Protocol of the Session on September 23, 2009

Ich komme zum Schluss. Der dritte Nachtragshaushalt und der Haushaltsplan 2010 sind die richtige Antwort auf die schweren Herausforderungen der Krise. Sie sind krisengerecht, konjunkturgerecht und zukunftsfähig. Wir gehen jetzt in detaillierte Haushaltsberatungen. Wir sind für konstruktive Vorschläge der Opposition stets dankbar. Am Ende werden wir im Dezember den Haushalt 2010 verabschieden. Damit ist Niedersachsen auf einem guten Weg. Wir glauben fest daran: Wir werden durch diese Krise kommen. Wir halten am

Ziel der Haushaltskonsolidierung fest, und wir lassen uns auch nicht durch Nebelkerzen der Opposition einschüchtern.

Herzlichen Dank.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei CDU und FDP)

Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Kollege Klein das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Wort von den Lügen vor der Wahl und nach der Jagd ist heute ja schon bemüht worden. Ich glaube, in fünf Tagen, am Montagmorgen, werden wir in einem anderen Land aufwachen.

(Jörg Bode [FDP]: Schwarz-Gelb re- giert!)

So hat es jedenfalls die Wirtschaftswoche vor kurzem formuliert, und ich könnte es nicht besser ausdrücken. Dann wird sicher konkreter werden, was Steinbrück und zu Guttenberg im ARDSonntagstalk ganz vorsichtig andeuten mussten, weil ihnen die Alles-wird-gut-Sprüche ohnehin niemand mehr glaubt. Diese neue Wirklichkeit wird sich unabhängig davon einstellen, wer am Sonntag die Bundestagswahl gewinnt und welche Koalitionen sich bilden oder nicht bilden werden. Die Rahmenbedingungen für diese Wirklichkeit lassen sich auch heute schon relativ sicher beschreiben.

Steuerausfälle in Höhe von 152 Milliarden Euro reißen Riesenlöcher in die öffentlichen Haushalte. Schon jetzt sind für die kommende Wahlperiode unvorstellbare 320 Milliarden Euro neue Schulden in den Finanzplanungen vorgesehen. 450 000 Menschen sind zurzeit nicht arbeitslos, weil Kurzarbeit sie schützt. Am Montag wird sich erweisen, wie hoch der Anteil ist, bei dem es tatsächlich um die längerfristige Sicherung der erforderlichen Fachkräfte über die Krise hinaus geht, und wie hoch der Anteil der Unternehmer-Wahlkampfhilfe für Schwarz-Gelb war. Für die Kosten der steigenden Arbeitslosigkeit sind jedenfalls bereits 20 % des Bundeshaushalts prognostiziert. Bei diesen Zahlen sind die 7 Milliarden Euro, die im untauglichen Gesundheitsfonds fehlen, fast zu vernachlässigen.

Allen Wahlkampfversprechungen und Argumenten von Schwarz-Gelb zum Trotz ist sich die wissenschaftliche Fachkompetenz bis weit in das Lager

der mit Schwarz-Gelb sympathisierenden Professorenschaft hinein in den Bewertungen der politischen Handlungsspielräume einig: Erstens. Es wird keinen Spielraum für Steuersenkungen geben. Zweitens. Im Gegenteil, Einnahmeerhöhungen des Staates werden unausweichlich sein. Drittens. Das FDP- und CSU-Mantra von der sich selbst finanzierenden Steuersenkung ist falsch. Die Effekte sind allenfalls minimal. Viertens. Wer nur auf eine neue weltweite Hochkonjunktur hofft und verweist, hat keine Chance, die Zukunftsprobleme in den nächsten Jahren zu lösen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum letzten Punkt sei nur darauf verwiesen, dass die Finanzkrise global einen geschätzten Wohlfahrtsverlust von 15 Billionen Euro verursacht hat. Das ist 35-mal unser Bundeshaushalt, oder es sind 600 niedersächsische Landeshaushalte, wenn Ihnen das geläufiger ist. Das ist Geld, welches für Konsum und Investitionen nicht mehr zur Verfügung steht. Unsere bisherige Wohlstandsquelle, der Importweltmeister USA, fällt in dieser Funktion bis auf Weiteres aus. Wer glaubt, China und Indien könnten diese Bresche dauerhaft ausfüllen, verkennt den Eigenentwicklungswillen dieser Staaten, oder er wird spätestens an der nächsten Asienkrise scheitern.

Wer also glaubt und sein Haushaltskonzept darauf baut, dass ab 2011 eine explodierende Konjunktur die öffentlichen Kassen zum Überlaufen bringt, der sollte sich möglichst nicht an einer künftigen Regierungskoalition beteiligen.

