Protocol of the Session on December 9, 2008

(Beifall bei der LINKEN)

Das Erstaunlichste und Geisterhafteste an dieser Debatte ist aber, wer das hier thematisiert, nämlich - darauf haben die Grünen schon hingewiesen - die FDP. Sie hätten ja in Niedersachsen die Möglichkeit, die Nachfrage zu stärken. Vorschläge dazu werden wir heute Nachmittag debattieren. Das tun Sie aber nicht. Die FDP zeichnet sich durch eine völlige Schreckstarre gegenüber der sich gegenwärtig dramatisch verschlechternden wirtschaftlichen Lage aus. Über Konsumgutscheine hätte man tatsächlich reden können. Da hätte der alte, von Brecht abgewandelte, Satz gegolten:

„Gut. Das ist der Pfennig. Aber wo ist die Mark -?“

(Beifall bei der LINKEN)

Aber Sie reden nicht einmal über den Pfennig. Sie reden zu dieser Wirtschaftskrise überhaupt nicht, außer dass Sie sagen: Das regelt irgendwann der Markt. - Aber da gilt der alte Keynes: Irgendwann sind wir alle tot.

Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich erteile dem Abgeordneten Thümler von der CDU-Fraktion das Wort.

(Unruhe)

Ich darf eine Vorbemerkung machen: Vielleicht ist es möglich, den Gesprächsbedarf innerhalb der Fraktionen etwas zu reduzieren. Der Lärmpegel ist für den Redner schon etwas problematisch.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich muss Ihnen sagen: Ich bin einigermaßen erschüttert über das, was ich hier heute Morgen alles zum Thema Wirtschafts- oder Finanzkrise gehört habe.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das war der erste Textbaustein!)

Wenn wir das so diskutieren und auch noch ernst nehmen, was wir hier diskutieren, dann werden wir das Problem, das vor uns liegt, nicht lösen können. Das muss Ihnen irgendwie einmal klar werden.

(Zurufe)

Meine Damen und Herren, ich habe in den letzten Wochen die Außensicht kennengelernt, wie man das Thema Finanz- und Wirtschaftskrise außerhalb der Europäischen Union beurteilt. Ich kann Ihnen sagen, dass man mit diesem Thema in anderen Staaten nicht so umgeht, wie man es typischer Weise in Deutschland tut. Dort sagt man nicht, das Glas ist halbleer, sondern man sagt, das Glas ist halbvoll, und wir müssen sehen, dass wir aus den Problemen, die wir haben, etwas Positives machen. Das sollte uns vielleicht einmal zu denken geben.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir so weiterreden, reden wir uns eher tiefer in die Krise hinein als aus ihr heraus.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ach, wir kommen vom Reden in die Krise?)

- Ja, Frau Flauger, das ist der große Unterschied: Sie reden viel daher, vielleicht auch manches nicht so Qualifiziertes.

(Zuruf von der LINKEN: Sie reden al- les schön!)

Was Sie erzählen, hilft aber überhaupt nichts.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Das werden wir ändern, wenn wir auch einmal regieren!)

Das können Sie machen, wenn Sie irgendwann einmal Regierung spielen sollten. In Berlin kann man übrigens beobachten, wie das schiefgehen kann, gnädige Frau.

Die ganz hervorragenden Vorschläge von Frau Nahles und anderen sind heute schon vielfach erwähnt worden. Es gibt im Übrigen auch die Brüderles dieser Welt, die ich auch einmal erwähnen möchte. Sie haben sich nun als Wirtschaftsfachleute dargestellt und gesagt: Das muss man alles einmal so machen. Das kostet ja alles kein Geld. Das ist alles ganz prima und einfach.

Wissen Sie, das hilft überhaupt nichts. Es wird Gott sei Dank auch von der Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland abgelehnt. 74 % der Bevölkerung in Deutschland lehnen diesen Unsinn nämlich ab, und das aus einem ganz nachvollziehbaren psychologischen Grund. Welche Bedeutung hatten eigentlich Konsumgutscheine in der Geschichte? Da fühlt man sich häufig an Bezugsmarken erinnert, die es während des Ersten Weltkrieges, in der Weimarer Republik, im Zweiten Weltkrieg und auch in der Zeit der Inflation und bis zur Währungsreform nach 1945 gab.

