Protocol of the Session on September 24, 2009

Wie wirklichkeitsfremd die Landesregierung agiert, zeigen die Prognosen von Staatssekretär Ripke. Am 31. Januar 2009 wurde er zitiert, dass es in zwei Monaten deutlich höhere Preise für Milch gebe. Jetzt sind wir acht Monate weiter und wissen, wie tief die Preise gefallen sind. Herr Ripke behauptete damals, Milchbauern würden 2009 Gewinne machen. Das sehen die Milchbäuerinnen und Milchbauern, die am Dienstag und heute vor dem Agrarministerium protestieren, wirklich anders.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Große Macke?

Gerne. Im Gegensatz zu ihm und Herrn Sander lasse ich Fragen zu.

Herr Meyer, geben Sie mir recht, dass der Vorsitzende des BDM, Romuald Schaber, im August letzten Jahres gegenüber der Zeitung gesagt hat, wir würden zu Weihnachten noch einen Preis von über 40 Cent haben?

Da ging er wahrscheinlich davon aus, dass die Versprechungen der Politik, die Sie gemacht haben, nämlich durch Beschlüsse im Bundesrat die Menge endlich zu senken, genauso eingehalten würden

(Beifall bei den GRÜNEN)

wie die Versprechungen des Einzelhandels nach dem erfolgreichen Milchstreik, für höhere Preise zu sorgen. Aber Sie sind den Milchbauern in den Rücken gefallen, und deshalb hat sich dieses Versprechen nicht realisiert.

Ich komme zum Schluss: Unser Änderungsantrag ist die Nagelprobe für die Abgeordneten von CDU, SPD und FDP, wo sie wirklich stehen, ob sie eine wirksame Milchmengenregulierung unterstützen. Wir Grüne wollen weiterhin Kühe auf der Weide in kleinen Familienbetrieben mit fairen Preisen und keine riesigen Agrarfabriken einiger weniger Konzerne.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Wie groß ist der Milchviehbetrieb, den Sie sich vorstellen?)

Zwei Richtungen stehen sich hier gegenüber, das ist gesagt worden. Wir wollen runter mit der Milchmenge, und zwar sofort. Ansonsten heißt es weiterhin: Hast du eine Kuh, wähle niemals FDP und CDU.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der LINKEN)

Ich erteile dem Kollegen Siebels von der SPDFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat handelt es sich bei der aktuellen Situation der Milcherzeuger um eine echte Notlage. Ich habe großes Verständnis dafür, dass die Bauern ihrer Sorge auch Ausdruck verleihen. Wir alle wissen, dass die Bauern bei einem Milchpreis von um die 20 Cent nicht überleben können. Wir streiten aber über den richtigen Weg, diese Situation zu verbessern.

(Beifall bei der SPD)

Auch die Interessenverbände der Bauern sind sich nicht einig darüber, welcher Weg der richtige ist. Über diesen Glaubenskrieg, wie ich es nenne, ob man nun auf der einen Seite bei der Milchmenge eingreift oder auf der anderen Seite für einen stärkeren Absatz sorgt, was ich für richtig halte, gerät nach meiner Auffassung die Überbrückung der derzeitigen Krise manchmal etwas in den Hintergrund.

(Beifall bei der SPD)

Statt nur übereinander zu reden, hat die SPDFraktion es wenigstens geschafft, beide Seiten - BDM und Landvolk - an einen Tisch zu holen. Ich wünschte, dass die Politik insgesamt mehr Kraft darauf verwandt hätte, die Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Ich bedauere ausdrücklich, dass es in dieser Situation - ich sage das ganz deutlich - auch politische Kräfte gibt, die dieses Thema offenbar ausschließlich für den Wahlkampf nutzen wollen. Ich wundere mich immer wieder, wie die Grünen, die sonst zu einem marktwirtschaftlichen System stehen, entweder eine staatlich regulierte Milchwirtschaft oder

aber ein Kartell der Milcherzeuger fordern können. Wie das zusammenpasst, ist mir noch nicht ganz klar. Mit uns ist so etwas jedenfalls nicht möglich. So einfach funktioniert die Wirtschaft in Europa und in der Welt nicht, genauso wenig wie die Erde eine Scheibe ist.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Wenn man sieht, mit welcher Vehemenz die Grünen diese Forderungen im Wahlkampf vor sich hertragen und wie sie kleine Schilder drucken lassen und an den Laternen aufhängen, weiß man, dass dieser Kurs einzig dem Wahlkampf geschuldet ist. Dabei scheuen sie nicht einmal ein wirklich unheiliges Bündnis mit der CSU, wie dem Antrag zu entnehmen ist. Entschuldigung, meine Damen und Herren, aber das musste einmal ganz deutlich gesagt werden.

(Beifall bei der SPD)

Den Änderungsantrag der Grünen lehnen wir deshalb entschieden ab.

(Zuruf von der GRÜNEN)

- Sie sollten vielleicht einmal zuhören; das könnte Ihnen nicht schaden.

Auch in Brüssel bekommt man mittlerweile Angst vor der eigenen Courage und schiebt den schwarzen Peter kurz vor der Wahl wieder den Mitgliedstaaten zu, wohl wissend, dass jede allein nationale Regelung im jeweiligen Nationalstaat großen Schaden anrichten würde. Mit der SPD ist deshalb keine allein nationale Regelung zu machen. Das schadet unseren Milcherzeugern.

