Protocol of the Session on May 14, 2009

Erste Beratung: Verkehrsunternehmen brauchen Planungssicherheit - Regionalisierungsmittel dauerhaft aufstocken - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/1146

Erste Beratung: Regionalisierungsmittelaufstockung jetzt zusichern - ÖPNV-Einschränkungen abwenden - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 16/1212

Die Einbringung zu Punkt 36 nimmt für die SPDFraktion Herr Will vor, sobald wieder Ruhe im Saal eingekehrt ist. Ich bitte diejenigen Damen und Herren Abgeordneten, die den Raum verlassen möchten, das auch zügig zu tun, und alle Interessierten, Platz zu nehmen. - Herr Will, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die gekürzten Regionalisierungsmittel sind seit Jahren ein Dauerärgernis für Planungssicherheit und Qualität von ÖPNV und SPNV in Niedersachsen. Diese Problematik wurde durch den Einsatz der Regionalisierungsmittel für die Landesaufgabe Schülerbeförderung noch verschärft. In der Spitze waren das immerhin 90 Millionen Euro pro Jahr. Aufgabenträ

ger und Verkehrsunternehmen müssen daher kurzfristig planen und können keine langfristig gesicherten Leistungen für die Nutzer anbieten. Gerade das gefährdet allerdings den nachhaltigen Erfolg beim Umstieg vom Individualverkehr auf Bus und Bahn.

Sie haben die Kürzungen von jährlich ca. 50 Millionen Euro in den vergangenen Jahren um jeweils 15 Millionen Euro in den Jahren 2008 und 2009 zum Teil zurückgenommen. Aber was kommt in den Jahren 2010 und folgende auf die Verkehrsunternehmen, auf die Aufgabenträger zu?

Bisher haben die Kommunen auch mit eigenen zusätzlichen Mitteln verhindert, dass Verkehrsleistungen eingeschränkt werden mussten. Aktuell laufen in den Gremien der Aufgabenträger und der Verkehrsunternehmen die Planungen für den neuen Fahrplan 2010 mit dem Fahrplanwechsel im Herbst. Dafür brauchen die Aufgabenträger klare Ansagen durch das Land, ob die Kürzungen auch in Zukunft wenigstens zum Teil ausgeglichen werden. Alles andere bedeutet Einschnitte in Fahrleistungen, Takte und unter Umständen die Aufgabe von Verkehrsverbindungen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auf die Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Februar 2009 zur Zukunft der Regionalisierungsmittel in den Jahren 2010 und 2011 hat die Landesregierung die Aufteilung der 15 Millionen Euro auf die Aufgabenträger dargestellt. In der Antwort heißt es:

„In den Jahren 2008 und 2009 konnten aufgrund der in der Antwort zu Frage 1 genannten Beträge“

- dies waren die zweimal 15 Millionen Euro -

„folgende SPNV/ÖPNV-Angebotseinschränkungen vermieden werden:“

Aus den weiteren Unterlagen geht hervor, dass bei der Region Hannover allein acht Leistungen, beim Zweckverband Großraum Braunschweig ebenfalls acht Leistungen und bei der Landesnahverkehrsgesellschaft 14 Projekte gesichert werden konnten.

Ich möchte aus der Liste nur einige Projekte beispielhaft nennen: Im Bereich der Landesnahverkehrsgesellschaft geht es z. B. um die Regionalbahn Hildesheim–Braunschweig mit zehn Zügen, um die Regionalbahn Bremen–Soltau mit 14 Zügen in der Woche, um die S-Bahn Hameln–Bad Pyrmont von montags bis freitags mit immerhin

zehn Zügen und um die Regionalbahn Herzberg– Nordhausen mit sechs Zugpaaren, d. h. 50 % der Fahrleistungen in diesem Bereich der LNVG.

Im Bereich der Region Hannover geht es um den Regionalexpress z. B. von der Regionsgrenze, von Celle aus bis nach Hannover. Hier war am Samstagabend bzw. am Sonntag die komplette Streichung der Verkehre geplant. Auch bei der Regionalbahn von Bennemühlen nach Hannover war samstags und sonntags die komplette Streichung und von Großburgwedel Richtung Hannover-Lahe wochentags die komplette Streichung eines Busses vorgesehen.

