Die erste Antwort: Dass die Relation zwischen dem, was über die Finanztransaktionssteuer hereinkommt, und dem, was als Risiko auf der anderen Seite sozusagen zu berechnen ist, in keinem vernünftigen Verhältnis steht, das weiß jeder, und das bestreitet auch niemand. Die Frage ist, ob man überhaupt etwas tut, wenn man die Möglichkeit hat, etwas tun zu können. Deshalb die Finanztransaktionssteuer. Da beziehen wir uns auf das, was das Europäische Parlament beschlossen hat. Die rechnen mit 35 bis 37 Milliarden, möglicherweise aufgeteilt auf Europa und die Teilnehmerländer. Immerhin ist das ein bisschen mehr, als wir beide in der Hosentasche haben.
Ich finde es eigentlich ganz gut, dass eine Basis zur Mitfinanzierung durch die Verursacher politisch durchgesetzt wurde, nachdem das über Monate und Jahre gar nicht möglich war. Jetzt ist es vereinbart - ohne Sie; das muss ich leider feststellen - zwischen CDU/CSU, FDP und - wer hätte daran gedacht? - Grünen und SPD. - Das ist die erste Antwort.
Die zweite Antwort: Wir wollen diese erheblichen Impulse für Wachstum und Beschäftigung. Wir wollen ein Sofortprogramm gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Eine Jugendarbeitslosigkeit von 50 % im Süden Europas ist eine Katastrophe und eine tickende Zeitbombe. Und wir wollen weitere Lösungen bei der Einbeziehung dessen, was wir als Stabilisierungsmaßnahmen bei der Erreichung der Finanzstabilität ins Auge gefasst haben.
Trotzdem müssen wir heute feststellen, dass einige Punkte noch nicht geklärt sind. Das gilt insbesondere für die Altschuldenfrage. Die ist nicht vereinbart und bleibt auf der Tagesordnung, ist aber nicht Gegenstand der gemeinsam verabredeten Strategie.
Ganz wichtig ist: Ausgeklammert wurde auf Bundesebene die Frage, wie innerstaatlich das umgesetzt werden soll, was denn Fiskalpakt und ESM sowie das Paket, das geschnürt worden ist, aus
machen würden - ich sage nur die Daten 2020, 2017 oder 2014 - beim Wirksamwerden der Schuldenbremse entweder aus der deutschen Regelung, der Länderregelung oder des Fiskalpaktes. Wenn wir auch das noch in der nächsten Beratungsfolge sicherstellen können, dann okay. Sonst - so kann ich Ihnen sagen - ist die Zweidrittelmehrheit noch längst nicht in trockenen Tüchern.
Letzte Bemerkung: Wir haben im Augenblick die Situation, dass Verfassungsklagen angedroht worden sind und dass der Bundespräsident erklärt hat, dass er die derzeitige Vereinbarung in Gesetzesform nicht unterzeichnen würde. Vielleicht haben wir noch ein bisschen Zeit. Aber wir wollen, dass wir diesen Prozess zeitnah und aktuell in der Sache politisch und verfassungspraktisch begleiten und zum Erfolg bringen. In diesem Sinne würde ich mich freuen, wenn Sie unserem Änderungsantrag zustimmen würden.
Jetzt wird zum Tagesordnungspunkt 12 Herr Dr. Matthiesen das Wort ergreifen und auch zum Tagesordnungspunkt 28 sprechen. Aber erst einmal wird er den Antrag unter Tagesordnungspunkt 12 einbringen. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Ich verbinde das einfach, weil das untrennbar zusammengehört, wie sich das auch aus den Worten meines Kollegen Heiner Aller ergeben hat.
Ausgangspunkt ist ja der SPD-Antrag „Demokratie stärken in Europa“. Dieser Entschließungsantrag wendet sich frontal gegen den Fiskalvertrag und dagegen, wie dieser Vertrag zustande gekommen ist.
Dazu sagt die SPD, als zwischenstaatlicher Vertrag außerhalb der normalen EU-Gesetzgebung unterlaufe er die demokratische Struktur der EU und schränke die Mitwirkungsmöglichkeiten aller demokratisch gewählten Parlamente ein.
