Protocol of the Session on November 24, 2009

Spätestens hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Die EU zahlt jährlich Milliardenbeträge an Exportsubventionen. Den Bauern auch hier in Niedersachsen wird vorgegaukelt, dass die Lösung ihrer Probleme auf den Weltmärkten liegt. In Wirklichkeit liegt der Fokus auf der Exportförderung für die Ernährungswirtschaft. In den Entwicklungsländern richten Exportsubventionen - darin sind sich eigentlich alle einig - großen Schaden an. Wir dürfen also gespannt sein, ob die EU zu ihrer Zusage steht, die Exportsubventionen bis zum Jahr 2013 auslaufen zu lassen. Wir dürfen aber auch gespannt darauf sein, wie sich FDP und CDU verhalten, da sie sehr unterschiedliche Meinungen vertreten.

Meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, Sie sollten sich dabei an den Papst halten,

(Bernhard Busemann [CDU]: Was?)

der auf dem Welternährungsgipfel erklärte - ich zitiere -, der Überfluss und die Verschwendung seien angesichts des Hungerdramas nicht mehr akzeptabel; gleiches gelte für Spekulantentum und Profitdenken.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir müssen dem internationalen Handel die Grundlage des reinen Profitdenkens entziehen. - Er wandte sich gegen die Agrarsubventionen, die den Nahrungsmittelmarkt zulasten der armen Länder verzerren.

Meine Damen und Herren, wir wollen sicherlich nicht alle Vegetarier werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass der hohe Fleischkonsum in den Industrie- und Schwellenländern dazu führt, dass weltweit mehr als ein Drittel der Ackerfläche für die Futtermittelerzeugung bereitgestellt werden muss. Fast die Hälfte der weltweiten Getreideernte und 90 % der Sojabohnenerträge landen in den Futtertrögen. Für die Umwelt- und Klimaschäden zahlt der Steuerzahler. Trotzdem wird gerade in Niedersachsen - darauf hat auch der Kollege Meyer hingewiesen - unter dieser Landesregierung das Allheilmittel der niedersächsischen Landwirtschaft im weiteren Ausbau der Produktion, im Export gesehen, wie das jüngste Beispiel der Flächensuche für einen weiteren massiven Ausbau der Hähnchenmast zeigt. Dass man Landwirte damit zu Lohnabhängigen der

Agrarindustrie macht, stört dabei wenig. Dass man damit ganzen Regionen Entwicklungsmöglichkeiten in anderen Bereichen nimmt, stört dabei ebenso wenig. Am allerwenigsten aber hilft man damit den hungernden Menschen dieser Welt. Im Übrigen gelten diese Grundsätze auch für den Einsatz von Gentechnik. Niedersachsen als Agrarland Nummer eins könnte und müsste eine Vorreiterrolle beim Thema nachhaltige Landwirtschaft so, wie es im Weltagrarbericht vorgestellt worden ist, einnehmen. Davon ist allerdings nichts zu spüren, davon ist Niedersachsen noch weit entfernt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich erteile jetzt Herrn Große Macke von der CDU-Fraktion das Wort. Bitte!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um mit Rolf Meyer zu sprechen: Das war Schlaumeiers Märchenstunde, die wir vorhin gehört haben.

(Beifall bei der CDU)

Ich finde es beschämend, wie dieses Thema angegangen wird, wissen wir doch alle, dass es eine der größten Herausforderungen unserer Zeit ist, Menschen vor der Plage des Hungers zu bewahren.