Im Bereich des Zweckverbands Großraum Braunschweig wäre es zu einer Kürzung des Regionalexpresses zwischen Meinersen und Wolfsburg gekommen. Dies hätte am Wochenende bedeutet, 50 % der Leistungen einzuschränken. Zwischen Goslar und Bad Harzburg wären 50 % der Leistungen täglich und zwischen Braunschweig und Hildesheim zwei Zugpaare gekürzt worden. Auch auf den Strecken Braunschweig–Magdeburg, Braunschweig–Salzgitter und Hildesheim–Braunschweig sollten erhebliche Zugkilometer gekürzt werden.

Meine Damen und Herren, darum geht es auch hier. Welche dieser Leistungen sollen die Aufgabenträger eigentlich ohne Planungssicherheit „auf blauen Dunst“ bestellen? - Sie wollen erst im Rahmen der Haushaltsberatungen im Herbst über die Fortsetzung der Ausgleichszahlungen entscheiden. Dann ist es aber zu spät. Sie geben den Ball einfach an die Aufgabenträger weiter nach dem Motto „Helft euch selbst!“. Immerhin haben Sie die Möglichkeit angekündigt, dass die Landesregierung bis Juni 2009 im Rahmen der Bewirtschaftung des Haushaltsplans in einer Verpflichtungsermächtigung zusätzliche Mittel absichern könnte.

(David McAllister [CDU]: Na also!)

- Aber sie hat es bisher nicht getan.

(Björn Thümler [CDU]: Abwarten! Al- les wird gut!)

Fakt bleibt, dass die Aufgabenträger in den nächsten zwei Jahren auf die Kompensationsmittel angewiesen sein werden. Über die Aufrechterhaltung des Leistungsangebots entscheidet also einzig und allein die Landesregierung zum jetzigen Zeitpunkt.

(Beifall bei der SPD)

Wir erwarten von der Landesregierung ein klares Wort pro ÖPNV und SPNV, und zwar jetzt und nicht erst im Herbst dieses Jahres.

(Beifall bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Wie oft denn noch?)

Den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bringt Herr Hagenah ein. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Hagenah.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir freuen uns natürlich darüber, dass unsere Anfragen aus den letzten Monaten zumindest die SPD aufgerüttelt und zu diesem Antrag geführt haben. Aber auch wir selbst haben auf der Grundlage unserer Anfragen und der Antworten der Landesregierung zeitnah einen entsprechenden Antrag ins Plenum eingebracht. Kaum ein anderes Thema im Verkehrsbereich wurde schon so ausführlich hier im Landtag behandelt wie die Notwendigkeit des hiesigen Ausgleichs der von CDU und SPD im Bund vorgenommenen Kürzungen der Regionalisierungsmittel. Deswegen müssen wir in der Kontinuität dringend weiter im Sinne des Erhalts der Leistungen handeln.

Deshalb haben CDU und FDP vor zwei Jahren nach einer kurzen parlamentarischen, aber auch heftigen öffentlichen Debatte und nach entsprechenden Protesten zunächst für 2008 und 2009 jeweils 15 Millionen Euro Haushaltsmittel als Ausgleichsmaßnahmen bereitgestellt. Diese laufen jetzt aus. Unstrittig dabei ist wohl - dies hat Herr Will schon ausgeführt -, dass jetzt im Mai, also dieser Tage, die neuen Bestellungen der Verkehrsleistungen für den Winterfahrplan 2009/2010 verbindlich abgegeben werden müssen.

(Björn Thümler [CDU]: Im Juni!)

- Sie stehen jetzt zur Entscheidung in den Gremien an. Sie wissen genau, wie auf kommunaler Ebene, z. B. in der Region Hannover oder auch beim ZGB Braunschweig, die Vorbereitungen und der Vorlauf sind. Das Enddatum ist selbstverständlich der Juni. Aber was soll denn jetzt in den Ausschüssen in der Region entschieden werden?

