Protocol of the Session on December 7, 2012

Verschiedene Tageszeitungen und der Spiegel berichteten Mitte November erneut über die Herkunft der Details aus den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen den ehemaligen Bundespräsidenten Wulff. Die Neue Presse berichtete am 19. November über das Protokoll der Vernehmung von Christian Wulff vom 29. Juni 2012, dessen Inhalt schon am 13. August (Focus) und am 20. August (Spiegel und Focus) detailliert „ausgebreitet“ wurde. Bereits zuvor habe das Protokoll den „kompletten Dienstweg“ durchlaufen und sei auf dem Schreibtisch von Justizminister Bernd Busemann gelandet, wie offensichtlich auch der Ministeriumssprecher bestätigt hat. Hieraus zieht die Neue Presse den Schluss, dass „die Akte aus den Kreisen von Justiz oder Landesregierung an die Öffentlichkeit gelangt sein“ könnte. Mittlerweile ist Strafanzeige gegen Unbekannt erhoben worden, wobei der Kreis der „Geheimnisträger“ zu groß sei, um einen Verdacht zu konkretisieren.

Ich frage die Landesregierung:

1. Warum hat sich der Justizminister das Protokoll der Vernehmung des ehemaligen Bundespräsidenten vom 29. Juni 2012 und gegebenenfalls weitere Ermittlungsergebnisse vorlegen lassen?

2. Wie viele Personen hatten die Möglichkeit, Einblick in das Protokoll bzw. in die weiteren Ermittlungsergebnisse auf dem Weg von der Staatsanwaltschaft Hannover zum Schreibtisch des Justizministers zu nehmen?

3. In wie vielen weiteren Fällen seit Februar 2008 hat sich Justizminister Busemann Vernehmungsprotokolle aus laufenden Ermittlungsverfahren vorlegen lassen?

Die Landesregierung hat am 27. September 2012 die Kleine Anfrage zur schriftlichen Beantwortung der Abgeordneten Johanne Modder (SPD) „Ermittlungen gegen Wulff und Glaeseker: Wie gelangen interne Kenntnisse an die Medien?“ (LT- Drs. 16/5249) beantwortet. Sie hat in ihrer Antwort ausführlich dargelegt, welche Stellen sowohl der Justiz als auch der Justizverwaltung Informationen aus den Ermittlungsverfahren sowohl gegen Wulff und Groenewold als auch gegen Glaeseker und Schmidt erhalten haben. Auf die vorstehend genannte Anfrage sowie die Antwort der Landesregierung wird daher hinsichtlich der nachfolgenden Fragen zu 2. und 3 Bezug genommen.

Ergänzend ist aufgrund des zwischenzeitlichen Fortgangs der Ermittlungen in den Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt und der seit dem 27. September 2012 erfolgten Medienberichterstattung noch auf Folgendes hinzuweisen:

Von den sechs Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt, die eingeleitet wurden, weil immer wieder Informationen und Erkenntnisse aus dem Ermittlungskomplex Wulff/Glaeseker den Medien zugeleitet worden waren, sind mittlerweile vier eingestellt worden. Aufgrund der Vielzahl der Personen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten Zugriff auf Informationen aus den Ermittlungsverfahren hatten, wegen der Zeugnisverweigerungsrechte von Journalisten und der Unzulässigkeit von Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Redaktionsräumen waren Erfolg versprechende Ermittlungsansätze nicht erkennbar.

Soweit in der vorliegenden mündlichen Anfrage auf die Berichterstattung des SPIEGEL Mitte November Bezug genommen wird, ist dazu anzumerken:

Die Berichterstattung im SPIEGEL vom 19. November 2012 enthält etliche Details aus der Einlassung Olaf Glaesekers, die der Staatsanwaltschaft Hannover selbst erst am 19. November 2012 bekannt geworden sind. Dort war diese Einlassung nämlich erst am Samstag, den 17. November 2012 und damit nicht zu Bürozeiten per Fax eingegangen. Dementsprechend berichtet die NWZ vom 21. November 2012:

„… So ging die 52-seitige Einlassung von Glaeseker zu den Vorwürfen gegen ihn erst am vergangenen Sonnabend per Fax ein. Eine Prüfung sei

noch nicht möglich gewesen, betonte Behördensprecher Hans-Jürgen Lendeckel. ‚Parallel wurden offenbar Medien zu der Einlassung informiert’, erklärte er. Die Staatsanwaltschaft will sich damit offenbar gegen zwei Vorwürfe gleichzeitig wehren. Zum einen, dass das Verfahren unnötig in die Länge gezogen wird. Man sei bei den Ermittlungen im Vergleich zu anderen Korruptionsverfahren um sieben Monate voraus, hieß es. Zum anderen geht es um den Verdacht, der ‚Maulwurf’, der vertrauliche Akten an die Medien weitergibt, komme aus den Reihen der Justiz. Die Agenturmeldung parallel zum Eingang der Glaeseker-Einlassung deutet in der Tat auf eine andere Quelle hin. …“

Die Landesregierung hat sich im Übrigen in dem Gesamtkomplex auch nach dem 27. September 2012 keine Ermittlungsakten im Original oder als Aktendoppel vorlegen lassen, sondern lediglich Berichte, in Einzelfällen auch unter Beifügung von Aktenbestandteilen in Kopie, erhalten.

Soweit bereits bei Beantwortung der Kleinen Anfrage der Abgeordneten Modder auf die in § 147 des Gerichtsverfassungsgesetzes gesetzlich normierte Dienstaufsicht abgestellt worden war, ist - auch mit Blick auf die Entscheidung des Staatsgerichtshofs vom 22. Oktober 2012 wegen Auskunftserteilung gemäß Artikel 24 Abs. 1 der Niedersächsischen Verfassung (StGH 1/12), nach der zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen äußerst sorgfältig recherchiert werden muss - noch ausdrücklich auf Folgendes hinzuweisen: Die Landesregierung ist nicht nur berechtigt, sondern im Falle der Beantwortung parlamentarischer Anfragen sogar ausdrücklich verpflichtet, sich gründlich über die in Rede stehenden Themen zu informieren. Insofern wurde die niedersächsische Landesjustizverwaltung in ihrer vor wie nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofs geübten Praxis bestätigt, sich in bedeutsamen Verfahren von politischer Relevanz, die auch den Landtag beschäftigen, berichten zu lassen.

Die „Causa Wulff“ wurde seit Januar 2012 nahezu in jeder Plenarwoche thematisiert. Auch wenn das Niedersächsische Justizministerium zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen zumeist nicht federführend zuständig und häufig nur am Rande betroffen war, so war es dennoch Aufgabe und Pflicht des Niedersächsischen Justizministers, sich

jeweils auf entsprechende, möglicherweise auch an ihn gerichtete oder zu richtende Fragen sorgfältig vorzubereiten, um im Landtag zutreffende Antworten geben zu können.

Dies vorangeschickt, beantworte ich die Fragen im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Siehe Vorwort.

Zu 2: Siehe Vorwort, insbesondere Vorwort zur Anfrage der Abgeordneten Modder.

Zu 3: Auf der Grundlage der geltenden Allgemeinen Verwaltungsvorschrift vom 8. Oktober 2007 des Niedersächsischen Justizministeriums über die Berichtspflichten in Straf- und Bußgeldsachen („Berichts-AV“, 4107 - S2.27) , VORIS 33200, berichten die elf niedersächsischen Staatsanwaltschaften dem Justizministerium in Strafsachen, die in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht von außergewöhnlicher Bedeutung sind. Es wird statistisch nicht erfasst, in wie vielen Fällen der vom 1. Februar 2008 bis zum 3. Dezember 2012 eingeleiteten 2 183 058 Ermittlungsverfahren in ganz Niedersachsen (Verfahren gegen Unbekannt sind in diesen Zahlen nicht enthalten) dies der Fall ist.

In der Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2012 sind in der Strafrechtsabteilung des Niedersächsischen Justizministeriums 5 521 neue Berichts- und Beschwerdevorgänge angelegt worden. Eine händische Durchsicht nach darin enthaltenen Vernehmungsprotokollen ist innerhalb der zur Beantwortung einer Mündlichen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht leistbar, zumal Vernehmungsprotokolle - in geschwärzter Form - auch darüber hinaus in Generalvorgängen (diese sind nicht von vorstehend genanntem Zahlenwert er- fasst) enthalten sein können bzw. enthalten sind.

