Protocol of the Session on September 25, 2009

Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Limburg das Wort.

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, die Frage eines NPD-Verbotsverfahrens ist auf der einen Seite eine juristische Frage - nämlich die Frage, ob juristisch die Voraussetzungen für ein mögliches Parteiverbot gegeben sind -, auf der anderen Seite aber auch eine politische Frage danach, wie wir uns - ich freue mich über die in diesem Punkt in diesem Haus bestehende Einigkeit - mit einer offenkundig verfassungsfeindlichen Partei auseinandersetzen wollen.

Was die juristische Frage angeht, ist es an dieser Stelle, glaube ich, wichtig, einmal mit einer Mär aufzuräumen, die sich nach meiner Wahrnehmung seit einigen Jahren durch die gesamte Debatte über dieses Verbotsverfahren zieht.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Einstellungsbeschluss nicht gefordert, dass sämtliche V-Leute aus der NPD abgezogen werden müssen, und es hat auch nicht gefordert, Herr Kollege Krumfuß, wie Sie es dargestellt haben, dass die Beobachtung der NPD durch den Verfassungs

schutz völlig eingestellt werden muss. Das Bundesverfassungsgericht hat aber gefordert - das können Sie im Einstellungsbeschluss unter den Randnummern 79 bis 82 nachlesen -, dass sämtliche V-Leute in Führungsgremien der NPD abgezogen werden müssen und dass man Aussagen, die V-Leute getätigt haben, nicht als Beweise gegen die NPD verwenden darf.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Sie, Herr Innenminister, führen hinsichtlich des Abzugs der V-Leute ja immer das Argument an, dass Sie über die V-Leute Informationen über Verbrechen, über geplante Straftaten und über die vom Rechtsextremismus ausgehende Bedrohungslage erhalten. Ich aber sage Ihnen, Herr Innenminister: Wenn es stimmt, dass in den Führungsgremien der NPD regelmäßig Straftaten geplant werden, dann, meine Damen und Herren, sollten wir diese Partei besser heute als morgen verbieten.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Nun ein weiterer Aspekt: Die Beobachtung des Verfassungsschutzes beschränkt sich ja nicht auf V-Leute, sondern die Beobachtung erstreckt sich auch auf andere nachrichtendienstliche Mittel und nicht zuletzt auch auf öffentlich zugängliche Quellen; sprich: NPD-Parteiprogramme, NPD-Pressemitteilungen, Beobachtung von NPD-Parteitagen und Zeitungsartikel; Herr Heiß wird Ihnen das sicherlich erläutern können, Herr Innenminister. Um es noch einmal ganz deutlich zu sagen: Nicht die Beobachtung der NPD muss eingestellt werden, sondern der V-Mann-Einsatz muss eingestellt werden. Einige SPD-geführte Bundesländer haben gezeigt, dass dies möglich ist. Das sollten wir auch hier in Niedersachsen tun.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Nun versuchen Sie, meine Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, in der Debatte ja immer wieder, das Gutachten, das der Innenminister in Auftrag gegeben hat, als Argument dafür anzuführen, dass das ja der richtige Weg der Bekämpfung sei. Glauben Sie ernsthaft, dass eine Verfassungsänderung, eine Grundgesetzänderung, für die Sie in Bundestag und Bundesrat ja eine Zweidrittelmehrheit benötigen, schneller, einfacher und effektiver zu erreichen ist als ein koordiniertes Vorgehen aller Landesinnenminister? - Das kann

doch nicht Ihr Ernst sein, meine Damen und Herren!

