Es war der Druck des Volkes, der mit Parolen wie „Wir sind das Volk!“, „Wir sind ein Volk!“ und „Deutschland, einig Vaterland!“ die Machthaber in die Enge trieben. Und es war nicht nur der totale wirtschaftliche Kollaps der DDR - nein, das gesamte politische System der DDR war 1989 gescheitert.
„Sofort, unverzüglich …“ - mit diesen lapidaren Worten zur neuen Reiseregelung - und dabei ist es fast unwichtig, ob dies ein sprachlicher Lapsus oder eine gezielte Information war - wurde der friedlichen Revolution zum endgültigen Sieg verholfen. Die Mauer, jahrzehntelang schändliches Symbol gewaltsamer Trennung in Deutschland und Europa und ideologisch verklärt „als antifaschistischer Schutzwall“ dargestellt, wurde einfach überrannt. Es sind unvergessliche Bilder, die sich in
unser kollektives Gedächtnis förmlich eingebrannt haben. Aber ich betone: Es war eine deutsche Sternstunde der europäischen und der deutschen Freiheits- und Demokratiegeschichte.
Es ist aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, deshalb auch konsequent, in diesem Zusammenhang z. B. an die russischen Dissidenten Sacharow und Solschenizyn, an das Vorbild der tschechischen Charta 77 mit Vaclav Havel, an die polnische Oppositionsbewegung Solidarnosc, an die ungarische Reform und an die Perestroika-Politik in Russland zu erinnern. Damals wurden Steine ins Rollen gebracht, die nicht mehr gebremst werden konnten. Sie eröffneten später den Spielraum für das überlegte politische Handeln von George Bush, Michail Gorbatschow und Helmut Kohl - übrigens gegen erhebliche Bedenken in verschiedenen europäischen Ländern.
Wir müssen heute noch, verehrte Kolleginnen und Kollegen, dankbar sein, dass die friedliche Demonstration der Menschen in der DDR eine Revolution der Kerzen und nicht der Waffen wurde. Wie oft wurde wohl in den vielen Kirchen, in der Leipziger Nikolaikirche oder in der Berliner Gethsemanekirche, zum Schluss gesungen: „Dona nobis pacem“?
Es gibt keine unfreiwillig passendere Aussage zu diesen spannungsgeladenen Stunden als die von Horst Sindermann, dem damaligen Volkskammerpräsidenten. Er sagte:
Für diesen Mut, für das unglaubliche Maß an Besonnenheit, an dem auch die Kirchen großen Anteil hatten, und für den ungebrochenen Willen zur Freiheit sind wir den Menschen in der ehemaligen DDR, all denen, die durch ihren persönlichen Einsatz der Freiheit zum Durchbruch verhalfen, zu tiefstem Dank und großem Respekt verpflichtet.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)
Der DDR-Bürgerrechtler Werner Schulz hat im Leipziger Gewandhaus die Montagsdemonstrationen in Leipzig ganz treffend formuliert:
„Was Karl Marx allen Berufsrevolutionären mit auf den Weg gab, dass die Idee zur materiellen Gewalt wird, wenn sie die Massen ergreift, fand in Leipzig eine kreative Umsetzung. Die Idee der Freiheit wurde zur Macht der Würde. Das werktätige Volk hat die Diktatur des Proletariats gestürzt, und das auch noch auf dem Karl-MarxPlatz.“
Aber was bedeutete diese „Mauer der Furcht“, wie sie von Bundespräsident Köhler bezeichnet wurde, für das Leben der Deutschen? Es war eine Grenze mit brutalen Wirkungen, an der über 1 000 Menschen ihr Leben gelassen haben, weil sie den Weg in die Freiheit suchten. Und deshalb war die DDR kein missglücktes Experiment sozialistischer Planwirtschaft oder gar ein vermeintlich fürsorglicher Solidarstaat, wie das System der DDR zunehmend verharmlosend eingestuft wird.
20 Jahre nach dem Mauerfall muss allen klar sein: Die SED-Herrschaft war ohne demokratische Legitimation, also eine Diktatur. Die Menschen mussten in ständiger Angst vor Gängelung, Bespitzelung und vor den Foltergefängnissen der Staatssicherheit leben. Weshalb haben denn so viele Menschen die großen Gefahren der Flucht auf sich genommen? - Es war die Flucht vor den Schikanen der SED-Staatsmacht, und es war der unstillbare Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben in Freiheit, den über 1 000 Menschen an der innerdeutschen Grenze mit ihrem Leben bezahlten.
Kein demokratisches Land dieser Welt, in dem Menschen- und Bürgerrechte etwas gelten, darf seinen Bürgern das antun, was die SED, was die Stasi ihren Bürgern zugemutet hat.
