Protocol of the Session on September 23, 2009

(Beifall bei der LINKEN)

Noch weniger haben solche Dinge in Schulen etwas zu suchen. Schulen müssen zukünftig generell absolut waffenfreie Zonen sein.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Was kommt dazu von den antragstellenden Fraktionen? - Nichts!

Zweites Stichwort: Prävention. Sie wollen Konsequenzen aus Amokläufen ziehen, aber Sie tun nichts.

Sie streichen die Anzahl der Schulpsychologen im Land massiv zusammen. Nach bisherigen Planungen soll das Verhältnis von Schulpsychologen zu Schülern in Niedersachsen künftig bei 1 : 30 000

liegen. Der Durchschnitt der Bundesländer liegt bei 1 : 16 000.

Zugleich behindern Sie die Schaffung von Integrierten Gesamtschulen, erhöhen durch die Einführung des Turboabiturs massiv den Druck auf Schülerinnen und Schüler und halten an dem ausgrenzenden und einfach überholten dreigliedrigen Schulsystem fest.

(Zustimmung bei der LINKEN)

So geht das nicht, meine Damen und Herren! Wenn Kinder bis zur zehnten Klasse gemeinsam lernen, wenn sie von der ersten bis zur zehnten Klasse ihre Lehrer haben, dann kann man den Ursachen auf den Grund gehen, denke ich. Dann wird man sehen, wo Kinder ausgegrenzt werden, wo sie Schwierigkeiten haben. Dann ist wirklich Lernen möglich, und dann ist auch Integration möglich. Dann wird so etwas am wenigsten passieren.

Was hier passiert, führt zu Entwurzelung, Verstärkung der Ellenbogenmentalität und Vereinsamung und schafft somit Verlierer. Das Ergebnis lautet dann wie folgt: Bei Amokläufen haben sich nach Einschätzung von Experten oft Angst, Demütigung, Eifersucht oder Scham lange aufgestaut.

Das zeigt sich auch bei dem Täter von Ansbach. Aus den rekonstruierten Texten auf seinem Laptop geht hervor, dass er aus Hass gegen die Menschheit im Allgemeinen und gegen die Institution Schule handelte. Bei der Tat hat er eigens ein T-Shirt mit der Aufschrift „Made in school“ getragen und sich damit als Produkt der Schule verstanden. Aus den Texten des 18-Jährigen geht weiterhin hervor, dass er sich ungerecht behandelt, ausgegrenzt und nicht anerkannt fühlt. Zudem hat er die Angst geäußert, zu erkranken, sein Abitur nicht zu bestehen und keine Zukunft zu haben. Er hat laut Staatsanwältin ein Erlebnis in der sechsten Klasse erwähnt, als er in einem Bus verprügelt worden sei und keiner ihm geholfen habe.

Meine Damen und Herren, das macht deutlich: Dieser Antrag greift viel zu kurz, setzt sich nicht einmal ansatzweise mit den Ursachen auseinander und findet deshalb keine Zustimmung meiner Fraktion.

(Beifall bei der LINKEN)

Abschließend möchte ich an dieser Stelle den bayerischen Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Herrn Benker, zitieren, wel

cher gestern Kritik am hektischen Aktionismus in Politik und Gesellschaft übte und sagte:

„Nach jedem Amoklauf gibt es ein fast gleichartiges Ritual. Erst Erschütterung und Empörung, dann Forderungen und hektischer Aktionismus. Dann geht man zum Alltag über und bis zum nächsten Ereignis passiert gar nichts.“

Meine Damen und Herren, dem habe ich nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Zimmermann. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen haben Sie, Herr Briese, das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Wir reden heute über ein sehr trauriges und schreckliches Thema, gerade auch vor dem Hintergrund der Tatsache, dass so etwas in Deutschland erst letzte Woche wieder stattgefunden hat.

Es ist mehrfach angesprochen worden: Die Maßnahmen, die der Antrag aufgreift, sind gar nicht falsch.

Über die flächendeckende Ausstattung der Schulen mit Notfallplänen sollte man reden. Das findet unsere Unterstützung, und das ist ja auch in Arbeit.

