Protocol of the Session on September 16, 2008

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Ich sage Ihnen: Immer weniger Menschen in Niedersachsen werden auf Ihre Reden hereinfallen, sondern die Menschen werden Sie - wie wir - an Ihren Taten messen.

Wir haben vor Kurzem eine Kleine Anfrage gestellt. Wir haben darauf jetzt die Antwort bekommen, die wirklich sehr beeindruckend ist. Da wird deutlich, womit Sie sich eigentlich befassen. CDU/FDP-Politik, das ist Symbolpolitik, Als-ob-Politik: neun neue Preise, fünf neue Wettbewerbe, drei neue Ehrungen, vier neue Bündnisse, zwei Foren, sieben Sonstiges.

Meine Damen und Herren, Sie haben nur noch mit Als-ob-Politik zu tun. Weil Sie materiell nichts mehr bewegen können, begeben Sie sich auf diese Ebene. Wir haben vor Jahren darüber diskutiert, wo auf Landesebene die Untergrenze für Finanzbewegungen liegt. Hierüber haben wir insbesondere im Zusammenhang mit der Zukunft der Bezirksregierungen diskutiert. Diese Landesregierung ist sich nicht zu schade, Landespreise selbst für 500 Euro auszuloben, obwohl jeder weiß, dass der Verwaltungsaufwand ein Mehrfaches bedeutet.

(Beifall bei der SPD)

Solche Veranstaltungen haben nur noch einen Zweck: Es reicht gerade mal für eine Schlagzeile. - Das ist alles, meine Damen und Herren. Das aber ist zu wenig als Landespolitik.

(Beifall bei der SPD - Heinz Rolfes [CDU]: Was ist das für ein kleinkarier- ter Geist, der da vorne redet!)

Die harten Fakten dokumentieren die Realität jenseits der Wulff-Realität, jenseits der WulffScheinwelt, meine Damen und Herren. Über Monate hinweg haben wir vom Aufsteigerland Niedersachsen erzählt bekommen. Jetzt stellen wir fest: Das Bruttoinlandsprodukt wächst im Bund um 2,5 % und in Niedersachsen um 1,8 %.

Nun zur eben angesprochenen Investitionsquote als wichtigem Signal dafür, wie ein Land wirtschaftlich vorankommt. Als Herr Wulff hier noch Oppositionspolitiker war, hat er den Vorwurf erhoben, 10 % an Investitionsquote seien peinlich für ein

Land und würden ein Land zurückwerfen. - Herr Wulff, Sie würden Gebete in den Himmel schicken, wenn Sie nur in die Nähe von 10 % kämen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Sie war in diesem Jahr bei 7,6 %. Das steigert sich im nächsten Jahr - Gott sei Dank - dank der Investition JadeWeserPort. Am Ende Ihrer Legislaturperiode, im Jahre 2012, sind Sie wieder bei 7,6 % angekommen. So steht Niedersachsen im nationalen Vergleich da: hinten, wie leider auch in vielen anderen Bereichen, meine Damen und Herren.

Wir haben in diesem Sommer erlebt, in welcher Verfassung die niedersächsische Wirtschaft ist. Wir haben drei Dax-Unternehmen, die massiv unter Druck sind. Auch ich weiß, dass man nicht mal eben mit dem Finger schnippt, damit alles so läuft, wie es sich eine Landesregierung wünscht. Aber ich kann mich noch an einen Ministerpräsidenten erinnern, der hier aktive Industriepolitik gemacht hat, meine Damen und Herren, der interveniert hat, wenn es notwendig war,

(Beifall bei der SPD)

und der nicht als Statist am Wegesrand gestanden hat oder von den Unternehmensführungen verschiedener Unternehmen selbst als Gesprächspartner kaum noch ernst genommen wird, wie es beispielsweise bei Airbus der Fall war. Wir haben die Briefwechsel gesehen. Sie waren hart genug für das Land. Die Beschäftigten in Nordenham und Varel haben möglicherweise die Konsequenzen zu tragen.

(Björn Thümler [CDU]: So ein Unfug!)

Da, wo Einflussmöglichkeiten wären und wo man sich wenigstens einmal reinhängen könnte, wie beispielsweise beim Thema „Hapag Lloyd muss norddeutsch bleiben“, weil es für die Metropolregion Hamburg und Zehntausende von niedersächsischen Beschäftigten wichtig ist, ist diese Landesregierung lange auf Tauchstation gegangen, meine Damen und Herren.