Das ist auf den ersten Blick ganz einleuchtend, führt aber genau in die falsche Richtung. Das gefährdet den Zusammenhalt der EU und den Rückhalt der europäischen Idee bei den Menschen.
doch den Fiskalvertrag Anfang März unterzeichnet. Nur durch die Blockade durch Großbritannien und Tschechien konnte das Unionsrecht nicht geändert werden, konnte nicht das gemacht werden, was normal ist, nämlich Unionsverträge anzupassen. Jetzt ist nur noch diese Möglichkeit des zwischenstaatlichen Vertrags übrig geblieben.
Gegen diesen Fiskalvertrag hat die SPD bis heute gerödelt; so muss man das sagen. Es ist sehr erfreulich, dass das Kampfgetümmel gestern durch die Einigung der Koalition und der Opposition - bis auf die Linke - in Berlin ein Ende gefunden hat.
Die Einigung über Wachstumsinitiativen und auch über die Finanztransaktionssteuer ist eine gute Sache und ein Erfolg in Verbindung mit dem Fiskalvertrag. Entscheidend ist, dass wir diesen Vertrag brauchen, gegen den die SPD noch bis vor Kurzem gewesen ist.
Entscheidend werden jetzt übrigens die ganzen Dinge sein, die wehtun, nämlich Strukturreformen in den Mitgliedstaaten, die sich der ehemalige kranke Mann Europas, Deutschland, in den letzten Jahren zu eigen gemacht hat. Das, was das die Linke immer angreift, z. B. Hartz IV, war sicherlich eine schwierige Geschichte. Aber daraus ist vieles entstanden, was Deutschland Fortschritte gebracht hat,
Eine Jugendarbeitslosigkeit von 50 % und mehr in Spanien und in Griechenland kann nur mit Strukturreformen erfolgreich bekämpft werden.
Wir können hier auch auf die Debatten im Europäischen Rat Bezug nehmen. Dort ist viel gelaufen, was hier gar nicht gewürdigt wird. Es ist doch gesagt worden, welche Möglichkeiten es gibt, gerade im Bereich dualer Lehrlingsausbildung, der Verbesserung der Übergänge - das haben wir im Landtag auch beschlossen - von der Schule in den Beruf, damit die jungen Leute nicht ins Aus laufen. Das ist weit mehr, als nur Geld zu geben.
Jetzt kommt der spannende zweite Teil: am kommenden Sonntag das Konsensgespräch zwischen unserem Ministerpräsidenten, den anderen Minis
terpräsidenten und der Bundesebene über das, was die Länder beim Fiskalvertrag angeht. Wir können guten Mutes sein, dass unsere Forderungen berücksichtigt werden, vor allem die Schuldenbremse aufgrund des Fiskalvertrages nicht stärker wirkt als das, was nach dem Grundgesetz und nach Landesrecht vorgesehen ist.
Übrigens verdient auch die Bundesregierung ein dickes Lob dafür, dass sie die Koppelung der Verhandlungen zwischen Fiskalvertrag und ESM erreicht hat; denn eines ist auch klar: Der ESM ist die Grundlage dieses Fiskalvertrags, und ohne Fiskalvertrag kann kein ESM kommen.
Auch deswegen brauchen wir am 29. Juni die Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat, damit Angela Merkel damit zum europäischen Gipfel fahren kann. Es geht um die Rettung des Euro und den zukünftigen Wohlstand in ganz Europa. Das wollen wir mit dem dauerhaften europäischen Rettungsschirm ESM erreichen: Wir wollen gemeinsam mit den anderen europäischen Staaten ein gewaltiges Zeichen der Solidarität zur Begrenzung der Gefahren für die Finanzstabilität setzen.
Ich erläutere jetzt, was das an Verpflichtungen für Deutschland bedeutet. Allein der ESM macht 190 Milliarden Euro aus, davon 22 Milliarden Euro Barmittel. Wir haben uns angestrengt, den Start des ESM auf die Jahresmitte vorzuverlegen. Deswegen muss damit der Fiskalvertrag verbunden sein; denn es wird keinem deutschen Steuerzahler zu erklären sein, dass wir für die Stabilisierung Geld ausgeben, während einige der anderen Länder eventuell weitermachen, ohne zu Hause Reformen vorzunehmen.