Es findet auch unsere Unterstützung, über noch mehr Fortbildungen bei der Polizei nachzudenken. In der Innenausschusssitzung wurde dargestellt, dass die Polizei da in sehr komplexe und dynamische Situationen gerät, wenn es zu einer solchen Amoklage kommt. Da besteht hoher Zeitdruck, und die Situation ist sehr gefährlich.

Wir finden es auch richtig, dass darüber nachgedacht wird, wie man mit der Trittbrettfahrerei umgeht, die im Nachklapp solcher Amokläufe immer wieder stattfindet. Sie muss hart sanktioniert werden. Insbesondere hohe Geldstrafen sind da, glaube ich, eine wichtige Maßnahme.

Es ist kein Geheimnis - darüber haben wir in diesem Landtag mehrfach geredet -, dass sich Grüne eine Verschärfung des Waffenrechts gewünscht hätten. Dafür werden wir immer wieder eintreten. Aber ich will diese Debatte nicht bei der Beratung dieses Antrages verlängern, weil die Auseinandersetzung bereits stattgefunden hat.

Zentral und wichtig finde ich - das wurde bei dem Redebeitrag von Frau Zimmermann sehr deutlich -: Die Schwäche dieses Antrages ist tatsächlich, dass wir nicht an den Kern der Problematik herangehen. Wo liegen eigentlich die Ursachen für diese Amoklagen, die ja ein neues Phänomen in unserer Gesellschaft sind, die wir eigentlich erst seit zehn oder 15 Jahren haben? Und warum eigentlich finden diese Amokläufe immer nur an Schulen statt? Auch das irritiert ja.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es bringt einen wirklich ins Nachdenken, warum das nicht z. B. in einem Geschäft oder an einem Jugendzentrum stattfindet - Gott bewahre! -, sondern immer Schulen der Ort solcher brutaler Übergriffe sind. Ich glaube, dass wir gut beraten sind, wenn wir darüber nachdenken: Was, verdammt noch mal, stimmt an unseren Schulen nicht, wenn da so viel Frustration, so viel Angst und so viel Ausgrenzung stattfindet? Irgendetwas, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist an unseren Schulen nicht in Ordnung. Darüber muss sich dieses Haus einmal länger verständigen. Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Maßnahme.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN sowie Zustimmung bei der SPD)

Ich glaube, Sie haben bei der Schulentwicklung in den letzten Jahren etwas falsch gemacht. Ich will gar keine Schulddebatten führen, weil das meistens gar nicht weiterführt. Aber irgendetwas läuft in unseren Bildungsinstitutionen falsch, wenn immer mehr Schülerinnen und Schüler mit Bauchschmerzen, mit Angstgefühlen oder mit Widerwillen dorthin gehen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Oder mit Tabletten vollgestopft!)

Irgendwie haben wir etwas falsch gemacht, wenn Schulen oder Bildungsinstitutionen angstbesetzte Räume werden. Darüber müssen wir dringend reflektieren.

Es ist eine ganz wichtige Maßnahme - auch das haben Sie angesprochen, Frau Zimmermann -, dass wir neben einer guten Ausstattung mit Lehrkräften auch sogenannte adjuvante Maßnahmen wie die vernünftige Ausstattung mit Sozialarbeitern und auch mit Schulpsychologen durchführen.

(Unruhe bei der CDU - Glocke der Präsidentin)

Das haben Sie sträflich versäumt, und man muss Ihnen immer wieder vorhalten, dass das in Niedersachsen wirklich nur sehr schlecht stattfindet.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Schulsozialarbeit und Schulpsychologie sind mindestens so wichtig wie Fortbildung für die Polizei, wenn nicht sogar wichtiger. Das ist ein ganz entscheidender Baustein.

Also, ich glaube schon, dass wir darüber unbedingt noch einmal sehr tief nachdenken müssen, was insbesondere in Kulturen an unseren Schulen falsch läuft, wie wir es schaffen können, dass Bildungsinstitutionen wieder zu angstfreien Räumen werden, in die Schülerinnen und Schüler gerne gehen, und wir nicht mehr einen Zustand haben, dass Schulen - der Stern hat es diese Woche aufgegriffen - mittlerweile vielfach Mobbinginstitutionen geworden sind, sodass Schülerinnen und Schüler schlicht und ergreifend Angst haben, zur Schule zu gehen. Da läuft etwas in die total falsche Richtung in unserem Bundesland. Darüber müssen wir dringend nachdenken.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN)