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Ganz abgesehen davon halte ich diesen Vorschlag auch inhaltlich für höchst problematisch. Der Vorschlag zielt im Endeffekt darauf ab, dass dieser Staat, gelenkt durch eine Kommission beim Bundestagspräsidenten, zwischen guten Parteien, die ganz normal Gelder bekommen, und schlechten Parteien, die zwar irgendwie in Kreistagen, Stadträten oder Parlamenten sitzen dürfen, aber trotzdem nicht ganz so viel Geld vom Staat bekommen sollen, sortieren soll. Das, meine Damen und Herren, kann doch keine Lösung sein. Wir Grünen wollen klare Kante. Die NPD ist verfassungsfeindlich und muss verboten werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Im Übrigen muss ich mich, Herr Innenminister, vor dem Hintergrund unserer Debatten über Zivilcourage - auch über Zivilcourage gegen Rechtsextremismus - über das Verhalten der Ihnen unterstellten Polizei am gestrigen Donnerstag in der Innenstadt von Hildesheim wundern. Dort hat es einen NPD-Infostand gegeben. Es hat auch einen Informationsstand der Grünen Jugend gegeben. Die Teilnehmer an dem Informationsstand der Grünen Jugend sind auf dem Rückweg am NPD-Infostand vorbeigekommen und haben sich dort spontan versammelt. Zusammen mit Jusos, zusammen mit Vertretern von solid, der Jugendorganisation der Linken, haben sie eine Spontandemonstration veranstaltet, die durch Artikel 8 des Grundgesetzes ausdrücklich gedeckt ist. Wie hat Ihre Polizei auf diese friedliche Spontandemonstration reagiert? Sie hat gesagt: „Verschwinden Sie von hier!“ Sie hat die Personalien aufgenommen. Sie hat keine Auflösung vollzogen. Sie hat keinen Nachweis für Gewalttätigkeit geliefert. Sie hat diesen jungen Leuten einfach verboten, in Hildesheim Zivilcourage zu zeigen.

(Zuruf: Unerhört!)

Ich denke, dass dieses Verhalten dringend der Aufarbeitung bedarf, Herr Innenminister.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Auch dieser skandalöse Vorgang in Hildesheim zeigt erneut, wie wichtig es wäre, die NPD zu verbieten; denn dann wäre ein für allemal klar, dass

friedliches antifaschistisches Engagement nicht kriminalisiert werden darf, sondern dass es die NPD ist, die immer wieder kriminell agiert, und dass es die NPD ist, für die kein Platz in unserer Gesellschaft sein darf.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - Björn Thümler [CDU]: Sehr richtig!)

Herzlichen Dank. - Zu Wort gemeldet hat sich Frau Wegner, fraktionsloses Mitglied des Niedersächsischen Landtages. Frau Wegner, ich gebe Ihnen eine Redezeit von anderthalb Minuten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der März/April-Ausgabe der antifa, dem Magazin der VVN-BdA, wurde über die Übergabe von 175 000 gesammelten Unterschriften für ein NPD-Verbot an den Petitionsausschuss des Bundestages berichtet. In der öffentlichen Anhörung des Ausschusses drehten sich die meisten Fragen um die Problematik der V-Leute in der NPD. Dazu machte der Staatssekretär Peter Altmaier, CDU, die Aussage, von außen eingeschleuste Undercoveragenten in der NPD gebe es nicht.

Das lässt die Schlussfolgerung zu, V-Leute in der NPD sind Faschisten mit „V“. Das ist ein Skandal. Niedersachsen bezahlt aus Steuergeldern Faschisten, und der Innenminister ist uns mindestens die Antwort auf die Frage schuldig: Warum will oder kann er sich nicht aus dieser herzlichen Umarmung lösen, wie es andere Innenminister geschafft haben, zumal die Erfolge bzw. Ergebnisse sehr fragwürdig sind?

Die zweite Antwort, die er uns schuldet, ist die auf die Frage: Welche Übergriffe, Straftaten usw. haben denn jemals die V-Leute in der NPD verhindert?

