Seit dem Inkrafttreten des ersten Kindertagesstättengesetzes in Niedersachsen im Jahr 1993 gelten unverändert die Regelungen,
- dass in einer Kindertagesstättengruppe als Leitung eine sozialpädagogische Fachkraft und zusätzlich eine zweite geeignete Fach- oder Betreuungskraft regelmäßig tätig sein sollen,
- dass das Land Finanzhilfe für zwei Fachkräfte pro Gruppe, bei Gruppen mit weniger als zehn Kinder auch nur für eine Fachkraft übernimmt und
- dass die Größe der Gruppen in Krippen höchstens 15 Kinder, bei mehr als 7 Kindern unter 2 Jahren in der Gruppe jedoch höchstens 12 Kinder, in Kindergärten höchstens 25 Kinder, in Horten höchstens 20 Kinder beträgt.
Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von CDU und FDP haben in den vergangenen Jahren konsequent alle Anträge zurückgewiesen, die Personalstandards in den Kindertagesstätten zu verbessern.
In Zusammenhang mit der Kita-Volksinitiative haben nun mehrere Mitglieder der CDU-Landtagsfraktion erklärt, dass sie sich für eine Drittkraft in den Kindertagesstätten einsetzen wollen. So hat der Generalsekretär der CDU gegenüber dem Bündnis für Kinder und Familien e. V. erklärt: „Im Krippenbereich setzen wir uns das mittelfristige Ziel, gemeinsam mit Trägern und Wirtschaft zu einem Betreuungsverhältnis von drei Erziehern für fünfzehn Kinder beizutragen.“
1. Beabsichtigt die Landesregierung, durch eine Änderung des Kindertagesstättengesetzes eine dritte Fachkraft a) für die Krippengruppen und b) für die Kindergartengruppen (für drei- bis sechsjährige Kinder) und für die Hortgruppen (Kinder im Schulalter) vorzusehen, oder handelt es sich bei den Aussagen um Wahlkampfrhetorik?
3. Welche Mehrkosten werden durch diese Änderung auf das Land zukommen, und wie sind diese Mehrkosten in der mittelfristigen Finanzplanung eingeplant?
Das Land verfolgt stetig den Weg einer Verbesserung der Quantität und Qualität in der Betreuung, Bildung und Erziehung der Kinder in Niedersachsen.
Gemäß § 69 Abs. 1 SGB VIII in Verbindung mit § 1 AG KJHG erfüllen die Landkreise und kreisfreien Städte die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe, somit auch der Kinderbetreuung, innerhalb ihres eigenen Wirkungskreises. Daraus ergibt sich eine klare Verantwortlichkeit der Kommunen für eine bedarfsgerechte Versorgung mit Betreuungsplätzen in Kindertagesstätten und der Kindertagespflege. Diese Aufgaben erfüllen die Kommunen mit großem Engagement und mit großem finanziellem Einsatz mit tatkräftiger Unterstützung des Bundes und des Landes.
Das Land setzt mit dem Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG) und den beiden Durchführungsverordnungen (1. und 2. DVO-KiTaG) Mindeststandards u. a. auch zu den Gruppengrößen.
Nach den Festlegungen dürfen in Krippengruppen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 der 1. DVO-KiTaG bis zu 15 Kinder (Verhältnis 1 : 7,5), bei mehr als 7 Kindern unter 2 Jahren jedoch höchstens 12 Kinder (Verhältnis 1 : 6) in der Gruppe betreut werden. In Kindergartengruppen beträgt die maximale Gruppengröße gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 1. DVOKiTaG 25 Kinder (Verhältnis 1 : 12,5), in Hortgruppen liegt gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 der 1. DVOKiTaG die Gruppengröße bei maximal 20 Kindern (Verhältnis 1 : 10). Jede Gruppe muss regelmäßig mit zwei pädagogischen Fachkräften besetzt sein. Diese als Mindeststandards normierten Personalstandards können und werden in vielen Kommunen bereits überschritten, sei es durch eine Verringerung der Anzahl der Kinder oder durch einen zusätzlichen Personaleinsatz.
Land und Kommunen in Niedersachsen verfolgen seit dem Krippengipfel in 2007 gemeinsam mit oberster Priorität den Ausbau der Betreuungsplätze für unter Dreijährige. Darauf konzentrieren sich derzeit alle finanziellen Anstrengungen, um die Erfüllung des Rechtsanspruchs für Ein- und Zweijährige ab 1. August 2013 gewährleisten zu können.
Die Landesregierung geht davon aus, dass die Erfüllung des Rechtsanspruchs in 2013 gelingen wird und die erforderliche Anzahl an Betreuungsplätzen bis zum Beginn des nächsten Kindergartenjahres bereitsteht.
