Protocol of the Session on May 8, 2012

Herr Jüttner, Sie haben gesagt, alle anderen Länder machten das nicht und gingen einen anderen Weg. Genau mit dieser Haltung sind das Land Niedersachsen und alle anderen 15 Bundesländer in Deutschland schon einmal baden gegangen. Wir haben mehrere Hundert Millionen Euro bei Lotto

und am Ende vor dem Europäischen Gerichtshof verloren. Das war sozialdemokratische Politik à la Kurt Beck. Das hat uns die ganze Misere erst eingebrockt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Interessant ist der Hinweis auf Schleswig-Holstein. Schauen wir uns doch einmal die Haltung insbesondere der dortigen SPD an. Da kann man wirklich nur noch von Doppelmoral sprechen. Auf der einen Seite macht die SPD Wahlkampf, indem sie sagt: Die Glückspielgesetzgebung, die SchwarzGelb in Schleswig-Holstein auf den Weg gebracht hat, wollen wir abschaffen. - Auf der anderen Seite steht der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten und Oberbürgermeister von Kiel, Herr Albig, im Raum und sagt: Alle Glücksspielanbieter müssen unbedingt nach Kiel kommen. Ich will die alle bei mir haben. Sie sollen Steuern zahlen. - Man braucht sich doch nicht darüber zu wundern, dass es bei den Sozialdemokraten in Schleswig-Holstein mit den 40 plus X nichts geworden ist. Wer so doppelmoralisch Politik macht, der hat jedes Recht verloren, gewählt zu werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP - Oh nein! bei der LINKEN)

Ich habe es vorhin schon gesagt: Wir haben in Niedersachsen unsere Erfahrungen mit Staatsverträgen gemacht, die vor allen Dingen der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, ausgehandelt hat. Herr Beck hat zu dem zum 1. Januar außer Kraft gesetzten Glücksspielstaatsvertrag gesagt, das sei fiskalisch der richtige Weg, weil er die Einnahmen insbesondere für die Sportverbände und für die Wohlfahrt sichere, und er sei rechtlich der sichere Weg.

Was ist am Ende dabei herumgekommen? - Es war ein fiskalisches Desaster nicht nur für das Land Niedersachsen. Wir haben erstens mehrere Hundert Millionen Euro verloren, und zwar an den Graumarkt und nicht etwa an irgendjemand anders, und zweitens ist die ganze Geschichte vor dem Europäischen Gerichtshof gründlich baden gegangen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir dürfen uns im Interesse des Sports und der Wohlfahrt in Niedersachsen nicht noch einmal auf Herrn Beck verlassen. Deswegen müssen wir an dieser Stelle einen niedersächsischen Weg gehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für mich ist das deshalb besonders unverständlich, Herr Jüttner, weil in den Debatten der vergangenen Woche über die Einnahmesicherung auf Landesseite und zum Thema Schuldenbremse die SPD immer wieder appelliert hat, dass wir aufpassen und auch auf der Einnahmeseite des Landes ganz genau hingucken müssen und nicht nur bei den Ausgaben kürzen dürfen.

An dieser Stelle frage ich Sie: Wie passt es zu Ihrem Aspekt Einnahmesicherung, wenn - Stand: heute - 95 % der Sportwetten in Deutschland in einem Graumarkt stattfinden, ohne dass es Regulierung gibt und ohne dass der Landeshaushalt, die Sportverbände und die Wohlfahrtspflege irgendetwas von diesen Wetten haben?

Sie strafen sich an dieser Stelle selbst Lügen, meine Damen und Herren. Das passt eigentlich nicht zur SPD-Politik und insbesondere nicht zur Politik der Suchtprävention. Wer Suchtprävention will, der muss diesen Markt vernünftig regulieren! Deswegen ist es richtig, dass die Ministerpräsidenten im Rahmen eines Kompromisses einen neuen Staatsvertrag auf den Weg gebracht haben.

Ich bin der Hoffnung, dass wir hierüber vernünftig beschließen, teile aber auch die Auffassung des Kollegen Toepffer, dass das nicht sicher ist. Deswegen muss Niedersachsen hier einen eigenständigen Weg der Rechtssicherheit auf der einen Seite und der Einnahmensicherung auf der anderen Seite gehen. Das ist ein guter niedersächsischer Weg. Wir lassen uns von Herrn Beck nicht noch einmal hinter die Fichte führen!

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herzlichen Dank, Herr Dürr. - Zwei Kurzinterventionen auf Sie. Zunächst spricht für die SPDFraktion Herr Kollege Jüttner für anderthalb Minuten. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es mag sein, dass ich mich versprochen habe. Ich bin für eine strikte Ablehnung der Beschlussempfehlung.

Herr Dürr, es hilft nichts, wenn Sie das Ganze jetzt zum Thema der Auseinandersetzung mit Herrn Beck machen. Es mag ja sein, dass nicht alle Regelungen der Staatsverträge klug eingefädelt worden sind. Das hat mit diesen Kompromissen zu

tun. Aber der Kern, um den es hier geht, ist, dass Sie politischer Handlanger der Glücksspielindustrie sind

(Widerspruch bei der FDP)

und dass Sie dafür streiten, dass Livewetten bei Sport endlich stattfinden dürfen, dass Sie dafür streiten, dass das Onlinepokerspiel endlich durchgesetzt wird. Sie haben das zwar nicht alles im Staatsvertrag durchsetzen können, aber Sie haben die Tür weit aufgestoßen, und Sie hoffen jetzt, dass die EU-Kommission im Rahmen ihres Verständnisses von Wettbewerb den Rest dann schon erledigen wird.