(Beifall bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Hunger ist nicht ein Problem der letzten 20 Jahre. Die UNWelternährungskonferenz hat nicht umsonst schon vor 20 Jahren darauf hingewiesen, dass es das Ziel sei, das Problem von 300 Millionen Menschen, die damals hungerten, in zehn Jahren zu beseitigen. Wir haben es nicht geschafft. Heute - Herr Kollege Meyer, da bin ich bei Ihnen - sind es 1 Milliarde Menschen. Das Ziel, diese Zahl in zehn Jahren zu halbieren, ist ebenfalls nicht erreicht worden. Es ist für mich beschämend, dieses Thema mit einem Strauß von Vorurteilen der grünen ideologischen Politik anzugehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Frage, die wir uns stellen müssen, liebe Kolleginnen und Kollegen, lautet doch: Welche Antworten gibt es auf diese Herausforderung? Die Parole der Grünen kann doch nicht nur lauten: Fahrt die

Fleischproduktion in Niedersachsen auf Null, stoppt die Exportsubventionen!

(Helge Limburg [GRÜNE]: Sie haben nicht zugehört!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ist dann die Armut besiegt, und ist dann jedes Kind satt geworden? Wenn das so einfach wäre, müssten wir es sofort tun, ohne Diskussion. Aber so einfach ist es nicht.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Sondern? Was tun Sie denn?)

Lothar Willmitzer, Direktor des Max-Planck-Instituts in Potsdam, hat erklärt: Unter optimaler Ausnutzung aller Ressourcen können wir doppelt so viele Menschen ernähren, wie heute leben, aber nur, wenn die genetischen Ressourcen in der Züchtung entsprechend genutzt und Probleme wie die Versorgung mit Wasser und Düngemitteln optimal gelöst werden.

(Zurufe von den GRÜNEN und von der LINKEN)

Meine Damen und Herren, kein Wort davon in den bisherigen Ausführungen meiner Kollegen, kein Wort von Krieg, Enteignung, Korruption! Sie sind die Brutstätte für Armut und Welthunger.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Waffe in der Hand kann man den Acker nicht bestellen. Hunger ist immer auch dann die Folge, wenn das Wohl des einzelnen Menschen nicht mehr im Mittelpunkt steht, wenn es nicht um mehr Bildung, Nahrung und Energie geht.

Mir ist das sehr deutlich geworden bei einem Besuch des Botschafters der Republik Benin in diesem Sommer hier in Niedersachsen. Er war interessiert an der Frage, wie sein Staat, der als einer der ärmsten der Welt gilt, sich eine Zukunft entwickeln kann, wie dezentrale Energieentwicklung und nachhaltiger Umgang mit Ressourcen funktionieren können. Dieser Botschafter hat sich verschiedene Handwerksbetriebe und Energiedienstleistungsunternehmen in Niedersachsen angeschaut, war im Haus der Zukunft, hat sich über die Hygienestandards in unseren niedersächsischen Schlachthöfen informiert.

Dieser Repräsentant eines Staates, der mittlerweile als Zentrum der Demokratie in Afrika gilt, will von uns lernen, aber gleichberechtigt und auf Augenhöhe, und er will nicht nur von uns, sondern

auch mit uns lernen. Ich habe auch in meiner Zeit als Landesvorsitzender der Landjugend viel über Entwicklungshilfe lernen können und erfahren, dass wir auch von diesen Menschen extrem viel lernen können.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es ist gar nicht so schwer, zu helfen, aber nicht mit diesen Parolen. Wir könnten alle den Menschen in Benin auf dem Weg zu einer besseren Zukunft helfen. Aber eines ist sicher: Ein fleischfreies Niedersachsen ist nicht die Lösung dieses Problems.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für die Fraktion DIE LINKE hat sich jetzt die Kollegin Frau König gemeldet. Bitte!

