In dieser Situation ist die Bemerkung aus dem Innenministerium, es sei nicht für Wirtschaftsförderung zuständig, mit der verhindert wird, dass Millioneninvestitionen an dringend notwendiger Stelle freigesetzt werden, politisch unverantwortlich. Es ist Ihr Job, dafür zu sorgen, dass sich das ändert.
Das Gleiche gilt für die EU-Mittel. Ich hatte schon gesagt: Die EFRE-Mittel 2008 liegen in Brüssel zum Abruf bereit. In Brüssel ist in der letzten Woche verabredet worden, dass die Maßnahmen der Jahre 2009 bis 2013 wenigstens teilweise vorgezogen werden können. Daran wird gerade gearbeitet. Wir haben Ihnen einen Antrag auf den Tisch gelegt, in dem dies von der Landesregierung abgefordert wird, dass sie mit Kreativität daran geht zu prüfen, wie wir für die wirtschaftliche Entwicklung in Niedersachsen zeitnah europäische Mittel gewinnen, bereitstellen und damit zusätzliche Beschäftigung sichern können. Das wäre Ihre Pflicht, meine Damen und Herren. Sie lehnen sich zurück - es ist ja angeblich nichts zu tun.
In diesem Zusammenhang geht es aber nicht nur um Konjunkturpolitik. Wer die Zukunftsfähigkeit des Landes verbessern will, der muss auch über Bildung reden, meine Damen und Herren. Der Fachkräftemangel von morgen ist durch mehr Investitionen in Bildung heute bearbeitbar.
Natürlich kennen wir auch den Hinweis aus dem Haushaltsrecht, dass Bildung konsumtiv und angeblich keine Investition ist. Aber ich kenne auch die wissenschaftliche Untersuchung aus dem Insti
tut der Deutschen Wirtschaft, mit der gerade nachgewiesen worden ist, dass Investitionen in den frühkindlichen Bereich eine kontinuierliche Rendite von 8 % realisieren, meine Damen und Herren. Investitionen in Bildung rentieren sich, und deshalb setzen wir hier einen zweiten Schwerpunkt.
Wir statten diese Bildungsoffensive mit 247 Millionen Euro aus. Der erste Teil davon geht in die frühkindliche Bildung. Sie haben eine Verabredung mit den kommunalen Spitzenverbänden zu dem Thema der Betriebskosten im Bereich der frühkindlichen Bildung getroffen. Sie missachten die Verabredungen aus dem Krippengipfel, weil Sie sich nicht bereit finden, die dort verabredeten Investitionen mit Landesmitteln zu bedienen, meine Damen und Herren.
- Lesen Sie es in der neuesten Ausgabe der Zeitung des Landkreistages von gestern oder vorgestern nach. Da kann man das gerade wieder dokumentiert bekommen.
- Gestern, vielen Dank. - Bei diesem Thema geht es natürlich auch um Investitionen, um die Gewährleistung, dass der Rechtsanspruch bedient werden kann, meine Damen und Herren, aber es geht auch um Qualität. Unser Gesetzentwurf zum Personalschlüssel im Bereich der frühkindlichen Erziehung ist nicht sehr ambitioniert. Er geht nicht einmal bis an den europäischen Standard heran. Wir wissen: Das kostet eine Menge Geld. Aber dass Sie sich nicht einmal in der Lage sehen, diesen Gesetzentwurf mitzutragen, zeigt, wes Geistes Kind Sie sind. Frühkindliche Bildung spielt bei Ihnen keine Rolle. Sie haben dem Druck teilweise nachgeben müssen, aber es ist Ihnen im Kern zuwider. Das ist die Situation.
Beim Thema Ganztagsschulen ist es das Gleiche. Es ist gerade einmal fünf Jahre her, dass Vertreter der CDU hier dagegen polemisiert haben, dass Kinder den ganzen Tag in die Schule sollen, wo sie doch nachmittags zu Muttern gehören. Ich kenne die Debatte noch, ich habe sie noch genau vor
mir, einschließlich des damaligen Kultusministers. In der Zwischenzeit geriert sich die CDU zum Erfinder der Ganztagsschule - mit dem Geld von Frau Bulmahn aus Berlin, meine Damen und Herren.
Wes Geistes Kind Sie sind, zeigt sich auch in den Erlassregelungen zur Ganztagsschule. Ganztagsschule hat bei Ihnen nichts mit Pädagogik zu tun, sondern da gibt es den Kernbereich Unterricht, der morgens stattfindet, und nachmittags gibt es irgendein Sahnehäubchen - warum auch immer, meine Damen und Herren, der Druck ist so groß.
