Aber da ich davon überzeugt bin, dass es bei Ihnen nichts nützt, aber sehr wohl davon überzeugt bin nach der Rede - - -
(Jens Nacke [CDU]: Diese permanen- ten Bewerbungsreden für den Frakti- onsvorsitz sind unerträglich! Sie sind abgewählt! Sie Möchtegern-Kandi- dat!)
Meine Damen und Herren, der Präsident, der vorhin die Sitzung geleitet hat, hat Sie schon angesprochen. Ich würde es wirklich gut finden, wenn Herr Lies jetzt zu Ende reden kann. Sonst müsste ich mir irgendetwas überlegen. - Herr Lies!
Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, weil wir heute sicherlich nicht auf den Weg kommen, was sehr schade ist, bin ich sehr daran interessiert, was der Kollege Toepffer gleich in seiner Rede formuliert und ob zumindest deutlich wird, dass es eine Notwendigkeit gibt, einen Mindestlohn für dieses Land zu definieren, damit es endlich einen klaren Weg gibt, einen branchenübergreifenden, gesetzlichen, flächendeckenden Mindestlohn zu definieren, und dass man mit dem Weg, den die Thüringer - ich gebe zu, in einer Großen Koalition - gegangen sind, auf einem richtigen Weg ist. Seien Sie sicher: Sie lehnen es heute ab, aber Rot-Grün wird es nach dem 20. Januar bestätigen und umsetzen.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen, dass die Landesregierung mit dem Entschließungsantrag der SPD aufgefordert wird, den Thüringer Entwurf eines Gesetzes über die Festlegung eines Mindestlohns im Bundesrat zu unterstützen. Mit der Thüringer Initiative besteht die Chance, dass sich ein Verfassungsorgan für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns für alle Branchen einsetzt.
Bei dem Vorstoß aus Thüringen - in Thüringen regieren, wie schon gesagt, CDU und SPD in einer Großen Koalition - handelt es sich um den bisher ernsthaftesten Versuch zur Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns, den es bisher gab. Neben Thüringen haben das Saarland und aktuell auch Sachsen-Anhalt ihre Zustimmung signalisiert, neben den Ländern mit einer SPDGrünen- oder mit einer SPD-Linken-Regierung.
Positiv hervorzuheben ist, dass es tatsächlich um einen flächendeckenden Mindestlohn geht, der keine Abweichung per Tarifvertrag nach Branche oder Region nach unten zulässt.
Offen ist angesichts der Übertragung auf eine Kommission die Höhe des Mindestlohns. Als harte Richtlinie wird im Gesetzestext lediglich die Existenzsicherung für Vollzeitbeschäftigte genannt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, so lobenswert die Thüringer Initiative ist, so ist allerdings auch offensichtlich, dass sie der Wirklichkeit hinterherläuft. Unser Änderungsantrag will das einfach korrigieren.
Denn laut einer Definition der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit - OECD - liegt die Niedriglohnschwelle bei zwei Dritteln des mittleren Bruttostundenlohns. Aktuelle Zahlen besagen, dass derzeit in den alten Bundesländern 9,50 Euro nötig sind, um oberhalb der Armutsgrenze zu liegen.
Armutsgrenze liegt. Darum appelliere ich an Sie: Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu! Wenn Sie sagen „Wir sind dafür, dass Menschen von ihrem Lohn leben können“, muss der Lohn oberhalb der Armutsgrenze liegen; denn nur mit einem solchen Lohn kann man auskömmlich leben und hat man die Möglichkeit, im Alter mit seiner Rente nicht unter die Armutsgrenze zu fallen. Darum: 10 Euro! Stimmen Sie unserem Änderungsantrag zu!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Kollege Lies, über die Einführung eines Mindestlohns haben wir hier in der Tat häufig gesprochen und gestritten, auch sehr engagiert. Aber lassen Sie mich aus gegebenem Anlass zu Beginn noch einmal klarstellen: Wir sind in der Tat der Auffassung, dass jedermann mit dem, was er als Lohn nach Hause bringt,
in der Lage sein sollte, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Das entspricht der Würde des Menschen, und das entspricht unserem christlichen Menschenbild.
Das ist auch keine ganz neue Erkenntnis. Es ist im Prinzip doch jetzt schon so, dass eine Lohnfindung, die sich unterhalb dieser Grenze bewegt, rechtlich nicht möglich und verboten ist. Wer die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kennt, der weiß: Sittenwidrige Lohnvereinbarungen sind nichtig.
