Protocol of the Session on January 14, 2009

Wir haben - deshalb zitiere ich hier - nicht das Problem der Spanier, Franzosen, Italiener, Isländer oder Ungarn, die kaum über eigene Handlungsmöglichkeiten verfügen und gewaltige Verwerfungen auf dem Immobilienmarkt zu verzeichnen haben oder wie die Vereinigten Staaten von Amerika erhebliche Probleme nicht nur auf dem Immobiliensektor, sondern auch bei den Kreditfinanzierungen. Wir sollten froh darüber sein, dass wir heute den Euro und einen europäischen Wirtschaftsraum mit 500 Millionen Menschen haben, in dessen geografischen Zentrum Deutschland liegt. Von daher haben wir allen Anlass, den Herausforderungen der nächsten Monate optimistischer als andere entgegenzusehen.

Fakt ist aber auch, dass die Erwartungen an Deutschland - denen wollte die Große Koalition in den letzten Tagen offenkundig auch Genüge tun -, mehr zu tun als andere, weil es besser als diese dasteht, letztendlich den Grund dafür lieferten, dieses Paket zu schnüren.

Niedersachsen ist aber auch die Heimat erfolgreicher Unternehmen. Beispielhaft erwähnen möchte ich Volkswagen. Als wir im Jahr 2003 im Land die Verantwortung übernommen haben, hatte Volkswagen unbestritten massive Probleme. Ich nenne in diesem Zusammenhang das Stichwort Luxuspolitik - Bugatti, Bentley, Lamborghini, Phaeton. Die Kernprodukte waren keine Volkswagen mehr. Wichtige energiesparende Technologien - Stichwort Hybrid - hatte man nicht konsequent genug verfolgt. Die Produktivität war zu niedrig, die Arbeitszeiten waren zu gering und die Arbeitskosten zu hoch. Fast alle Kenndaten waren schlechter als die der Wettbewerber.

Wenn wir uns die Situation heute, sechs Jahre später, anschauen, können wir feststellen, dass vor allem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Volkswagen dadurch, dass sie bei den Tarifver

trägen, bei den Arbeitszeiten, bei den Löhnen, bei der Steigerung der Produktivität - und das auch durch unser Mitwirken im Aufsichtsgremium - große Zugeständnisse gemacht haben, dazu beigetragen haben, dass sich die Situation um 180 Grad gewendet hat; denn VW ist im Moment der erfolgreichste Automobilhersteller der Welt. VW hat Absatzrekorde erreicht und produzierte im Jahr 2008 1,2 Millionen Fahrzeuge mehr als im Jahr 2003. Im Mittelpunkt stehen jetzt Volumenmodelle und Spartechnologien.

(Zuruf von den GRÜNEN: Das Drei- Liter-Auto gibt es aber immer noch nicht!)

VW hat aber trotz der Marktanteilsgewinne Absatzverluste hinzunehmen, wenn der Weltmarkt, der europäische Markt insgesamt zurückgeht. Die Verluste sind aber bei Weitem nicht mit denen bei der Konkurrenz vergleichbar. Die Arbeitsplätze bei Volkswagen sind trotz der momentanen erheblichen Krise sicherer als bei fast allen anderen Herstellern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir begrüßen, dass sich die Bundesregierung in den letzten Tagen darauf verständigt hat, 500 Millionen Euro für die Förderung der Forschung bei neuen Antriebstechniken und 900 Millionen Euro für die mittelständische Wirtschaft, die Zuliefererindustrie sowie für Forschungs- und Entwicklungsprojekte zur Verfügung zu stellen. Daran wird Niedersachsen stark partizipieren.

Ich nenne auch die Salzgitter AG. Keinem Stahlunternehmen geht es so gut wie der Salzgitter AG. Sie hat wichtige Zukäufe getätigt, zuletzt die Norddeutsche Affinerie. Das Unternehmen wird bis zum Jahr 2012 an den Standorten Peine, Salzgitter und Ilsenburg Investitionen im Umfang von 2 Milliarden Euro tätigen. Wir agieren hier in engem Schulterschluss gerade auch mit der Salzgitter AG, wenn es um den CO2-Emissionszertifikatehandel in Europa geht.

