Protocol of the Session on May 9, 2012

Herzlichen Dank, Herr Dr. Hocker. - Zu diesem Tagesordnungspunkt hat nun Frau König von Fraktion DIE LINKE das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Fracking ist eine rückwärts gewandte Technologie, die das fossile Zeitalter verlängert. Wir haben gerade gehört: Das Verfahren ist teuer und gefährlich. Die Risiken für das Grundwasser und das Trinkwasser sind wegen der giftigen Chemikalien, die in die Fracking-Flüssigkeit gemischt werden, enorm. Der Flächenverbrauch ist hoch. Die Ökobilanz ist insgesamt schlecht.

All diese Risiken und negativen Aspekte werden zwar auch in der Risikostudie „Fracking“, die von einem neutralen Expertenkreis im Auftrag von Exxon erstellt wurde, aufgezeigt. Aber wir kennen ja das Sprichwort „wer bezahlt, bestimmt die Musik“, und so verwundert es auch nicht, dass das von Exxon bezahlte Experten-Schriftstück zu dem Ergebnis kommt: Trotz der vielen Risiken könne man, wenn man vorsichtig vorgehe, die Probleme im Griff behalten.

Meine Damen und Herren, seien wir doch einmal ehrlich: Diese Risikostudie ist für die FrackingTechnologie vernichtend. Jeder vernünftig denkende Mensch, der die gesamte Studie gelesen hat, würde diese Technologie doch sofort aufgeben.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Viele Gemeinderäte und Kreistage in Niedersachsen verabschieden aus diesem Grund parteiübergreifende Resolutionen gegen Fracking. Auch viele CDU-Mitglieder sind dabei. Herr Bäumer, Sie sind zwar bei einem Protestmarsch mitgegangen, und dank der vielen Bürgerinitiativen und Proteste ist es gelungen, dass es in Bad Rothenfelde bzw. in Ihrem Wahlkreis nicht zum Fracking-Verfahren kommt. Aber damit ist doch nicht das Problem gelöst, dass jetzt in Badbergen im Landkreis Osnabrück die Suche losgeht.

(Beifall bei der LINKEN)

So geht es nicht! Das zeigt nur: Die Position der CDU ist schwammig, und das Restrisiko bleibt. Die Linke dagegen ist eindeutig und klar: Wir fordern ein grundsätzliches Verbot von Fracking, wie es etwa in Frankreich und Bulgarien gilt.

(Beifall bei der LINKEN)

Rechtsgrundlage für den Abbau von Bodenschätzen in Deutschland ist das Bundesberggesetz. Das aber ist veraltet. Es schützt weder die Umwelt noch die Ressourcen. sondern es forciert sogar die Ausbeutung dieser Ressourcen. Das Bergrecht muss also dringend reformiert werden. Es muss grundsätzlich in das Umweltrecht integriert werden. Eine Mitentscheidung der Anwohner bzw. der Bevölkerung muss gewährleistet sein. Um es deutlich zu sagen: Es muss im Einvernehmen entschieden werden. Die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land wollen an den Entscheidungen, die ihr Leben betreffen, beteiligt werden.

Die Linke unterstützt auch die Forderung des Wasserverbandstages nach einer sogenannten unterirdischen Raumordnung. So können Vorhaben generell besser geplant und vor allen Dingen Nutzungskonflikte entzerrt werden. Außerdem muss festgeschrieben werden, dass Unternehmen für mögliche Umweltschäden durch ihre Vorhaben haften. Dazu muss unbedingt die Beweislast umgekehrt werden. - So muss das geregelt werden!

Das aber ist heute alles nicht der Fall, weil Herr Minister Bode sogar eine generelle Umweltverträglichkeitsprüfung bei Fracking ablehnt. Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, dass er sich auf den Standpunkt stellt, dass unterhalb einer Gasfördermenge von 500 000 m³ pro Tag keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss. Dieser Standpunkt ist nur damit zu erklären, dass Minister Bode ein uneingeschränkter Lobbyist dieser Konzerne ist.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wenn er im nächsten Jahr nicht mehr auf der Regierungsbank sitzt, wollen wir einmal sehen, wo er dann seinen Platz findet. Ich frage mich allerdings, Herr Bode, ob diejenigen, denen Sie sich heute andienen, Ihren Einsatz dann auch noch wirklich würdigen werden. Denn wenn ein Minister die Interessen seines Souveräns - das sind in diesem Fall das Land Niedersachsen und die niedersächsische Bevölkerung - nicht vertritt, wie sollen sich dann einzelne Konzerne auf ihn verlassen können?