Nach Erreichen dieses wichtigen Ziels ist die Landesregierung offen dafür, in einem nächsten Schritt mit allen Beteiligten, insbesondere den verantwortlichen Kommunen, das Thema Qualitätsverbesserung auf die politische Agenda zu nehmen. Die Landesregierung wird hierzu in der gewohnten und bewährten Weise mit den kommunalen Spitzenverbänden Vorschläge zu einer Verbesserung der Personalstandards erörtern und ihre Realisierung überprüfen. Aufgrund der Haushaltssituation des Landes wie der Kommunen kann eine Qualitätsverbesserung in Kitas weder einseitig zulasten des Landeshaushalts noch einseitig zulasten der Kommunen erfolgen, noch kann sie ad hoc für alle Formen der Betreuung von der Krippe bis zum Hort gleichzeitig umgesetzt werden.
Eine zusätzliche dritte Kraft in allen Gruppen bei einer ausschließlichen Landesfinanzierung (volle Konnexität) würde ein jährliches Finanzierungsvolumen in Höhe von rund 390 Millionen Euro erfordern.
Zu 1: Äußerungen von Parteien und Mitgliedern des Niedersächsischen Landtags bewertet die Landesregierung nicht. Im Übrigen wird auf die Vorbemerkung verwiesen.
Zu 2: Aufgrund der in den Vorbemerkungen dargestellten Prioritätensetzung war eine gleichzeitige Verbesserung der Personalstandards finanziell nicht darstellbar.
Zu 3: Zu den Mehrkosten für das Land bei einer Vollfinanzierung durch den Landeshaushalt wird auf die Vorbemerkungen verwiesen. Bei einer Ausgestaltung über ein Finanzierungsanreizsystem sind die Belastungen je nach Konkretisierung entsprechend geringer.
des Ministeriums für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration auf die Frage 65 der Abg. Miriam Staudte (GRÜNE)
Am 18. Oktober 2012 besuchte die Besuchskommission Weser-Ems Nord das „Haus Morgante“ in Wilhelmshaven und führte Gespräche mit den Bewohnerinnen und Bewohnern. Die Einrichtung mit 20 Bewohnern weist alle Merkmale eines Wohnheimes auf. So wurde von Regelungen wie Alkoholverbot, Schließzeiten des Hauseingangs, kontrollierter Medikamentenabgabe, Taschengeldauszahlung etc. berichtet, was üblicherweise typisch für Heimeinrichtungen ist. Trotz der Anzahl der Bewohnerinnen und Bewohner ist die Einrichtung jedoch nicht als Heim im Sinne des NHeimG klassifiziert. Daher finden auch keine Kontrollen der Heimaufsicht statt.
1. Welche Kriterien müssen nach Ansicht der Landesregierung erfüllt werden, um als Heim im Sinne des NHeimG klassifiziert zu werden?
2. Was spricht im Fall der Einrichtung „Haus Morgante“ gegen die Einordnung als Heim im Sinne des NHeimG?
3. Wie will die Landesregierung den Schutz und die Wahrung der Rechte der Bewohnerinnen und Bewohner des „Haus Morgante“ sicherstellen, wenn die Einrichtung nicht als Heim im Sinne des NHeimG klassifiziert ist bzw. wird?
Die Besuchskommission Weser-Ems Nord des Ausschusses für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung in Niedersachsen hat das „Haus Morgante“ in Wilhelmshaven am 18. Oktober 2012 unangemeldet besucht. Dem vorausgegangen waren Besuche in den Jahren 2008 und 2010. Die Besuchskommission hatte seinerzeit die Ansicht vertreten, dass es sich bei dem Betrieb um ein Heim im Sinne des Heimgesetzes des Bundes (HeimG) handele. Daraufhin wurde eine Prüfung durch die Stadt Wilhelmshaven als Heimaufsichtsbehörde sowie das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie (LS) veranlasst. Im Gegensatz zur Besuchskommission sind diese Behörden unabhängig voneinander zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich beim „Haus Morgante“ nicht um ein Heim im Sinne des HeimG gehandelt hat.
für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung in Niedersachsen vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration am 7. November 2011 um Beantwortung verschiedener Fragen gebeten, die Feststellungen der Besuchskommission betrafen. Diese Fragen wurden mit E-Mail vom 28. November 2012 beantwortet. Die Besuchskommission hat zudem mit Schreiben vom 12. November 2012 das LS um erneute Prüfung der Heimeigenschaft ersucht.