Wenn man aber in die einschlägigen Urteile und Kommentare guckt - Erfurter Arbeitsrechtskommentar -, dann stellt man fest, dass dort immer steht, dass die Diskussion, was sittenwidrig ist, schwierig ist. Weiter unten steht dann meistens: Zur Beurteilung dessen, was sittenwidrig sei, möge man gucken, was im Tarifvertrag vereinbart ist. - Wir sind in der Situation, dass es in der Tat weite
Teile in dieser Gesellschaft gibt, die außerhalb eines Tarifvertrages arbeiten. Deswegen sind wir nach wie vor der Auffassung, dass die Tarifparteien aufgerufen sind - ich betone noch einmal: die Tarifparteien -, Grenzen zu setzen, anhand derer beurteilt werden kann, was wirklich ein gerechter Lohn ist. Deswegen sind wir nach wie vor für einen Mindestlohn bzw. für eine einheitliche Lohnuntergrenze, die von den Tarifparteien festgesetzt wird.
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Und was ist mit der anderen Hälfte der Men- schen?)
Das, sehr geehrter Herr Lies, war der Punkt, an dem wir, wie ich mich noch gut erinnere, heftigst gestritten haben. Sie waren der Meinung, die Politik solle den Betrag festsetzen, wir haben gesagt, die Tarifparteien sollten dies tun. Ich verkenne nicht - das sage ich hier ganz offen -: An dieser Stelle hat sich die SPD ganz gewaltig bewegt. Hier sind Sie ein sehr, sehr großes Stück auf uns zugekommen. - Das habe ich im Ausschuss gesagt, und das wiederhole ich hier auch gerne.
- Das ist kein Quatsch! Sie haben sich bewegt. Und das ist auch gut so. Das muss man doch einmal zugeben können!
Nun muss ich Ihnen noch etwas sagen, was ich ebenfalls schon im Ausschuss gesagt habe. Natürlich gibt es noch einige Punkte, bei denen wir auseinander sind. Ich will dabei die kleinen Punkte gar nicht mal benennen. Es gibt Unterschiede zwischen dem Thüringer Modell und dem CDU-Modell über die Zusammensetzung der Kommission und über den Schlichtungsprozess. Beispielsweise sagt das CDU-Modell auf Bundesebene, dass im Falle einer Schlichtung die Kommission erst einmal selbst bestimmen soll, wie sie schlichtet. In dem Thüringer Modell steht, dass sofort die gesetzliche Schlichtung eingreifen soll. Das alles aber sind Kleinigkeiten, mit denen man sich nicht lange aufhalten sollte.
Wir haben zwei wirkliche Probleme, bei denen wir noch ein ganzes Stück auseinander sind. Das eine Problem betrifft die Frage der Tariffestigkeit. Die Thüringer Regelung ist tariffest. Das heißt, wenn von der Kommission ein Mindestlohn vereinbart wird, gibt es eine Anpassungsfrist von zwölf Monaten, und wenn etwas anderes vereinbart wird, dann ist das nichtig. Die CDU-Lösung auf Bundes
ebene beinhaltet etwas anders. Nach ihr beträgt die Anpassungszeit 18 Monate, aber danach können die Tarifparteien auch etwas anderes vereinbaren als das, was diese Kommission vereinbart hat.
Das zweite Problem ist allerdings viel, viel schwieriger. Dieses Problem betrifft die Frage der Einheitlichkeit. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass eine solche Kommission, die eine einheitliche Lohnuntergrenze festsetzt, so weit in der Lage sein muss, differenzierte Lösungen anzubieten, dass auf unterschiedliche Branchen und regionale Besonderheiten wirksam Rücksicht genommen werden kann. Das ist auch gar nicht so abstrus. Das tun andere Länder auch. Gucken Sie sich einmal die Mindestlohnregelungen in den Niederlanden an! Dort gibt es Einstiegslöhne für Jugendliche in fünf Differenzierungen, um der Jugendarbeitslosigkeit begegnen zu können.
Wir sind in der Tat der Meinung, sehr geehrter Herr Schminke, dass auch bei uns solche differenzierten Lösungen möglich sein müssen.
Es fällt mir ehrlich gesagt schwer, Herr Lies, mich an dieser Stelle weiter mit Ihnen zu reiben; denn wir sind beim Thema Mindestlohn in einer Art und Weise aufeinander zugegangen - ich denke, das entspricht auch der gesellschaftlichen Realität -, wie wir es bisher noch nicht erlebt haben. Ich persönlich bin zuversichtlich, dass unabhängig davon, ob ein Mindestlohn oder eine Lohnuntergrenze festgelegt wird, eine gesetzliche Regelung sehr, sehr bald mit breiter Mehrheit gefunden wird. In unserer Fraktion müssen Sie für eine Lösung solcher Art nicht mehr sonderlich werben.
(Beifall bei der CDU - Lachen bei der SPD und bei der LINKEN - Hans- Henning Adler [LINKE]: Aber ein biss- chen Nachhilfe brauchen Sie doch noch!)
(Johanne Modder [SPD]: Jetzt wird es spannend! - Petra Emmerich- Kopatsch [SPD]: Das muss jetzt aber nicht wirklich sein!)