Protocol of the Session on July 18, 2012

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich erteile jetzt dem Kollegen Limburg das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Aktuelle Stunde der CDU ist wohl der vorläufige Höhepunkt einer Kampagne, die viele sogenannte Sicherheitsexperten und nicht zuletzt der niedersächsische Innenminister seit mehreren Monaten führen.

(Beifall bei der LINKEN)

Angeblich geht es ihnen dabei darum, Fußball zu einem sicheren Erlebnis zu machen. Ihr Hauptfeindbild sind Fußballfans, die sich selbst als „Ultras“ bezeichnen. Ihr zweites Feindbild - Sie haben es gerade gesagt - ist das Abbrennen von Pyrotechnik in Stadien.

Über diese Themen diskutieren Sie wie gewohnt öffentlich seit Monaten, fordern wie gewohnt im Zweiwochenrhythmus härtere Strafen, härteres Durchgreifen und mehr Sicherheitstechnik.

Aber worum geht es Ihnen denn eigentlich mit diesen Debatten? - In Wahrheit verfolgen Sie, Herr Schünemann, ein Muster, das man bei Ihnen in der inneren Sicherheit häufiger findet: Sie identifizieren eine vermeintliche oder tatsächliche Minderheit - an anderer Stelle z. B. die Muslime, hier

besonders leidenschaftliche Fußballfans - und versuchen, sich mit der vermeintlichen Mehrheitsmeinung im Rücken gegen diese Minderheit mit harten Maßnahmen zu profilieren.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Fritz Güntzler [CDU]: Es geht um die Gesundheit von Menschen!)

Ginge es Ihnen, Herr Kollege Güntzler, in erster Linie um die Sicherheit in Stadien und nicht um Ausgrenzung, dann würden Sie bei Ihren Sicherheitsgipfeln nicht nur mit Vereinsvertretern, sondern auch mit denen reden, um die es eigentlich geht, nämlich den Fanvertretern.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Fanhilfe Hannover hat zu Recht in ihrer gestrigen Pressemitteilung kritisiert, dass Sie sämtliche Fanvereinigungen bei all Ihren Gesprächen vollkommen außen vor lassen. Ich rede hier nicht von gewaltbereiten Fans. Ich rede von Gruppen - das hat die Kollegin Zimmermann schon angesprochen - wie der Initiative „ProFans“, der IG „Unsere Kurve“, der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte, der Bundesarbeitsgemeinschaft der Fanprojekte oder auch dem Bündnis aktiver Fußballfans. Alle diese Gruppen grenzen Sie vollkommen aus. Sie wollen nicht reden und den Dialog suchen, Herr Schünemann. Sie wollen sich zum x-ten Male als harter Durchgreifer profilieren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN sowie Zustimmung von Dr. Gabriele Andretta [SPD])

In die Hochglanzbroschüren Ihres Ministeriums setzen Sie dann ein paar brave Alibifans, um vorzutäuschen, Sie hätten den Dialog gesucht.

Wenn es Ihnen wirklich um Sicherheit ginge, dann würden Sie den DFB bedrängen, die Gespräche mit der Initiative „Pyrotechnik legalisieren“, die auf einem guten Weg waren, wie Spiegel Online nachweist, wieder aufzunehmen, anstatt die Fans vor den Kopf zu stoßen. Wer echte Sicherheit im Stadion will, wer ein gutes Fußballerlebnis für alle, wirklich alle Gruppen will, der kommt an echtem Dialog auf Augenhöhe nicht vorbei.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Zustimmung bei der SPD)

Sie aber reden, wenn Sie über Fußballfans reden, nur über Gewalttäter. Gut, dann müssen wir uns aber auch einmal anschauen, wie es mit der Ge

walt in den Stadien tatsächlich aussieht - der Kollege Bachmann und die Kollegin Zimmermann haben das schon zu Recht angesprochen -: Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze verfasst jährlich Berichte. Die Zahl der eingeleiteten Strafverfahren ist demnach von 6 030 in der Saison 2008/2009 auf 5 818 in der Saison 2010/2011 zurückgegangen.

(Fritz Güntzler [CDU]: 2005 waren es 4 500! - Unruhe - Glocke des Präsi- denten)

Freiheitsentziehende Maßnahmen gegen Fußballfans sanken in demselben Zeitraum von 9 174 auf rund 6 000 - also ein Rückgang um ein Drittel. Die Zahl der Einsatzstunden der Polizei sank von etwa 1,5 Millionen auf 1,12 Millionen.

Herr Schünemann, mit diesen Zahlen lassen sich weitere Sicherheitsgesetze gegen Fußballfans nicht begründen!

(Beifall bei den GRÜNEN - Fritz Güntzler [CDU]: Die Zahlen sind hö- her als 2005!)