Die Bürgerrechtler haben mit der von ihnen erzwungenen Öffnung der Stasiakten ans Licht gebracht, dass Unrecht, Heimtücke, Gemeinheit, Verrat und Verleumdung an der Tagesordnung waren. Damit wurde der Herrschaftsapparat der SED fast mikroskopisch demaskiert. Allein schon dieses Wirken der Stasi macht den Unrechtsstaat aus.
kurz nach dem Kriege auf dem Boden der späteren DDR die politisch motivierten Repressalien einsetzten. Ich erinnere an die zwangsweise Enteignung von Grundbesitzern und Unternehmern unter dem Deckmantel eines heuchlerischen Antifaschismus. Ich erinnere an die schon bald einsetzende politische Verfolgung Andersdenkender bis hin zur Zwangsvereinigung der Sozialdemokratischen Partei mit der Kommunistischen Partei im April 1946. Es gab unzählige Opfer, darunter auch viele Sozialdemokraten. Viele erlitten erneute Verfolgung nach dem Unrecht der gerade überwundenen Zeit des Nationalsozialismus - und dies häufig genug auch noch in den Lagern, die schon dem Terror der Nazis dienten.
In der späteren DDR war die Justiz niemals unabhängig, sondern immer Teil des SED-Machtapparates. Gerade in der Frage nach der Unabhängigkeit der Justiz unterscheidet sich aber elementar der Rechtsstaat vom Unrechtsstaat. Walter Ulbricht machte kein Hehl daraus, dass die Justiz als - ich zitiere - „Waffe im Klassenkampf" instrumentalisiert werden sollte. Deshalb darf nur eine historische Wahrheit Bestand haben: Die DDR war ein Unrechtsstaat, und der SED-Staat war ein Gefängnis.
Zum Wesen der Diktatur gehörte auch, dass demokratische Parteien in der DDR keine Chance auf einen politischen Wettbewerb im System hatten. Es gehörte zum System, sich mit den sogenannten Blockparteien eines scheindemokratischen Deckmäntelchens zu bedienen, um die Alleinherrschaft der SED zu beschönigen. In Wirklichkeit waren auch die Blockparteien stasidurchsetzt und kontrolliert, sodass jeder oppositionelle Ansatz im Keim erstickt wurde.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass viele deshalb Mitglied einer Blockpartei wurden, um dem ständigen Druck der SED auszuweichen. Andere wiederum haben an die Zukunft ihrer Kinder, an den Studienplatz oder auch an den Arbeitsplatz gedacht. Manche werden aber auch im Herzen die Idee der demokratischen Parteien bewahrt haben. Die Blockparteien waren jedoch Bestandteil eines ausgeklügelten totalitären Systems. Und natürlich hat es auch willfährige Mitläufer gegeben.
In der Freude über den Fall der Mauer müssen wir aber auch an den 9. November 1938, an das schlimme Ereignis der Reichspogromnacht, erinnern, als nationalsozialistische Schergen die Men
Fast auf den Tag genau vor 20 Jahren wurde aber auch der Sprecher der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, brutal von der RAF ermordet. Wir haben fast vergessen, dass zum Zeitpunkt des Mauerfalls der freie Teil Deutschlands noch immer vom Terror linksextremistischer Ideologen bedroht war.
Diese Daten unserer Geschichte müssen uns deutlich machen, dass nur eine wehrhafte Demokratie Schutz gegen jede Art und Gestalt des Extremismus bietet.
Die junge Generation, die in einem geeinten und freien Deutschland groß geworden ist, kennt nichts anderes als ein Leben in Freiheit. Und dass diese Freiheit mehr bedeutet als Abwesenheit von Zwang und Unterdrückung, müssen junge Menschen lernen. Es muss ihnen vermittelt werden, dass gerade das vereinte Deutschland eine besondere Verantwortung hat und der Freiheit, dem Recht und der Menschenwürde verpflichtet ist.
Das Bild der DDR als totalitärer Unterdrückungsstaat verschwindet zunehmend aus der öffentlichen Wahrnehmung. Wir dürfen nicht zulassen, dass aus Nostalgie oder gar bewusster Geschichtsverfälschung nur noch die Erinnerung an eine vermeintlich fürsorgliche DDR zurückbleibt, in der man eigentlich gut leben konnte.
Es darf keine schleichende Verklärung der Vergangenheit geben. Aber, verehrte Kolleginnen und Kollegen, auf keinen Fall dürfen die Täter die Deutungshoheit über die Vorgänge von damals erhalten.
