Protocol of the Session on September 25, 2009

Ich will abschließend allerdings eines auch noch deutlich betonen: Wir haben gemeinsam in den

letzten Jahren viel dafür getan, dass sowohl in Emden als auch in Cuxhaven die OffshoreTechnologie nicht nur stattfand, sondern boomte. Wir wollen, dass sie weiterboomt. Wir wollen, dass sich diese Entwicklung fortsetzt. Wir freuen uns darüber, dass es mit der SIAG einen Investor gibt, der bereit ist, auf dem Gelände der Thyssen Nordseewerke die Erfolgsgeschichte der OffshoreTechnologie weiterzuentwickeln und vielen Mitarbeitern an diesem Standort eine Zukunftsperspektive zu eröffnen.

(Glocke des Präsidenten)

Ich will ausdrücklich sagen, dass die SIAG mit ihren Vorhaben uns in Emden herzlich willkommen ist. Diese Landesregierung und wir werden gemeinsam alles tun, um das Investitionsvorhaben am Standort Emden positiv zu begleiten und zu unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Thiele.

Letzter Satz. - Heute müssen und sollten wir gemeinsam politische Gestaltungskraft entwickeln und mit einer breiten Unterstützung des gemeinsamen Antrags ein starkes Signal aus Hannover nach Emden und an den Schiffbau in Niedersachsen insgesamt senden, ein starkes Signal an die Mitarbeiter, an die Nordseewerke und an die Familien vor Ort. Es bedarf einer breiten Unterstützung für den Betriebsrat, für Fritz Niemeier und seine Kollegen, damit in Emden auch zukünftig Schiffe gebaut werden können.

Herzlichen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Nächster Redner ist Herr Haase von der SPDFraktion. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Ulf Thiele, die Wut teile ich. Es war in der Tat ein schwarzer Tag für Emden, Ostfriesland, ja, ganz Norddeutschland, als die Planungen der ThyssenKrupp AG, von TKMS, bekannt wurden, im Rahmen der Neustrukturierung gravierende Änderungen bei den Nordseewerken in Emden vorzu

nehmen. Dieser 9. September 2009 hat die mehr als 1 250 Kolleginnen und Kollegen, ihre Familien, die Stadt, ja, die ganze Region ins Mark getroffen.

Eine 106-jährige Schiffbautradition droht zu enden, steht zur Disposition. Auf einmal zählten nicht mehr die Qualität der abgelieferten Schiffe, vom U-Boot bis hin zum Containerschiff, das Engagement der Belegschaft, vom Schiffbauer bis zum Ingenieur, die Bereitschaft der Belegschaft, immer auf die Erfordernisse der wirtschaftlichen Situation einzugehen, die Innovationskraft der Werft, vom besten konventionellen U-Boot bis hin zum größten Saugbagger der Welt, der vorhandene Auftragsbestand im Marineschiffbau, ja nicht einmal die schwarzen betrieblichen Zahlen der Nordseewerke im Verbund der TKMS.

Die überraschende Entscheidung vom 9. September - positiv als „Transformation des Fertigungsstandortes“ beschrieben - beinhaltet nicht weniger als das Ende des zivilen Schiffbaues bei den Nordseewerken, die massive Verlagerung von Marineaufträgen von Emden weg nach Hamburg oder Kiel und die Übernahme großer Werftteile sowie der Belegschaft durch die SIAG-Gruppe für die zukünftige Produktion im Bereich Offshore.

Meine Damen und Herren, auf den ersten Blick - so versucht es der Vorstand bis heute zu verkaufen - eine gute Lösung für alle ohne Arbeitsplatzverluste, ohne betriebliche Kündigungen mit einem neuen Partner, der ein Zukunftsprodukt produziert und auf den Offshore-Markt setzt. Schaut man aber etwas genauer hin, wird jedem sehr schnell klar: Hier verabschiedet sich jemand aus dem Schiffbau am Standort Emden, am Standort Nordseewerke. Nur mit den Bereichen Engineering und Reparaturen kann eine schiffbaufähige Werft nicht existieren. Mindestens die Ausrüstung muss in Emden bleiben.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Statt mit der Offshore-Produktion ein zusätzliches Standbein hinzuzubekommen, entstünde eine neue Monostruktur. Konkret heißt dies nichts anderes als: kein Schiffbau mehr in Emden.