Lieber Kollege Aller, es ist übrigens unzutreffend, dass das Bundesverfassungsgericht den Ursprungsantrag der SPD bestätigt hätte. Sie haben sich gegen den zwischenstaatlichen Fiskalvertrag gewendet. Das Bundesverfassungsgericht sagt: Wenn zwischenstaatliche Verträge geschlossen werden, dann mit demokratischer Beteiligung in Berlin. - Das ist völlig selbstverständlich und keine Würdigung Ihres Ursprungsantrages, wie Sie es jetzt glauben machen.
Der Fiskalvertrag baut übrigens auf den demokratischen Gremien in der EU auf. Nach Artikel 3 müssen bei der Schuldenbremse des Fiskalvertrages uneingeschränkt die Vorrechte der nationalen
Parlamente gewahrt werden. Das steht im Fiskalvertrag drin. Insofern gibt es die ganz klare Verkoppelung des Fiskalvertrages mit den europäischen Organen. Der Europäische Gerichtshof, die Kommission und der Rat sind darin eingebettet. Die Bundesregierung hat von Anfang an versucht, den Fiskalvertrag über das Unionsrecht zu verankern.
Sie heben das Demokratieprinzip hervor. Auch das Demokratieprinzip ist kein Grund, den Fiskalvertrag abzulehnen. Es ist klar, dass nur in besonderen Situationen zwischenstaatlich vorgegangen werden soll. Wir haben die Demokratie in Europa in den vergangenen Jahren sehr stark voranbringen können.
Das Parlament hat aufgrund des Lissaboner Vertrages inzwischen in 95 % aller EU-Gesetzgebungsfälle wichtige Mitentscheidungsrechte. In den Artikeln 9 bis 12 des EU-Vertrages gibt es eine solide Basis für demokratische Abläufe. Ferner haben wir das Prinzip der dualen Legitimation gestärkt. In Artikel 10 des EU-Vertrages steht, dass das Parlament mit diesen neuen Befugnissen gestärkt wird. Auch die Vertretung durch den Rat und die Staatschefs sowie die Regelung, dass das Vorgehen durch Beteiligungsrechte mit den Mitgliedstaaten rückgekoppelt wird, sind doch Fortschritte, die im Klartext bedeuten, dass wir das Unionsrecht anwenden und nur in ganz großen Ausnahmefällen, wie im vorliegenden Fall, den Abschluss eines zwischenstaatlichen Vertrages wählen.
Vor diesem Hintergrund gibt es keine Zweifel, dass das Demokratieprinzip durch den Fiskalvertrag nicht tangiert wird. Deswegen werden wir den SPD-Antrag „Demokratie stärken in Europa“ ablehnen und unseren Antrag mit der Zielsetzung, ESM und Fiskalvertrag gemeinsam zu verabschieden, heute zur sofortigen Abstimmung stellen.
Zwei Kurzinterventionen sind auf diesen Beitrag von Herrn Dr. Matthiesen angemeldet, und zwar zunächst eine von Herrn Dr. Sohn und danach eine von Herrn Aller. - Bitte schön, Herr Dr. Sohn!
Wenn ich es richtig sehe - die anderen Abgeordneten haben das ja auch gemacht; Sie haben das in Barsinghausen gemacht -, dann haben Sie die Großartigkeiten des Konjunkturpakets II für Ihren Wahlkreis ausführlich dargelegt und ihn außerordentlich gelobt. Ein solches Paket wäre nach dem Fiskalpakt künftig verboten.
Ich hätte gerne von Ihnen eine Erklärung, was denn nun stimmt: Ihr Feiern dieses damaligen KP II oder Ihr heutiges, eben vorgetragenes Feiern des Fiskalpaktes, nachdem das, was Sie damals gefeiert haben, morgen verboten wäre? Wie passt das zusammen?
Herr Matthiesen, ich bin dankbar, dass Sie klargestellt haben, dass Sie sofortige Abstimmung beantragen. Damit tritt das ein, was ich einleitend gesagt habe. Der Änderungsantrag bezieht sich sozusagen auf das Abstimmungsverfahren zu diesem Teil des Tagesordnungspunktes.
Herr Matthiesen, das ist das Problem, über das wir seit Monaten diskutieren. Sie haben eben juristisch und auch anhand der Zeitabläufe begründet, warum mit Fiskalpakt, ESM und allem, was sich darum herumrankt, eigentlich alles in Ordnung ist.