Protocol of the Session on September 24, 2009

Zweitens haben Sie natürlich recht, dass es regionale Unterschiede gibt. Aber deshalb gibt es ja gerade einen kommunalen Finanzausgleich, um diese regionalen Unterschiede auszugleichen. Wir als Landesregierung haben schon reagiert, indem wir z. B. einen Flächenfaktor eingeführt haben, um die Unterschiede zwischen Ballungsgebieten und der Fläche, aber auch in der Fläche selbst auszugleichen. Auch das hat schon Wirkung gezeigt. Insofern reagieren wir dann, wenn es notwendig ist. Aber die Verteilungssymmetrie wird in jedem Jahr neu festgestellt, und zum jetzigen Zeitpunkt ist nicht zu erkennen, dass es hier zu Verschiebungen kommt.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Wortmeldungen zu Punkt 14 a liegen mir nicht vor. Ich rufe den Tagesordnungspunkt 14 b auf.

Konsequenzen ziehen aus der Gewalttat am Münchener S-Bahnhof! - Anfrage der Fraktion der CDU - Drs. 16/1663

Ich erteile dazu dem Kollegen Ahlers von der CDUFraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 12. September hatte sich der 50-jährige Dominik B. in einer Münchener S-Bahn schützend vor eine

Gruppe Kinder gestellt, von der die Täter Geld erpressen wollten. Nach bisherigen Ermittlungen schlugen die Jugendlichen auf ihr Opfer ein und traten den Mann mit Füßen, auch als er bereits am Boden lag. Trotz rascher notärztlicher Versorgung konnte er nicht gerettet werden; er starb wenig später im Krankenhaus. Die Täter konnten noch am Tatort gestellt werden. Gegen sie erging ein Haftbefehl wegen Mordes und räuberischer Erpressung.

Der Bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, CSU, würdigte die Zivilcourage des Opfers mit den Worten: „Er ist Vorbild für eine menschliche Gesellschaft!“ und kündigte an, dem Opfer posthum den Bayerischen Verdienstorden zu verleihen. Bundespräsident Horst Köhler prüft, dem Opfer posthum das Bundesverdienstkreuz zu verleihen, da er ein Beispiel für Zivilcourage und Mut gesetzt hat.

Presseberichten zufolge sollen die jugendlichen Straftäter arbeitslos und bereits durch Straftaten aufgefallen sein. Unter anderem spricht sich der Kriminologe und frühere niedersächsische Justizminister Professor Dr. Christian Pfeiffer in einem Interview mit der Nordwest-Zeitung vom 15. September 2009 für eine stärkere Videoüberwachung in Bahnhöfen aus.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung das Verhalten des Dominik B., und sieht sie Möglichkeiten, im Hinblick auf die innere Sicherheit das gesamtgesellschaftliche Verantwortungsbewusstsein und die Zivilcourage der Bürger noch zu stärken?

2. Welche präventive und repressive Maßnahmen verfolgt die Landesregierung zur Bekämpfung der Jugendgewalt bzw. der Jugendkriminalität und der damit verbundenen Intensivtäterproblematik?

3. Wie bewertet die Landesregierung die Forderung zur stärkeren Videoüberwachung im öffentlichen Raum, insbesondere in Bahnhöfen und in S-Bahnen?

(Johanne Modder [SPD]: Da gibt es doch schon ein Programm! 500 000 Euro wurden zur Verfügung gestellt!)

Herr Minister Schünemann, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung verurteilt die schrecklichen Geschehnisse von München und weitere Fälle von Gewalt. Sie wird an einer konsequenten Politik aus Prävention, Repression und einer Stärkung der Polizeipräsenz durch das Tausenderprogramm festhalten.

Sie erachtet die Förderung der Zivilcourage für wesentlich, um die Prävention und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu stärken, und hält dabei die folgenden Kernelemente für unverzichtbar: Informationen und Sensibilisierung für ein positives Sozialverhalten, wenn Menschen durch Straftaten und Belästigung in Not geraten, Förderung des Zeugenverhaltens der Bevölkerung bei Straftaten im öffentlichen Raum, Stärkung der Bereitschaft, bei Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu helfen und einzuschreiten, Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung und Förderung der öffentlichen Berichterstattung über Bürgerengagement zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit auf Straßen und Plätzen.

Die Landesregierung wird die derzeitigen Präventionsmaßnahmen vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse überprüfen und verstärken sowie bei Bedarf auch fortentwickeln.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Der Tod des Dominik B. am S-Bahnhof München-Solln hat eine breite Debatte in Politik und Gesellschaft über die Bedeutung von Zivilcourage ausgelöst. Der Fall löste auch deswegen so starke Betroffenheit aus, weil nach den vorliegenden Erkenntnissen das Opfer rechtzeitig die Polizei informierte und sich insgesamt vorbildlich verhielt, Außenstehende gar nicht oder zu spät eingriffen und die Gewalt der Täter keine Hemmschwellen kannte. Letzteres weist auf das besorgniserregende Phänomen einer sich verfestigenden Jugendgewaltkriminalität hin.