Wir dürfen nicht zulassen, dass die über 1 000 Toten an der Grenze und der Mauer in Vergessenheit geraten und dass über den menschenverachtenden Überwachungsapparat mit fast 100 000 Stasimitarbeitern, über die Drangsalierung von Christen und Oppositionellen, über die Indoktrination der Jugend und über Kommunikationsverbote mit der Einschränkung der Meinungsfreiheit und auch der Einschränkung der Reisefreiheit in der DDR nicht gesprochen wird oder werden darf. Dazu bedarf es neben Lehrplänen und Geschichtsbüchern auch außerschulischer Lernorte.
Diese Aufarbeitung der Geschichte der DDR bleibt eine elementare Aufgabe. Die Frauen und Männer des 17. Juni 1953 mussten 36 Jahre warten, bis die Mauer 1989 fiel. Die Erinnerung an diesen Tag muss ebenfalls unauslöschlicher Bestandteil deutscher Geschichte sein. Es geht hierbei nicht um Schuldzuweisungen oder Besserwisserei. Es geht zum einen darum, die Lebensleistungen der Menschen in der DDR vor dem Hintergrund eines diktatorischen Regimes zu würdigen. Vor allem geht es aber darum, unserer Jugend ein Bildungsfundament der Geschichte zu geben, das sie stark macht gegen Extremismus und Gefahren der Zukunft. Aus dem Mauerfall, verehrte Kolleginnen und Kollegen, erwächst ein Vermächtnis, weiter an der Vollendung der Einheit zu arbeiten und sich immer bewusst zu sein, dass der Mauerfall ein Sieg des unstillbaren Wunsches nach Freiheit war.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin Ihnen sehr dankbar, Herr Dinkla, für die Form, in der Sie den Antrag begründet haben. Das unterschied sich massiv von dem, was wir z. B. bei der vorhergehenden Abstimmung erlebt haben.
Das, was Sie gesagt haben, lässt sich in hohem Maße unterschreiben, insbesondere auch der Hinweis darauf - das war ein wenig dem entlehnt, was der Herr Ministerpräsident in seiner Rede in Marienborn zum Ausdruck gebracht hat; das wurde mir berichtet, ich konnte leider nicht dabei sein -, dass wir die Biografien der Menschen in der ehemaligen DDR zwar nicht verklären dürfen, aber auch Verständnis dafür aufbringen müssen, wenn der eine oder andere, der sich in dieser Gesellschaft eingerichtet hat, sich dort wohlgefühlt hat, heute manchmal mit einer Vorstellung zurückschaut, die wir vielleicht nicht so ganz nachvollziehen können.
Meine Damen und Herren, ich bin sehr dankbar dafür, dass die Diskussion in dieser Sachlichkeit geführt wird. Als ich den Antrag gelesen habe,
habe ich mich allerdings gefragt, warum er zwei Wochen nach dem 9. November eingebracht wird, an dem so intensiv über das Thema 20 Jahre Mauerfall und auch das im Antrag formulierte Thema diskutiert wurde. Das ist in allen Medien dargestellt worden. Wir sind uns der Leistungen der Menschen in der DDR bewusst geworden, die zu diesem Ergebnis beigetragen haben. Erst habe ich gedacht, Sie wollen vielleicht wieder einen schnellen Versuch unternehmen, sich wieder einmal mit der Linken auseinanderzusetzen. Aber nein, das gibt der Text nicht her. Allerdings - den Hinweis muss ich doch noch loswerden - haben Sie die Rolle der Blockparteien meiner Ansicht nach etwas zu verniedlichend dargestellt.
Dann ist mir allerdings - das ist aber wohl nur ein Zufall im Druck - auf der zweiten Seite des Antrages der letzte Absatz ins Auge gefallen; und ich habe mich gefragt, ob das nicht vielleicht die Begründung für den Antrag sein könnte. Unter Nr. 6 begrüßen Sie die Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die die Enteignungen von 1945 bis 1949 in der sowjetischen Besatzungszone überprüfen soll mit der Zielsetzung, den Betroffenen einen bevorzugten Erwerb zu ermöglichen.
Meine Damen und Herren, was Sie hier wieder aufschnüren wollen, gehörte zu den umstrittensten Fragen im Zuge der Wiedervereinigung. Eine Abschlussregelung wurde im Entschädigungs- und Ausgleichsgesetz 1994 getroffen. Diese gesetzliche Regelung und die darauf basierende Flächenerwerbsverordnung waren ein politischer Kompromiss zu den Enteignungsmaßnahmen in der sowjetischen Besatzungszone nach alliiertem Recht. Die gesetzlichen Regelungen nach der Wiedervereinigung sind unter Regierungsverantwortung von CDU/CSU und FDP erfolgt. Die SPD hatte sich immer dafür eingesetzt, dass die ortsansässigen landwirtschaftlichen Unternehmen in den neuen Bundesländern über langfristige Pachtverträge die landwirtschaftlichen Flächen nutzen können und beim Flächenverkauf gleichberechtigt behandelt werden.