Bisher hat keiner der Aufgabenträger des öffentlichen Personenverkehrs in Niedersachsen eine Lösung für die Finanzierung dieses Verkehrsangebots, der Fortsetzung des bisherigen Angebots. Es fehlt schlicht eine Nachfolgeregelung zur dringend

benötigten Aufstockung der Regionalisierungsmittel, auch in 2010. Wenn es vom Land nicht umgehend Zusagen dazu gibt, drohen erhebliche Einschränkungen des Nahverkehrsangebots in Niedersachsen schon im Herbst dieses Jahres.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: So ist es!)

Zu den Fakten: Laut den Antworten der Landesregierung auf meine Anfragen in den vergangenen Monaten ist die Region Hannover aufgrund vertraglicher Bindung beim S-Bahn-Verkehr mindestens bis 2012 auf Kompensationszahlungen in der bisherigen Höhe wie 2008 und 2009, etwa 1,8 Millionen Euro pro Jahr, angewiesen.

Für den Zweckverband Großraum Braunschweig sind nach dortiger Berechnung Kompensationszahlungen sogar bis mindestens 2014 notwendig, so das Ministerium, wenn es dort nicht zu erheblichen Abbestellungen kommen soll. Nach einem Bedarf von 4,9 Millionen Euro in den Jahren 2008 und 2009 steigt in 2010 nach Angaben des Zweckverbands der Bedarf sogar auf 5,6 Millionen Euro.

Auch bei der Landesnahverkehrsgesellschaft kann der derzeitige Bestellumfang in Zukunft nicht ohne zusätzliche Mittel finanziert werden.

Verkehrsminister Rösler hat uns in seinem Antwortschreiben selbst vorgerechnet, dass durch die bisher fehlenden Landeszusagen zur Festsetzung der Aufstockung der Regionalisierungsmittel 32 Nahverkehrsverbindungen in ganz Niedersachsen auf dem Spiel stehen. Hierzu hat Kollege Will schon einiges gesagt. In der Summe bedeutet dies: acht Bahn- und Buslinien in der Region Hannover, 425 Zugkilometer im Bereich der Region Braunschweig und sogar 858 Zugkilometer im Bereich der Landesnahverkehrsgesellschaft. Wenn wir diese Mittel nicht weiter aufbringen, steht in Niedersachsen also ein gewaltiges Nahverkehrsangebot auf dem Spiel.

Um diesen drohenden Kahlschlag im ÖPNV zu verhindern, fordern wir die Landesregierung und die Regierungsfraktionen mit unserem Antrag auf, den Aufgabenträgern des ÖPNV noch jetzt im Mai durch eine Verpflichtungsermächtigung die erforderlichen zusätzlichen Mittel für das Jahr 2010 zuzusichern und mindestens den bisherigen Ausgleich der Regionalisierungsmittel in Höhe von jährlich 15 Millionen Euro in den Haushaltsplan 2010 und in die mittelfristige Finanzplanung für die Folgejahre einzustellen.

(Zustimmung von Christian Meyer [GRÜNE])

Sie wissen, die Region Hannover hat die Kürzungen in erheblichem Umfang mit Eigenmitteln ausgeglichen. Das geht angesichts der engen Haushaltsführung durch die Aufsicht der Landesregierung sicherlich nicht mehr so weiter. Dort müsste, wenn das Angebot insgesamt ohne Zuschüsse aus der Region weiter aufrechterhalten werden soll, deutlich mehr als bisher hineingesteckt werden.

