Protocol of the Session on June 21, 2012

Wie in der gesamten gewaltbereiten linksextremistischen Szene ist aber auch in der antimilitaristischen Szene die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung gesunken. Die Straftaten der letzten Jahre verdeutlichen eine zunehmende Militanz linksextremistisch motivierter Proteste gegen die Bundeswehr und ihre Veranstaltungen. Mit weiteren Aktionen ist daher bis zum Sommerbiwak am 29. Juni 2012 zu rechnen. Dafür spricht vor allem das Selbstbezichtigungsschreiben zum jüngsten Anschlag auf die Bundeswehrfahrzeuge in Hannover, in dem es abschließend heißt - ich zitiere -:

„Krieg beginnt in Hannover. Erst wenn Hannover sich bedingungslos zur militärfreien Stadt erklärt, geben wir Ruhe, um dann an anderer Stelle widerständig gegen Krieg und Militarisierung vorzugehen.“

In Zukunft muss demnach weiterhin mit gewalttätigen Aktionen insbesondere im Hinblick auf besondere Anlässe der Bundeswehr gerechnet werden.

Auf diese ernst zu nehmenden Gefahrenlagen reagiert die Polizei mit umfangreichen Maßnahmen, um weitere Anschläge und Aktionen gegen die Bundeswehr möglichst frühzeitig zu erkennen und bereits im Vorfeld wirksam zu verhindern. Insbesondere mit Blick auf das diesjährige Sommerbiwak führt die Polizei umfassende Aufklä

rungs- und Schutzmaßnahmen durch. Die Polizeibeamtinnen und -beamten sind hinsichtlich der vorliegenden Bedrohung sensibilisiert und berücksichtigen die Gefährdungslage im Rahmen der Streifentätigkeit.

So weit zur Beantwortung Ihrer Dringlichen Anfrage.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. - Mir liegt eine Wortmeldung für eine Zusatzfrage von Frau Leuschner für die SPD-Fraktion vor.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass wir natürlich jegliche Gewalt gegen Sachen und Menschen verurteilen, frage ich die Landesregierung, ob es nicht üblich ist, die politische Motivation erst nach Abschluss der Ermittlungen zu bewerten und nicht schon im Vorfeld, also wenn die Ermittlungen noch laufen.

Herr Minister!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Leuschner, ich bin über Ihre Frage sehr überrascht. Es gibt ein eindeutiges Bekennerschreiben, nicht nur an eine Stelle gerichtet, sondern an verschiedene Stellen. Das Landeskriminalamt hat dieses Bekennerschreiben beurteilt und geht davon aus, dass es authentisch ist. Bei diesen Erkenntnissen kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgehen - nur so habe ich es dargestellt -, dass es sich um einen linksextremistischen Anschlag gehandelt hat.

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen für Fragen liegen mir nicht vor.

Damit kommen wir zu Tagesordnungspunkt 20 d:

Wie will die Landesregierung den Vertrauensverlust in die Härtefallkommission beheben? - Anfrage der Fraktion der SPD - Drs. 16/4902

Zur Einbringung hat sich Frau Dr. Lesemann gemeldet. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! In den letzten Wochen häufen sich die Berichte in den Medien über Austritte und vorübergehende Mandatsniederlegung mehrerer kirchlicher Mitglieder der Härtefallkommission. Und dies, obgleich eine baldige Änderung der Härtefallkommissionsverordnung durch die Landesregierung Besserung bringen soll.

Die kirchlichen Vertreter der Härtefallkommission bemängeln bereits seit Längerem das bürokratische Verfahren der Härtefallkommission, welches nach ihrer Einschätzung eine humanitäre Vorgehensweise unmöglich macht. Die notwendige Zweidrittelmehrheit für eine Entscheidung wird oftmals nicht erreicht, da sich die Akteure uneins sind. Auch die Beschlussfähigkeit wird regelmäßig nicht erreicht, sodass Entscheidungen gar nicht erst getroffen werden können. Auf dieser Arbeitsgrundlage sehen sich viele Mitglieder der Härtefallkommission nicht im Stande, ihrer Aufgabe der Mitwirkung an einer humanitären Entscheidung im Einzelfall gerecht zu werden. Durch den Austritt bzw. die Entscheidung von zwei Mitgliedern der Kommission, die Arbeit ruhen zu lassen, ist nunmehr die weitere Arbeit des Gremiums erheblich gestört.

Schon im Vorverfahren zur Beschlussfassung über die Novelle der Verordnung mehren sich die kritischen Stellungnahmen von Landesaufnahmebehörden, Flüchtlingsverbänden und kirchlichen Vertretern: Zwar solle die Zweidrittelmehrheit abgeschafft werden, doch werde sie faktisch mit der Regelung der einfachen Mehrheit der anwesenden Mitglieder bei Beschlussfähigkeit erst bei Anwesenheit von sieben von acht Mitgliedern wieder eingeführt.