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die Landesregierung hat Herr Innenminister Schünemann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Landesregierung lässt sich im Kampf gegen Extremisten nicht überbieten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir nehmen unseren Verfassungsauftrag sehr ernst, und wir gehen gegen jede Form von Extremismus ganz konsequent vor. Wir machen keinen Unterschied zwischen Links-, Rechts- oder Ausländerextremismus. Ich glaube, das ist ganz wichtig und auch entscheidend.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Das ist der große Fehler!)

- Wir haben eben einen klaren Auftrag. Wenn es irgendwo extremistische Bestrebungen gibt, dann müssen wir sie auch bekämpfen. Wenn Sie in den Vordergrund stellen, ob eine Kampagne oder ein Symposium eher mit Links oder mit Rechts in Verbindung zu bringen ist, und daraus irgendwelche Schlussfolgerungen ziehen, dann wird es schwierig. Sie müssen schon darstellen, was wir für Maßnahmen insgesamt ergreifen. Es ist schlimm, wenn man irgendwo in diesem Hause im Kampf gegen Extremisten irgendwelche Unterschiede macht. Wir müssen ganz konsequent gegen jede Form von Extremismus vorgehen, und da sollten wir uns auch nicht auseinanderdividieren lassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Unsere Präventionsmaßnahmen gerade gegen Rechtsextremismus sind - da sollten wir gar nicht so zurückhaltend sein - im Ländervergleich absolut vorbildlich. Da hat die Vorgängerregierung viel getan, und wir haben noch einige neue Akzente gesetzt. Deshalb ist unser Kampf gegen Rechtsextremismus wirklich vorbildlich, gerade was den Bereich der Prävention angeht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dabei handelt es sich um eine Aufgabe, die die kommunale Ebene mit einzelnen Initiativen wahrnimmt. Nach dem, was mir berichtet wird, ist es da sehr viel angenehmer als hier im Landtag, weil sich dort SPD, CDU, FDP und Grüne im Kampf gegen Rechtsextremismus völlig einig sind. In einem kommunalen Parlament werden solche Diskussionen wie hier nicht geführt.

(Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!)

Im Bereich der Erwachsenenbildung gibt es auch auf Landesebene hervorragende Initiativen. Die Initiativen aus dem Sozialministerium sind ebenfalls hervorragend. Was den Bereich des Verfassungsschutzes angeht, so haben wir die Präventionsmaßnahmen, die Aufklärungskampagne in den letzten sechs Jahren erheblich ausgeweitet. Ich freue mich, Frau Modder, dass Sie dies ausdrücklich erwähnt haben; denn es ist im Bundesvergleich einmalig, wie wir den Verfassungsschutz aufgestellt haben. Wir haben ein anderes Verständnis. Natürlich müssen wir mit nachrichtendienstlichen Mitteln Daten sammeln. Aber wir brauchen insgesamt die Bürgerinnen und Bürger im Kampf gegen Extremismus. Deshalb müssen wir sie aufklären. Das ist die Aufgabe des Verfassungsschutzes, die im Land Niedersachsen vorbildlich wahrgenommen wird.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ferner haben wir - das ist angesprochen worden - gerade die Kommunen besonders beraten, wenn es um den Immobilienkauf von Rieger ging. Sie können sich alle Initiativen anschauen, die es gegeben hat, so etwa im Bereich Dörverden und Delmenhorst und auch im Bereich Wolfsburg, wo wir sofort reagiert haben. Bei dem Symposium zum Rechtsextremismus in Hannover haben sich die Bürgermeister, gerade der Bürgermeister aus Faßberg, ausdrücklich für die Begleitung aus dem Verfassungsschutz und aus der Landesregierung insgesamt bedankt. Es ist doch aber wichtig, nicht jeden Tag darüber zu reden, was wir diesbezüglich tun, sondern alle Möglichkeiten, die wir mit den Beteiligten vor Ort haben, auszuschöpfen, damit wir hier einen vernünftigen Weg finden. Angesichts dessen finde ich es schlimm, wenn es hier so dargestellt wird, als ginge die Landesregierung oder irgendwer in Niedersachsen nicht gegen Rechtsextremismus und vor allem nicht gegen Rieger vor.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der LINKEN: Hildesheim!)