Damit sind die Zukunftsfähigkeit und das Zusammenleben in unserem Land entscheidende Fragen berührt, die ein gemeinsames, abgestimmtes Vorgehen von Politik und Gesellschaft erfordern.

Durch die Geschehnisse von München und weitere beunruhigende Fälle von Gewalt darf nicht der Eindruck entstehen, dass Menschen mit Zivilcourage im Ernstfall schutzlos ausgeliefert sind. Nach den aktuellen Geschehnissen ist es weiterhin un

verzichtbar, die Bemühungen um mehr Zivilcourage öffentlichkeitswirksam und engagiert zu verstärken.

Dazu wird die Landesregierung insbesondere

− im März 2010 einen landesweiten Aktionstag für Zivilcourage und gegen Gewalt unter breiter Beteiligung gesellschaftlich relevanter Gruppen initiieren,

− die umfangreichen Präventionsmaßnahmen an den Schulen mit dem Ziel weiter ausbauen, die Jugendlichen auf dem Weg zu selbstbewusstem und verantwortungsvollem Handeln zu unterstützen,

− unter der Federführung des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres, Sport und Integration gemeinsam mit der Üstra Hannoversche Verkehrsbetriebe AG umgehend eine Kampagne zur Stärkung der Zivilcourage im öffentlichen Verkehrsraum starten und entsprechend eine landesweite Kampagne mit den Aufgabenträgern für den Schienenpersonennahverkehr und den kommunalen Spitzenverbänden initiieren,

− sich dafür einsetzen, die Videoüberwachung im öffentlichen Nahverkehr weiter auszubauen sowie das System der Notrufschaltung in den Bussen und Bahnen zu optimieren - hierfür wird die Landesregierung Haushaltsmittel in Höhe von 500 000 Euro aus der Initiative Niedersachsen als Anschubfinanzierung zur Verfügung stellen -, und

− die sichtbare Präsenz der uniformierten Polizei an sensiblen Orten im öffentlichen Raum u. a. durch verstärkten Einsatz von Kräften der Bereitschaftspolizei intensivieren.

Zu Frage 2: Die Jugendkriminalität bewegt sich seit Jahren auf hohem Niveau. Besonders das Ausmaß der Jugendgewalt ist alarmierend. Die Landesregierung sieht in der Bekämpfung der Jugendgewalt und der Jugendkriminalität deshalb eine ganz besondere Herausforderung, an der sie mit Nachdruck arbeitet. Die schreckliche Tat von München, aber auch andere bundesweit bekanntgewordene Fälle zeigen, dass in den Anstrengungen zur Bekämpfung der Jugendgewalt nicht nachgelassen werden darf.

Die Landesregierung verfolgt zur Bekämpfung der Jugendgewalt das Konzept „Integration, Prävention, Repression“. Alle drei Ansätze greifen ineinander. Wichtige Voraussetzungen einer nachhaltigen Verbrechensbekämpfung sind erfolgreiche Integra

tion und wirksame Prävention. Erst wenn diese in bestimmten Fällen nicht wirken, bedarf es einer - effektiven und zeitnahen - Repression. Auf allen drei Gebieten arbeitet die Landesregierung konzentriert und nachhaltig.

Um Gewalttaten zu verhindern, ist es wichtig, der Ausübung von Gewalt möglichst umfassend und frühzeitig entgegenzutreten. Aus der Kriminologie ist bekannt, dass eine früh einsetzende, kontinuierliche Gewalttätigkeit zu langjähriger Kriminalität führen kann. Um solchen Entwicklungen zuvorzukommen, setzt eine sinnvolle Gewaltprävention bereits im frühen Kindesalter an und sollte mit Maßnahmen bis ins Jugendalter kombiniert werden. Eine wichtige Zielgruppe von Gewaltprävention sind dabei auch die Eltern. Nachhaltige Prävention kann nur im Zusammenspiel aller gesellschaftlichen Kräfte gelingen: Eltern, Kindertagesstätten, Schulen, Jugendhilfeeinrichtungen, Polizei und Justiz.

Prävention beginnt deswegen vor Ort, in den einzelnen Kommunen. Denn dort leben sowohl Täter als auch Opfer in ihren konkreten sozialen Bezügen. Die Prävention wird aber zugleich besonders durch zahlreiche Maßnahmen auf Landesebene geschützt und gefördert. Diese werden in der Geschäftsstelle des Landespräventionsrates zusammengeführt.

Ich will Ihnen an dieser Stelle nicht die Vielzahl aller präventiven und repressiven Maßnahmen aufzählen, die von der Landesregierung unterstützt werden. Die ressortübergreifende Arbeitsgruppe, die sich mit der Überprüfung dieser Maßnahmen beschäftigt, steht kurz vor dem Abschluss ihrer Arbeit und wird bis zum Jahresende einen Abschlussbericht vorlegen, der alle Maßnahmen aufführt, beschreibt und bewertet.