Ich komme zum Schluss. Die Umweltverträglichkeitsprüfungen müssen bei allen Vorhaben ergebnisoffen vorgeschaltet werden; darin sind sich Linke und Grüne einig. In Ihrem Antrag, den Sie mit dem wunderbaren Titel „Ein neues Bergrecht für das 21. Jahrhundert“ in den Deutschen Bundestag eingebracht haben, gehen Sie nicht weit genug. Dort haben Sie nicht den Finger in die Wunde ge

legt. Zum Fracking haben Sie nichts Eindeutiges in Ihren Antrag geschrieben. - Also auch schwammig!

Wenn klar ist, dass eine Technologie so riskant ist, dass sie Lebensgrundlagen zerstören kann, dann muss sie untersagt werden. Fracking mit giftigen Chemikalien darf nicht möglich und nicht genehmigungsfähig sein. So konkret ist das Bergrecht zu ändern, meine Damen und Herren. Das sind wir der Bevölkerung in Niedersachsen schuldig.

Mit Blick auf die Haushaltskonsolidierung plädieren Sie immer dafür, dass wir an die nachfolgende Generation denken müssen. Hier aber vergessen Sie die nachfolgende Generation. Wir hingegen tragen die Sorge für die nachfolgende Generation. Wir stehen dafür ein, dass auch die nachfolgende Generation in Niedersachsen leben kann. Deshalb kein Fracking!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Herzlichen Dank. - Für die Landesregierung hat Herr Minister Bode das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor ich mich dem Thema der Aktuellen Stunde zuwende, möchte ich ein Missverständnis aufklären. Hier ist mehrfach von einem Moratorium des Bundes geredet worden. In diesem Zusammenhang gibt es aber kein Moratorium des Bundes, auch wenn das in einigen bundesdeutschen Nachrichtenmagazinen so stehen mag.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, eine Industriegesellschaft wie Deutschland ist ohne Rohstoffe nicht zukunftsfähig. Auch die Bürger sind auf Rohstoffe angewiesen, und zwar nicht nur im Blick auf die Dinge des täglichen Bedarfs, sondern z. B. auch im Blick dafür, dass man im Winter seine Wohnung heizen kann. Mithin stellt sich nicht die Frage, ob wir Rohstoffe benötigen, sondern woher wir die Rohstoffe beziehen.

Nun könnten wir es uns leicht machen und dem Konflikt zwischen Umweltschutz, Rohstoffgewinnung und Interessen der Bürger aus dem Weg gehen, indem wir die Rohstoffgewinnung ins Ausland verlagern und die Rohstoffe dann aus diesen Länder importieren. Das aber wären dann Länder, in denen die Rohstoffgewinnung unter anderen Wertvorstellungen, unter anderen Umwelt- und

Naturschutzbedingungen und unter einer anderen Beteiligung der betroffenen Menschen realisiert würde. Das, meine Damen und Herren, wird aber sicherlich niemand wollen.

Die Alternative ist, unsere heimischen Rohstoffe zu nutzen, und zwar unter Beachtung der hohen Standards unseres Umwelt- und Naturschutzrechts und mit Beteiligung der betroffenen Bürger. Diese Alternative, meine sehr geehrten Damen und Herren, halte ich für die einzig moralisch verantwortbare und damit für die einzig richtige, auch im Hinblick auf die Versorgungssicherheit. Man darf im Übrigen nicht vergessen, dass wir im Bereich Gas schon heute ein starkes Importland sind und dass in vielen Ländern, aus denen wir Gas importieren, andere Bedingungen herrschen als bei uns.

Hinzu kommt: Ein Verzicht auf die eigene Förderung von Rohstoffen und Erdgas würde nicht nur bedeuten, dass die Umweltrisiken ins Ausland exportiert werden, sondern auch, dass unsere hoch qualifizierten Arbeitsplätze ins Ausland exportiert werden. Das kann doch niemand wollen.