Anlage 61

Antwort

des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 63 der Abg. Ursula Helmhold und Helge Limburg (GRÜNE)

Der Fall „Bernd Kirchner“ - „Unkooperatives Verhalten“ Kirchners und Beibringung von Ausbildungsunterlagen

Die Landesregierung teilt in ihrer Antwort auf Frage 1 der Mündlichen Anfrage der Abgeordneten Helge Limburg und Ursula Helmhold „Der Fall ‚Bernd Kirchner’/Maßnahmen des Zeugenschutzes“ vom 30. Oktober 2012 zum Themenkomplex um den ehemaligen V-Mann G06 „Bernd Kirchner“ mit, dass Herr Kirchner „ durch

sein Verhalten nahezu während der gesamten Zeit in den Jahren 2004 bis 2011 eine Durchführung sowohl von Zeugenschutzmaßnahmen als auch von gefahrenabwehrenden Schutzmaßnahmen unmöglich gemacht“ habe. Dabei stütze sie sich auf ihr vorliegende Berichte des Landeskriminalamtes Niedersachsen und der Polizeidirektion Hannover.

Im Weiteren wird auf die Modalitäten und Vereinbarungen zur (Neu-)Beschaffung von Ausbildungsunterlagen und Zeugnissen eingegangen, die laut Herrn Kirchner bei seinem im Jahre 2007 stattgefundenen Umzug aus einem verplombten Container verschwunden seien. Herr Kirchner gibt dazu an, dass er sowohl gegenüber der Polizei Hannover als auch gegenüber den Beamten des Zeugenschutzes Hannover seinen gesamten Lebenslauf und beruflichen Werdegang zum Zwecke der Rekonstruktion der Unterlagen angegeben habe. Diese sei jedoch nicht dementsprechend tätig geworden. Nach Aussage der Landesregierung habe Herr Kirchner jedoch keine entsprechenden Angaben gemacht. Polizeibeamte, welche unmittelbaren Kontakt zu Herrn Kirchner hatten, bestätigen die Darstellung von Herrn Kirchner.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Beispiele für konkrete Verhaltensmerkmale oder Handlungsweisen seitens Herrn Kirchners sind in den der Landesregierung vorliegenden Berichten des Landeskriminalamtes Niedersachsen bzw. der Polizeidirektion Niedersachsen aufgeführt, die offenbar dazu führen oder führten, das allgemeine „Verhalten“ Herrn Kirchners so zu charakterisieren, dass es eine Durchführung sowohl von Zeugenschutzmaßnahmen als auch von gefahrenabwehrenden Schutzmaßnahmen in den Jahren 2004 bis 2011 unmöglich gemacht habe?

2. Aufgrund welcher Erkenntnisse kam die Landesregierung zu der Aussage, Herr Kirchner habe keine näheren Angaben zu seinem Lebenslauf zum Zwecke der Rekonstruktion der Unterlagen gemacht?

3. Welche konkreten Verbesserungen für die Lebenssituation von Herrn Kirchner haben sich bislang aus den Unterstützungsmaßnahmen der Landesregierung ergeben?

Zunächst verweise ich auf die Antwort zu der Mündlichen Anfrage Nr. 48 des Abgeordneten Helge Limburg (GRÜNE) „Der Fall ‚Bernd Kirchner’/Maßnahmen des Zeugenschutzes“ zu TOP 47 der 150. Sitzung des Niedersächsischen Landtages am 9. November 2012.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich auf Grundlage der Berichterstattung der Polizeidirektion Hannover die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Herr Kirchner wurde im Jahr 2004 in das Zeugenschutzprogramm der Polizeidirektion (PD)

Hannover aufgenommen, weil aufgrund seiner Tätigkeit als Vertrauensperson für ihn eine Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit bestand. Dabei zielten die Maßnahmen des Zeugenschutzes und der sich anschließenden gefahrenabwehrenden Maßnahmen insbesondere darauf ab, für die Dauer der Gefährdung zu gewährleisten, dass ein Rückschluss auf die neue Identität sowie den Aufenthaltsort des Herrn Kirchner ausgeschlossen ist.

Das den Erfolg der dazu getroffenen polizeilichen Maßnahmen gefährdende Verhalten des Herrn Kirchner wird exemplarisch an folgenden drei Beispielen verdeutlicht:

a) Das Zeugenschutzkonzept der PD Hannover sah im Jahr 2004 eine Wohnsitzverlagerung in ein anderes Bundesland vor. Dazu wurde unter Mitwirkung des Herrn Kirchner eine Wohnung in Nordrhein-Westfalen ausgewählt. Für eine vierwöchige Anmietung wurde Herrn Kirchner der Betrag von 600 Euro überwiesen. Als die Beamten der Zeugenschutzdienststelle dessen Mutter in Niedersachsen aufsuchten, um dort einige Kartons seiner vorherigen Unterkunft unterzubringen, trafen die Beamten auf Herrn Kirchner, der dort offensichtlich wohnte. Recherchen am vereinbarten Unterkunftsort in Nordrhein-Westfalen ergaben, dass Herr Kirchner sich dort nur kurzzeitig aufgehalten hatte.

