Protocol of the Session on December 7, 2012

Antwort

des Kultusministeriums auf die Frage 49 der Abg. Karl-Heinz Klare, Dr. Karl-Ludwig von Danwitz, Karin Bertholdes-Sandrock, Ursula Ernst, Lothar Koch, Anette Meyer zu Strohen, Kai Seefried und Astrid Vockert (CDU)

Weit über 100 Anrufe bei der Anlaufstelle für Opfer und Fragen sexuellen Missbrauchs und Diskriminierung in Schulen und Tageseinrichtungen für Kinder - Ein Erfolg für den Kinder- und Jugendschutz?

Am 3. September 2012 wurde die landesweite Anlaufstelle für Opfer und Fragen sexuellen Missbrauchs und Diskriminierung in Schulen und Tageseinrichtungen für Kinder des Kultusministeriums in Betrieb genommen. Die Anlaufstelle ist Ansprechpartner sowohl für Kinder und Jugendliche, Eltern, örtliche Beratungsstellen, Lehrkräfte, pädagogische Fachkräfte als auch für andere Personen und Stellen, die mit sexueller Gewalt, Übergriffen oder Diskriminierung unmittelbar oder mittelbar konfrontiert worden sind.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche Maßnahmen hat das Kultusministerium ergriffen, um auf die Anlaufstelle aufmerksam zu machen?

2. Welche Vorteile haben die Opfer sowie andere Personen und Stellen von einer zentralen Anlaufstelle im Kultusministerium?

3. Welche Vorsorge hat die Landesregierung neben der Einrichtung der Anlaufstelle zwischenzeitlich getroffen, um den Schutz von Kindern und Jugendlichen effektiv zu gewährleisten?

Der Schutz von Kindern ganz allgemein, im Besonderen aber vor Missbrauch ebenso wie vor Misshandlungen und Vernachlässigung hat für die Landesregierung höchste Priorität. Dazu wurden in den letzten Jahren gesetzliche und untergesetzliche Regelungen getroffen. Ziel ist es, Opfern bessere Hilfe und Unterstützung geben zu können und durch gezielte Prävention Missbrauch und Diskriminierung zu verhindern.

Die unabhängige Anlaufstelle im Niedersächsischen Kultusministerium ist fester Bestandteil der staatlichen Maßnahmen und ergänzt die bestehenden Möglichkeiten zur Verhinderung von und zum Umgang mit sexuellem Missbrauch und Diskriminierung mit dem Fokus auf Schulen und Kindertagesstätten.

Zum Thema „Sexueller Missbrauch“ werden Schulleitungen und Lehrkräfte von der Niedersächsischen Landesschulbehörde beraten mit dem Ziel, den Blick zu schärfen, nicht wegzusehen, eventuellen Verdachtsmomenten unverzüglich nachzugehen und durch Wachsamkeit und Präsenz Problemsituationen erst gar nicht entstehen zu lassen, bzw. durch unverzügliches Handeln Leid für schutzbefohlene Kinder zu verhindern.

Zu den bestehenden Möglichkeiten zur Verhinderung von und zum Umgang mit sexuellem Missbrauch und Diskriminierung mit dem Fokus auf Schulen und Kindertagesstätten ist eine schonungslose Aufklärung geboten. Die Aufarbeitung von sexuellen Missbrauchsfällen und Gewalthandlungen in Schulen und schulnahen Einrichtungen hat für diese Landesregierung höchste Priorität.

Die Telefonhotline und die E-Mail-Erreichbarkeit der Anlaufstelle bieten Opfern, Personen, die Vorfälle anzeigen möchten oder Beratung im Umgang mit Krisensituationen erbitten, schnelle und unbürokratische Hilfe. Das Angebot der Anlaufstelle wurde in den vergangenen Monaten von über 170 Anrufern angenommen. Schwerpunktthema in den Kontakten zur Anlaufstelle ist nach gegenwärtigem

Stand Diskriminierung. Anzahlmäßig geringer fällt die Kontaktaufnahme zur Anlaufstelle zum Thema sexueller Belästigung bzw. sexueller Missbrauch aus. Im Bereich der Prävention sind Beratungsanfragen von Opfern, Eltern, Schulleitungen und Lehrkräften im Umgang mit solchen Fällen sehr zahlreich.