(Starker Beifall bei der SPD)

Ich habe am Sonnabend das Interview mit Herrn Hirche gelesen, der, wie ich finde, zu Recht darauf hinweist, dass der Mittelstand nicht unterschätzt werden sollte. Aber, Herr Hirche, was hat diese Landesregierung außerhalb der Dax-Unternehmen gemacht, beispielsweise dort, wo es um die Infrastruktur beim Breitband ging? - Da waren uns andere Länder weit voraus.

(Karl-Heinrich Langspecht [CDU]: Welche denn?)

Wo war dieses Land, als es darum ging, eine Konzeption für die Solarwirtschaft auf den Weg zu bringen, also für einen Bereich, bei dem jedem klar ist, welche ökologischen und ökonomischen Perspektiven damit verbunden sind? - Ich habe mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, dass der Ministerpräsident nach der Zukunftsklausur beim Thema Wind zu neuen Erkenntnissen gekommen ist. Er hat die Messlatte für Niedersachsen angehoben. Das ist in der Sache durchaus richtig, Herr Wulff. Das Problem ist an der Stelle aber, dass das mit der Arbeit dieser Landesregierung nichts zu tun hat. Sie haben gemerkt, dass die Offshoretechnologie uns zugerechnet werden kann, weil sie auf niedersächsischem Gebiet liegt, und wir dann plötzlich gut aussehen. Die Nummer, Leistungen Dritter einzustreichen und so zu tun, als hätte man daran einen Anteil, läuft nicht.

(Beifall bei der SPD)

Wir können uns daran erinnern, wie der zuständige Umwelt- und Energieminister - ich weiß nicht, wo er jetzt ist - von Monstern gesprochen hat, als es um die Zukunft der Windenergie ging, die er eigentlich mit Macht beenden wollte. Das war in den letzten Jahren die niedersächsische Politik: Der eine oder andere wachte auf und meinte, dass er es sich schön rechnen konnte. Das mag er machen, aber das trägt nicht, meine Damen und Herren. Diese Politik - Schein statt Sein - zieht sich durch die Ressorts.

Wir haben hier heute Morgen über Sozialpolitik diskutiert. Sie haben über „Zukunft bis 2020“ und die schöne Gemeinde Herzlake geredet. Diese Gemeinde kann nichts dafür, dass diese Arbeitsergebnisse jetzt mit dem Ortsnamen verbunden werden. Kinderarmut ist für Sie bis 2020 kein Thema. Ich habe nach meiner Lektüre den Eindruck, dass Sie über Sozialpolitik gar nicht geredet haben. Gibt es in dieser Gesellschaft keinen Bedarf an sozialem Zusammenhalt? Das frage ich mich, Sie sich augenscheinlich nicht.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Dr. Manfred Sohn [LINKE])

Deshalb treibt es uns um, dass Niedersachsen in der Pflege Schlusslicht ist, dass wir hier in einer Situation, in der es darum geht, Ausbildung in der Pflege zu gewährleisten, eine total versagende Regierung haben und dass wir auch beim Thema

Krankeninvestitionen Schlusslicht sind. Das sind doch die Themen der nächsten Jahre.

(Heinz Rolfes [CDU]: Jetzt reicht es aber! Das ist Unsinn!)

Ich möchte Ihnen am Beispiel der Krankenhausinvestitionen dokumentieren, wie Sie die Öffentlichkeit an der Nase herumführen.

(Heinz Rolfes [CDU]: Da sind Sie ge- rade dabei!)

Herr Möllring machte den Zwischenruf, das seien wahrscheinlich D-Mark statt Euro. Heute Morgen ist erzählt worden, Sie hätten immer das auszubaden, was wir über Jahrzehnte hinweg gemacht hätten, meine Damen und Herren.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das stimmt ja auch!)

Wissen Sie, was das hier ist? - Das ist die offizielle Statistik über Krankenhausinvestitionen in allen Bundesländern seit 1991. Ich lese das einmal der Reihe nach vor, es geht schnell. Alle Beträge lauten auf Millionen Euro: 207, 217, 222, 225, 221, 216, 224, 229, 249, 235, 229. Im Jahre 2002 sinkt der Betrag leicht: 188. 2003: 186. Dann kommt das Regime von Frau von der Leyen: 87, 97, 121. In den Folgejahren - darauf haben Sie hingewiesen - bleibt es bei 120 Millionen Euro. Unterlassen Sie die Veranstaltung, zu erzählen, wir hätten Defizite aufgewiesen, die Sie jetzt ausgleichen müssten. Das hier ist die Realität. Sie sind für das Absacken bei den Krankenhausinvestitionen verantwortlich.