Nächster Redner ist Herr Kollege Oetjen von der FDP-Fraktion. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Amoklagen sind Extremsituationen, die ein schnelles und sicheres Vorgehen unserer Polizeikräfte erfordern. Das ist hier schon verschiedentlich dargestellt worden. Wir haben uns im Ausschuss sehr intensiv über die verschiedenen Fortbildungsmaßnahmen innerhalb der niedersächsischen Polizei unterrichten lassen. Ich möchte hier deutlich machen, dass ich den Eindruck habe, dass unsere niedersächsische Polizei auf solche Extremsituationen sehr gut vorbereitet und dort eine sehr gute Arbeit gemacht wird.

(Beifall bei der FDP, bei der CDU und bei der SPD)

Verschiedentlich wurde es schon gesagt: Es hilft nicht, irgendwelche Sondereinheiten zu haben, sondern gefordert sind diejenigen, die als Erste am Tatort sind. Deswegen betrifft das auch die Breite

der Polizei, und deswegen müssen wir sicherstellen, dass diese Fortbildungsmaßnahmen in der Breite der Polizei angeboten werden.

Der Antrag, den wir von CDU und FDP vorgelegt haben, geht insbesondere auf diesen Einzelbereich ein. Sicherlich ist er keine Gesamtschau auf das Phänomen Amoklagen, sondern die Schau auf einen Teilbereich, nämlich die Frage, wie wir mit der Polizei und in Kooperation mit den Schulen mit solchen Situationen umgehen. Insbesondere das haben wir beleuchtet. Ich sage auch deutlich, wir haben nie den Anspruch erhoben, in irgendeiner Art und Weise eine Gesamtschau auf das Thema Amoklagen zu machen - das ist vielleicht auch in einem so kurzen Antrag wie diesem Entschließungsantrag nur sehr schwer darzustellen -, sondern wir haben gesagt: Wir wollen uns explizit damit beschäftigen, wie wir die Polizei und die Schulen so vorbereiten können, dass sie, wenn so etwas Schlimmes passiert, tatsächlich gut vorbereitet sind und damit gut aktiv umgehen können.

Die Polizei in Niedersachsen arbeitet mit entsprechenden einsatztaktischen Konzepten. Es gilt, dort weiterhin zu schulen und zu trainieren, um jederzeit auf entsprechende Situationen reagieren zu können.

Um die Thematik in den Schulen ins Bewusstsein zu rücken, sind schon Informationen zu Präventionsmaßnahmen gelaufen, beispielsweise durch das LKA Niedersachsen mit einer Informationsschrift, die an alle Schulen in Niedersachsen gegangen ist.

Leider haben die Ereignisse in Winnenden auch zu Nachahmern geführt. Der Kollege Coenen hat es schon gesagt, 157 Nachahmer waren es in Niedersachsen. Auch damit müssen wir umgehen, dafür müssen wir uns sensibilisieren und uns fragen: Ist unser Umgang und der Umgang der Medien mit solchen Amoklagen der richtige Weg? - Denn manchmal habe ich den Eindruck, dass der Umgang, das Aufbauschen durch die Medien - ich will damit nicht sagen, dass Winnenden aufgebauscht wurde - und die Mediatisierung solcher Vorfälle auch dazu führen, dass Nachahmer sich daran ein Vorbild nehmen und aktiv werden. Das sollten wir tunlichst verhindern. Solche Drohungen, die von Schülerinnen und Schülern ausgesprochen werden, sind kein Spaß und kein Kavaliersdelikt. Sie müssen ernst genommen werden. Wir müssen Konsequenzen daraus ziehen und schauen, wo die Ursachen sind und wie wir dem entgegenwirken können.

Verehrte Damen und Herren, der Antrag betrifft auch das Thema Gebührenordnung. Ich meine, das ist in Ordnung und wir sind uns in diesem Hause einig - das denke ich zumindest -, dass es um abzuschrecken ein richtiger Weg ist, zu sagen: Wenn ihr so etwas macht ist das kein Spaß, sondern dann kostet das richtig Geld, weil die Polizei und die Ordnungsbehörden dann tätig werden und wir versuchen, das aufzuklären.