Protocol of the Session on December 10, 2008

Staatssekretärin Dr. Christine H a w i g h o r s t , Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit

Staatssekretär Peter U h l i g ,

Kultusministerium

Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Staatssekretär Stefan K a p f e r e r ,

Walter H i r c h e (FDP) Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr

Minister für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung Hans-Heinrich E h l e n (CDU)

Staatssekretär Friedrich-Otto R i p k e , Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung

Justizminister Staatssekretär Dr. Jürgen O e h l e r k i n g ,

Bernhard B u s e m a n n (CDU) Justizministerium

Minister für Wissenschaft und Kultur Staatssekretär Dr. Josef L a n g e ,

Lutz S t r a t m a n n (CDU) Ministerium für Wissenschaft und Kultur

Minister für Umwelt und Klimaschutz Staatssekretär Dr. Stefan B i r k n e r ,

Hans-Heinrich S a n d e r (FDP) Ministerium für Umwelt und Klimaschutz

IV

Beginn der Sitzung: 9.01 Uhr.

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 24. Sitzung im 9. Tagungsabschnitt des Niedersächsischen Landtages der 16. Wahlperiode.

Die Beschlussfähigkeit stelle ich zu einem späteren Zeitpunkt fest.

Heute hat Frau Abgeordnete Editha Lorberg Geburtstag. Ich übermittle Ihnen im Namen des ganzen Hauses herzliche Glückwünsche. Gesundheit und Wohlergehen für das vor Ihnen liegende neue Lebensjahr!

(Beifall)

Ich komme jetzt zunächst auf die Tagesordnung zu sprechen. Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 12, den Dringlichen Anfragen. Anschließend setzen wir die Haushaltsberatungen mit der Aussprache über die Einzelpläne Inneres, Sport und Integration sowie Justiz fort. Nach der Mittagspause behandeln wir das Gesetz zur Änderung des Modellkommunen-Gesetzes. Danach folgt die Behandlung der Einzelpläne Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit sowie Kultus. Anschließend setzen wir die Beratungen in der Reihenfolge der Tagesordnung fort. Die heutige Sitzung soll gegen 20.05 Uhr enden.

Ich darf Sie herzlich bitten, Ihre Reden bis spätestens morgen Mittag, 12 Uhr, an den Stenografischen Dienst zurückzugeben.

Jetzt folgen geschäftliche Mitteilungen durch die Schriftführerin.

Einen schönen guten Morgen! Es haben sich entschuldigt von der Landesregierung Frau Kultusministerin Heister-Neumann und von der Fraktion der FDP Herr Dürr bis zur Mittagspause, Herr Rickert und Herr Riese.

Vielen Dank. - Frau Ministerin Heister-Neumann ist erkrankt. Das ist wohl der Grund für die Entschuldigung, weshalb sie hier heute nicht teilnehmen kann. Dies nur zur Ergänzung.

Ich rufe nun Tagesordnungspunkt 12 auf:

Dringliche Anfragen

Es liegen drei Dringliche Anfragen vor. Bevor ich die einzelnen Fragen aufrufe, möchte ich daran erinnern, dass für die Behandlung Dringlicher Anfragen nach der im April 2008 beschlossenen Änderung der Geschäftsordnung bestimmte - auch neue - Regeln gelten, die ich bis zum Beweis des Gegenteils als bekannt voraussetze. Ich weise besonders darauf hin, dass einleitende Bemerkungen zu den Zusatzfragen nach der jetzigen Regelung nicht mehr zulässig sind. Um dem Präsidium den Überblick zu erleichtern, bitte ich Sie, dass Sie sich nach wie vor auch schriftlich zu Wort melden, wenn Sie eine Zusatzfrage stellen möchten.

Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 12 a auf:

Gefahrenabwehr oder Willkür per Gesetz? - Das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) und die polizeiliche Einsatzpraxis bei Atommülltransporten nach Gorleben - Anfrage der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/732

(Unruhe)

Dazu erteile ich Herrn Kollegen Herzog von der Fraktion DIE LINKE das Wort, verbunden mit der Bitte, die Gespräche innerhalb der Fraktionen deutlich zu reduzieren, damit der Redner hier ungestört seine Ausführungen machen kann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einen schönen guten Morgen! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zum heutigen Tag der Menschenrechte.

Ich möchte nun die von der Fraktion DIE LINKE eingebrachte Dringliche Anfrage „Gefahrenabwehr oder Willkür per Gesetz? - Das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (Nds. SOG) und die polizeiliche Einsatzpraxis bei Atommülltransporten nach Gorleben“ vortragen.

Einsätze der Polizei sollen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit erfolgen, d. h. sie sollen erforderlich, geeignet und vor allem angemessen sein.