Ich nenne als drittes Beispiel die Norddeutsche Landesbank. Nach der Wahl im Jahr 2003 hatten wir es im Zusammenhang mit der Berliner Bank mit Verlusten in Höhe von mehr als 1 Milliarde Euro zu tun. Damals haben wir den Präsidenten des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen, Herrn Sanio, und andere befragt, was zu tun sei. Wir haben daraufhin das Sparkassengesetz novelliert, die Rolle der Sparkassen geklärt, das Verhältnis zu Sachsen-Anhalt geklärt und geordnet, die Aktivitä

ten im Ausland neu sortiert, die Struktur der Sparkasse in Braunschweig als Anstalt in der Anstalt neu geordnet, und letztlich haben wir die Norddeutsche Landesbank heute besser aufgestellt als jede andere Landesbank neben den Landesbanken von Hessen und Thüringen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Dies ist, wenn man die Situation anderer Bundesländer sieht, eine besondere Leistung der von mir geführten Landesregierung.

Diese Leistung steht bei der Deutschen Messe AG noch aus. Diese vierte wichtige Beteiligung des Landes muss ebenfalls neu strukturiert werden. Hierüber wird noch mit der Landeshauptstadt Hannover zu reden sein, damit die Messe Hannover ihre führende Stellung trotz der MilliardenSubventionen anderer Länder in ihre Messegesellschaften und des daraus resultierenden verschärften Wettbewerbs weiter beibehalten kann.

Sie sehen, es ist unbestreitbar: Die Unternehmen, an denen wir beteiligt sind, machen sich im Hinblick auf Sorgen weniger bemerkbar als andere Kapitalgesellschaften.

Es ist uns gelungen, die TUI Touristik, die für Niedersachsen eine zentrale Bedeutung hat, in Hannover zu sichern.

Wir stehen jetzt in Gesprächen bezüglich der Conti. Die Entwicklung dieses Unternehmens sehen wir mit Sorge. Die Unklarheiten hinsichtlich der Finanzierung der Übernahme durch Schaeffler sind leider eine unmittelbare Folge der Krisensituation an den Finanzmärkten. Wir stehen mit allen Beteiligten in einem intensiven Kontakt. Das Land wird darauf bestehen müssen, dass die Perspektiven der Standorte und Arbeitsplätze bei Conti in Niedersachsen gesichert werden. Wir dürfen einen Bruch oder eine Aufweichung der Investorenvereinbarung ebenso wenig zulassen wie die Überwälzung von Schulden der Firma Schaeffler auf das Unternehmen Conti AG.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich meine, dass dieser Hinweis zu dieser Debatte gehört, weil die Debatte um einen Deutschlandfonds, um Beteiligungen des Staates an Unternehmen und um die Absicherung von Fusionen eine gewisse Bedeutung erlangen kann. Wenn die Commerzbank die Dresdner Bank übernimmt, dann ist das eine Entscheidung der Commerzbank. Die Politik muss sich fragen, ob sie eine Fusion finanziell absichern will, wenn sie unternehmerisch

möglicherweise weniger sinnvoll ist. Wir werden sehr darauf zu achten haben, dass nicht staatlicherseits unfair agiert wird und mögliche Risiken, die bei der Firma Schaeffler verbleiben müssen, vom Steuerzahler übernommen werden, wodurch eine Benachteiligung der Conti eintreten könnte. Mit diesem Thema werden wir uns aber auch in den Ausschüssen des Landtages noch im Einzelnen beschäftigen müssen.

Wir erleben eine große Unsicherheit, eine große Rat- und Hilflosigkeit. Viele machen sich Sorgen um ihre eigene Zukunft im Arbeitsleben, aber auch finanziell beispielsweise hinsichtlich ihrer Alterssicherung.

Meiner Meinung nach muss man am Beginn einer solchen Debatte schon sagen, dass sehr viel Vertrauen verloren gegangen ist: Vertrauen in die Stabilität unserer Wirtschafts- und Finanzordnung, auch in die soziale Marktwirtschaft, Vertrauen in die Managementelite, wenn der eigene Profit bei Bonizahlungen und beim Quartalsdenken vor dem Wohl der Mitarbeiter und Kunden zu stehen scheint. Die Karikatur des letzten Jahres für mich war ein Bankkunde, der in der Bank sitzt und nach einem Kredit fragt, und der Bankmitarbeiter antwortet „Das wollte ich Sie auch gerade fragen“. Normalerweise sind die Banken dazu da, die Menschen mit Krediten zu versorgen. Jetzt aber treten auf einmal die Banken an den Staat heran und sagen „Versorgt uns mit der notwendigen Leistungsfähigkeit“.