Vorweg kann ich aber folgendes sagen: Es ist bekannt, dass sowohl präventive als auch repressive Maßnahmen am besten wirken, wenn Behörden und sonstige Beteiligte eng vernetzt zusammenarbeiten. Außerdem soll die Zeit zwischen Tat und Sanktion möglichst kurz gehalten werden.

Darauf setzen Konzepte wie beispielsweise das vorrangige Jugendverfahren, das Polizei und Justiz im Jahre 2007 landesweit eingeführt haben.

In dieselbe Richtung zielt auch das Landesrahmenkonzept „Minderjährige Schwellen- und Intensivtäter“. Dieses Konzept dient einerseits der Schaffung landesweit einheitlicher Kriterien, welche Täter als Schwellen- und Intensivtäter be

zeichnet werden; andererseits wird die Zusammenarbeit der Behörden, insbesondere von Polizei, Justiz, Jugendhilfe und anderen Einrichtungen wie etwa Schulen, konkret geregelt. Intensivtäter werden einheitlich erfasst, und behördenübergreifende Fallkonferenzen tragen dazu bei, dass die individuell passenden Maßnahmen schnell und effizient angewendet werden können.

Zu Frage 3: In den letzten Jahren ereigneten sich deutschlandweit mehrere tragische Gewaltereignisse, zuletzt der in der Anfrage geschilderte Fall am 12. September 2009 in München. Öffentliche Verkehrsmittel stellen in Deutschland eine Lebensader der modernen Gesellschaft dar. Sie befördern täglich mehrere Millionen Fahrgäste. Eine wachsende Zahl von Gewalttaten in öffentlichen Verkehrsmitteln, häufig im Zusammenhang mit alkoholisierten jugendlichen Tätern beeinträchtigt das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung nachhaltig.

Mittlerweile sind in öffentlichen Verkehrsmitteln durch deren Betreiber eine Vielzahl von Videokameras eingerichtet worden. In Not- und Alarmierungsfällen sind die Führer von Bussen und Bahnen sowie das Personal in den Leitständen sofort in der Lage, die Polizei zu informieren und Hilfe herbeizuführen.

Die Systeme der Überwachung und Hilfe gilt es auszubauen. Die Landesregierung hat aktuell entschieden, in diesem Zusammenhang 500 000 Euro als Anschubfinanzierung zur Verfügung zu stellen.

Wie auch mit der von der Landesregierung bereits im September 2006 beschlossenen sukzessiven und bis zum heutigen Zeitpunkt konsequent umgesetzten Ausweitung der Videoüberwachung in Niedersachsen sind die Erfahrungen in öffentlichen Verkehrsmitteln durchweg positiv. Wissenschaftliche Untersuchungen u. a. im Land Brandenburg bestätigen eine solche positive Wirkung.

Eine Videoüberwachung im öffentlichen Raum, insbesondere in öffentlichen Verkehrsmitteln, an Bahnhöfen und Bushaltestellen, steigert das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste und der Passanten. Zudem erhöht sich die Abschreckungswirkung auf potenzielle Straftäter an den überwachten Orten. Die Möglichkeit zur Aufklärung von Straftaten durch das gewonnene Bildmaterial steigt. Aus diesen Gründen führt die Landesregierung Gespräche mit Trägern und Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs zur Ausweitung der dort durchgeführten Videoüberwachung.

Ein weiterer Sicherheitsgewinn kann durch ein verändertes System der Notrufschaltungen in den Bussen und Bahnen erreicht werden. Nach der Betätigung des Notrufes in den Fahrzeugen sollte automatisch in Schienenfahrzeugen ein Monitor bzw. in Bussen ein Signal im Führerstand aktiviert werden, sodass der Fahrzeugführer das Geschehen beobachten kann bzw. aufmerksam wird und Hilfe herbeiholen kann. Gleichzeitig sollte eine Aufzeichnung des Ereignisablaufes gestartet werden.

Ein zusätzliches optisches und akustisches Signal macht Fahrgäste und Passanten auf das Geschehen aufmerksam. Während diese so zu einer aktiven Hilfeleistung aufgefordert würden, träte für die Straftäter ein Abschreckungseffekt ein, da sie durch die sofortige Notrufweitergabe und Alarmierung von Interventionskräften mit einer Ergreifung rechnen müssten. Zudem erhöht eine permanente oder gesondert gestartete Bildaufzeichnung ihr Risiko einer späteren Ermittlung und Bestrafung.

Die Landesregierung bekräftigt ihre durch einen Beschluss der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren gestützte Auffassung, dass die Videoüberwachung öffentlicher Räume inklusive öffentlicher Verkehrsmittel geeignet ist, Gefahren abzuwehren sowie Straftaten zu verhüten und zu verfolgen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine erste Zusatzfrage stellt der Kollege Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass der Minister gerade ausgeführt hat, dass es gilt, den sensiblen Zeitrahmen zwischen Tat und Sanktion zu verkürzen, frage ich die Landesregierung: Wie lang ist in Niedersachsen dieser Zeitraum zwischen Tat und Beginn der Sanktion bzw. zwischen Anklageerhebung und Beginn der Sanktion durchschnittlich?

Herr Minister Busemann!