Lassen Sie uns weiter über Fußball reden, auch hier im Landtag! Aber wer das ernsthaft will, der kann sich nicht auf die Themen Pyrotechnik und gewaltbereite Fans beschränken. Lassen Sie uns über eine Polizei reden, die Reizgas in Fanblocks versprüht! Lassen Sie uns über Stadionverbote reden, die präventiv ohne Urteil verhängt werden und die oft, trotz Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens, noch lange in Kraft bleiben - übrigens entgegen den anderslautenden Äußerungen, die der Innenminister hier im Landtag im letzten November gemacht hat.

Lassen Sie uns über Rassismus und Homophobie in Stadien reden und darüber, ob der Bundesinnenminister mit seiner Kritik an deutschen „Sieg, Sieg!“-Rufen während der Fußball-EM nicht vielleicht doch recht hatte!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Lassen Sie uns über Wehrmachtsslogans reden, die deutsche Fans in polnischen Stadien präsentiert haben! Lassen Sie uns über die Zunahme chauvinistischer Einstellungen rund um die Fußball-WM reden, die der Soziologe Heitmeyer festgestellt hat, die von Ihrem Innenminister aber schlicht negiert werden!

Lassen Sie uns über Korruption im Weltfußball reden, zu der auch der DFB zu lange geschwiegen hat

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Björn Thümler [CDU]: Was hat das mit Gewalt im Fußball zu tun?)

und in dessen Zentrum mit Sepp Blatter ein Mann steht, der unter Ihrem Bundespräsidenten Horst Köhler mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet worden ist!

(Björn Thümler [CDU]: Das ist doch nur noch linke Ideologie!)

Lassen Sie uns über Depressionen und andere Erkrankungen von Profifußballern reden, die dem gnadenlosen Druck und der gnadenlosen Vermarktung im Weltfußball nicht gewachsen sind!

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Und lassen Sie uns nicht zuletzt über eine permanente Kommerzialisierung und Gentrifizierung im Fußballstadion reden, die immer mehr Menschen mit kleinen Einkommen von ihrem Lieblingshobby ausschließt - - -

(Anhaltende Unruhe)

Herr Kollege, im Moment reden Sie bitte gar nicht mehr! Hier im Plenarsaal ist es eindeutig zu laut. - Wir fahren den Lärmpegel herunter!

(Unruhe)

Das gilt für alle. Bevor es nicht ruhiger ist, fahren wir nicht fort. So einfach ist das. - Bitte, Herr Kollege!

Und lassen Sie uns nicht zuletzt über eine permanente Kommerzialisierung und Gentrifizierung im Fußballstadion reden, die immer mehr Menschen mit kleinen Einkommen von ihrem Lieblingshobby ausschließt, weil nur noch die wirklich zahlungskräftigen Kunden in der Welt der VIP-Logen und Geldkarten in die neuen Fußballtempel gelockt werden.

Früher nannte man den Veranstaltungsort schon einmal „Fritz-Walter-Stadion“. Ich habe mein erstes Ligaspiel im Niedersachsen-Stadion gesehen. Heute heißen die Sportstätten AWD-, Veltins- oder Mercedes-Benz-Arena. Fußball ist eine Ware geworden, Vereine werden zu Aktiengesellschaften

oder GmbHs, und man will die Fans nur noch als Kunden.

Es mag sein, dass sich Herr Schünemann und seine Freunde im Businessbereich und in den VIPLogen solch eine Entwicklung wünschen. Dass aber viele Fans, die ihren Vereinen zum Teil schon seit Jahrzehnten durch alle Auf- und Abstiege die Treue gehalten haben, einen anderen Traum von Fußball haben, werden Sie lernen müssen.

Über all das müssen wir reden, wenn es um Fußball geht - aber mit den Fans und den Stadionbesucherinnen und -besuchern und nicht über ihre Köpfe hinweg.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Jens Nacke [CDU]: Herr Wenzel, Sie haben ja nur noch Geg- ner in Ihrer Fraktion! Nur noch linke Ideologie!)

Ich erteile jetzt Herrn Minister Schünemann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fußball bringt Emotionen - und das übrigens auch hier im Parlament. Das ist im Prinzip auch ganz gut so.

(Zustimmung bei der CDU)

Allerdings muss man feststellen: Grundsätzlich ist Fußball ein Familienfest, und das ist gut so.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Deshalb müssen wir alles daransetzen, dass das auch in Zukunft so bleibt. Denn wenn eine ganze Familie, auch mit kleinen Kindern, im Stadion ist und mitfiebert, mitruft und natürlich auch mitleidet, wenn man mal verloren hat, dann, finde ich, muss das in der Zukunft abgesichert sein. Als Mutter oder Vater soll man eben nicht Angst haben müssen, dass dort Pyrotechnik abgebrannt wird und die Kinder in irgendeiner Weise gefährdet werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Klaus-Peter Bachmann [SPD]: An dieser Stelle gibt es keinen Dissens!)