Meine Damen und Herren, augenscheinlich haben Sie die Augen und die Ohren so gut verschlossen, dass die Krise und Ähnliches bei Ihnen überhaupt nicht ankommen! Das sind Verdrängungskapazitäten. Respekt, sage ich da nur.
Wir sind nicht ein befreites Gebiet, Herr McAllister, wie Sie hier noch im Dezember erzählen wollten: Überall Krise, aber in Niedersachsen ist alles in Ordnung. - Da haben Sie mir noch die Schlagzeilen vorgelesen, mit denen Sie den Sonderstatus begründen wollten. Das ist alles nicht richtig, mei
ne Damen und Herren. Was nicht geht, was nicht zu akzeptieren ist, ist Ihr Verhalten, das Herr Müntefering vor wenigen Tagen mit dem Bild der Autoscooter-Politik einzufangen versuchte: Im Kreis fahren und aufpassen, dass man nirgendwo aneckt. - Das versuchen Sie im Moment. Wir werden verhindern, dass das erfolgreich laufen kann.
Es muss um Wahrheit und Klarheit gehen sowie um das Übernehmen von Verantwortung. Und was macht dieser Ministerpräsident in dieser Krisensituation? - Er stellt sich im Mai hier im Plenum hin und sagt: Wir wissen noch nicht genau, was in den nächsten Monaten passieren wird, aber eines, meine Damen und Herren, kann ich Ihnen schon einmal versichern: Wir werden nicht an die Sozialkosten gehen, da wird es keine Kürzungen geben. Der kommunale Finanzausgleich bleibt unangetastet. Die Investitionen bleiben oben. Keine weiteren Vermögensveräußerungen. - Herr Wulff hat schon einmal alles ausgeschlossen. Sie versuchen jetzt, sich bis zum Dezember durchzuschummeln. Dann stehen Sie im Januar in der Haushaltsklausur aber mit dem Rücken an der Wand. Meine Prognose ist: Entweder erhöhen Sie die Neuverschuldung, oder Sie werden in ungeheurer Brutalität Einschnitte im Bildungs- und Sozialhaushalt vornehmen müssen. Vor dieser Alternative stehen Sie, meine Damen und Herren.
Bisher wird noch alles weggedrückt. An zwei Stellen werden aber schon Signale deutlich, was ins Haus steht. Das erste Beispiel ist der Zugriff auf die Versorgungsrücklage und die Verschiebung der Einführung des Pensionsfonds. Das hat weitreichende Folgen für die Personal- und Versorgungskosten des Landes Niedersachsen, meine Damen und Herren, und ist der erste massive Verstoß gegen jedwedes Nachhaltigkeitsprinzip.
Das zweite Beispiel: Die Kita-Gebühren bleiben, haben Sie festgestellt. Das ist ein Verstoß gegen die Koalitionsvereinbarung. Gut, das ist Ihr Problem. Aber dann hören Sie auf, mit uns darüber zu diskutieren, dass die Lissabon-Strategie gilt und dass die Folgen des Bildungsgipfels umgesetzt werden müssen. Bildung in Deutschland braucht für diese Ziele - das wissen alle - zusätzlich 30 Milliarden Euro. Wir sind bereit, auf Bundesebene über die Anhebung des Spitzensteuersatzes mehr Geld für Bildung bereitzustellen. Wo sind
Wir kritisieren nicht, dass die Mehrheit hier in diesem und im nächsten Jahr die Neuverschuldung anheben will. Über die Höhe können wir uns streiten. Wir kritisieren, dass Sie sich weder hier noch in Berlin um eine bedarfsgerechte Ausstattung der öffentlichen Haushalte kümmern, meine Damen und Herren. Das ist der Vorwurf, den wir an Sie richten.
Sie haben zwei Antworten: Die eine ist die Neuverschuldung - darüber haben wir geredet -, und die andere heißt Steuersenkung. Nun habe ich gelesen, dass Herr Wulff ein neues Vorbild hat, nämlich den früheren amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan. Der hat ja gesagt: Steuern senken, dann stehen die Investoren vor der Tür und sprudeln die Einnahmen nur so. - Wir wollen es jetzt also so machen wie Ronald Reagan. Ich will Ihnen nur eines sagen: In den acht Jahren der Regierungstätigkeit von Ronald Reagan
- vielen Dank, ich kenne mich in der Kinowelt nicht so gut aus - ist die Staatsverschuldung in den USA um 179 % gestiegen, meine Damen und Herren.