Meine Damen und Herren, das dürfen wir nicht zulassen. Keine Frage: Der internationale wie der nationale Schiffbau leiden zurzeit voll unter der globalen Wirtschaftskrise infolge der Finanzkrise. Bestellungen für Containerschiffe werden storniert, auch in Emden, fertige Schiffe werden nicht abgenommen, von Neuaufträgen in diesem Sektor zurzeit ganz zu schweigen. Es ist doch aber nicht so,

dass der Schiffbau keine Zukunft hat. Der maritime Sektor ist und bleibt eine Zukunftsbranche. Spezialschiffe, Plattformen für Offshore und auch der Marineschiffbau sorgen heute schon für Nachfrage. Der Bedarf für die Zukunft an besseren, wirtschaftlicheren und umweltfreundlicheren Schiffen für Offshore sowie moderne Meerestechnik ist heute schon vorhersehbar. Ein vorausschauender Vorstand hätte die Pflicht, hier nach neuen Auftragsfeldern Ausschau zu halten, statt nach Wegen zu suchen, sich aus dem Schiffbau zu verabschieden.

(Beifall bei der SPD)

Im Marineschiffbau sind längst bis zum Jahr 2013 die Aufträge avisiert. Für die Nordseewerke - Ulf Thiele hat es gerade schon angekündigt - sind klare Arbeitsanteile für den Fregattenneubau, zukünftige Korvetten, den U-Boot-Bau in Sektionen und den Einsatzgruppenversorger mit der Bundesregierung, den Küstenländern und ThyssenKrupp fest vereinbart. Diese Vereinbarung kann und darf durch den Vorstand von TKMS nicht einseitig aufgekündigt werden.

(Beifall bei der SPD)

Hier sind wir als Niedersachsen in der Pflicht, auf die Einhaltung der getroffenen Vereinbarungen zu bestehen.

Und, meine Damen und Herren: ThyssenKrupp muss sich seiner standortpolitischen Verantwortung bewusst sein. Wer hier aus kurzfristigen Interessen heraus leichtfertig versucht, die vereinbarten Kontingente nach Hamburg oder Kiel zu verlagern und den Standort auf Engineering und Reparaturen zu beschränken, der zerstört ein über Generationen gewachsenes Know-how, der zerstört dauerhaft die Fähigkeit dieser Werft, ganze Schiffe oder auch nur wesentliche Komponenten zu bauen, leitet bewusst das Ende des Schiffbaus an diesem Standort ein.

Ich will hier keine Missverständnisse aufkommen lassen. Natürlich ist es gut, wenn die Werft ihre Produktpalette um eine Produktion im Bereich Offshore, wie von der SIAG-Gruppe geplant, erweitert. Alle Zukunftsbranchen und -technologien, die als zweites zusätzliches Standbein die bisherigen Möglichkeiten ergänzen und erweitern, sind uns mehr als herzlich willkommen. Alles, was mit Offshore zusammenhängt, verspricht eine Zukunft für die Küste und ihre Menschen. Dies passt in die Strategie von Stadt, Region, aber auch Land.

Deshalb ist es richtig, dass die Landesregierung in dieser Entschließung u. a. aufgefordert wird, hier Unterstützung und Hilfe zu leisten. Ich weiß: Sie ist dort kräftig dabei.

(Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!)

Aber bitte nicht zulasten einer anderen Zukunftsbranche Schiffbau! TKMS muss verstehen, welche Chance in einem zukünftigen modernen Schiffbau für den Wirtschaftsstandort Niedersachsen und Deutschland insgesamt liegt. Das kann nur heißen: Erhalt des Schiffbaus und der nachhaltigen Schiffbaufähigkeit am Standort der Nordseewerke in Emden.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, dazu ergänzend die Ansiedlung der SIAG, um auf dem Offshore-Markt aktiv zu werden.

Dies sind in meinen Augen auch die wesentlichen Elemente der vorliegenden Entschließung, die wir ausdrücklich, auch im Nachklang unserer Diskussion von gestern zum Thema maritime Wirtschaft in der Krise, begrüßen und selbstverständlich unterstützen.

Meine Damen und Herren, ich persönlich bin sehr froh über die heutige Entschließung und erwarte eine breite Zustimmung über alle Parteigrenzen hinweg. Verzeihen Sie mir, liebe Linke, dass ich Sie jetzt angucke. Heute ist nicht der Tag, Feinmechanik zu betreiben, sondern heute geht es um die Arbeitsplätze, um den Standort Nordseewerke in Emden. Ich bitte Sie eindringlich um Zustimmung.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Björn Thümler [CDU])

Ich freue mich - genau wie Herr Thiele -, dass eine Delegation der Werft mit Fritz Niemeier an der Spitze hier ist. Wir sollten uns heute in der Tat geschlossen hinter die Kolleginnen und Kollegen, die Betriebsräte, die IG Metall, die Familien und die vielen betroffenen Menschen bei uns stellen. Sie brauchen unsere Unterstützung und Solidarität. Es geht um eine für Niedersachsen, für unsere Küste erfolgreiche Zukunftsbranche. Unsere Region, die Menschen an der Küste stehen hinter den Nordseewerken. Die Landesregierung hat ihre Unterstützung mehrfach zugesagt und steht - ich weiß es - in ständigem Kontakt mit Betriebsrat und Vorstand und übernimmt dort moderierende Rollen. Für dieses Engagement danke ich.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Eine Großdemonstration am 18. September in Hamburg hat die Breite des Protestes und die Solidarität mit dem Schiffbau von Kiel bis Hamburg eindrucksvoll bewiesen. Der Emder Rat hat am 17. September einstimmig, mit den Stimmen der Linken, also über alle Parteien hinweg,