Ferner ist ein Verlust von Vertrauen in die Prognosen der Ökonomen festzustellen, die uns noch vor einem halben Jahr auch für das Jahr 2009 gute Wachstumszahlen vorausgesagt haben. Ich bin auch deshalb erbost darüber, weil ich schon vor fast zwei Jahren in der Financial Times Deutschland darüber geschrieben habe, dass die Subprime-Produkte in Amerika, die Art der Kreditvergabe in Amerika, die mangelnde Bankenaufsicht, die dort nicht stattfindende Anwendung von Basel II und fehlende Regelungen zur Transparenz von Hedgefonds auf Dauer nicht werden funktionieren können. Man hätte manches mehr wissen können. Jetzt sagen uns die Prognostiker das, was wir eh alle schon merken und wissen. Da fragt man sich dann wirklich, welchen Sinn das haben soll.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Landesregierung hat sich sehr zügig aktiv an notwendigen Maßnahmen beteiligt. Als Erstes nenne ich das Finanzmarktstabilisierungsgesetz, das wesentlich auf unsere Vorschläge zurückgeht.

Die Beteiligung des Landes kann sich auf bis zu 770 Millionen Euro belaufen.

Zweitens haben wir zusammen mit SachsenAnhalt eine Garantie für die Norddeutsche Landesbank gegen Gebühr und Sicherung aufgelegt. Die EU-Kommission hat dies deswegen sofort genehmigt, weil die Position der NORD/LB hervorragend ist und ein Eigenkapital von 8 % vorhanden ist. Die Genehmigung der EU ist voll des Lobes für diese Positionierung der Norddeutschen Landesbank.

Wir haben drittens einen Bürgschaftsrahmen für gewerbliche Betriebe von 2,1 Milliarden Euro. Auf Antrag der Regierungsfraktionen von CDU und FDP ist dieser Bürgschaftsrahmen hier im Parlament um 300 Millionen Euro aufgestockt worden. Er gibt uns ebenso die Möglichkeit, wirksam zu helfen, wie der erweiterte Rahmen der De-minimisRegelung in Europa, wo nicht mehr 200 000 Euro, sondern 500 000 Euro die einzuhaltende Zielmarke darstellen.

(Beifall bei der CDU)

Viertens. Niedersachsen beteiligt sich am 15Punkte-Programm der Bundesregierung. Diese Beteiligung wird uns in den nächsten Jahren mit etwa 500 Millionen Euro belasten. In diesem Programm sind aber wichtige konjunkturelle Anreize enthalten, so die degressive Abschreibung, die Verdoppelung der steuerlichen Absetzbarkeit von Handwerkerleistungen und Ähnliches mehr.

Vor dem Hintergrund dessen, was alles schon auf den Weg gebracht wurde, weise ich darauf hin, dass man auch in der Krise Grundsätze nicht über Bord werfen darf. Wolfram Weimer hat jüngst darauf hingewiesen: „Jede Schuld muss bezahlt werden.“ Wir sollten den Menschen diese Weisheit nicht vorenthalten. Deshalb werden wir haushaltspolitische Vernunft auch in der Krise nicht aufgeben.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn wir jetzt gerade spüren, dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen, wenn wir jetzt gerade begreifen, dass über die Verhältnisse gelebt wurde, dann sollten wir nun nicht die Voraussetzungen für die nächste Krise in einigen Jahren schaffen, weil wir erneut meinen, bestimmte Dinge negieren zu können. Wir sind stolz darauf, dass wir die Nettokreditaufnahme um 91,5 % reduziert haben, dass wir in absoluten Zahlen die niedrigste Nettokreditaufnahme seit 1963 haben und dass wir