Für uns ist Ganztagsunterricht eine pädagogische Konzeption. Deshalb hat sie auch verpflichtenden Charakter und muss ganz anders aussehen, als Sie das im Lande Niedersachsen zulassen.
Zur Bildung gehört auch, dass alle an Bildung teilhaben können. Dazu gehört auch, dass man mittags ein Essen hat, wenn man ganztags an der Schule ist. Da reicht es nicht aus, was Sie veranschlagt haben. Wir setzen hier 5 Millionen Euro ein.
Dazu gehört auch das Thema Schülerbeförderung, meine Damen und Herren. Wir haben in Niedersachsen ein doppeltes Problem: Es ist nicht nur die Tatsache, dass die soziale Herkunft darüber entscheidet, wer welche Perspektive bekommt, sondern in einem Flächenland entscheidet u. a. auch die regionale Herkunft, wer welchen Bildungsabschluss erreicht. Deshalb müssen wir auch über die Schülerbeförderung in diesem Lande reden.
Dazu gehört wie in allen Ländern, die einen angemessenen Begriff von Bildung haben, auch das Thema der Lernmittelfreiheit. Das ist hier etatisiert.
Dazu gehört für uns weiterhin die Forderung nach der Abschaffung von Studiengebühren. Wir wollen diese Studiengebühren beseitigen.
Herr Stratmann hat in den letzen Tagen den Eindruck erweckt, es würden jetzt viel mehr junge Leute auf die Hochschulen gehen.
- Ja, das ist so. Wenn der Jahrgang plötzlich drastisch größer wird, dann gehen auch mehr zur Hochschule. Die Studienanfängerquote beträgt in Deutschland 39,3 %, in Niedersachsen jedoch nur 30,3 %. Der Abstand zum Bund vergrößert sich. Das ist die Realität!
Wer über Zukunftsfähigkeit redet, der muss diesen Anteil drastisch erhöhen. Das wird u. a. durch Studiengebühren verhindert.
Der dritte Teil unseres Antrags befasst sich mit dem notwendigen sozialen Zusammenhalt einer Gesellschaft. Da sind übrigens Umschichtungspotenziale im Sozialhaushalt gewesen - eine ganz interessante Geschichte. Entscheidend ist aber nicht nur, wie viel darin ist, sondern wofür man es ausgibt.
Wir haben Ihnen schon vor Monaten ein Programm „Kinder schützen - Kindergesundheit fördern“ vorgestellt. Darin geht es um Vorsorgeuntersuchungen. Aber es geht vor allem auch um Familienhilfe, Hebammenprogramme, die Sie angeblich so gut finden. Da fragen wir uns nur: Warum haben Sie diesen Bereich nur noch symbolhaft im Landeshaushalt und ihn ansonsten den Kommunen aufs Auge gedrückt, meine Damen und Herren?
Deshalb sind Hebammenprogramme und Familienzentren für die Beratung, für den Zusammenhalt, für die Bildung und für die Einbeziehung insbesondere der Elterngeneration notwendig.
Wir brauchen im Bereich der Sozialpolitik vor allem einen Schwerpunkt Pflege. Wir sind in der Pflege
Schlusslicht in Deutschland, meine Damen und Herren. Ihnen ist das augenscheinlich egal. Uns nicht. Wir wissen, dass auch wir noch nicht für alle Stellen den Stein der Weisen entdeckt haben.
- Mit „wir“ meine ich übrigens alle; denn von Ihnen liegt gar nichts vor. Aber wir maßen uns nicht an, schon zu allem eine Meinung zu haben. Das unterscheidet uns vielleicht.
- Ja, vielen Dank. - Deshalb wollen wir im Bereich der Altenpflege neue Ideen sammeln, den Sachverstand zusammenholen und in einer Kommission dafür sorgen, dass „Pflegenotstand“ in Niedersachsen zum Fremdwort wird. Das ist die Aufgabe in den nächsten zehn Jahren, meine Damen und Herren.
Der vierte Teil des Programms hat mit den über 190 000 Beschäftigten zu tun, die beim Land Niedersachsen arbeiten. Es gibt keinen Plenartag mehr, an dem nicht Beschäftigte vor der Tür stehen und auf ihre Probleme aufmerksam machen. Macht Sie das eigentlich nicht nachdenklich, meine Damen und Herren?