b) Herr Kirchner nahm immer wieder Kontakt zu den Medien auf und stellte hierbei wiederholt eine Verbindung zwischen seiner Tätigkeit als ehemalige Vertrauensperson sowie seinem ehemaligen Namen und Aufenthaltsort einerseits und seinem aktuellen Namen und Aufenthaltsort andererseits her. So ließ er sich beispielsweise im Jahr 2005 unter Angabe seiner ehemaligen Identität (Bernd K.) und seines Alters für die BILD-Zeitung im Mantel und Hut abbilden.

c) Herr Kirchner suchte außerdem den Kontakt zu politischen Interessenvertretern und stellte auch hier immer wieder Bezüge zwischen seiner alten und seiner neuen Legende her. Diese sicherheitsrelevanten Informationen haben einen für die Polizei nicht mehr nachvollziehbaren Personenkreis erreicht. So liegt beispielsweise dem Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport eine Mitteilung eines Abgeordneten der Partei DIE LINKE aus dem Jahr 2010 an das Niedersächsische Justizministerium vor, in der offen die neue und alte Identität von Herrn Kirchner genannt werden.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass Herr Kirchner es durch sein Verhalten ermöglicht hat, dass ein Rückschluss auf seine neue Identität sowie seinen neuen Aufenthaltsort möglich war bzw. ist und er den Erfolg der polizeilichen Maßnahmen gefährdet hat.

Zu 2: Wie bereits in der Antwortung zu der Mündlichen Anfrage Nr. 48 „Der Fall ‚Bernd Kirchner’/Maßnahmen des Zeugenschutzes“ am 9. November 2012 dargestellt, hat Herr Kirchner Informationen zur Ersatzbeschaffung von Ausbildungsunterlagen für seine Ehefrau und sich der PD Hannover lediglich telefonisch übermittelt. Schriftliche Unterlagen hat er der PD Hannover nicht überreicht.

Zu 3: Grundsätzlich ist zu den Maßnahmen des Zeugenschutzes bzw. zu gefahrenabwehrenden Schutzmaßnahmen zu bemerken, dass diese immer auch mit gewissen Einschränkungen der Lebensqualität verbunden sind. Diese stehen jedoch, bezogen auf die Gefährdungssituationen der schutzwürdigen Personen, nicht außer Verhältnis zu dem verfolgten Schutzzweck.

Herr Kirchner war im Zeitraum 2000 bis 2003 als Vertrauensperson für die PD Hannover tätig. Nach Beendigung der Tätigkeit als Vertrauensperson, für die er 15 000 Euro als Entlohnung erhielt, befand sich Herr Kirchner von Juni 2004 bis Januar 2005 im Zeugenschutzprogramm der Polizeidirektion Hannover, woran sich gefahrenabwehrende Schutzmaßnahmen und Unterstützungsmaßnahmen der Polizei anschlossen.

Während des gesamten Betreuungszeitraums wurden Herrn Kirchner umfangreiche Maßnahmen zuteil, wobei auch seine persönlichen Wünsche und Interessen berücksichtigt wurden. Neben der Ausstellung entsprechender Ausweisdokumente wurden identitätsabdeckende Maßnahmen im erforderlichen Umfang veranlasst. Die Suche nach einem angemessenen und sicheren Wohnort sowie die Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt standen ebenfalls im Fokus der Maßnahmen. Darüber hinaus wurde Herrn Kirchner fortwährend ein polizeilicher Ansprechpartner zur Verfügung gestellt.

Die Maßnahmen der Polizei umfassen die persönliche, soziale und wirtschaftliche Situation von Herrn Kirchner. Neben Gesprächen mit einem Sozialwissenschaftler, der Agentur für Arbeit und einem Fachanwalt werden auch Gespräche mit den zuständigen Ausländerbehörden geführt. Diese Maßnahmen waren und sind darauf ausgerichtet, die Lebenssituation von Herrn Kirchner nach

haltig zu verbessern. Entscheidend dafür ist jedoch die konstruktive Mitwirkung des Herrn Kirchner, insbesondere bei der Arbeitssuche und -aufnahme.

Anlage 62

Antwort

des Kultusministeriums auf die Frage 64 der Abg. Miriam Staudte (GRÜNE)

Wann kommt die dritte Kraft in den Kinderkrippen?