(Starker Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Es mag ja sein, dass wir manche Sachen hätten besser machen können. Dafür übernehmen wir auch gerne die Verantwortung. Ich habe aber, ehrlich gesagt, keine Lust, Vorwürfe auch noch für die Sachen zu hören, die wir richtig gut gemacht haben und die Sie uns ausquatschen wollen. Das lassen wir nicht zu! Dagegen wehren wir uns, und wir machen deutlich, was hier Sache war.

(Beifall bei der SPD)

Nun komme ich zum Thema Bildung. Zitat Wulff: Bildung hat Priorität. - Das stand bei der Zukunftsklausur ganz obenan. Das finde ich inhaltlich klasse.

(Björn Thümler [CDU]: Aber!)

Herr Wulff, Sie müssten dann aber einmal der geneigten Öffentlichkeit mitteilen, warum es Ihnen

trotz „Bildung hat Priorität“ gleichzeitig möglich ist, die Mittel im Einzelplan 06 von 2005 bis 2012 erkennbar zu reduzieren und die Mittel im Einzelplan 07, also Kultus, von 2005 bis 2012 von 17,5 % am Landeshaushalt auf 14,8 % zu reduzieren. Sie müssten dann einmal deutlich machen, warum Sie trotz „Bildung hat Priorität“ im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern den Abschluss des Krippengipfels ignorieren. Dort ist nämlich festgehalten worden: Die große Herausforderung bis 2013 wird geschultert, indem Gemeinden, Länder und Bund je ein Drittel der Kosten übernehmen. - Das ist die Verabredung. Was macht Niedersachsen?

(Zuruf von der SPD: Das Gleiche wie immer!)

- Genau, das Gleiche wie immer: So gut wie nichts. - Der Bund gibt bis 2013 für dieses Projekt 213 Millionen Euro an Niedersachsen. Dafür sagen wir: Herzlichen Dank, liebe Bundesregierung!

(Beifall bei der SPD)

Das Land Niedersachsen beteiligt sich an dieser Veranstaltung, die für Sie angeblich Priorität hat - für uns hat sie Priorität -, bis 2013 mit 11 Millionen Euro - und das bei einer Quote von 6,9 %, womit Niedersachsen Schlusslicht in Deutschland ist. Das ist jämmerlich.

(Beifall bei der SPD)

Bildung hat Priorität, sagt Christian Wulff. Das Defizit in der Unterrichtsversorgung und in Sachen Arbeitszeitkonto wird ausgeglichen, sagt Herr Möllring. Dies soll durch 500 Stellen - 250 in 2008, 250 in 2009 - geschehen. Können Sie mir erklären, warum die Vorhabenliste der Landesregierung bei diesem Thema nicht 500, sondern 1 500 Stellen verlangt? Das ist doch ganz interessant. Sie legen in Ihrer Planung fest: Wir brauchen 1 500 Stellen, beantragen im Landtag aber 500 Stellen und wollen uns erklären, das sei ein Erfolg. Das ist eine Lachnummer! Das merkt jeder. Unabhängig von dieser Geschichte planen Sie Neues im Bildungsbereich, was auch in Ordnung ist, aber zusätzliche Stellen erfordert. Ich lese in meiner Zeitung seit Wochen fast jeden Tag, dass Eltern sich beschweren und dass von Schulleitungen gesagt wird: Wir haben in ganzen Klassenstufen Unterricht gestrichen, und zwar nicht etwa nur einmal, weil beispielsweise ein Lehrer fehlt, sondern für das ganze Schuljahr. - Das ist das Bildungsland Niedersachsen im Jahre 2008! Bildung hat für Sie aber angeb

lich Priorität. Wie sähe es denn aus, wenn sie bei Ihnen keine Priorität hätte?

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

So geht es auch weiter. Ministerpräsident Wulff sagte nach der Zukunftsklausurtagung - ich zitiere -: Wir machen jetzt intensivere Sprachförderung. - Das ist sachlich gerechtfertigt. Wir gucken in die Mipla und stellen fest: Es gibt dafür keinen Cent mehr. Wir gucken in die Vorhabenplanung der Landesregierung und stellen fest: Dieses Thema genießt keine Priorität. - Meine Damen und Herren, das ist Sein und Schein bei Herrn Wulff!

(Johanne Modder [SPD]: Verar- schung!)

- „Verarschung“ darf ich hier nicht sagen, denn sonst bekomme ich einen Ordnungsruf. - Das war eigentlich ganz elegant.