Dies vorausgeschickt, fragen wir die Landesregierung:

1. Wie will die Landesregierung den Vertrauensverlust in die Härtefallkommission korrigieren?

2. Wie will die Landesregierung eine Härtefallkommissionsverordnung vor dem Hintergrund der Stellungnahmen der Verbände zur Novelle der Härtefallkommissionsverordnung humaner gestalten?

3. Wie viele Mitglieder der Härtefallkommission haben seit ihrem Bestehen ihren Rücktritt erklärt

oder haben ihr Mandat ruhen lassen, und wie oft hat die Geschäftsführung gewechselt?

Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Dr. Lesemann. - Herr Innenminister Schünemann antwortet. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über den Rücktritt von Herrn Dr. Weusmann haben wir bereits gestern in der Aktuellen Stunde gesprochen, ebenso über die Ankündigung der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen und der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, ihre Mitarbeit in der Kommission bis zum Inkrafttreten der neuen Verordnung ruhen zu lassen.

Vor dem Hintergrund der beabsichtigten Änderung des Quorums von einer Zweidrittelmehrheit hin zu einer einfachen Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder habe ich dafür sogar ein gewisses Verständnis. Schließlich wird die geänderte Verordnung bereits am kommenden Dienstag vom Kabinett beschlossen. Die Kommission wird dann so schnell wie möglich ihre Arbeit wieder aufnehmen. Entsprechende Terminabstimmungen für Ende Juli laufen bereits.

Einen Vertrauensverlust kann ich nicht erkennen. Aber ich will die Gelegenheit gern nutzen, noch einmal auf die gute Arbeit der Härtefallkommission in den vergangenen Jahren hinzuweisen. Allein im Jahr 2010 hat die Härtefallkommission 40 Eingaben positiv entschieden. Begünstigt wurden 77 Personen. Im Jahr 2011 waren es sogar 51 Eingaben. 103 Ausländerinnen und Ausländer haben daraufhin ein Aufenthaltsrecht bekommen.

Bis auf wenige Einzelfälle bin ich als Innenminister den Voten der Kommission gefolgt. Nicht immer mündete dies sofort in eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 a des Aufenthaltsgesetzes. Zum Teil vorgegeben durch die Kommission, zum Teil weil ich es für erforderlich hielt, bekamen die betroffenen Ausländerinnen und Ausländer Auflagen, deren Erfüllung für möglich und zumutbar erachtet wurde.

Der im Tätigkeitsbericht 2011 dargestellten Evaluierung können Sie entnehmen, dass dieser Ansatz des Förderns und Forderns sehr erfolgreich ist.

Nur in einem einzigen Fall ist diesen Auflagen nicht entsprochen worden.

Die in der Anfrage aufgestellte Behauptung, die notwendige Zweidrittelmehrheit sei oftmals nicht erreicht worden, da sich die Kommissionsmitglieder uneins seien, wird durch die dargestellten Ergebnisse widerlegt und ist nicht richtig.

Auch die Aussage, dass die Beschlussfähigkeit regelmäßig nicht erreicht werde, sodass Entscheidungen gar nicht erst getroffen werden könnten, entbehrt wirklich jeder Grundlage. Sowohl im Jahre 2010 als auch im Jahr 2011 hat die Kommission 18-mal getagt, natürlich in beschlussfähiger Besetzung. Aus meiner Sicht ist das für ein ehrenamtliches Gremium eine beachtliche Anzahl.

Dass es immer wieder Diskussionen zu einzelnen Entscheidungen der Kommission gibt, ist der besonderen Sensibilität des Themas geschuldet.

Ausgangspunkt für die Tätigkeit der Härtefallkommission ist § 23 a des Aufenthaltsgesetzes. Danach setzt eine positive Entscheidung der Härtefallkommission voraus, dass dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit einer Ausländerin oder eines Ausländers im Bundesgebiet in Abweichung vom geltenden Ausländerrecht rechtfertigen. Für Härtefallersuchen besteht nur in außergewöhnlichen Einzelfällen Raum, in denen die Anwendung der aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zu Ergebnissen führt, die der Gesetzgeber erkennbar nicht gewollt hat.

(Filiz Polat [GRÜNE]: Mehr ist vom Bundesgesetzgeber nicht vorgege- ben? Zählen Sie jetzt doch die Aus- schlussgründe auf!)