(Björn Thümler [CDU]: Hört, hört!)

eine Resolution für den Erhalt des Schiffbaus bei den Nordseewerken beschlossen. Mir liegen fast gleichlautende Resolutionen der Landkreise Aurich und Wittmund sowie der IHK für Papenburg und Ostfriesland vor. Zeitgleich mit der Debatte hier demonstrieren in meiner Stadt, in Emden, Tausende von Menschen für den Erhalt des Schiffbaus dort. Die Nordseewerke haben eine Zukunft, wenn wir gemeinsam die Chancen - auch mithilfe eines zusätzlichen Standbeins im Offshorebereich und im Spezialschiffbau - nutzen und wir uns gemeinsam bei ThyssenKrupp dafür stark machen.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Die heutige Entschließung ist dafür in meinen Augen ein sehr wichtiges Signal nach Essen, Hamburg und Berlin. Ich erwarte einfach, dass die TKMS dies am Montag zur Kenntnis nimmt, ihre Entscheidung revidiert und mit Zukunftsoptionen zumindest weiterverhandelt. Dies muss das Ergebnis der heutigen Debatte sein.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, bei der Debatte um die Ratsresolution in Emden meldete sich das jüngste Mitglied meiner Fraktion, der 24-jährige Schiffbauer Enno Scheffel zu Wort. Er sitzt dort hinten mit Fritz Niemeier in der Loge. Seine Familie ist in dritter Generation auf der Werft beschäftigt. Am 9. September, dem Tag der unseligen Vorstandsentscheidung, ist er Vater geworden. Voller Emotionen schilderte er im Rat ehrlich seine Angst um eine Zukunft für sich, seine Familie und seine Kollegen. Ihm, seiner Familie, seinen Kollegen, seiner Generation sind wir es schuldig, dass wir alles uns Mögliche versuchen und alles gemeinsam dafür tun, dass eine Zukunftsbranche nicht leichtfertig kurzfristigen Wirtschaftsinteressen geopfert und von Managern, die hoch und trocken sitzen, kaputt gemacht wird. Ich bitte um Ihre Zustimmung.

Vielen Dank.

(Starker, lang anhaltender Beifall bei der SPD, bei der CDU, bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Als nächster Redner hat sich Herr Hagenah von Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet. Bitte schön, Herr Hagenah.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich - etwas anders als meine beiden Vorredner - zunächst den vorhandenen positiven Aspekten in Emden widmen; denn die geplanten Veränderungen bei den Nordseewerken sind zumindest zum Teil eine gelungene Umstrukturierung ganz im Sinne des von uns Grünen auch für viele andere Wirtschaftsbereiche für notwendig erachteten Green New Deal. Die Schiffbautradition muss sich noch viel stärker den neuen wachsenden Märkten der Umwelttechnik öffnen, damit die Betriebe überleben können.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das geschieht hier in Emden quasi in letzter Sekunde. Man möchte gar nicht daran denken, wie ThyssenKrupp agiert hätte, wenn dieses Angebot von SIAG nicht im Raum stünde.

Mit dem Einstieg in den Windenergie-Offshorebereich wird die Hälfte aller Beschäftigten eine sichere Jobperspektive jenseits des Schiffbaus in Emden bekommen. Dass das dringend nötig war, belegt auch die Einschätzung der NORD/LB. Ich zitiere aus der RegioVision 2 dieses Jahres:

„Nach Informationen des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik ist der Schiffbau weltweit um 97 % eingebrochen. Für die Werften kommt es aber noch schlimmer, da bereits erfolgte Neuaufträge storniert oder verschoben werden. Die gegenwärtige Situation ist in der Schiffbauindustrie vor allen Dingen deswegen so gravierend, weil im Bereich der staatlich subventionierten südkoreanischen und chinesischen Werften weiterhin Kapazitäten aufgebaut werden. Vor diesem Hintergrund bleibt den deutschen Werften und mit ihnen der deutschen Schiffbauindustrie nur noch der Weg zum Spezialschiffbau im Hightechformat.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser zutreffenden Analyse folgt der gemeinsame Antrag zu den Nordseewerken. Der neue Offshorebereich wird um einen zukunftsfähig aufgestellten Schiffbau ergänzt, der am Standort beste Voraussetzungen hat, weil dafür das Know-how und die Technik in hervorragender Weise vorhanden sind.