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mit einer traurigen Bilanz beginnen. UNWelternährungsgipfel 1996: 840 Millionen Menschen hungern. Es werden Milleniumsziele erarbeitet, wonach Armut und Hunger beseitigt werden sollen und die Zahl der hungernden Menschen bis 2015 zu halbieren ist. - Jetzt, im Jahr 2009, stellen wir fest: 1 Milliarde Menschen hungern. Dabei ist genügend Nahrung vorhanden. Mindestens einmal pro Tag könnte jeder Erdenbürger eine Mahlzeit erhalten. Es gibt ein Verteilungsproblem. Hunger und Armut sind kein unabwendbares Schicksal. Das Problem ist oft selbstgemacht durch Menschen, die dem Wohl des eigenen Kapitals dienen und Gewinne erzielen möchten. Daran ist auch die Politik der westlichen Industriestaaten beteiligt.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Bilanz des Welternährungsgipfels zeigt: Es wurde eine Annäherung an die Milleniumsziele erreicht. Es wurde ein Fünf-Punkte-Plan erstellt, und das Recht auf Nahrung wurde festgeschrieben. - Ein festgeschriebenes Recht auf Nahrung reicht aber nicht aus. Den Worten müssen Taten folgen. Ich habe noch nie erlebt, dass durch Lippenbekenntnisse Hunger gestillt wurde.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt ist globales Handeln gefordert, auch hier in Niedersachsen. Niedersachsen ist ein Flächenland, ein Agrarland und kann wichtige Punkte set

zen. Ein aktuelles Beispiel, das eben schon genannt wurde, ist der Hähnchen-Highway an der A 7. In Verden ist eine Großmastanlage geplant. Das alles wird mit dem wachsenden Bedarf an Hähnchenfleisch begründet.

Seien Sie aber einmal ehrlich, meine Damen und Herren! Haben Sie in einem Einkaufsmarkt hier in unserem Land schon einmal gesehen, dass in der Gefriertruhe kein Geflügelfleisch war? Zeigen Sie mir den Wochenmarkt, auf dem es keinen Stand mit Geflügelfleisch gibt!

(Heiner Schönecke [CDU]: Das war früher mal so!)

Die Ernährung mit Fleisch ist gesichert. Weitere Anlagen, die Intensivierung der Produktion und die Marketingstrategien der Unternehmen werden zu Überschussproduktion führen, und Überschussproduktion bedeutet - das haben wir bei der Milch erlebt; wir haben es schon wieder vergessen - Preisverfall.

(Beifall bei der LINKEN)

Fleischüberproduktion bedeutet auch den Import von Eiweißfutter aus armen Ländern. Wir nehmen diesen Ländern den Grund und Boden, den sie für den Anbau ihrer Lebensmittel brauchen, um sich selbst zu ernähren, und erzielen hier Überschüsse bis hin zu Abfällen, die wir nicht verwerten. Den Überschuss und diese Abfälle schieben wir dann mit Agrarsubventionen in die Schwellenländer und zerstören dort die Chancen der heimischen Landwirtschaft.

(Beifall bei der LINKEN)

Exportsubventionierte Lebensmittel, auch aus Niedersachsen, bringen Menschen in Schwellenländern um Lohn und Brot. Die Grenzen des Wachstums bei der Fleischproduktion sind erreicht. Wir benötigen keinen weiteren Stallboom mehr. Wir müssen weltweit an unsere Umwelt denken, nicht nur in Niedersachsen. Das fordern täglich auch die Bürgerinitiativen, die sich bilden.

Nehmen wir uns hier in diesem Haus der Aufgaben an. Herr Ministerpräsident Wulff - gerade im Gespräch vertieft, wie ich sehe - und Herr Ehlen, ich möchte Sie persönlich ansprechen: Setzen Sie sich im Bundesrat und auf der Agrarministerkonferenz der Länder dafür ein! Denn Hunger führt zu Unruhe, Vertreibung, Gewalt und Elend bis hin zur Piraterie vor Ostafrika. Frieden erreicht man nicht mit Waffengewalt. Voraussetzung für Frieden ist das Befrieden von Bedürfnissen, und Nahrung hat

hierbei die höchste Priorität. Niedersachsen ist gefordert und kann seinen Teil zum Frieden beitragen. Das ist aktive Friedenspolitik.