mit 1 % die niedrigste Kreditfinanzierungsquote seit 1948 haben. „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“ ist der Grundsatz dieser Regierung. Ich erwarte, dass man die frei werdenden Zinszahlungen für Investitionen verwendet, wie wir das jetzt tun: für den Hochbau, für die Häfen, für die Polizei, für die Krankenhäuser und auch für den Ausbau der Kinderkrippen. Dass die Kommunen und das Land Niedersachsen zusammen mit der Bundesregierung 1,3 Milliarden Euro allein in Niedersachsen in den nächsten Jahren für die Kinderkrippen zur Verfügung stellen, hat seine Grundlage eben auch darin, dass wir in den letzten Jahren nachhaltig konsolidiert haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Bund zahlt 388 Millionen Euro, das Land zahlt 462 Millionen Euro und die Kommunen zahlen 440 Millionen Euro für den Betrieb und die Investitionen in Kinderkrippen. Das sind Ergebnisse einer Konsolidierungspolitik, die man gar nicht hoch genug einschätzen kann.

Die Senkung der Neuverschuldung gibt uns jetzt in schwierigen Zeiten Spielraum, um uns an den Programmen des Bundes zu beteiligen. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie Haushaltssanierung mit Durchhaltevermögen auch selber weiterhin als zentrales Ziel ansieht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb muss Neuverschuldung grundgesetzlich verboten werden. Der Staat braucht offenkundig Zügel, die er sich selbst anlegt. Wer Geld ausgibt, das er gar nicht hat, täuscht Leistungsfähigkeit vor und verspielt Chancen kommender Generationen.

Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Die nahe Zukunft haben wir jetzt zu bewältigen. Wir dürfen die nahe Zukunft aber nicht zulasten der fernen Zukunft finanzieren. Von daher haben wir auf Generationengerechtigkeit zu achten. Was bringt es, jetzt etwas zu bekommen, was man dann in den nächsten Jahren mit Zins und Zinseszins zurückzuzahlen hat?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich wünsche mir sehr, dass der Niedersächsische Landtag ein strenges Neuverschuldungsverbot in unserer Niedersächsischen Verfassung festschreibt, wenn das Grundgesetz geändert worden ist. Vielleicht können wir dann sogar über die grundgesetzlichen Regelungen hinausgehen.

Den wesentlichen Grund für den wirtschaftlichen Erfolg der letzten Jahre stellt die sinkende Staats

quote dar. Dass die Staatsquote zurückgegangen ist, hat die Schaffung von Arbeitsplätzen möglich gemacht und hat gezeigt, dass die soziale Marktwirtschaft in Deutschland funktioniert.

(Zuruf von der LINKEN: Umgekehrt!)

In der Nacht von Montag auf Dienstag wurde in Berlin das größte Konjunkturpaket der Nachkriegszeit beschlossen. Niedersachsen wird sich daran 2009 und 2010 mit etwa 600 Millionen Euro beteiligen. Der Grundfreibetrag wird in zwei Stufen erhöht. Die kalte Progression wird reduziert. Der Beitragssatz für die gesetzlichen Krankenkassen wird reduziert. Die Sozialversicherungsbeiträge bei Kurzarbeit werden hälftig übernommen. Für Zeiten der Qualifizierung während der Kurzarbeit - das geht auf einen Vorschlag aus Niedersachsen zurück - können den Arbeitgebern sogar die vollen Sozialversicherungsbeiträge erstattet werden. Wir sind der Überzeugung, dass die Zeiten während der Kurzarbeit für Qualifizierung genutzt werden sollten und dass niemand über Bord gehen sollte, wenn wir jetzt in einen Sturm geraten. Das Instrument der Kurzarbeit ist in dieser Situation genau das richtige Instrument für Qualifizierung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für Kinder gibt es einen Bonus von 100 Euro. Die Regelsätze im SGB II und SGB XII werden stärker differenziert.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Aber nur für Kinder von 6 bis 13 Jahren!)

Es gibt ein KfW-Sonderprogramm, mit dem die Bürgschaften um 100 Milliarden Euro auf 115 Milliarden Euro erhöht werden. Des Weiteren haben wir andere Schwellenwerte bei Vergaben und Ausschreibungen. In Europa haben wir die Verkürzung der Ausschreibungsfrist von 86 auf 30 Tage erreicht. Wir haben Neuregelungen bei der emissionsbezogenen Kfz-Steuer zu erwarten und bekommen eine Umweltprämie.