Eines ist in diesem Zusammenhang - im Gegensatz zu vielen anderen politischen Fragen - im Grundsatz doch klar. Die Haushaltsmittel für diesen Zweck sind vorhanden, zumindest wenn man politische Konsistenz und Fairness walten lässt. Schließlich hat der Bund dem Land Niedersachsen im Gegenzug zur Kürzung der Regionalisierungsmittel seinerzeit bei der Entscheidung im Bundesrat mehr als das Zehnfache aus der Mehrwertsteuererhöhung als Kompensation überlassen. Finanzminister Möllring hat damit bisher sogar einen besonders guten Schnitt gemacht. Statt des nominell gestrichenen Zehntels dieser 600 Millionen Euro an Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer pro Jahr hat er bisher nur 15 Millionen Euro, also nur ein Vierzigstel der Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuer, im ÖPNV zusätzlich eingesetzt. Trotz all dieser bekannten und überzeugenden Punkte haben wir in den vergangenen Wochen aber eine hinhaltende Tatenlosigkeit der politisch Verantwortlichen erlebt. Deswegen und auch wegen der Dringlichkeit der Sache bitten wir, die Entscheidung hier und heute zu treffen. Wir bitten also, sofort über unseren Antrag im Plenum abzustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die nächste Rednerin ist Frau Weisser-Roelle. Frau Weisser-Roelle, Sie haben das Wort. Bitte schön!

Danke. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die Fraktion DIE LINKE tritt für einen flächendeckenden öffentlichen Personennahverkehr ein. Wirtschaftsminister Rösler hat bei seinem letzten Besuch im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr darauf hingewiesen, es sei auch ein Schwerpunkt seiner Arbeit, dass die Menschen - gerade auf dem Land - mit öffentlichen

Verkehrsmitteln gut ausgestattet werden. Dieser öffentliche Personennahverkehr muss aber für alle Menschen bezahlbar und auch benutzbar sein. Mobilität und damit Teilhabe von Menschen am gesellschaftlichen Leben darf nicht vom Geldbeutel abhängen.

Wir setzen uns folgerichtig dafür ein, dass im gesamten Nahverkehr für einkommensschwache Menschen Sozialtickets verbindlich eingeführt werden. Gleichzeitig ist es notwendig, Barrieren für in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen zu beseitigen. Bei all dem gibt es noch sehr viel zu tun.

Es ist unverantwortlich, dass die Koalition von CDU/CSU und SPD in Berlin als eine ihrer ersten Amtshandlungen mit dem Bundeshaushalt 2006 die Mittel für S-Bahnen und Regionalzüge gekürzt hat. Zugleich hat die schwarz-rote Koalition in Berlin entschieden, dass die Mittel für den Ausbau von Busnetzen, Straßenbahnen und U-Bahnen spätestens im Jahr 2019 ganz gestrichen werden sollen. All das ist für die Fraktion DIE LINKE nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der LINKEN)

Die unverantwortlichen Kürzungen der Regionalisierungsmittel durch den Bund müssen vollständig rückgängig gemacht werden. Die Landesregierung muss bei der Bundesregierung vorstellig werden und darauf hinwirken, dass wieder mehr Geld vom Bund für den Regionalverkehr der Eisenbahn zur Verfügung steht. Solange das aber nicht durchgesetzt ist, obliegt es der Landesregierung, selbst dafür Sorge zu tragen, dass in den Landeshaushalt zum Ausgleich der bisherigen Regionalisierungsmittel mindestens Mittel in Höhe von 15 Millionen Euro - es kann durchaus auch mehr sein - eingestellt werden. In der Koalitionsvereinbarung wird bekanntlich erklärt, den ÖPNV in der Fläche erhalten zu wollen. Ich habe das vorhin gerade erwähnt. Bislang gibt es für das Jahr 2010 und die Folgejahre jedoch keine entsprechende Zusage der Landesregierung.

Die Aufgabenträger des ÖPNV - der Zweckverband Großraum Braunschweig, die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen und die Region Hannover - brauchen aber, wie von meinen Vorrednern schon betont wurde, für das Jahr 2010 und die Folgejahre sofort Klarheit und Planungssicherheit für die Bestellung von Bahn- und Buslinien. Vom Zweckverband Großraum Braunschweig - dort liegt mein Wahlkreis - werden zum jetzigen Zeitpunkt für das nächste Jahr Verbindungen auf acht Strecken infrage gestellt. Bei der Nah