziel noch immer der Kommunismus ist, der stellt sich außerhalb des demokratischen Konsens, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Unser Grundgesetz feiert in diesem Jahr sein 60jähriges Bestehen. Prägend für das Grundgesetz ist sein antitotalitärer Konsens, die Ausrichtung als wehrhafte Demokratie. Unser Staat ist gehalten, sich frühzeitig gegen extremistische Bestrebungen jeglicher Ausrichtung zu wehren. Wir haben die Pflicht, vor allem Jugendliche verstärkt über die historischen Zusammenhänge und ihre aktuellen Fortentwicklungen aufzuklären. Deshalb wollen wir künftig die Schulen für eine verstärkte Beschäftigung mit der SED-Diktatur gewinnen. Lehrer müssen auch für die Gefahren des Linksextremismus sensibilisiert werden. Schüler möchten wir durch Jugendkongresse, Zeitzeugengespräche und Hintergrundinformationen über die jüngste deutsche Geschichte und die Bedrohungen, denen unsere Demokratie ausgesetzt ist, umfassend informieren. Aus diesem Grund haben wir die Ausstellung des Niedersächsischen Verfassungsschutzes um den Bereich Linksextremismus erweitert.

Zu einer umfassenden Präventionsarbeit gehört aber auch der Besuch authentischer Orte. Niedersachsen hatte die längste gemeinsame Grenze aller westdeutschen Bundesländer mit der DDR. Zahlreiche Grenzlandmuseen, insbesondere aber die Gedenkstätte Marienborn als früherer Grenzübergang, klären eindrucksvoll darüber auf, was Ausreise, Flucht und Schießbefehl an der deutschdeutschen Grenze für den Einzelnen bedeuteten. An authentischen Orten wie diesen können Schüler und junge Menschen hautnah erfahren, was es bedeutet, Opfer einer willkürlichen Staatsmacht zu sein, was es bedeutet, in einer Diktatur zu leben.

20 Jahre nach der friedlichen Revolution sind wir es den Opfern von Diktatur und Unrecht schuldig, die Erinnerung an das Leid aufrechtzuerhalten und unermüdlich für unseren demokratischen Rechtsstaat einzustehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Ausschussüberweisung.

Federführend soll sich der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen mit dem Antrag auseinandersetzen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das sehe ich nicht. Dann ist so beschlossen.

Der nächste, der 19. Tagungsabschnitt ist vom Montag, dem 14., bis Donnerstag, dem 17. Dezember 2009, vorgesehen. Er wird also vier Tage umfassen. Der Präsident wird den Landtag einberufen und im Einvernehmen mit dem Ältestenrat den Beginn und die Tagesordnung der Sitzung bestimmen.

Ich schließe die Sitzung und bedanke mich ganz herzlich gerade für die letzte konstruktive und sachliche Debatte. Ihre Disziplin hat mir ausgezeichnet gefallen. Deswegen herzlichen Dank!

Ihnen allen einen wunderschönen ersten Advent und, falls wir uns vorher nicht mehr wiedersehen, auch einen zweiten und dritten Advent. Unmittelbar nach dem dritten Advent sehen wir uns hier im Landtag wieder. Einen schönen Heimweg und auf Wiedersehen!

Schluss der Sitzung: 15.19 Uhr.

Anlagen zum Stenografischen Bericht

noch:

Tagesordnungspunkt 25:

Mündliche Anfragen - Drs. 16/1860

Anlage 1

Antwort

des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf die Frage 2 der Abg. Christian Grascha und Gabriela König (FDP)

EU-Förderung

Vor dem Hintergrund der Entscheidungen, die die neue Europäische Kommission mit Blick auf die Förderperiode 2014 bis 2020 zu treffen hat, findet derzeit in Brüssel eine große Diskussion über die Zukunft der EU-Förderung statt. Dabei wird insbesondere die Fortsetzung der Ziel-2Förderung problematisiert und von einigen Mitgliedstaaten infrage gestellt.