(Beifall bei der SPD)

Das beweisen auch die jüngsten Vorkommnisse in Frankreich, wo sich nach unseren Informationen etwa ein Drittel der Milcherzeuger, nach Aussagen des BDM rund 50 % der Milcherzeuger, am Boykott beteiligen. Wenn sich hiermit am Markt tatsächlich etwas erzielen ließe, läge der Milchpreis in Frankreich bei mindestens 4 Euro. Dort liegt er aber nicht, und zwar wegen der Zufuhr von außen.

Auch CDU und CSU eiern im wahrsten Sinne des Wortes herum. Jetzt wird scheinbar darauf gesetzt - jedenfalls erlebe ich das in Ostfriesland -, aus den Milcherzeugern Eierbarone zu machen. Auch diese Strategie ist, weil viel zu einseitig, zum Scheitern verurteilt.

(Beifall bei der SPD)

Frau Aigner versteigt sich in ihrer Verzweiflung dazu, die Menschen aufzufordern, mehr Milch zu trinken. Die Trinkmilch macht etwa 11 % der gesamten Milchmenge aus. Dagegen anzutrinken ist schlicht unmöglich. Wenig später fährt sie nach Brüssel, um gegen die Erhöhung der Quote zu protestieren, und kommt - welche Überraschung! - mit der Erkenntnis zurück, dass die EU nicht mitmacht. Als ob sie das nicht vorher gewusst hätte!

(Beifall bei der SPD)

Jetzt werden Ersatzthemen gesucht. Die Agrardieselsteuer muss gesenkt werden. Das nutzt vor allen Dingen den großen Erzeugern. Der Antrag der CDU betreffend Vorziehung der Prämienzahlungen ist durch den Verlauf der Beratungen mittlerweile in der Tat überholt. Kurz vor der Wahl verspricht Minister Ehlen jetzt noch ein Vorruhestandsprogramm für die Milcherzeuger, aber nicht nur für sie. Es soll keine Sonderregelung für sie geben; es ist für alle etwas dabei. Hat der Minister denn vor, alle Landwirte in den Vorruhestand zu schicken? Welche Bereiche sollen davon ausgenommen werden?

(Beifall bei der SPD)

Ich bin gespannt, ob nach der Wahl für alle diese Geschenke noch Geld da ist. Das alles sind Nebelkerzen, mit denen die CDU um sich wirft, oder Wahlkampfmanöver, wie die Grünen sie veranstalten. Ich erlebe bei den Podiumsdiskussionen vor Ort, dass die Politiker reihenweise umfallen, weil sie nicht in der Lage sind, ihre Politik zu erklären, und nicht den Mut haben, standhaft zu bleiben.

(Beifall bei der SPD)

An dieser Stelle muss man die FDP einmal ausdrücklich loben. Sie bleibt jedenfalls bei ihrem Kurs. Sie fordert bei jeder Gelegenheit Steuersenkungen. Wenn Sie Guido Westerwelle fragen würden, was sein Rezept gegen die Schweinegrippe ist, bekommen Sie zur Antwort: Steuern senken.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Das ist zwar Unfug, aber es ist wenigstens konsequent.

Unsere Forderung dagegen ist konsequent und auch umsetzbar. Wir fordern, endlich etwas für den Absatz zu tun. Was ist mit der Deklaration von Analogkäse und anderen Substituten, die allein etwa 4 % der Milchmenge ausmachen? Was tut die Regierung? - Nichts!

Was ist mit der Förderung regionaler hochpreisiger Produkte? Was macht die Regierung? - Nichts!

Damit habe ich die Mittel angesprochen, die uns zur Verfügung stehen. Diese Mittel müssen genutzt werden. Werden Sie endlich aktiv, und sorgen Sie für einen besseren Absatz von Milch und Milchprodukten aus Niedersachsen und damit für einen besseren Erzeugerpreis, als wir ihn jetzt haben!

Wir stehen - das traut sich an dieser Stelle offensichtlich niemand offen zu sagen - auch für eine zeitlich begrenzte Absatzförderung durch die Exporterstattung. Ich halte dies, wie ich gerne einräume, für ein sehr bedenkliches Instrument, aber ich glaube, dass der Einsatz dieses Instrumentes notwendig ist. Ich gebe aber auch zu bedenken, dass diejenigen, die über den Hunger in der Welt reden, Millionen Liter Milch verschütten, um öffentliche Aufmerksamkeit zu erlangen. Das ist auch bedenklich, mögen sie es auch für notwendig halten.

Kommen Sie endlich aus dem Quark, meine Damen und Herren von der Regierungsbank! Helfen Sie den Bauern beim Überleben, und sorgen Sie für einen besseren Absatz und damit für einen besseren Milchpreis für die Milcherzeuger in Niedersachsen!

Vielen Dank.

(Starker Beifall bei der SPD)

Ich erteile Herrn Kollegen Oetjen von der FDPFraktion das Wort.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Steuern senken!)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Lage unserer Milchviehbetriebe ist dramatisch. Da ist nichts zu beschönigen. Ich glaube, alle Abgeordneten hier in diesem Hause kennen die Situation aus ihrer Region und sind dafür auch sensibilisiert.

Wir wissen, dass wir bei dem Kurs, der in der Europäischen Union eingeschlagen worden ist, mehr Markt bekommen, und zwar auf den Milchmärkten wie auch insgesamt auf den Agrarmärkten. Ich halte es insgesamt für eine richtige Entwicklung, dass wir versuchen, unsere Landwirtschaft zu mehr Markt hinzuführen. Eine wichtige Voraussetzung aus meiner Sicht ist aber - das sage ich ganz