Protocol of the Session on June 20, 2012

(Unruhe)

Herr Kollege, bevor es möglicherweise noch schlimmer kommt, darf ich kurz unterbrechen. - Ich bitte, die Gespräche in den Fraktionen einzustellen. Vorher fahren wir nicht fort. - Bitte, Herr Kollege!

Aber es geht nicht nur um das Schaffen parlamentarisch unkontrollierter Schattenhaushalte. In diesen Schattenhaushalten bauen sich Schulden auf, die eines Tages den Kernhaushalt mit in die Tiefe reißen können. Ich zitiere abermals den Landesrechnungshof:

„Die diesbezüglichen Verbindlichkeiten“

- in diesen ganzen Nebenhaushalten -

„lassen sich nicht exakt beziffern, weil das Land sie nicht oder nur teilweise dokumentiert.“

Anschließend erfolgt eine Aufstellung bis hin zu den Eventualverbindlichkeiten z. B. für die NORD/LB. Wenn Sie alles zusammenaddieren, kommen Sie auf im Haushalt nicht abgebildete Risiken in Höhe von 14,5 Milliarden Euro. Das sind ungefähr 60 % des gesamten Haushaltsvolumens. Sie müssen sich einmal klarmachen, was Sie da

inzwischen angerichtet haben, meine Damen und Herren von der CDU und der FDP!

(Beifall bei der LINKEN)

Außer diesen beiden Hauptskandalen möchte ich noch zwei Punkte erwähnen. Der Landesrechnungshof wirft auf Seite 13 die schlichte Frage auf:

„Ungeklärt ist demgegenüber, ob das Land für die Schulden illiquider Kommunen rechtlich einzustehen hat.“

Herr Möllring wird nachher vielleicht die Gelegenheit nutzen, etwas dazu sagen. Ich bitte sehr, klar zu erklären, dass das Land natürlich für eventuelle Schulden illiquider Kommunen einsteht.

Ferner möchte ich all das unterstreichen, was der Landesrechnungshof zur systematischen Laxheit beim Eintreiben der Erbschaftsteuer und anderer Steuern sagt. Wir haben Ihnen in der letzten Haushaltsdebatte vorgerechnet, bei vernünftiger Großerbensteuer hätte dieses Land 600 Millionen Euro Plus in der Kasse, wenn man sie eintreibt.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das hat mit dem Text nichts zu tun!)

Selbst die gegenwärtig zu niedrige Steuer - sie ist, wie wir wissen, eine reine Landessteuer - wird liegen gelassen. Ich zitiere abermals aus dem Bericht des Landesrechnungshofs: Allein bei fünf von acht untersuchten Erbschaft- und Schenkungssteuerfällen wurde festgestellt, dass dem Land innerhalb eines Dreijahreszeitraums ein finanzieller Nachteil in Höhe von etwa 12 Millionen Euro entstanden ist. - Wenn Sie das mit einem einfachen Dreisatz hochrechnen, dann bedeutet das für alle einen Steuerausfall von 6,4 Millionen Euro pro Jahr.

Nun verdient Herr Möllring ganz gut. Er ist aber dafür verantwortlich, dass diesem Land jedes Jahr allein bei der Erbschaftsteuer 6,4 Millionen Euro durch die Lappen gehen! Dieser Finanzminister und sein ganzes Kabinett sind für dieses Land unerträglich teuer und gehören zum Teufel gejagt!

Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege, wir sind uns einig: Die letzte Formulierung war unangemessen. Ich möchte Sie jetzt nicht bitten, das von hier vorne zu korrigieren, aber wir sind uns einig, dass das nicht in Ordnung war.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: „Zum Teufel“ nehme ich zurück! - Gegenruf von Heinz Rolfes [CDU]: Nein! Das geht so nicht! Mit tiefer Verneigung soll er sich entschuldigen!)

- Zur Klarstellung: Herr Kollege Dr. Sohn hat den Begriff zurückgenommen.