Bei der Beantwortung der Mündlichen Anfrage ist die im Rahmen des Artikels 24 Abs. 3 Satz 1 der Niedersächsischen Verfassung erforderliche Interessenabwägung im Hinblick auf erkennbare schutzwürdige Individualrechte der Mieterinnen und Mieter (z. B. Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 GG) sowie der Unternehmerin (z. B. Arti- kel 14 GG) in besonderer Weise zu beachten.
Zu 1. und 2: Die Kriterien zur Feststellung der Heimeigenschaft ergeben sich aus § 1 des Niedersächsischen Heimgesetzes (NHeimG).
Die Heimeigenschaft im Sinne des § 1 Abs. 2 NHeimG setzt u. a. voraus, dass Wohnraum sowie Betreuung, also Pflege und soziale Betreuung, aus einer Hand zur Verfügung gestellt oder vorgehalten werden. Typisch und kennzeichnend für ein Heim ist dabei, dass die Bewohnerinnen und Bewohner keinerlei Wahlfreiheit hinsichtlich Art und Umfang der durch das Heim erbrachten Leistungen haben, die so abzunehmen sind, wie sie angeboten werden (strukturelle Abhängigkeit).
Die Mieterinnen und Mieter im „Haus Morgante“ können demgegenüber nicht nur entscheiden, ob sie neben der Leistung der Vermietung weitere Dienstleistungsangebote in Anspruch nehmen wollen, sondern können auch Art und Umfang dieser Leistungen individuell vertraglich frei und unabhängig vom dort verwendeten Standardmietvertrag vereinbaren. Heimähnliche, auf eine strukturelle Abhängigkeit hindeutende Versorgungsstrukturen sind weder nach den rechtlichen noch nach den tatsächlichen Voraussetzungen erkennbar.
Das LS konnte nicht feststellen, dass im „Haus Morgante“ eine nicht selbstbestimmte Wohngemeinschaft gemäß § 1 Abs. 3 NHeimG betrieben
werde, weil es bereits an der dafür erforderlichen Haushaltsgemeinschaft fehlt. Es gibt weder eine (organisierte) Tagesstruktur, gemeinschaftliche Aktivitäten oder eine gemeinsame Freizeitgestaltung der Mieterinnen und Mieter noch gemeinschaftlich genutzte oder konsumierte Verbrauchsgüter. Dementsprechend gibt es auch keine Regelungen über gemeinsame Entscheidungs- und Mitsprachestrukturen, finanzielle Vereinbarungen oder eine gemeinsame Haushaltskasse.
Die zuständige Heimaufsichtsbehörde hat festgestellt, dass das Angebot des „Hauses Morgante“ gelegentlich auch von Handwerkern genutzt wird, die sich in der Region auf Montage befinden.
Das Unternehmen betreibt ebenfalls keine Form des betreuten Wohnens, die gemäß § 1 Abs. 5 NHeimG unter den Schutzbereich des Gesetzes fällt. Es besteht weder eine rechtliche noch eine tatsächliche Verpflichtung der Mieterinnen und Mieter, über allgemeine Betreuungsleistungen hinausgehende Leistungen von einem bestimmten oder von vornherein feststehenden Anbieter abzunehmen. Alle angebotenen Dienstleistungen des Unternehmens sind frei wählbar. Sie sind weder tatsächliche noch rechtliche Voraussetzung zum Abschluss eines Mietvertrages. Eine Kündigung einzelner oder aller Dienstleistungsverträge hat keinerlei Auswirkungen auf den Bestand des Mietvertrages selbst. Das Gleiche gilt hinsichtlich der Abnahme von Verpflegung.
Zu 3: Wenn ein Betrieb nicht unter den Anwendungsbereich des NHeimG fällt, geht der Landesgesetzgeber davon aus, dass für die „Bewohnerinnen und Bewohner“ - im vorliegenden Fall richtiger Weise „Mieterinnen und Mieter“ - kein Schutzbedarf im Sinne der heimrechtlichen Regelungen besteht. Staatlicher Schutz von Rechten und deren Wahrnehmung ist zugleich immer mit staatlicher Kontrolle verbunden. Es sind keine Gründe erkennbar, die es geboten erscheinen lassen, den Schutz von Mieterinnen und Mietern des „Hauses Morgante“ sicherzustellen. Nach Feststellung der zuständigen Heimaufsichtsbehörde bedürfen diese Personen auch nicht des Schutzes und haben auch nicht erkennbar darum nachgesucht. Letztlich liegen derzeit keine Erkenntnisse darüber vor, dass die Mieterinnen und Mieter oder deren Betreuerinnen und Betreuer - soweit solche bestellt sind - nicht in der Lage wären, die Wahrung ihrer Rechte selbst wahrzunehmen. Im Übrigen gelten die allgemeinen Schutzbestimmungen der Rechtsordnung.