Wenn Christian Wulff der Ronald Reagan der norddeutschen Tiefebene werden will, dann sage ich nur: Armes Niedersachsen!
Aber ich räume gerne ein: Im Vergleich zu CSU und FDP ist das alles sehr vorsichtig, was Herr Wulff formuliert. Bei denen muss man sich ja in der Zwischenzeit Sorgen um die Grenze der Regierungsfähigkeit machen. Ihre These lautet, dass Wachstum Spielraum für Steuersenkungen schafft. Es gilt ja hier der Satz: Wer lesen kann, ist im Vorteil. - Das ist aber nur die erste Hälfte. Die zweite Hälfte lautet: Man muss von dieser Lesekompetenz auch Gebrauch machen. Herr Bode, wenn Sie einmal in die Finanzplanung des Bundes schauen, dann werden Sie feststellen, dass dort in den nächsten Jahren ein Wachstum von jährlich 3,3 % vorgesehen ist und dass die Bundesregierung trotz
dieses Wachstums in den nächsten vier Jahren eine Neuverschuldung von 242 Milliarden Euro einplant, weil sie sich anders nicht zu helfen weiß. Dann kommen Sie an und sagen: Wir nehmen das Wachstum, um Steuersenkungen durchzusetzen. - Wie soll das denn gehen, meine Damen und Herren? An dieser Stelle lacht doch jeder Fachmann!
Sie wissen doch auch, was Ihre Pläne für Steuersenkungen für den Landeshaushalt in Niedersachsen bedeuten. Wenn die FDP in Reinkultur kommt, heißt das: jedes Jahr 3 Milliarden bis 4 Milliarden Euro weniger.
Wenn einer in diesem Haus vor Schwarz-Gelb richtig Angst haben muss, dann ist es der Finanzminister Möllring. Was da ins Haus kommt, ist wirklich tragisch!
(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Detlef Tanke [SPD]: Der wird am nächsten Sonntag SPD wählen!)
Noch eine Nachbemerkung zu dieser Steuersenkungspolitik, meine Damen und Herren: Sie soll ja auf die Mitte der Gesellschaft zielen und die Leistungsträger begünstigen. Das habe ich von Herrn Westerwelle gehört. Das sagt er auch heute wieder in der HAZ.
- Meinetwegen auch die Familien. - Wir haben einmal ausgerechnet, wie sich die Steuervorschläge der FDP auswirken würden. Das Vorstandsmitglied eines DAX-Unternehmens mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von 4 Millionen Euro hat einen monatlichen Steuervorteil von 32 180 Euro.
Nicht schlecht, Herr Bode, nicht schlecht! Der Leistungsträger Facharbeiter mit 2 500 Euro im Monat hat eine monatliche Ersparnis von 69 Euro, meine Damen und Herren. Wenn das auf die gesellschaftliche Mitte zielt, dann richten Sie einmal Ihre Augenlider neu! Herr Rösler kennt sich damit aus, wie man das macht.
Ein weiteres Thema: Das Land hat auch Verantwortung für die Kommunen, meine Damen und Herren. Die niedersächsischen Kommunen haben dieses und nächstes Jahr eine Mindereinnahme von 1,7 Milliarden Euro. Entweder sie streichen die kommunale Daseinsvorsorge massiv zusammen, oder sie bekommen, wie das Land es für sich auch beansprucht, die Möglichkeit, eine Neuverschuldung vorzunehmen. Es ist interessant, wie die Landesregierung bisher damit umgeht. Herr Möllring hat in der letzten Woche erklärt, er sei für eine Abschaffung der Gewerbesteuer. Das ist ein Beitrag zur Stärkung der kommunalen Finanzen, weiß Gott! Herr Schünemann hat bis heute immer nur erklärt, die Haushaltsgenehmigung habe nichts mit Wirtschafts- und Finanzpolitik zu tun. Wo bleibt eigentlich die Steuerungskompetenz der Staatskanzlei, wenn es darum geht, Landesbelange durchzusetzen?