Wenn Sie das vergessen und versuchen wollen, der deutschen Bevölkerung mit solchen Begriffen klarzumachen, dass sie konsumieren soll, dann haben Sie dem Konsum schon einen Tort angetan. Das wird nämlich nicht funktionieren. Das sollte man sich vielleicht gelegentlich hinter die Ohren schreiben.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen ist die Behauptung von Frau Nahles, die sie im August dieses Jahres in der Frankfurter Rundschau gemacht hat - dass Gutscheine die beste und effektivste Möglichkeit seien, die Binnenkonjunktur schnell anzufeuern -, absoluter Unfug. Bevor Sie überhaupt einen Gutschein ausge

geben hätten, hätten Sie - typisch deutsch - erst einmal eine große bürokratische Welle über das Land schieben müssen. Sie hätten eine Behörde gebraucht, um das überhaupt zu machen. Das hätten Sie alles vergessen können. Es hätte dazu geführt, dass die Konjunktur gar nicht angeheizt worden wäre. Im Gegenteil hätte das, was jetzt im Weihnachtsverkauf läuft, nie stattgefunden. Deswegen wird dieser Quatsch sehr zu Recht abgelehnt, im Übrigen auch von den Verbänden derer, für die das eigentlich gedacht gewesen wäre.

(Ralf Briese [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Herr Briese, bitte!

Ich darf noch einmal darauf hinweisen: Ob Zusatzfragen genehmigt werden oder nicht, entscheidet immer noch der Präsident.

(Heiterkeit und Beifall - Ralf Briese [GRÜNE]: Schönen Dank, Herr Präsi- dent!)

- Nein, jetzt machen wir es ganz formell. Jetzt frage ich erst einmal den Abgeordneten Thümler, ob er eine Zusatzfrage zulässt.

Jawohl, Herr Präsident.

Jetzt erteile ich Ihnen das Wort.

Danke schön, Herr Präsident. - Ich wollte den Abgeordneten Thümler gerne fragen, ob das Begrüßungsgeld von 100 DM, das CDU und FDP 1990 an alle neuen Bundesbürger verteilt haben, irgendeine Form von Konsumgutschein war.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Thümler!

Herr Briese, ich wundere mich über diese Frage sehr, weil Sie in dieser Frage etwas geschichtsvergessen sind. Sie können noch die deutsche Einheit und das, was sich im Zusammenhang mit der Wirtschafts- und Währungsunion ergeben hat, nicht mit dem vergleichen, was jetzt hier gemacht werden soll. Das sind völlig unterschiedliche Sa

chen, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Zu versuchen, hiermit eine angebliche Konsumkrise oder eine Finanz- und Wirtschaftskrise zu beseitigen, führt in die Irre.

Meine Damen und Herren, die Vorschläge sind erstens abzulehnen, weil das Weihnachtsgeschäft auch nach Auffassung des Einzelhandelsverbandes gut läuft. Konsumgutscheine würden hier das Gegenteil bewirken. Deswegen sind sie abzulehnen.

Zweitens. Eine Ausgabe von Konsumgutscheinen würde etwa 20 Milliarden Euro kosten. Die Bürokratiekosten kämen hinzu. Schon von daher wäre das vollkommener Wahnsinn. Die Kostenbelastung künftiger Generationen mit Zinsen und Zinseszinsen wäre erheblich höher.

Drittens. Die Erfahrungen, die andere Staaten dieser Erde mit Konsumgutscheinen gemacht haben - möglicherweise ziehen Sie ja auch Steuereffekte in Betracht -, sind negativ gewesen. Hier sind die USA als ganz prominentes Beispiel zu nennen. Dort hat der Staat jedem US-Bürger 600 Dollar in die Hand gedrückt. Der Effekt war gleich null. Die Menschen haben damit brav ihre Schulden getilgt. Mehr ist dabei nicht herausgekommen.

Daran sehen Sie, dass das Ganze nicht wirkt - vor allen Dingen nicht so, wie es von manchen Seiten dargestellt wird.

Letztendlich will ich Ihnen nur Folgendes sagen: Es wäre sehr sinnvoll, wenn wir insgesamt damit aufhören würden, uns täglich neue Ideen auszudenken, wie man einer Wirtschafts- und Finanzkrise begegnen kann. Man sollte ganz gezielt weiterarbeiten und zunächst einmal abwarten, was die Bundesregierung im Januar/Februar nächsten Jahres weiter auf den Weg bringen wird.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Ignorie- ren, oder was?)

Ich denke, dass mit dem großen Konjunkturpaket, das auch im Bundesrat beschlossen worden ist, ein erster wichtiger Schritt gegangen worden ist. Ein zweiter Schritt wird vermutlich im nächsten Jahr folgen.

Das Ganze muss gebündelt und konzentriert stattfinden - eben wohlüberlegt, wie Herr Rösler vorhin auch sagte, und nicht in vielfältigen Chören, die meistens, wenn sie nicht gemeinsam singen, auch ziemlich scheel klingen.

Wir werden dieser Krise nur dann vernünftig begegnen, wenn wir in der Lage sind, einen sinnvol

len Weg zu finden. Diesen müssen wir uns gut überlegen. Die Maßnahmen müssen auch abgestimmt sein, nicht nur im Lande Niedersachsen und in der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch auf der europäischen Ebene und weltweit. Sonst werden die Effekte nämlich verpuffen.