Die bisherige Bilanz der Anlaufstelle kann als sehr positiv bewertet werden. Die Rückmeldungen der Anruferinnen und Anrufer zeigen deutlich, dass sie sich bei der Anlaufstelle gut aufgehoben fühlen und ihre Anliegen ernst genommen werden, eine fachlich umfassend kompetente Klärung des Beratungs- und Hilfebedarfs erfolgt und die Vernetzung und Rückmeldungspraxis in der Zusammenarbeit mit der Landesschulbehörde gut angelaufen ist.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1: Die Anlaufstelle wurde durch zahlreiche Maßnahmen der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Im Rahmen einer Pressekonferenz wurde im Juli die Konzeption der Anlaufstelle erläutert und insbesondere deutlich gemacht, dass sich alle, die im Bereich Schule oder Kindertagesstätte tätig, betreut bzw. beschult werden, mit ihren Anliegen an die Anlaufstelle wenden können. Des Weiteren wird auf der Homepage des Kultusministeriums auf das Angebot der Anlaufstelle aufmerksam gemacht. Zu Beginn des Schuljahres habe ich zudem alle Schulleitungen mit einem Anschreiben über die Einrichtung der Anlaufstelle informiert und ein Informationsschreiben für Eltern mit der Bitte beigefügt, dieses im Rahmen der Elternabende zu verteilen. Im Vorwort des Schulverwaltungsblattes November habe ich außerdem auf einen Wettbewerb aufmerksam gemacht, zu dem auch durch ein dem Schulverwaltungsblatt beiliegendes Plakat zur Teilnahme aufgerufen wurde. Mit dem Wettbewerb um ein Logo und einen Namen soll die Arbeit der Anlaufstelle Schülerinnen und Schülern näher gebracht und auf das Hilfsangebot aufmerksam gemacht werden. Der Wettbewerb eignet sich insbesondere für einen Projekttag zum Thema „Missbrauch und Diskriminierung“, um präventiv auf die Themenbereiche aufmerksam zu machen. Vielfältig haben Schulen die unabhängige Anlaufstelle bereits in ihre Internetangebote aufgenommen - also die Verlinkung zur Homepage des Kultusministeriums hergestellt.

Die Anlaufstelle hat ihre Konzeption außerdem auf dem Niedersächsischen Präventionstag, auf einer

Fachtagung des Sozialministeriums für Beratungsstellen und den Dienstbesprechungen der Studienseminare vorgestellt. In Planung ist momentan eine Vorstellung der Anlaufstelle bei den Beratungslehrkräften.

Zu 2: Die Opfer und Personen haben zum einen die Möglichkeit, sich anonym bei der Anlaufstelle zu melden, und zum anderen bietet die direkte Anbindung der Anlaufstelle beim Minister und beim Staatssekretär schnelle Möglichkeiten des Handelns und damit der unverzüglichen Hilfe. Zudem gibt es die Möglichkeit, dass die Anlaufstelle die Einleitung von Disziplinarverfahren gegenüber der Hausspitze anregt.

Zu 3: Das Land fördert seit Langem eine landesweite Infrastruktur von Anlauf- und Beratungsstellen für Opfer von Missbrauch. Dazu gehören 20 Beratungsstellen im Bereich Gewalt gegen Kinder, die Kriseninterventions- und Beratungsangebote u. a. für von (sexueller) Gewalt betroffene Kinder, Jugendliche und deren Eltern vorhalten. Ebenfalls vom Land gefördert werden 38 Gewaltberatungsstellen und Notrufe sowie Beratungsstellen gegen häusliche Gewalt und (sexuellen) Missbrauch sowie drei Mädchenhäuser und zwei Kinderschutzzentren.

Bei diesen Einrichtungen nimmt die Arbeit mit von (sexueller) Gewalt betroffenen Kindern und Jugendlichen einen hohen Stellenwert ein. Sie halten neben offenen Sprechstundenangeboten ein breit gefächertes Beratungsangebot sowie die Vermittlung von weiterführenden Hilfen bereit. Viele dieser Beratungsstellen machen im Rahmen ihrer Aufgabenerledigung auch Präventionsarbeit zu (sexuel- lem) Missbrauch. Sie arbeiten dabei eng mit Schulen durch Beratung und regelmäßige Kontakte sowie Angebote von Projekten zusammen. Beispielhaft sei hier das Projekt „Ich bin ich, du bist du und das sind wir“ zur Prävention von sexueller Gewalt an Kindern des Kinderschutzzentrums Oldenburg genannt, das in Zusammenarbeit mit Grundschulen durchgeführt wird, und der Präventionskoffer für die Arbeit in Kindergruppen und Schulklassen, den die Fachberatungsstelle Violetta in Hannover Kindertagesstätten und Schulen zur Verfügung stellt.

