Protocol of the Session on September 28, 2012

MOX-Brennelementetransport durch den Wesertunnel - Verantwortbar?

In der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 2012 wurden über den privaten Midgard-Hafen in Nordenham 25 bestrahlte Brennelemente aus den

Forschungsreaktoren Geesthacht (FRG-I) und BER II des Helmholtz-Zentrums Berlin sowie Plutonium-Beryllium-Quellen der Firma Eckert & Ziegler aus Braunschweig verladen und verschifft. Sie waren per Lkw nach Nordenham transportiert worden. Presseangaben zufolge ist der Transport durch den Wesertunnel bei Stadland und auf großen Teilen der Strecke sogar ohne Polizeischutz erfolgt.

Im September und November dieses Jahres sollen nun vom Bundesamt für Strahlenschutz bereits genehmigte Transporte von 16 Plutonium-Mischoxid-Brennelementen aus der Wiederaufarbeitungsanlage im britischen Sellafield für den Einsatz im AKW Grohnde wieder über den privaten Midgard-Hafen Nordenham stattfinden. Es ist nicht auszuschließen, dass auch diese Transporte wieder durch den Wesertunnel fahren sollen.

Bei einem schweren Unfall, z. B. einer Kollision mit einem Treibstoff- oder Flüssiggastransport mit anschließendem Brand, ist das Risiko, dass sehr hohe Temperaturen in der Tunnelröhre entstehen, erheblich. Sehr hohe Temperaturen bedeuten ein erhöhtes Sicherheitsrisiko, da die für den Transport der MOX-Brennelemente vorgesehenen Behälter M4/12 nur über einen Sicherheitsnachweis für einen Brand bei 800 Grad Celsius für maximal 30 Minuten verfügen.

Bis vor wenigen Jahren war der Wesertunnel nicht uneingeschränkt für Gefahrguttransporte geeignet und freigegeben. In der Bevölkerung herrscht große Sorge, dass jetzt möglicherweise sogar MOX-Brennelementetransporte durch den Tunnel fahren sollen und das Risiko einer atomaren Katastrophe dadurch weiter erhöht wird.

Ich frage die Landesregierung:

1. War und ist der Wesertunnel seit seiner Eröffnung uneingeschränkt für Gefahrguttransporte aller Gefahrenklassen zugelassen, entsprechend ausgelegt und mit Sicherheitseinrichtungen ausgestattet?

2. Wann, aus welchem Grund und auf welcher Rechtsgrundlage wurde der Wesertunnel für Gefahrguttransporte welcher Klassen freigegeben?

3. Hält es die Landesregierung für verantwortbar und rechtmäßig, dass in der Nacht vom 24. auf den 25. Juli 2012 der Transport der bestrahlten Brennelemente und der Plutonium-Beryllium-Quellen durch den Wesertunnel geführt wurde, und wird sie deshalb den geplanten und vom BfS genehmigten Transport von MOXBrennelementen auch durch den Wesertunnel zulassen?

Mit der Novellierung des Europäischen Übereinkommens über die internationale Beförderung gefährlicher Güter (ADR 2007) muss spätestens seit dem 1. Januar 2010 bei der Anwendung von Beschränkungen für die Durchfahrt von Fahrzeu

gen mit gefährlichen Gütern durch Tunnel die zuständige Behörde den Straßentunnel einer der in Absatz 1.9.5.2.2 festgelegten Tunnelkategorie zuordnen. Hierfür haben der Bund und die Länder bis 2009 ein risikobasiertes Verfahren zur Kategorisierung von Straßentunneln durch anerkannte Experten unter Beteiligung der Straßenbauverwaltungen der Länder sowie der Feuerwehren der Länder entwickelt. Darin sind Bewertungskriterien mit akzeptierten Risiken postuliert, die auch in mehreren EU-Ländern und in der Schweiz Anwendung finden.