Meine Damen und Herren, wir stehen wahrscheinlich vor dem schwierigsten Jahr der niedersächsischen Landesgeschichte im Jahr 2010. Ich stelle fest: Diese Landesregierung ist abgetaucht. Sie ist überhaupt nicht bereit, die heute schon erkennbaren Probleme inhaltlich zu bearbeiten. Sie versucht, sich über die Zeit zu retten. Das ist schädlich für die Menschen in Niedersachsen. Ich hoffe, dass das möglichst schnell öffentlich wird.
nister zunächst herzlich für die Einbringung des Haushalts danken. Ich danke auch dem Fraktionsvorsitzenden der SPD für seinen Debattenbeitrag. Er hat in seinem Beitrag ja einen weiten Bogen vom heiligen Augustinus über Franz Müntefering bis Ronald Reagan gespannt. Das muss man alles noch im Einzelnen analysieren und nacharbeiten. Das ist ja eine ungewöhnliche Konstellation.
Herr Jüttner, eines will ich aber schon vorab sagen: Auf der einen Seite rügen Sie eine zu hohe Verschuldung des Landes, auf der anderen Seite werden wir von Ihrer Fraktion jeden Tag mit Mehrausgaben in allen Bereichen der Landespolitik konfrontiert. Ich sage Ihnen eines: Wir erwarten von Ihnen spätestens zum Plenum im Dezember solide, gründlich gegenfinanzierte Vorschläge und Anträge zum Haushalt. Dann können wir über Ihre eigene Glaubwürdigkeit sprechen.
In der Analyse waren sich die beiden Vorredner einig. Die Haushaltsberatungen für das Jahr 2010, für den Nachtrag 2009 und auch für den dritten Nachtrag 2009 finden unter gänzlich veränderten Rahmenbedingungen gegenüber den vergangenen Jahren statt. Wir stehen - das ist bereits betont worden - in der schwersten Wirtschaftskrise seit Bestehen unserer Bundesrepublik. Experten gehen von einem Minuswachstum von 5 bis 6 % in diesem Jahr aus. Einen vergleichbaren wirtschaftlichen Einbruch hat es in der Geschichte Deutschlands zumindest seit 1946/47 nicht gegeben. Demgemäß erleben wir natürlich auch einen drastischen Einbruch bei den Steuereinnahmen. Die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise hat natürlich auch Auswirkungen auf unseren Landeshaushalt in Niedersachsen.
Der Finanzminister hat auf eines hingewiesen: Wir waren aufgrund unserer Konsolidierungspolitik seit 2003 dem Ziel eines ausgeglichenen Haushalts sehr, sehr nahe gekommen. Sie wissen, dass wir 2003 von Ihnen eine Rekordneuverschuldung von knapp 3 Milliarden Euro übernommen hatten. Wir haben sie sukzessive abgebaut. Wir waren kurz davor, in die Zielgerade einzubiegen. Dann kam die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise, die nicht bei uns entstanden ist und die wir nicht zu verantworten haben. Aber natürlich erreichen alle negativen Begleiterscheinungen auch Niedersachsen.
Deshalb müssen wir in den Jahren 2009 und 2010 - so die Mai-Steuerschätzung; das ist die letzte aktuelle Steuerschätzung, die uns vorliegt - mit Mindereinnahmen von rund 4 Milliarden Euro rechnen. Das geht natürlich an einem Landeshaushalt mit einem Volumen von 25 Milliarden Euro nicht spurlos vorbei, wie der Finanzminister zu Recht betont hat. Hinzu kommen die Mehrausgaben für die Konjunkturprogramme, vom Bund und von den Ländern gewollt, die ein wichtiger Beitrag sind, um jetzt gegen die Krise anzukämpfen.
Deshalb sage ich ganz bewusst: In einer solchen Lage konnten und können wir gegen die Krise nicht ansparen. Wir konnten und können Einnahmeausfälle nicht durch Ausgabenkürzungen auffangen. Das Land würde sonst als Investor und Motor bei konjunkturbelebenden Maßnahmen ausfallen. Das würde die Krise nur verschärfen. Meine Damen und Herren, das wollen wir nicht und tun wir auch nicht.