Deshalb kommt es darauf an, die einzelnen Interessen auszugleichen. Das Bundesberggesetz greift dieses Spannungsfeld zwischen Umweltschutz, betroffenen Bürgern und Rohstoffgewinnung auf und definiert die Anforderungen an die Genehmigung bergbaulicher Vorhaben. Aber eben nicht abschließend. Vielmehr gibt es neben dem Berggesetz noch eine Vielzahl von staatlichen Umweltschutzvorschriften, die ebenfalls zu beachten sind. Somit handelt es sich hier um einen Genehmigungsvorgang, der all unsere hohen Standards im Umwelt- und Naturschutzrecht sichert und berücksichtigt. Deshalb ist es auch völlig undenkbar, dass ein Vorhaben genehmigt wird, ohne dass die Belange des Trink- und Grundwasserschutzes berücksichtigt werden und ohne dass die Eingriffe in die Natur so gering wie möglich gehalten werden.

Die niedersächsischen Genehmigungsbehörden beteiligen die Landkreise und damit die unteren Wasserbehörden. Integraler Bestandteil der Entscheidungen ist selbstverständlich der Schutz sensibler Gebiete wie z. B. von Wasser- und Naturschutzgebieten. So sieht das Wasserhaushaltsgesetz bereits heute vor, bestimmte Handlungen zu verbieten oder entsprechend einzuschränken. Schon heute sind in den Schutzzonen 1 und 2 der Trinkwasserschutzgebiete Bohrungen verboten. In der Schutzzone 3 sind Bohrungen völlig unabhängig von der Technik nur beschränkt zulässig, näm

lich nur dann, wenn der Landkreis als untere Wasserbehörde sie genehmigt und über das Vorhaben abschließend entscheidet. Ich halte dieses abgestufte Vorhaben auch für sachgerecht. Man muss die betroffenen Bürgerinnen und Bürger und viele Unternehmen vielleicht noch stärker darüber aufklären, dass in der Trinkwasserschutzzone 3 der Landkreis abschließend zuständig ist.

Herr Wenzel, das, was Sie hier in den letzten Monaten immer wieder dargestellt haben, und Ihr Versuch, mithilfe des Films „Gasland“ über die schrecklichen Ereignisse in den USA einen Zusammenhang zwischen dem Fracking und der Verunreinigung des Grundwassers herzustellen, ist absolut - - - Ich darf das jetzt nicht sagen; denn das wäre unparlamentarisch. Jedenfalls haben Sie immer versucht, die Schäden in den USA mit dem Fracking in Einklang zu bringen.

Es gibt nur eine einzige wissenschaftliche Untersuchung, die drei große Fördergebiete in den USA untersucht hat. Diese Studie der Universität von Texas hat ergeben, dass es zwischen den FrackMaßnahmen und den Verunreinigungen des Grundwassers keinen Zusammenhang gibt.

Das LBEG war ebenfalls in den USA und hat sich die Fördertechnik sowie die Sicherheitsauflagen angeschaut und sieht dies genau so.

Herr Wenzel, die Wissenschaft sagt, das, was Sie hier in den letzten Monaten behauptet haben, ist Nonsens. Heute haben Sie versucht, das richtigzustellen, indem Sie sagen, es gehe um das Methan in der Grundwasserschicht. Aber hierzu muss man wissen: In den USA gibt es oberflächennahes Methan. Das ist ein natürliches Vorkommen, ganz egal, ob und wie gefördert wird. So etwas gibt es übrigens auch in Deutschland, z. B. im Münsterland. Deshalb, Herr Wenzel, muss man sich das genau anschauen und darf nicht einfach nur Ängste schüren, weil man hofft, damit Wahlerfolge erzielen zu können.

Meine Damen und Herren, in der Diskussion über die Frack-Technologie ist zu unterscheiden zwischen der Förderung von Shale Gas, der Tiefengeothermie und der in Niedersachsen schon seit Langem praktizierten Stimulierung von konventionellen Erdgasbohrungen. Letztere gibt es seit 35 Jahren in 250 Fällen, ohne dass es zu einer Beeinträchtigung des Trinkwassers gekommen wäre. Hier gibt es also Erfahrungswerte, bei den beiden anderen Punkten aber eben noch nicht. Deshalb sagen wir als Landesregierung: Wir brauchen eine Änderung des Bergrechts, die alle Arten von Vor