- Das ist, ehrlich gesagt, wieder einmal nicht richtig. Ich war doch dabei, als dieser § 23 a im Zuwanderungsgesetz formuliert wurde, damals noch von Otto Schily in Zusammenarbeit mit Ihrem Herrn Beck. Damals wurde gesagt, es ist die absolute Ausnahme, dass überhaupt ein Härtefallersuchen in den Ländern erfolgreich beschlossen werden kann. Otto Schily sagte damals, maximal 100 würden im Bundesgebiet davon profitieren, ansonsten hätte er diese Kompetenz, die eigentlich dem Bund zusteht, nicht auf die Länder übertragen. Wenn Sie die Ausschussprotokolle nachlesen, können Sie genau sehen, welche Genese sich bei der Beschlussfassung über § 23 a ergeben hat. Die Darstellung, dass man mit der Härtefallregelung die allgemeinen Regelungen des Aufenthaltsrechts außer Kraft setzen könnte, wie es

hier in diesem Hause immer wieder vorgetragen wird, ist schlicht falsch,

(Ursula Körtner [CDU]: Das sagen sie immer wieder!)

Ich habe es Ihnen gestern schon gesagt, und ich muss es Ihnen schon wieder sagen, dass dieses Aufenthaltsrecht tatsächlich von Rot-Grün geschaffen worden ist.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Es wurde durch die CDU im Bundesrat wesentlich beeinflusst!)

Hier kam von Ihnen keine Initiative, dies zu ändern. Wenn überhaupt, dann ist es tatsächlich von dieser Seite des Hauses im Bundesrat bzw. in der Innenministerkonferenz erreicht worden. Nehmen Sie das doch endlich einmal zur Kenntnis! Frau Polat, sagen Sie hier doch nicht immer wieder etwas, was nicht richtig ist!

(Zustimmung von Ursula Körtner [CDU])

Die Härtefallkommission ist deshalb - ich darf es wiederholen - kein Korrektiv, um vermeintlich unzulänglich gelöste Fragen der allgemeinen Ausländer- und Aufenthaltspolitik zu lösen. Es geht also immer um eine Entscheidung in einem Einzelfall, und über den ist zu entscheiden. Wenn nun einzelne Personen oder Organisationen ein anderes Verständnis von der Arbeit der Kommission haben, führt dies zwangsläufig zu Konflikten. Dies ist vor allem deshalb bedauerlich, weil derartige Konflikte letztlich auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen werden, die auf eine baldige Entscheidung der Kommission hoffen.

Meine Damen und Herren, zur Härtefallkommissionsverordnung: Die Arbeiten zur Änderung der Niedersächsischen Härtefallkommissionsverordnung stehen kurz vor dem Abschluss. Das Anhörungsverfahren der Verbände ist gerade abgelaufen. Die Stellungnahmen werden aktuell ausgewertet. Die neue Verordnung soll, wie bereits erwähnt, am kommenden Dienstag im Kabinett beschlossen werden. Angehört wurden alle Organisationen, die ein Vorschlagsrecht für einen Sitz in der Härtefallkommission haben.

Entgegen den Ausführungen in der Dringlichen Anfrage liegt eine Stellungnahme der Landesaufnahmebehörde - es gibt übrigens nur eine - nicht vor. Es ist absolut unüblich, den nachgeordneten Bereich in eine Verbandsbeteiligung bezüglich einer Verordnung der Landesregierung einzubeziehen.

Die in der Verbandsanhörung dargestellte Veränderung des Quorums von einer Zweidrittelmehrheit in eine einfache Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder ist von beiden Kirchen - die eine gemeinsame Stellungnahme abgegeben haben - sogar ausdrücklich begrüßt worden.

Wie Sie sicher wissen, stellen zwölf Länder hohe Hürden für eine positive Entscheidung der Härtefallkommission auf. Drei Länder verlangen eine Zweidrittelmehrheit der anwesenden Mitglieder, sieben Länder verlangen eine Zweidrittelmehrheit der stimmberechtigten Mitglieder, das Saarland verlangt eine Dreiviertelmehrheit und Hamburg sogar die Einstimmigkeit. Nur in Nordrhein-Westfalen und in Schleswig-Holstein genügt die einfache Mehrheit der anwesenden Mitglieder.

Ich halte nach wie vor eine qualifizierte Mehrheit für angemessen; denn eine positive Entscheidung der Härtefallkommission bedeutet, dass geltendes Recht nicht angewendet wird und häufig auch Urteile der Verwaltungsgerichte außen vor bleiben. Angesichts dieser gravierenden Folgen muss eine positive Entscheidung eine breite Basis in der Bevölkerung finden.

Damit komme ich zum zweiten wesentlichen Punkt der vorgesehenen Änderungen. Die erforderliche Mitgliederzahl zur Herstellung der Beschlussfähigkeit wird auf sieben Mitglieder festgesetzt. Eine geringere Anzahl birgt die Gefahr, dass Abstimmungsergebnisse davon abhängen, welche stimmberechtigten Mitglieder anwesend sind. Damit wäre die Absicht der Landesregierung, die Härtefallkommission mit den wesentlichen gesellschaftlichen Gruppen Niedersachsens zu besetzen und dadurch einen breiten Konsens für deren Entscheidungen herbeizuführen, gefährdet.