Mein Fazit: Die nächste Regierung wird nicht auf das Prinzip Hoffnung setzen können, sondern sie wird sich ernsthaft mit einer Agenda 2020 beschäftigen müssen, allerdings mit einer Agenda, die sich von ihrer Vorgängerin wesentlich unterscheidet. Ein Schwerpunkt muss sich damit befassen, wie die wirklich Leistungsfähigen in diesem Land dazu beitragen können, dass der Staat im Klimaschutz, bei der Bildung und bei der sozialen Gerechtigkeit seine Aufgaben weiter und besser erfüllen kann

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

und - das ist wichtig - trotzdem die nachfolgenden Generationen nicht über Gebühr belastet. Ich glaube, mit der Einführung einer Vermögensabgabe haben wir da einen guten Vorschlag gemacht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bis jetzt hat die Landesregierung diese Entwicklung noch nicht antizipiert. Sie leckt Wunden - das haben wir heute gehört - und trauert ihrem Traum von einem Haushalt ohne Neuverschuldung ab 2010 hinterher. Der ist genauso geplatzt wie einige andere Versprechungen in der schwarz-gelben Koalitionsvereinbarung. Einen landeseigenen Pensionsfonds wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Damit bleibt das größte Haushaltsrisiko oder zumindest eines der größten Haushaltsrisiken, die explodierenden Versorgungslasten, unbearbeitet. Im Gegenteil, die Zuführungen zum bundesrechtlich angesparten Sondervermögen Versorgungsrücklage werden eingestellt, und diese Rücklage, die ab 2017 zur Verfügung stehen sollte, wird bereits mit dem Nachtrag 2009 geplündert. Die Blütenträume einer Innovationsstiftung sind verdorrt. Die Entsorgung der Treuhandaltlasten wird auf die lange Bank geschoben, und der kostenlose KitaBesuch bleibt Illusion.

Nebenbei, vielleicht nur eine Petitesse: Auch die FDP-Schulleiterakademie wird wohl das Schicksal der FDP-Mondmission teilen und weiterhin nur in den Sternen stehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das Trio Wulff, Möllring, Rösler macht weiter auf Optimismus und möchte den Wachstumspfad wiederherstellen. Mit dem Nachtrag 2009 und dem Haushaltsentwurf 2010 gelingt ihnen das auch, allerdings nur bei den Schulden. Diese Schulden will man uns schönreden, indem man behauptet, man nehme in dieser Wahlperiode nicht mehr neue Schulden auf, als die Steuermindereinnahmen betragen.

Zum einen ist das kaum ein Trost, sondern eher eine Bankrotterklärung der eigenen politischen Handlungsfähigkeit, zum anderen stimmt das nicht. In diesem Jahr werden deutlich mehr Schulden gemacht.

Ein bisher bekannter, aber nach wie vor ungelöster Handlungsbedarf von rund 1 Milliarde Euro wird mal nebenbei im Zuge der Finanzkrise beseitigt. Die Zahlen der Finanzplanung von 2011 bis 2013 sind Mondzahlen, mit denen sich alles behaupten, aber nichts verifizieren lässt.

Inzwischen lässt man ja auch - zumindest über den rundblick - erklären, dass die neuen Schulden, jeweils 2,3 Milliarden Euro 2009 und 2010, zur Finanzierung der Konjunkturpakete erforderlich seien. Meine Damen und Herren, das ist eine

dreiste Lüge; denn wir alle wissen, dass sie bereits im ersten Nachtrag im Februar finanziert wurden.

Eine Bildungsoffensive, die diesen Namen verdient, ist weit und breit nicht in Sicht. Ein Entwicklungsansatz, der Zukunftstechnologien mit Klimaschutz verbindet - Fehlanzeige! Stattdessen: Nachkriegsstrategien wie Autobahnen und Atomkraftwerke!

(Jörg Bode [FDP]: Wo haben wir denn Mittel für Atomkraftwerke im Haus- halt?)

Damit wird Schwarz-Gelb nur eines erreichen: Das Ende ihrer selbst gewählten Sackgasse, Herr Kollege!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Finanzminister Möllring erklärt weiterhin die Finanzkrise für überwunden und verkündet: Es geht wieder bergauf. - Ich bin gespannt, ob auch er ab Montag die neue Wirklichkeit zur Kenntnis nehmen wird. Ich habe allerdings den Verdacht, dass er weiterhin Niedersachsen zum kleinen gallischen Dorf erklärt, das sich mit einem hohen Zaun und dem Möllringschen Zaubertrank gegen die hässlichen nationalen und globalen Einflüsse wehren kann. Herr Möllring, dann muss aber in den Zaubertrunk etwas mehr hinein als die Streichung der Zuschüsse für die Landesgartenschau und den Tag der Niedersachsen. Das reicht vielleicht, um die Erhöhung der Ministereinkommen zu finanzieren, die sich Schwarz-Gelb wünscht und die wir ablehnen werden. Ein ernsthafter Beitrag zur Haushaltskonsolidierung und zur Umsetzung der neuen Schuldenbremse aber ist das sicher nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, sicher ist das auch keine Lösung für den immerhin nicht unwahrscheinlichen Fall, dass es zu signifikanten Zinserhöhungen kommt. Das droht spätestens, wenn die Notenbanken die enormen Geldmengen, die sie ausgeschüttet haben, wieder einsammeln, um Inflationsgefahren vorzubeugen.