Wenn jemand, der vielleicht auch einen etwas schwierigen Hintergrund hat, eine Immobilie an einen Rechtsextremisten verkaufen will, dann müssen wir alle Maßnahmen ergreifen. Aber ich muss genauso sagen: Wir dürfen dann, wenn es schwierig wird, nicht den Schluss daraus ziehen, dass wir vielleicht sogar Gesetze ändern müssen, um so etwas zu verhindern; denn das ist genau das, was die Rechtsextremisten erreichen wollen. Wir müssen auf der demokratischen Grundlage alles tun, um so etwas zu verhindern. Das ist die

Botschaft, die wir an einem solchen Tag im Parlament ausdrücklich unterstreichen müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von der LINKEN: Hildesheim!)

Nun komme ich zum Thema NPD-Verbot. Wir wären doch alle froh gewesen, wenn die NPD im Jahre 2003 verboten worden wäre. Ich darf daran erinnern, wer das Verbotsverfahren angestrengt hat, nämlich einmal die CSU, der sehr geschätzte Kollege Beckstein, zusammen mit Herrn Schily. Herr Kollege Bartling hat dies damals mit vorangetrieben, was überhaupt nicht zu kritisieren ist, obwohl es auch warnende Stimmen gegeben hat.

Fakt ist, dass das Bundesverfassungsgericht ein Urteil gesprochen hat, in dem es gesagt hat: Wir können die NPD so nicht verbieten. - Es hat auch klare Vorgaben gemacht, u. a. die Vorgabe, dass die V-Leute abgezogen werden müssen, was klar ist. Alle Verfassungsschutzämter, auch diejenigen, die das jetzt vielleicht an der Spitze politisch anders bewerten, haben klar gesagt: Wir können auf die Informationen von V-Leuten, auf gekaufte Informationen - darum geht es nämlich - verzichten, weil es dadurch insgesamt nur schwieriger wird, den Kampf gegen Rechtsextremismus zu gewinnen. Das ist doch der Punkt. Das darf man doch nicht einfach negieren, sondern man muss auch auf die Fachleute hören. Gleichwohl haben wir gesagt, dass wir in der Innenministerkonferenz immer wieder prüfen wollen, ob es Möglichkeiten gibt.

Der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Herr Struck, hat dann gesagt, dass aus offenen Quellen Informationen gesammelt werden sollen. Wir haben es uns bei den Verfassungsschutzämtern angeschaut. Dort hat man uns klar gesagt, dass man auch bei den Quellen, die offen sind, nicht hundertprozentig ausschließen kann, dass daran in irgendeiner Weise V-Leute beteiligt sind. Deshalb haben diejenigen, die auf die Fachleute gehört haben, gesagt, es macht keinen Sinn, etwas dazuzuliefern. Die SPD-regierten Länder haben es trotzdem getan und haben es präsentiert. Die Innenminister der SPD haben anschließend klar gesagt, dass die Sammlung nicht ausreicht, um ein Verbotsverfahren zu initiieren, dass sie aber eine gute Grundlage ist, um aufzuklären. Das ist eine Sammlung, die gerade an Schulen und im Bereich der Erwachsenenbildung dargestellt werden muss. Das kann ich nur begrüßen; das ist auch überhaupt kein Problem.

Dann ist das Ganze vom Bundesinnenminister an den Bundestag geleitet worden; denn antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesrat und die Bundesregierung. Auch die SPD-Bundestagsfraktion hat diese Sammlung zur Kenntnis genommen. Sie hat aber keine weitere Initiative gestartet, weil aus den Quellen, die offengelegt worden sind, ein NPD-Verbotsverfahren nicht weiter betrieben werden kann. Das ist Fakt, und das ist auch in der Innenministerkonferenz so gesagt worden.