(Jens Nacke [CDU]: Lasst es mal gut sein! Das war vielleicht seine letzte Rede hier!)

Das Wort hat jetzt der Kollege Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „… Konsequenzen aus dem Bericht des Landesrechnungshofes ziehen“ lautet die Überschrift dieser Aktuellen Stunde. Im engeren Sinne wird wie jedes Jahr der Ausschuss für Haushalt und Finanzen mit seinem Unterausschuss „Prüfung der Haushaltsrechnungen“ über die Konsequenzen aus den Feststellungen des Landesrechnungshofs beraten. Er wird dazu Beschlussempfehlungen verabschieden. Schließlich wird der Landtag darüber im Herbst endgültig entscheiden.

Ohne die Arbeit des Landesrechnungshofes wäre eine parlamentarische Kontrolle des Haushaltsvollzugs der Landesregierung kaum handhabbar. Das bedeutet aber auch, dass es nicht Aufgabe des Landesrechnungshofes sein kann, die Finanzvorgänge in der Landesregierung darzustellen, bei denen alles einwandfrei und gut gelaufen ist, sondern er muss den Finger dort in die Wunde legen, wo Fehler gemacht wurden.

Ich spreche diese Binsenweisheit an, weil ich mir wünsche, dass sich eine Tendenz der letzten Jahre in der Ausschussarbeit nicht weiter verstärkt. Ich meine Folgendes: Gelegentlich - ich meine festgestellt zu haben: von Jahr zu Jahr häufiger - versteht sich die Mehrheit der Mitglieder der Koalitionsfraktionen im Unterausschuss stärker als parteiliche Verteidiger der Landesregierung denn als Kontrolleure des Parlaments. Meine Damen und Herren, das darf sich nicht auswachsen. Das entwertet die Arbeit des Ausschusses und die Arbeit des Landesrechnungshofes.

(Beifall bei den GRÜNEN - Wider- spruch bei der CDU und bei der FDP)

Da sich das Parlament mit der abschließenden Beratung über die Haushaltsrechnung und die damit verbundene Entlastung der Landesregierung

in der Regel eher beiläufig befasst, begrüße ich eine frühzeitige Debatte darüber und einen ersten Blick darauf, ob die Politik dieser Landesregierung, aber auch ihr Haushaltsgebaren überhaupt eine Entlastung verdienen.

Mit dem Schwerpunktthema „Finanzielle Risiken aus Nebenhaushalten“ hat der Landesrechnungshof in diesem Jahr einen sehr aktuellen und bedeutenden Aspekt ausgewählt. Er verweist in diesem Bericht darauf, dass es nicht nur darauf ankommt, irgendeine Schuldenbremse zu haben, sondern eine, die funktioniert. Wer die Schuldenbremse nur als Vehikel ansieht, um seine Botschaft zu verbreiten „Wir sind die besseren Sparer!“, wie es z. B. diese Landesregierung tut, der kann natürlich auf die Betrachtung der Nebenhaushalte verzichten. Aber wer eine wirksame Schuldenbremse möchte, die eine nachhaltige Haushaltswirtschaft und die staatliche Leistungsfähigkeit dauerhaft sichert, der muss diese Risiken kennen, bewerten und soweit wie möglich beseitigen.

Ende 2010 betrug der Bestand der fundierten Schulden im Kernhaushalt des Landes 56 Milliarden Euro. Der Schuldenzuwachs beläuft sich in diesem Jahr auf über 2 Milliarden Euro. Rund 7 Milliarden Euro übernommene Bürgschaften und über 4 Milliarden Euro an Verpflichtungsermächtigungen sind darüber hinaus im fundierten Bereich zu beachten. Meine Damen und Herren, das ist besorgniserregend und straft jede Behauptung dieser Landesregierung Lügen, sie betreibe Haushaltskonsolidierung.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das Geflecht von Risiken außerhalb dieses Kernhaushaltes ist inzwischen kaum noch greifbar: Landesbetriebe, Anstalten öffentlichen Rechts, Beteiligungen an privatrechtlichen Unternehmen oder, um einige Namen zu nennen, HanBG, NBank, NPorts, JadeWeserPort-Gesellschaften, Landesforsten, Stiftungshochschulen, NORD/LB, Messegesellschaft usw.