haben umfasst, also auch hydraulische Bohrlochbehandlungen, sofern sie eine nachhaltige negative Umweltauswirkung erwarten lassen - d. h. nicht erst, wie es die Linken fordern, ab einer bestimmten Fördermenge, sondern vielmehr abhängig von geologischen Gegebenheiten, von Standorten, von der Tiefe, vom Abstand zu Trinkwasser führenden Schichten, vom Volumen der verwendeten Medien etc. -, und das Ganze mit Öffentlichkeitsbeteiligung, mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung, mit bergrechtlichem Planfeststellungsverfahren. Das haben wir im Bundesrat bereits eingebracht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der unabhängige Expertenkreis hat vor wenigen Tagen die Risikostudie zum Shale Gas vorgelegt. Dem lag ein einjähriges Verfahren zugrunde. Die Studie kommt mit einer ausführlichen Begründung zu dem Ergebnis, dass es kein generelles Verbot der Fracking-Technologie geben sollte. Wir sehen es ebenfalls so, dass wir hier Erfahrungen sammeln müssen, und zwar unter Berücksichtigung aller Sicherheitsstandards, die wir tatsächlich haben, und dass wir den Bericht, wenn er dann komplett vorliegt, neutral bewerten lassen wollen. Es gibt hier auch keinen Zeitdruck, weil viele Unternehmen ja nur suchen, ob es diese Fördermöglichkeiten gibt, ob es also geologische Formationen mit Shale-Gas-Vorkommen gibt. Die Frage, ob eine Förderung von Shale Gas in Niedersachsen stattfinden soll oder nicht, wird erst in einigen Jahren zu beantworten sein. So lange haben wir auch Zeit, um die Sicherheitsstandards und die Voraussetzungen zu definieren und dann auch umzusetzen. Und eines ist ganz klar: Trinkwasserschutz und auch Grundwasserschutz gehen vor Rohstoffgewinnung.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen zu diesem Punkt gibt es nicht. Damit haben wir Punkt b erledigt.

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt 14 c auf:

Ausschussreise zeigt keine Perspektive für Abgeschobene im Kosovo - Abschiebestopp in den Kosovo jetzt! - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/4759

Frau Kollegin Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE hat sich zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort.

Danke schön. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auf Antrag meiner Fraktion sind Vertreterinnen und Vertreter aus dem Innenausschuss in das Kosovo gereist, um sich vor Ort ein Bild von den Lebensumständen der aus Niedersachsen abgeschobenen Menschen zu machen. Mit dabei waren Vertreter von Pro Asyl, vom Roma Center Göttingen, von der Caritas, vom Niedersächsischen Landkreistag und ein Vertreter aus dem Innenministerium.

Nach dieser Reise sprechen die Landesregierung und die Koalition von den Erfolgen der Reintegration der abgeschobenen Roma und davon, dass die Maßnahmen, die man getroffen habe, gute Wirkung zeigen würden. Das, meine Damen und Herren, entspricht jedoch nicht den Tatsachen, und alle beteiligten Kolleginnen und Kollegen wissen das auch ganz genau.

Sie erklären nicht, wie sinnvolle Reintegrationsangebote mit einer Arbeitslosigkeit von mehr als 90 % für Minderheiten wie Roma vereinbar sind. Sie loben den Integrationsfonds, der Wohnungen oder Häuser finanzieren soll, und sehen zu, wie nach einem halben Jahr die Familien ohne Wohnung, ohne Lebensmittel, ohne Kleidung, ohne Bildung und ohne Arbeit nur noch dahinvegetieren können.

Wir haben Familien getroffen, die nicht wissen, wie sie den Winter verbringen sollen, weil die sechsmonatige Mietkostenübernahme durch den Staat noch in diesem Jahr ausläuft. In Plemetina haben wir diejenigen gesehen, deren Unterstützung schon ausgelaufen ist. Wo haben Sie denn eigentlich hingeschaut? - In diese Situation kommen alle Abgeschobenen; denn nach einem halben Jahr ist Schluss mit jeglicher Unterstützung.

(Zuruf von der CDU: Stimmt doch gar nicht!)

Staatliche Unterstützung und die Hilfen aus dem sogenannten Integrationsprogramm URA 2 sind einmalig und zeitlich begrenzt und somit ohne nachhaltige Wirkung. Sie sind nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.

Haben Sie sich eigentlich einmal Gedanken gemacht, was mit den Familien passiert, wenn die einmalige medizinische Hilfe von 75 Euro aufge

braucht ist, wenn die 50 Euro Unterhaltskosten ausgegeben sind, wenn die Miete nicht mehr bezahlt wird und kein Roma auch nur den Hauch einer Chance hat, einen Arbeitsplatz zu bekommen?

Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen Bilder mitgebracht und möchte Ihnen gerne zeigen, wie das dann aussieht.