Der Antrag soll an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen überwiesen werden. Wer möchte so beschließen? - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.
Erste Beratung: Energiewirtschaft muss auf Effizienz setzen: Klimakiller Kohlekraftwerke in Niedersachsen stoppen - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/54
Zur Einbringung erteile ich Herrn Kollegen Wenzel von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Deutsche Energieagentur dena, die zur Hälfte von der Stromwirtschaft finanziert wird, hat sich in den letzten Wochen als neue Propagandaabteilung der großen Vier entpuppt. Die von RWE, EnBW, Vattenfall und E.ON erfundene Stromlücke findet sich ja jetzt auch in der Kurzanalyse der dena. Bei genauerer Überprüfung dieser Kurzanalyse stellt man aber fest: Hier wurden merkwürdige Annahmen vorgenommen. Unvollständige und erklärungsbedürftige Daten zum Kraftwerkspark führen dann schnell zu der Frage: Wem nützt es?
Derweil kommt das Umweltbundesamt in einer eigenen Studie vom März dieses Jahres, die auf einem wesentlich breiteren Datensatz basiert, zu ganz anderen Schlüssen. Die Versorgungssicherheit ist nicht in Gefahr, sagt das Umweltbundesamt. Der Präsident des Umweltbundesamtes, Herr Troge, mit seinem CDU-Parteibuch, Herr McAllister, ein eher unverdächtiger Kronzeuge, äußert sich sehr deutlich in der Zeit vom 3. April 2008 und sagt mehr als deutlich, dass die sogenannte Stromlücke von interessierter Seite benutzt würde, um der Öffentlichkeit einzureden, dass uns der Strom ausgehe. Troge kommt zu anderen Erkenntnissen und geht davon aus, dass wir 2020 auch ohne Atomkraft und ohne die Planung neuer Kohlekraftwerke zu den Stromexporteuren gehören werden.
Auch die Deutsche Umwelthilfe zeigt in ihrer Analyse, dass die Stromlücke lediglich Teil einer neuen Propagandaoffensive der großen Monopolisten ist. Diese großen Monopolisten haben ihre Marktmacht in den letzten Jahren schamlos ausgenutzt. Jetzt haben sie sich im Verbund mit den Kraftwerksbauern gerüstet, um das ErneuerbareEnergien-Gesetz sturmreif zu schießen und den Atomkonsens zu kippen.
Dabei scheut man keine Kosten und Mühen. Die Kraftwerkssparte von Siemens hat viele Millionen Euro in Bestechung und Korruption investiert. 2005 und 2006 hat allein E.ON den beiden großen Parteien mindestens 550 000 Euro gespendet. EnBW hat Politiker vor der WM in Deutschland mit teuren Tickets für die Fußballweltmeisterschaft versorgt. Eine E.ON-Tochter hat Landräte und Bürgermeister in Nordhessen und Südniedersachsen mit Venedig-Reisen bestochen; dafür sind sie rechtskräftig verurteilt worden.
Das alles sind öffentlich bekannte Fakten, Herr Rickert. Ich fürchte allerdings, dass das nur die Spitze des Eisberges ist.
Was mich umso mehr stört, ist die Tatsache, dass Parteien, die hier immer dem Wettbewerb und der Marktwirtschaft das Wort reden, nichts unversucht lassen, um diesen Monopolstrukturen weiter Futter zu geben.
Meine Damen und Herren, das, was Sie, Herr Wulff, in Niedersachsen planen - das Land der neuen Kohlekraftwerke -, ist ein Subventionsprogramm für die großen Stromversorger. Damit würden die Pfründe für die nächsten 40 Jahre gesichert. Was die Sache verdächtig macht, ist die Tatsache, dass Sie nicht der effizientesten Technologie den Vorzug geben, sondern einer Technologie, die den Energie-Input nur sehr unzureichend ausnutzt.
Deshalb frage ich Sie: Was treibt Sie? - Ich habe noch kein überzeugendes Argument gehört. Deutschland würde sich auch lächerlich machen, wenn wir Kohlekraftwerke bauen und dem Rest der Welt etwas von Klimaschutz erzählen wollen.