(Heinz Rolfes [CDU]: Ja, und?)

Hinzu kommen Einstandspflichten für die niedersächsischen Kommunen und die implizite Verschuldung durch die Pensionsverpflichtungen des Landes. Das sind weitere dicke Brocken außerhalb des Kernhaushaltes. Wir sprechen hier von dreistelligen Milliardenbeträgen. Einzelheiten will ich Ihnen ersparen.

Allein diese Stichworte vermitteln bereits einen Eindruck darüber, wie unübersichtlich das Risikopotenzial und, meine Damen und Herren, wie ausgehöhlt das Budgetrecht des Parlaments bereits heute ist. Dass die Landesregierung darüber hinaus immer wieder dabei ertappt wird, selbst im Kernhaushalt das Budgetrecht des Parlaments zu missachten - z. B. durch die Schaffung nicht genehmigter Stellen oder die Umgehung von nicht gewünschten Nachtragshaushalten -, ist dabei ein besonderer Skandal.

(Glocke des Präsidenten - Ulf Thiele [CDU]: Wo? Nennen Sie doch ein Bei- spiel!)

- Schauen Sie im Bericht nach!

Meine Damen und Herren, die Mängelliste des Landesrechnungshofes beim Management der Nebenhaushalte durch die Landesregierung kann sich sehen lassen: unzureichende Risikobegrenzungen durch fachlich nicht untermauerte Investitionen, Missachtung des Grundsatzes des vorsichtigen Kaufmanns, Finanzierung von Angeboten, für die es keine Nachfrage gab, Versagen bei Aufsicht und Steuerung durch Verzicht auf die Festlegung strategischer Ziele, Verzicht auf neue Steuerungsinstrumente und Verzicht auf hinreichende Kontrollen. Statt nach gleichen Standards wird nach Gutsherrenart finanziert. Hinter verschleiernden Nebenhaushalten werden Gelder zweckentfremdet oder zur Finanzierung überhöhter Gehälter genutzt, wie z. B. bei einigen Hochschulpräsidien.

(Zustimmung von Hans-Henning Adler [LINKE])

Meine Damen und Herren insbesondere von der CDU, ich bin sehr gespannt, ob Sie Ihren neuen Wahlkampfslogan auch unter diesen Landesrechnungshofbericht stellen werden. Wie hieß er noch? - „So machen wir das.“

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Johanne Modder [SPD] - Jens Nacke [CDU]: Nur kein Neid, Herr Kollege! Ist denn jetzt nur noch Wahlkampf?)

Ich erteile jetzt der Kollegin Geuter das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt kaum eine Rede des Niedersächsischen Ministerpräsidenten und kaum eine Pressemitteilung der

Regierungsfraktionen zu haushaltspolitischen Themen, in der nicht die Behauptung aufgestellt wird, man werde mit nachhaltiger, generationengerechter Finanzpolitik für eine Absenkung der Verschuldung sorgen.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP - Glocke des Präsidenten)

- Meine Damen und Herren, an Ihrem Beifall merke ich, dass Sie weiterhin Opfer Ihrer eigenen Inszenierung sind.

(Starker Beifall bei der SPD und Bei- fall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Der Landesrechnungshof hat in seinem Bericht sehr deutlich gemacht, dass das Bild, das Sie von Ihrer Regierung beschreiben, mit der Realität nicht übereinstimmt, weil es wesentliche Bereiche ausblendet.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Ich erinnere daran, dass es in den letzten Jahren nur deshalb gelungen ist, die Nettokreditaufnahme abzusenken, weil man