Auch vorher sind bereits risikobasierte Untersuchungen durchgeführt worden. Nach der damals gültigen Vorschriftenlage konnten bis 2009 jedoch nur Vergleiche zwischen Tunnel- und Umfahrungsstrecke pauschal für alle Gefahrguttransporte gezogen werden ohne Heranziehung eines „zulässigen“ (akzeptierten) Wertes.

Bereits im Vorfeld der Inbetriebnahme des Wesertunnels war die Erforderlichkeit einer Gefährdungsabschätzung für Gefahrguttransporte durch den Wesertunnel Gegenstand von Abstimmungen unter Federführung der Bezirksregierung WeserEms unter Beteiligung der Bezirksregierung Lüneburg, der beiden Landkreise Cuxhaven und Wesermarsch, der zuständigen Polizeidienststellen und der Straßenbauverwaltung.

Mit Erlass vom 4. November 2009 hat das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr den zuständigen Straßenverkehrsbehörden die Anwendung des oben angesprochenen 2009 entwickelten Verfahrens zur Kategorisierung der Straßentunnel empfohlen.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Mit seiner Inbetriebnahme im Jahr 2004 hat die zuständige Verkehrsbehörde auf Grundlage der oben erläuterten Abstimmungen angeordnet, den Wesertunnel für kennzeichnungspflichtige Transporte gefährlicher Güter „nachts“ (von 23 bis 5 Uhr) zu öffnen und „tagsüber“ (von 5 bis 23 Uhr) zu sperren. Das heißt, der Transport kennzeichnungspflichtiger Güter musste „tagsüber“ auf andere Strecken ausweichen.

Auf Grundlage des Verfahrens zur Kategorisierung von Straßentunneln gemäß ADR 2007 ist die Beschränkung für kennzeichnungspflichtige gefährliche Güter durch die zuständige Verkehrsbehörde in 2010 aufgehoben worden. Das heißt, Transporte kennzeichnungspflichtiger gefährlicher Güter sind

im Wesertunnel seitdem uneingeschränkt zugelassen.

Zu 2: Auf Grundlage der ZustVO Verkehr vom 3. August 2009 und des Erlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr vom 4. November 2009 hat die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr (NLStBV) das Verfahren zur Kategorisierung von Straßentunneln gemäß ADR 2007 durchgeführt.

Im vorliegenden Gutachten zur Kategorisierung des Wesertunnels sind die vorhandenen Risiken für die aktuellen und prognostizierten Verkehrszahlen berechnet und mit dem Bewertungskriterium verglichen worden. Der Vergleich zeigt, dass die Risiken für die aktuellen und prognostizierten Verkehrszahlen unterhalb der akzeptierten Risiken liegen und der Wesertunnel somit die Kategorie „A“ erhält (freie Durchfahrt für Transporte kennzeich- nungspflichtiger gefährlicher Güter). Das Ergebnis des Gutachtens wurde durch den Landkreis Wesermarsch als zuständiger Verkehrsbehörde umgesetzt.

Vorgaben hinsichtlich der Ausstattung und Sicherheit von Straßentunneln ergeben sich aus den Richtlinien und den Betrieb von Straßentunneln (RABT).

Alle niedersächsischen Tunnel wurden in den vergangenen Jahren durch die NLStBV überprüft und soweit erforderlich nachgerüstet. Auch der Wesertunnel ist insofern mit allen erforderlichen Sicherheitseinrichtungen ausgestattet.

Zu 3: Die entwickelte Methode zur risikobasierten Kategorisierung von Straßentunneln ist aus Sicht der Landesregierung ein geeignetes Mittel, eine Entscheidung zur Durchfahrt von Gefahrguttransporten durch Tunnel zu treffen. Das Gutachten hat für den Wesertunnel keinerlei Beschränkungen ergeben. Insofern hält die Landesregierung das verbleibende Restrisiko für vertretbar. Hinzu kommt, dass durch die Genehmigung des Transportes mit einem zugelassenen Transportbehälter durch das Bundesamt für Strahlenschutz diese das Gefährdungspotenzial eines Transportes als gering und die Gefährdung durch den Transportvorgang als abgesichert erachtet. Diesem Urteil der Bundesfachbehörde schließt sich die Landesregierung an. Dieses schließt auch Verkehrsunfälle mit anderen Gefahrguttransporten ein.