Neben finanzpolitischen Aspekten werden dabei vor allem die Wirkungen der EU-Förderung in Westeuropa und damit auch in Niedersachsen hinterfragt.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Was unternimmt sie, um die Fortsetzung der EU-Förderung über das Jahr 2013 hinaus sicherzustellen?

2. Die Lissabon-Strategie stellt besonders auf „Wachstum und Beschäftigung“ ab. Wie stellt die Landesregierung sicher, dass diese Ziele erreicht werden, welche Wirkungen hat die EU-Förderung in Niedersachsen in den letzten Jahren gehabt, und lassen sich insbesondere Aussagen zu geschaffenen und gesicherten Arbeitsplätzen treffen?

3. In den Diskussionen auf der europäischen Ebene wird häufig auch die nachhaltige Wirksamkeit der europäischen Förderung eingefordert. Wie geht die Landesregierung in ihren Förderprogrammen damit um, und welche Leuchtturmprojekte sind bisher umgesetzt oder für eine Förderung vorgesehen worden?

Die Debatte, die derzeit in Brüssel über die Fortsetzung der EU-Förderung geführt wird, ist auch für Niedersachsen von erheblicher Bedeutung. Allein aus EFRE und ESF erhält das Land bis 2013 rund 1,7 Milliarden Euro. Diese Summe eröffnet dem Land Spielräume und Möglichkeiten für Förderprogramme und Projekte, die sonst im Rahmen der Haushaltskonsolidierung nicht bestehen würden. Es liegt deshalb auf der Hand, dass wir alles daransetzen, für unser Land auch ab 2014 möglichst viele EU-Mittel nach Niedersachsen zu holen. Denn in den nunmehr rund zwei Jahrzehnten ihres Bestehens hat die EU

Förderung vieles in unserem Lande ermöglicht, was sonst nicht hätte realisiert werden können.

Wir haben zwar eine funktionierende Infrastruktur in Deutschland. Straßen, Häfen, Flughäfen und wirtschaftsnahe Infrastruktur sind in vielen Fällen vorbildlich. Aber dies ist kein Ruhekissen, meine Damen und Herren. Infrastruktureinrichtungen müssen gepflegt, unterhalten und vor allem regelmäßig modernisiert werden, wenn man im internationalen Standortwettbewerb bestehen will. Und die damit verbundenen Herausforderungen kann man eben oft nicht alleine bewältigen, weder als Kommune noch als Land. Hier bedarf es einer Kooperation aller politischen Ebenen und Partner von Stadt und Landkreis über das Land und den Bund bis hin zur Europäischen Union.

Dies ist für mich eine wesentliche Konsequenz aus der Lissabon-Strategie. Wenn wir es ernst meinen mit dem Anspruch, Europa zur DEM „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ zu machen, dann müssen wir diesen Anspruch auch in ganz Europa einlösen. Und dann gehört es dazu, dass die EU sich auch finanziell an den entscheidenden Projekten beteiligt. Ich denke dabei nicht nur an Großprojekte wie den JadeWeserPort. Auch die aktuellen Diskussionen über die Notwendigkeit des Ausbaus der Breitbandnetze sind ein guter Beleg für diesen umfassenden Ansatz. Auch hier hilft uns die EU-Förderung. Um die Kommunen bei der Erarbeitung von Konzepten zu beraten und so einen effizienten und wirkungsvollen Einsatz der Mittel sicherzustellen, haben wir in Osterholz ein Breitbandkompetenzzentrum gegründet, mit EU-Mitteln. Diese Einrichtung unterstützt die Kommunen nicht nur bei der Planung und Umsetzung der Breitbandförderung aus unserem EFRE-Programm, sondern bietet die gleichen Leistungen auch für die entsprechenden Programmteile des nationalen Konjunkturpaketes an.

So gut verzahnt stellen wir uns die EU-Förderung vor. So kennen und praktizieren wir sie seit vielen Jahren, und dies wollen wir auch nach 2013 so beibehalten.