Meine Damen und Herren, die Bürgermeister der sieben Inselgemeinden, der Bürgermeister von Emden, die IHK im Nordosten und viele Tausend Bürger haben sich in den Bürgerinitiativen von Dörpen, Wilhelmshaven, Stade und Emden engagiert. Sie sagen ganz deutlich: Bauen Sie keine neuen Kohlekraftwerke, setzen Sie auf moderne Technologie!
Warum wollen Sie mit dem Kühlwasser dieser Kraftwerke die Flüsse und die Meere aufheizen? Das warme Wasser kann viel sinnvoller verwendet werden: zum Heizen, Duschen, Waschen, Spülen oder für Kältemaschinen. Wir müssen jetzt die Kraftwerke dort bauen, wo die Menschen sind - immer angepasst an den örtlichen Wärme- und Strombedarf.
Hinter dem Zauberwort „Kraft-Wärme-Kopplung“ steht ein ganz einfaches Prinzip: höchste Effizienz, betriebswirtschaftliche Vernunft, umweltpolitischer Sachverstand, mittelständische Produzenten und regionale Wertschöpfung. Das sind die Projekte, die sich hinterher auch zu virtuellen Kraftwerken vernetzen lassen, zusammen mit anderen regenerativen Energieerzeugern.
Dagegen steht das Modell der Koalition: das Land der neuen Kohlekraftwerke. Technik aus dem letzten Jahrtausend, subventioniert durch geschenkte CO2-Zertifikate, schlechter Wirkungsgrad, hoher CO2-Ausstoß, Stickoxid, Blei, Cadmium, alles in der Atemluft, monopolistische Unternehmensstruktur, Ignoranz der Klimafolgen - meine Damen und Herren, ganz offensichtlich eine teure Entscheidung, die uns und unsere Kinder teuer zu stehen kommt.
„Teuer“ meine ich im doppelten Sinne. Deshalb möchte ich einige Argumente aus der Sicht der Ökonomie zitieren und als unverdächtigen Kronzeugen beispielsweise Deutsche Bank Research mit ihrem Chef Norbert Walter. DB Research schreibt am 3. März 2008 unter der Überschrift „Kraft-Wärme-Kopplung ermöglicht doppelte Dividende“:
„Moderne Anlagen zur gekoppelten Erzeugung von Kraft und Wärme nutzen 90 % der Input-Energie. Die extreme KWK-Effizienz spart Primärenergie und schont das Weltklima... In Zukunft können virtuelle Kraftwerke den Neubau traditioneller Kraftwerke ersparen … Die global gestiegenen Energie- und Umweltprobleme benötigen dringend eine Neuausrichtung unserer Energie- und Umweltpolitik.“
Schlecht kommen bei Deutsche Bank Research auch die neuen Kohlekraftwerke weg. Per Saldo, sagen die Forscher, spart KWK im Vergleich zum Kohlekraftwerk 36 % der Primärenergie.
Meine Damen und Herren, wir schlagen Ihnen deshalb ein Klimaschutz- und Energiegesetz für Niedersachsen vor, das höchstmögliche Effizienz beim Bau neuer Kraftwerke vorschreibt. Die Regelungskompetenz dazu haben die Länder. Wir schlagen Ihnen vor, die Wasserentnahmegebühr für Kühlwasser zu verdoppeln. Es ist in doppelter Hinsicht widersinnig, die Kühlwassernutzung zu subventionieren.
Ich sage Ihnen auch: Wir stehen hier vor einer Richtungsentscheidung, die für nachkommende Generationen von fundamentaler Bedeutung ist. Sie werden, wenn Sie so weitermachen, die Kraft der Bürgerinitiativen zu spüren bekommen, die Wut über die Entwertung von Investitionen in Naturschutz und Tourismus, die Sorge um die Gesundheit der Kinder an den Kohlestandorten.
Meine Damen und Herren, Herr McAllister, gestern hat der Konzern EnBW den Verhandlungspartnern von CDU und Grünen in Hamburg mit einer extremen Schadenersatzforderung von 1,3 Milliarden Euro gedroht, wenn sie auf das Kraftwerk Moorburg verzichten.
