Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In den drei Minuten Redezeit, die mir zur Verfügung stehen,
versuche ich, mich ausschließlich inhaltlich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Obwohl ich die SPD und die Grünen natürlich verstehe: Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn die Koalitionsfrak
tionen schon früher im Ausschuss zu ihren Anträgen einen Änderungsantrag eingebracht hätten, dann wären wir vielleicht einen Schritt weiter und hätten etwas weniger Zeit verloren.
Im Antrag der Regierungsfraktionen heißt es unter Nr. 2, dass die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ein Leitbild sei und dass man sich damit dazu bekenne, eine Gesellschaft sein zu wollen, in der die Menschen selbstbestimmt leben könnten.
Um es an dieser Stelle einmal unmissverständlich festzustellen: Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist kein Leitbild. Es geht nicht darum, eine bessere Gesellschaft sein zu wollen. Nein, die UN-Konvention ist bindendes Recht, das es umzusetzen gilt. Dieser Tatsache haben wir alle alle hier im Hohen Hause, wie es so schön gesagt wird, zu stellen.
Streitpunkt bei der Interpretation der UN-Konvention ist u. a. die mangelhafte deutsche Übersetzung. Diese wurde auch von verschiedenen Behindertenverbänden stark kritisiert. Der zentrale Punkt der Kritik liegt in der Übersetzung der Begriffe „Inklusion“ und „Integration“. Um den Unterschied am Beispiel der beruflichen Eingliederung zu verdeutlichen: Eine integrative Politik gibt sich damit zufrieden, Menschen mit Behinderungen in entsprechenden Werkstätten unterzubringen. Auf meine Nachfrage im Fachausschuss wurde deutlich, dass das nachweislich auch das Anliegen der Ministerin ist.
Eine inklusive Politik dagegen will den gesellschaftlichen Rahmen dahin gehend verändern, dass Menschen mit Behinderungen selbstverständlich an der Erwerbsarbeit teilhaben. Das erfordert natürlich ein ganz anderes Herangehen an diese Problematik.
Artikel 27 der UN-Konvention sieht aber das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit vor. Außerdem geht es um „das gleiche Recht … auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen einschließlich Chancengleichheit und gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit“. Die Nr. 1 Ihres Antrages macht deutlich, dass Sie für die notwendigen Veränderungen im Bereich der Eingliederungshilfe die Schwerpunkte im Ausbau der Werkstattplätze und in der Weiterentwicklung der Angebote für Menschen mit hohem und sehr hohem Hilfebedarf sehen.
Gegen Verbesserungen in diesem Bereich haben wir selbstverständlich nichts, um das klar zu sagen. Wir möchten lediglich auf die Gefahr einer Reduzierung - das ist uns sehr wichtig - auf diesen Teilaspekt aufmerksam machen und ausdrücklich feststellen, dass damit die zitierten Ansprüche aus Artikel 27 der UN-Konvention nicht ausreichend berücksichtigt werden könnten.
Wir haben - das ist reiner Zufall - zeitgleich mit der Fraktion der Grünen eine Große Anfrage vorbereitet.
- Letzte Bemerkung, Frau Vockert. - Wir haben sie nachträglich so verändert, dass sich die beiden Anfragen nun ergänzen. Wir würden es gut finden, wenn wir die Antworten und Ergebnisse der beiden Großen Anfragen dazu nutzen würden, um in der weiteren Beratung einen großen Schritt weiterzukommen.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Exekutive, während der Landtag - manchmal auch langwierig - über Anträge unterschiedlicher Fraktionen berät, unterdessen gleichwohl tätig ist und im Rahmen der bereits bestehenden Gesetze ihre Aufgaben erfüllt.
Zu den rechtlichen Vorschriften, die unmittelbar gelten - das hat der Kollege Humke-Focks völlig zutreffend ausgeführt -, gehört natürlich die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Diese Konvention, die ich jedem zu lesen empfehle, ist indessen kein Dokument, aus dem wir unmittelbares Handeln ableiten könnten, sondern hat tatsächlich mehr den Charakter eines Leitbildes. Deswegen hat - völlig berechtigt - die in Berlin regierende Koalition aus FDP und
CDU/CSU miteinander vereinbart, entlang der UN-Konvention einen nationalen Aktionsplan aufzustellen. Das heißt, auch auf dieser Ebene wird diese Diskussion weitergehen. Aber die UN-Konvention - das kann gar nicht der Fall sein - kann keine unmittelbare Handlungsanweisung für uns in Niedersachsen darstellen.
Warum CDU und FDP dem Antrag der SPD nicht ohne Weiteres zustimmen konnten, erfährt man, wenn man beide Anträge gelesen und einander gegenübergestellt hat. Zum Beispiel kann ich im Antrag der SPD die Worte „persönliches Budget“ nicht finden. Man kann aber nicht über ein Leitbild der Inklusion sprechen, man kann nicht über eine gleichberechtigte Teilhabe sprechen, ohne den Grundsatz ganz oben anzustellen, den Menschen die Verantwortung zunächst selbst in die Hand zu geben und ihnen nicht zuerst staatliche Unterstützung angedeihen lassen zu wollen.
Das, meine Damen und Herren, wollen wir von FDP und CDU erreichen. Wir wollen den Menschen mit Behinderungen eine tatsächliche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.
Genau dazu kann am besten ein prinzipiell flächendeckendes und trägerübergreifendes persönliches Budget beitragen. Nur damit können hilfebedürftige Menschen statt der Sachleistung eine Geldleistung in Anspruch nehmen. Sie werden damit zu Kunden anstatt zu Hilfeempfängern und entscheiden im Einzelfall, welcher Anbieter oder welche Person die benötigte Hilfe erbringen soll. Genau das ist der Geist der UN-Konvention. Auf diesem Wege lässt sich ein höchstmögliches Maß an Selbstständigkeit und Eigenverantwortung sicherstellen. Es geht um das Prinzip der individuellen Hilfe. Das ist im Antrag der Fraktionen von CDU und FDP wesentlich klarer abgebildet.
Wir gründen dazu keine Kommissionen und legen keine Masterpläne auf - das machen die Kollegen in Berlin -, aber wir beschreiben, wohin wir wollen, und stellen diesen Antrag zur Diskussion. Wir sind sehr gespannt auf die Ausführungen der Verbände
Federführend soll der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit tätig werden. Gibt es Gegenstimmen oder Widerspruch? - Enthaltungen? - Dann ist einstimmig so beschlossen. Herzlichen Dank.
Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Abend, egal, ob bei der AOK oder den Landfrauen. Eine vergnügliche Zeit bis morgen früh um 9 Uhr für alle, die mich sehen und hören. Guten Abend!