Die Missachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und weitere Rechtsverstöße seitens der polizeilichen Einsatzkräfte bei der Durchführung von Atommülltransporten in das Transportbehälterlager Gorleben sind von Organisationen wie dem Komitee für Grundrechte und Demokratie, dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) und der Humanistischen Union vielfach beanstandet und vor Gerichten mindestens ebenso häufig erfolgreich beklagt worden.

Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf die zahlreichen Schilderungen von Demonstrationsbeobachtern des Grundrechtekomitees, des RAV sowie kirchlicher Deeskalationsteams. Sie sind nachzulesen in den Berichten des evangelischlutherischen Kirchenkreises Lüchow-Dannenberg und in diversen Jahrbüchern des Grundrechtekomitees, z. B. dem Grundrechtereport 2003. Weiterhin gibt es Erfahrungsberichte von Anwältinnen und Anwälten des Ermittlungsausschusses der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg.

Verwiesen sei darüber hinaus auf die Vielzahl der inzwischen vorliegenden rechtskräftigen Gerichtsurteile, die das jeweils streitgegenständliche Vorgehen der Polizei als rechtswidrig rügen, und auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Dezember 2005 im Beschwerdeverfahren gegen freiheitsentziehende Maßnahmen - seinerzeit noch nach dem Niedersächsischen Gefahrenabwehrgesetz.

Die vorbeugende Observierung von Atomkraftgegnern, hier insbesondere von Gegnern der Gorlebener Atomanlagen und der Atommülltransporte dorthin, hat eine lange Tradition. Erinnert sei u. a. an die flächendeckende Erfassung von ca. 3 600 Atomgegnerinnen und Atomgegnern in der Datendatei SPUDOK in den 80er-Jahren. Häufig wurde die Balance zwischen dem öffentlichen Sicherheitsinteresse und Rechtstiteln der privaten Atomwirtschaft auf der einen sowie dem wirksamen Grundrechteschutz auf der anderen Seite zulasten der freiheitlich-demokratischen Bürgerinnen- und Bürgerrechte verschoben.

Der Niedersächsische Landtag befasst sich auch nicht zum ersten Mal mit dieser Problematik. Erinnert sei an die Petition des Grundrechtekomitees vom September 2003.

Am 8. November dieses Jahres konnte wiederum beobachtet werden, wie Polizisten am Rande der genehmigten Auftaktdemonstration in Gorleben die Autokennzeichen von Kundgebungsteilnehmerinnen und -teilnehmern notierten.

Angefangen bei solchen verdachtsunabhängigen Datenerhebungen über das Abhören von Telefongesprächen und die längerfristige Observierung von Atomkraftgegnern nach § 33 a bzw. § 34 Nds. SOG bis zur präventiven Freiheitsentziehung nach den §§ 18 bis 21 Nds. SOG machen die Einsatzkräfte im Zusammenhang mit Atommülltransporten offensichtlich umfassend Gebrauch von verschiedenen Formen der Observierung und der Ingewahrsamnahme.

Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:

1. Werden bzw. wurden aus der wiederholten gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit einzelner polizeilicher Maßnahmen seitens der Landesregierung Konsequenzen gezogen? Wenn Ja: Welche? Wenn Nein: Warum nicht?

2. Wie oft und wie viele Personen betreffend wurden im Zusammenhang mit den polizeilichen Großeinsätzen bei den Atommülltransporten der Jahre 2005, 2006 und 2008 nach Gorleben Maßnahmen nach den §§ 33 a, 34 und 35 Nds. SOG jeweils angeordnet?

3. Das Nds. SOG sieht in den §§ 18 bis 21 die Möglichkeit vor, Personen bis zu zehn Tage in polizeilichen Gewahrsam zu nehmen. Wie sind die Vollzugsbedingungen einer Langzeitingewahrsamnahme in Niedersachsen inhaltlich im Einzelnen geregelt?

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister Schünemann, bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der Bewältigung der Einsätze aufgrund von Castortransporten nach Gorleben befindet sich die Polizei stets in einem Spannungsfeld widerstreitender Interessen. Auf der einen Seite ist die Durchführung der genehmigten Castortransporte und damit die Wahrnehmung der völkerrechtlichen Verpflichtung Deutschlands zur Rücknahme der Abfälle aus der Wiederaufbereitung im Ausland zu gewährleisten. Auf der anderen Seite sind dagegen gerichtete Demonstrationen zu schützen. So lautete auch beim Polizeieinsatz aus Anlass des diesjährigen Castortransportes eine der Einsatzleitlinien des Gesamteinsatzleiters - ich zitiere -:

„Polizeiliche Einsatzziele sind, die Transportbehälter unter Beachtung von Verhältnismäßigkeit und Kosten sicher an ihren Bestimmungsort zu bringen sowie friedliche und rechtmäßige Protestaktionen zu schützen.“

Die Polizei bewältigt diese schwierige Aufgabe seit Jahren in hervorragender Art und Weise.