Das Beratungs- und Unterstützungssystem der Niedersächsischen Landesschulbehörde (NLSchB) und darüber hinaus die Krisen- und Notfallteams in allen Regionalabteilungen der NLSchB stehen den Schulen bei der Bewältigung von Krisen unterschiedlichsten Ausmaßes zur Seite und sind auch

bei Fällen von sexuellem Missbrauch Ansprechpartner.

Wesentlich für den effektiven Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Missbrauch und Diskriminierung ist die Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen unseres Landes. Lehrkräfte müssen in der Lage sein, das Verhalten von Kindern und Jugendlichen differenziert und sensibel zu beobachten und zu reagieren. Bedeutsam ist aus diesem Grund, dass Lehrkräfte bereits in der Ausbildung auf diese Aufgaben vorbereitet werden.

In der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst aus dem Jahr 2010 wird geregelt, welche Kompetenzen Lehrkräfte während der Ausbildung in den Studienseminaren erwerben bzw. erweitern müssen. Derzeit wird eine Änderungsverordnung vorbereitet, die den Vorbereitungsdienst den aktuellen Ausbildungsgesichtspunkten anpassen soll. Zum Beispiel wird die Ausbildung künftiger Lehrerinnen und Lehrer den Anforderungen angepasst, die sich durch die Einführung der inklusiven Schule ergeben.

In Bezug auf den Schutz vor sexuellem Missbrauch und Diskriminierung soll die folgende Ergänzung der erforderlichen Kompetenzen erfolgen: „Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst kennen die gesetzlichen Grundlagen des Kinder- und Jugendschutzes und werden fallbezogen ihrer Fürsorge- und Beratungspflicht gerecht.“

Es ist Aufgabe der Studienseminare, den Lehrkräften im Vorbereitungsdienst Lern- und Handlungsmöglichkeiten zu schaffen, dass die notwendigen Kompetenzen erworben werden können, um präventiv und im Bedarfsfall auch über Interventionen zielgerichtet Schritte zum Wohl der Kinder und Jugendlichen unternommen werden.

Die Änderungsverordnung soll im kommenden Jahr rechtskräftig werden.

Anlage 49

Antwort

des Kultusministeriums auf die Frage 50 der Abg. Karl-Heinz Klare, Dr. Karl-Ludwig von Danwitz, Karin Bertholdes-Sandrock, Ursula Ernst, Lothar Koch, Anette Meyer zu Strohen, Kai Seefried und Astrid Vockert (CDU)

Ausbau der Kinderbetreuung - Welche Vorteile bringt die Anpassung der RAT-Richtlinie für die niedersächsischen Kommunen?

Im Rahmen des Fiskalpaktes haben sich der Bund und die Länder geeinigt, dass der Bund die Länder mit zusätzlichen Investitionsmitteln in Höhe von insgesamt 580 Millionen Euro beim Ausbau der Kinderbetreuung unterstützt. Die niedersächsischen Kommunen können einen Anteil von rund 55 Millionen Euro beanspruchen.

Das Kultusministerium hat mit Runderlass vom 1. November 2012 diese zusätzlichen Mittel an die bereits bestehende Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen für den Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren (RAT) angebunden. Die sogenannte RATRichtlinie hat bislang die Rahmenbedingungen für die Verteilung der Investitionsmittel aus dem landeseigenen Förderprogramm der Landesregierung in Höhe von über 53 Millionen Euro an die Kommunen geregelt.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie bewertet die Landesregierung die Entwicklung des Ausbaus der Kinderbetreuungseinrichtungen seit der Regierungsübernahme 2003?

2. In welcher Höhe wurden bislang Mittel aus dem laufenden RAT-Programm bewilligt?

3. Welche Vorteile erhalten die niedersächsischen Kommunen durch die Richtlinienanpassung zum 1. November 2012?

Die Niedersächsische Landesregierung steht zu ihren Verpflichtungen aus dem Krippenpakt. Sie unternimmt alle Anstrengungen, um den Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder im Alter von unter drei Jahren sicherzustellen. Zunächst förderte sie aus eigenen und aus Mitteln des Bundes den Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder im Alter von unter drei Jahren nach der Richtlinie Investitionen Kinderbetreuung. 245 Millionen Euro sind seit dem Jahr 2008 in die Haushalte der Träger von Kindertageseinrichtungen geflossen. Hinzu kommen die Leistungen in Millionenhöhe der niedersächsischen Kommunen.