Gleichzeitig hat Herr Kramer aber überhaupt kein Problem, bei jeder sich bietenden Gelegenheit den Atomkonsens - geltendes Recht in diesem Land! - infrage zu stellen. Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass es gelingt, diesem Herrn zu zeigen, dass eine lebendige Demokratie stärker ist als die Erpressungsversuche einer kleiner Gruppen von Strommanagern, die genauso viel Ehrgefühl, Gewissen und Verantwortungsbewusstsein haben wie
Danke schön, Herr Kollege Wenzel. - Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Kollege Herzog das Wort. Bitte schön!
Es ist übrigens, wenn ich das einmal zwischendurch bekanntgeben darf, der letzte Tagesordnungspunkt, weil der andere direkt in den Ausschuss überwiesen wird.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das, was Ministerpräsident Wulff und diese Regierung neuerdings vorhaben, das Steinkohlezeitalter einzuleiten, ist energiepolitische Steinzeit.
Minister Sander spricht von hocheffizienten Kohlekraftwerken. Er weiß ganz genau, dass die Effizienz im Moment bei den bestehenden, relativ alten Kraftwerken ungefähr 40 % beträgt. Er will immerhin auf 46 % hinauf. Das ist ein genialer Fortschritt. Er sagt auch, jedes neue ist besser als alle alten. Auch diese Aussage ist genial. Sie ist aber fachlich hinterm Mond.
Wie sehen die Fakten aus? - Niedersachsen ist, was Kohlekraftwerke angeht, in Norddeutschland in der Tat führend. Mit 3 300 MW hat es anderthalb mal so viel wie alle anderen vier norddeutschen Bundesländer zusammen an Kohlekraftwerken. Nicht führend ist es allerdings im Bereich der Erneuerbaren. 13 % gegen beispielsweise 34 % in Mecklenburg-Vorpommern sprechen eine klare Sprache. Die IHK Nord - nachzulesen in der entsprechenden Broschüre - kommt bei der Untersuchung der neuen Kohlekraftwerke in Niedersachsen - das ist eine einfache Rechnung - auf ungefähr 5 000 MW, also auf einen Neubau von 150 %. Wie verträgt sich das mit den ständigen Aussagen zu der sogenannten Stromlücke?
angucken, wann die neuen Kraftwerke in Betrieb gehen sollen, dann stellen wir fest, dass das von 2011 bis 2013 geschehen soll. Wenn wir uns dann noch angucken, wann die alten Kraftwerke außer Betrieb gehen, dann stellen wir fest, dass sie alle - mit Ausnahme eines einzigen in Wilhelmshaven in 2013 - in der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre bis 2030 außer Betrieb gehen. Meine Damen und Herren, was ist das für eine Planung?
Eine Überproduktion, die ihresgleichen sucht - sie ist durch Studien belegt; lesen Sie sie bitte nach, bevor Sie sich auf diesen Harakiri einlassen -, bedeutet aber auch, dass wir uns damit auch eine Überproduktion beim CO2-Ausstoß einhandeln. 800 g pro erzeugte Kilowattstunde sind eine Katastrophe. Wer hier von Klimaschutz redet, der spricht nicht die Wahrheit.
Die erneuerbaren Energien werden gegen diesen Angebotsdruck der wärmeverpuffenden Dreckschleudern nicht ankommen können, speziell dann nicht, wenn Sie die Rahmenbedingungen - das hat die Regierung bisher nicht dementiert - so lassen wollen, wie sie jetzt sind. Kraft-Wärme-Kopplung ist die richtige Lösung: Wirkungsgrad über 90 %.
Jetzt lassen Sie uns den Vergleich zu den anderen Bundesländern ziehen. Herr Bode, Sie gucken interessiert. Brandenburg benutzt beispielsweise im Bereich der Kraft-Wärme-Kopplung dreimal so viel wie Niedersachsen.
Was ist mit Dänemark? - Einer der Kollegen hat das Land angeführt. Dänemark hat auf Atomstrom verzichtet. Dänemark erzeugt 50 % seines Stroms aus Kraft-Wärme-Kopplung. Das ist die Zukunft und nichts anderes.