Ich bin auch gespannt, was die niedersächsischen Kommunen zu diesen Alles-halb-so-schlimmParolen sagen werden. Nicht einmal die sprudelnden Steuereinnahmen der vergangenen Hochkonjunktur haben dort in der Summe die Verhältnisse nachhaltig verbessern können. Nach wie vor sind die Kommunen mit rund 4 Milliarden Euro Kassenkrediten belastet. Um jeweils knapp 10 % verringert sich ihr Anteil an der Einkommensteuer in

diesem und im nächsten Jahr. Durchschnittlich 17,3 % weniger Gewerbesteuer wird es 2009 und über 20 % weniger Schlüsselzuweisungen in 2010 geben. Bis 2012 sind weitere 4 Milliarden Euro Steuerausfälle zu erwarten. So sieht das derzeit bekannte Horrorszenario aus. Vor der Krise ging die Landesregierung noch davon aus, dass bei höchsten Anstrengungen - so hat sie es formuliert - 25 Jahre erforderlich sind, um die Kassenkredite abzubauen. Jetzt plötzlich soll nach der Finanzplanung des Landes alles bis 2017 wieder im Lot sein. Das ist doch Realitätsverweigerung, Herr Finanzminister!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diese Realitätsverweigerung kann man beispielsweise den Kommunen Braunschweig, Göttingen, Celle, Nienburg, Weyhe, Schortens und Salzgitter sicher nicht vorwerfen. Sie mussten allesamt Haushaltssperren für dieses Jahr aussprechen, und mehrheitlich sicher schmerzhafter als das Vorbild des Niedersächsischen Finanzministers, das über die symbolische Wirkung eines erhobenen Zeigefingers wohl nicht hinauskommt.

Herr Finanzminister, im letzten Jahr hatte ich Ihnen gesagt, dass Ihr Haushalt 2009 bereits Makulatur ist und spätestens bei der Mai-Steuerschätzung 2009 im Papierkorb landet. Ich gebe zu: Mit „Mai“ lag ich falsch. Es war schon drei Monate vorher so weit, und heute liegt uns bereits der dritte Nachtrag vor. Da Sie damit vorsichtshalber schon mal eine Milliarde mehr Schulden aufnehmen wollen als notwendig, kann dieses Jahr wohl hoffentlich nichts mehr schief gehen.

Für den Haushalt 2010 sehe ich allerdings schwarz. Im letzten Jahr habe ich die Papierkorbreife erst in der Dezemberhaushaltssitzung prognostiziert. In diesem Jahr traue ich mich schon heute, bei der Einbringungssitzung: Ihr Haushaltsentwurf 2010 verkörpert politischen Stillstand, politische Ideenlosigkeit und Schulden als einzige Antwort auf die Krise. Deshalb wird er die Erfordernisse des nächsten Jahres nicht überleben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch die neue Mipla hat ein äußerst begrenztes Haltbarkeitsdatum. Zu den abenteuerlichen und realitätsfremden Prognosedaten ab 2011 verweise ich auf meine Ausführungen am Anfang und im letzten Plenum. Die Zeit der Wirtschaftswunder ist vorbei. Damit können und werden diese schwarzgelben Konzepte auch keine Modelle für die

nächste Bundesregierung sein; denn aus der Krise hilft, wie wir wissen, nur Grün!

(Beifall bei den GRÜNEN - Oh! bei der CDU - David McAllister [CDU]: Aber wir haben die Kraft!)

Danke schön. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht Herr Dr. Sohn. Sie haben das Wort.

(Beifall bei der LINKEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Sozial auch nach der Wahl!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dies ist ein Haushalt der Schuldenmacherei, der Kumpanei mit den Gierigen im Lande, ein Haushalt, mit dem Herr Wulff die Kommunen in die Armut treibt

(Björn Thümler [CDU]: Bitte? - Jörg Bode [FDP]: Haben Sie einen ande- ren Haushalt als wir gekriegt?)

und denen, die soziale Gerechtigkeit verdient hätten, die kalte Schulter zeigt. Das ist das Resümee dieses Haushalts.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir behandeln heute gemeinsam den dritten Nachtragshaushalt 2009 und den Haushaltsentwurf 2010 als Einheit. Das macht auch Sinn; denn dadurch wird die Taschenspielerei, auf die schon hingewiesen ist, klar. Wir haben zweimal 2,3 Milliarden Euro Neuverschuldung, also zusammen 4,6 Milliarden Euro, für eine Zeitspanne von 15 Monaten. Es beißt keine Maus den Faden ab: Das ist eine Rekordverschuldung. Ich hoffe, der auf Herrn Aller gerichtete Zeigefinger hört jetzt auf; der hat sich nämlich definitiv überholt.

(David McAllister [CDU]: Mensch, Herr Aller, was haben Sie denn für Freunde?)