Ziel war, entsprechend der landesinternen Vereinbarung mit den kommunalen Spitzenverbänden zunächst die Fördermittel des Bundes mit relativ geringen Eigenanteilen auszuschöpfen und zudem verstärkt die später und dauerhaft anfallenden Personalkosten stark zu bezuschussen. Etwaige weiter erforderliche Plätze sollten dann mit Landesmitteln unterstützt werden. Zu diesen Zusagen steht die Landesregierung.

Niedersachsen hat bereits mehr als 99 % seines Bundesbudgets belegt. Hierauf baute ergänzend

die landeseigene Richtlinie Ausbau Tagesbetreuung RAT Förderung auf. Nunmehr stellt der Bund weitere zusätzliche Mittel in Höhe von 54,7 Millionen Euro aus der innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalpaktes für Niedersachsen zur Verfügung.

Das Land reicht diese zusätzlichen Mittel, die den Ländern nach Zustimmung des Bundesrates am 14. Dezember 2012 vom 1. Januar 2013 an zur Verfügung stehen werden, bereits heute an die Kommunen weiter. Die RAT wurde rückwirkend zum 1. Juli 2012 geändert und die Förderbeträge pro Betreuungsplatz in Krippe und Tagespflege erhöht.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich namens der Landesregierung die Fragen im Einzelnen wie folgt:

Zu 1: Der Ausbau von Betreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren war viel zu lange kein zentrales politisches Thema. Dies hat sich seit 2003 deutlich verändert und spiegelt sich in den gestiegenen Betreuungsquoten wider. Wurden laut Kinder- und Jugendhilfestatistik im Dezember 2002 in einer Tageseinrichtung und/oder in der Tagespflege erst 5 335 Kinder im Alter von unter drei Jahren in Niedersachsen betreut, waren es zum 1. März 2012 bereits 42 128 Kinder. Dies entspricht einer Steigerung der Betreuungsquote von 2,3 % auf inzwischen 22,3 %. Zudem wurden seit März 2012 mehr als 10 000 Betreuungsplätze bewilligt, die den Kindern und ihren Eltern spätestens mit dem Inkrafttreten des Rechtsanspruchs zum 1. August 2013 zur Verfügung stehen. Damit kann bereits aktuell für rund 28 % der Kinder ein Betreuungsangebot gewährleistet werden. Da der Rechtsanspruch sich an Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr richtet, beträgt, bezogen auf die Ein- bis Dreijährigen, das Betreuungsangebot sogar 38 %. Vor dem Hintergrund der aktuellen Ausbaudynamik hat die Landesregierung keinen Zweifel, das angestrebte Ausbauziel von 62 000 Betreuungsplätzen zu erreichen.

Zu 2: Aus dem RAT-Programm wurden bisher rund 15,25 Millionen Euro bewilligt, mit denen rund 2 500 neue Betreuungsplätze gefördert wurden. Darüber hinaus liegen Anträge für über 3 350 neue Plätze mit einem Volumen von über 25,5 Millionen Euro vor. Zahlreiche Kommunen hatten ihre Anträge kurzfristig zurückgezogen und sie nun unter verbesserten Förderkonditionen erneut gestellt.

Zu 3: Die niedersächsischen Kommunen profitieren von höheren Förderbeträgen für jeden neuen, vom 1. Juli 2012 an geschaffenen Betreuungs

platz. Ein neuer Krippenplatz wird nunmehr mit 7 700 Euro (statt 7 000 Euro) und ein neuer Tagespflegeplatz mit 2 550 Euro (statt 2 100 Euro) gefördert. Voraussetzung ist, dass Ausgaben für einen Krippenplatz in Höhe von mindestens 10 000 Euro und für einen Tagespflegeplatz in Höhe von mindestens 3 350 Euro entstehen.

Die zunächst vorgesehene Absenkung der Förderung zum 1. Januar 2013 auf 5 250 Euro für einen Krippenplatz und auf 1 575 Euro für einen Tagespflegeplatz wurde zurückgenommen. Es bleibt bei den neuen hohen Förderbeträgen.