Anlage 44

Antwort

des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Frage 47 der Abg. Enno Hagenah und Filiz Polat (GRÜNE)

Was unternimmt die Landesregierung gegen illegale Beschäftigung und Menschenhandel in der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen Standort Bramsche-Hesepe?

Der Leiter der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen Standort Bramsche spricht in einem Interview in der Neuen Osnabrücker Zeitung vom 15. September 2012 von eigenen Erfahrungen über illegale Beschäftigung der Bewohnerinnen und Bewohner. So wisse er von Fällen, in denen „12 000 Euro an Schleuser geflossen“ seien. „Unserer Erfahrung nach und auch den Aussagen der Menschen zufolge müssen sie nun zusehen, dieses Geld, das sie investiert haben, wieder hereinzuholen, und gehen vielfach illegaler Beschäftigung nach“, so der Leiter im Interview selbst. Der Flüchtlingsrat Niedersachsen verweist in seiner Presseinformation vom 17. September 2012 als Reaktion auf das Interview in der Neuen Osnabrücker Zeitung darauf, dass „Flüchtlinge vor dem Hintergrund der menschenunwürdigen Leistungen für Asylsuchende (40 % unter Hartz IV) zumindest bis Juli 2012 begehrte Subjekte von Unternehmen gewesen sein könnten, die die Notlage dieser Menschen ausgenutzt und Asylsuchende ausgebeutet haben“. Der Flüchtlingsrat wirft die Frage auf, über welche Informationen der Leiter verfüge, die belegen, dass Ausbeutung und Menschenhandel im Umfeld „seines Arbeitsplatzes offenbar ‚üblich’“ seien.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Welche konkreten Informationen über illegale Beschäftigung und Menschenhandel liegen der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen Standort Bramsche vor?

2. Welche Maßnahmen wurden vonseiten der Leitung ergriffen, um Menschenhandel und illegale Beschäftigung zu melden?

3. Wann und wie oft ist die Finanzkontrolle Schwarzarbeit vonseiten der Leitung eingeschaltet worden?

Das Land Niedersachsen ist gesetzlich zur Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen verpflichtet. Zur Erfüllung dieser Aufgabe hat das Land die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI) mit den Standorten Bramsche, Braunschweig und Friedland errichtet. Die LAB NI wird multifunktional als Aufnahmeeinrichtung, Gemeinschaftsunterkunft und Ausreiseeinrichtung im Sinne des Asylverfahrensgesetzes und des Aufenthaltsgesetzes genutzt, wobei in der Gemeinschaftsunterkunft am Standort Bramsche mit einer

Regelkapazität von bis zu 600 Betten die Förderung der freiwilligen Ausreise einen Schwerpunkt der Arbeit bildet.

Der Leiter der Standortes Bramsche hat sich in einem Interview der Neuen Osnabrücker Zeitung zur Belegungssituation in seiner Einrichtung und zu den Motiven der gegenwärtig insbesondere aus dem Balkanraum in hoher Zahl visumfrei einreisenden Asylsuchenden geäußert.

Den gegen den Leiter des Standortes Bramsche erhobenen Vorwurf des Rechtspopulismus weise ich im Namen der Landesregierung entschieden zurück. Der Standortleiter ist seit vielen Jahren in verantwortungsvoller Funktion im Bereich der Flüchtlingsaufnahme tätig. Er genießt in der Fachaufsicht, bei der Leitung der Landesaufnahmebehörde und auch bei seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hohen Respekt und große Anerkennung. Dies gilt über die Landesgrenzen hinaus insbesondere für sein langjähriges Engagement zur Förderung der freiwilligen Ausreise. Seine Feststellungen zur Belegungssituation und zu den Ursachen der erhöhten Asylzugänge sind zutreffend und von daher auch nicht zu kritisieren. Unabhängig von dem allgemeinen Anstieg der Zahl der Asylantragsteller in den vergangenen Jahren, beispielweise durch die Ereignisse in Afghanistan, im Irak und in Syrien, wird seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes bundesweit ein sprunghafter Anstieg von Asylantragstellern vornehmlich aus jenen Balkanländern verzeichnet, die Visafreiheit genießen (z. B. Serbien und Mazedo- nien). Die Zahlen der in jüngster Zeit in Niedersachsen von Asylsuchenden aus Serbien, Mazedonien, Kosovo, Montenegro und Bosnien-Herzegowina gestellten Asylanträge belegen dies überdeutlich:

Monat Asylanträge Monat Asylanträge

Juli 2011 53 August 2011 48

Juli 2012 117 August 2012 181

Steigerung zum Vorjahr in %

+ 221%

+ 377 %

Der Verlauf des September 2012 lässt bundesweit eine Verdreifachung der Zugangszahlen im Vergleich zum Vorjahresmonat erwarten. Auf diese Entwicklung hat der Leiter des Standortes Bramsche in enger Abstimmung mit der Behördenleitung der Landeaufnahmebehörde zu Recht hingewiesen. Diese Besorgnisse als „Nährboden für Rechtspopulismus" abzutun, verkennt die Probleme, die durch den starken Anstieg der Zuwanderung entstehen und um deren Lösung die Verwal

tung täglich bemüht ist. Eine wie auch immer geartete Einflussnahme des Ministeriums für Inneres und Sport auf die Aussagen des Leiters erfolgte nicht.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Der Leitung des Standortes Bramsche sind durch Mitteilung verschiedener Dienstellen (z. B. Zoll, Polizeidienststellen) immer wieder Verdachtsfälle der illegalen Beschäftigung mitgeteilt worden. Im Jahr 2010 waren dies 20, in 2011 insgesamt 42 und im Jahr 2012 bis September schon 25 Verdachtsfälle der illegalen Beschäftigung. Vielfach waren dies unerlaubt eingereiste Personen, die, erst nachdem die zuständigen Behörden Kenntnis von ihrem Aufenthalt im Bundesgebiet erhalten haben, einen Asylantrag gestellt haben, um auf diese Weise ihren Aufenthalt im Bundesgebiet zu legalisieren.

Konkrete Erkenntnisse über Menschenhandel im Zusammenhang mit der Landesaufnahmebehörde am Standort Bramsche liegen der dortigen Standortleitung nicht vor.

Zu 2: Im Jahr 2010 wurde in Bramsche auf Initiative der Standortleitung ein „Runder Tisch Schwarzarbeit" unter Beteiligung der örtlich zuständigen Polizeidienststellen (Polizeiinspektion Osnabrück, Polizeikommissariat Bramsche), der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (Hauptzollamt Osnabrück) und des Fachaufsichtsreferats eingerichtet. Der von der Bundesfinanzveraltung entwickelte Leitfaden über die Grundsätze der Zusammenarbeit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung mit den Ausländerbehörden in den Ländern ist eine wichtige Grundlage für die Arbeit dieses Gremiums. Die Zusammenarbeit mit den Polizeidienstellen der Landespolizei und der Finanzkontrolle Schwarzarbeit ist nach Auskunft der Landesaufnahmebehörde hervorragend, auch wenn sich in einer Vielzahl von Verdachtsfällen der gerichtsfeste Nachweis der Schwarzarbeit oder illegalen Beschäftigung nicht führen lässt. In diesem Kontext spielte das Thema Menschenhandel bisher keine Rolle.

Zu 3: Der „Runde Tisch Schwarzarbeit" tagt mindestens einmal jährlich, aus besonderen Anlässen auch häufiger. Statistiken darüber, in wie vielen Einzelfällen durch die LAB NI am Standort Bramsche der Finanzkontrolle Schwarzarbeit einzelne Verdachtsfälle gemeldet wurden, liegen nicht vor.

Anlage 45