Verstecken Sie sich nicht hinter Herrn Beck! Was Sie wollen, ist die Ökonomisierung im Bereich Sucht, ist das Ende des Kampfes gegen Sucht und das Bestreben, das alles marktfähig zu machen.

(Björn Thümler [CDU]: Das hat Beck doch auch gemacht!)

Darum geht es im Kern, auch wenn Sie versuchen, hier davon ein bisschen abzulenken.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die nächste Kurzintervention erteile ich das Wort Herrn Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für eineinhalb Minuten!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Dürr, wenn das alles so wäre, wie Sie hier sagen, dass es Ihnen im Kern nur darum geht, mit dem Gesetz Fehler aus dem alten Staatsvertrag auszubügeln, dann frage ich Sie: Woher kommt die große gesetzgeberische Eile - um nicht zu sagen, die Hektik, das Schnellverfahren -, mit der Sie diesen Gesetzentwurf durch die Ausschüsse gepeitscht haben?

Die Fehler, die Sie hier kritisiert haben, dürften Ihnen schon länger als seit dem 17. April bekannt gewesen sein. Sie hätten lange genug Zeit gehabt, das Gesetz hier in einem ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahren beraten zu lassen.

Aber der wichtige Punkt - darauf ist Herr Jüttner gerade eingegangen - ist: In Wahrheit geht es darum - am Ende Ihrer Rede haben Sie es angedeutet; korrigieren Sie das gern, wenn ich Sie da falsch verstanden habe - dass Sie hoffen - darum

geht es Ihnen -, den neuen Staatsvertrag noch zu Fall zu bringen,

(Christian Dürr [FDP]: Das stimmt doch gar nicht! Das habe ich nicht ge- sagt!)

dass Sie hoffen, dass er nicht in Kraft tritt, und dass Sie dann für diesen Fall dieses Gesetz haben, um Niedersachsen zum Glücksspieleldorado auch im Bereich der Livewetten zu machen. Damit nehmen Sie in Kauf, dass Sie mehr Menschen in Spielsucht treiben, Herr Dürr.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der FDP: Das glau- ben Sie doch selbst nicht, was Sie da sagen!)

Dann noch ein Letztes, Herr Dürr! Wenn Sie hier beschreiben, dass Ihr Gesetzentwurf der einzige Weg sei, um die Finanzen für das Land zu sichern und gleichzeitig die Spielsucht zu bekämpfen, dann - dass muss ich schon sagen - wundere ich mich, dass Sie diese Haltung nicht vorher in die Verhandlungen eingebracht haben. Nein, in Wahrheit geht es Ihnen um einen niedersächsischen Sonderweg, um die liberale Klientel zu bedienen.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Dürr möchte antworten. - Auch für Sie eineinhalb Minuten für beide Kurzinterventionen.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Jüttner, ich habe das ja vorhin schon unterstrichen: Wir haben uns darauf schon einmal verlassen. Das ging nach dem Motto, wir brauchen nichts zu machen, wir brauchen nur noch diesen Staatsvertrag, der ja in SachsenAnhalt, aber maßgeblich von Herrn Beck in Rheinland-Pfalz, in Mainz, ausgehandelt wurde und dann auch erarbeitet worden ist. Wir sollten uns einfach darauf verlassen, dann werde alles super.

Es ist nicht alles super geworden. Weil wir hier in Niedersachsen Verantwortung tragen - auch für die Sportverbände, auch für die Wohlfahrtsverbände -, ist es richtig, dass wir ein Sicherheitsnetz einbauen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Das zum einen.

(Beifall bei der FDP)

Es geht - übrigens auch, wenn man als Liberaler nicht verdächtig ist, diese Worte dauernd in den Mund zu nehmen - nicht um Liberalisierung, sondern es geht um Regulierung, und es geht um Besteuerung an der Stelle. Es ist ja schon spannend, dass Sozialdemokraten und Grüne hier auf Regulierung und Besteuerung verzichten wollen, wenn es mit dem Staatsvertrag nicht klappt.

Ich bin - dieser zweite Punkt ist mir wichtig - ein bisschen verwundert darüber, dass die Grünen, die sonst immer jedenfalls behaupten, sie seien auch eine Partei der Bürgerrechte, hier überhaupt kein Wort, - auch in der heutigen Debatte weder Herr Limburg noch Herr Hagenah - darüber verloren haben - - -

Herr Dürr, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, keine Zwischenfrage. Ich bin in 20 Sekunden schon durch.

Ich wundere mich schon. Was passiert denn, wenn dieser Staatsvertrag nicht kommt und alles so weiter geht? - Herr Jüttner hat - ohne dass ich hier allzu viel aus dem Ausschuss zitieren will - angedeutet, da müsste der Gesetzgeber dann irgendwie ran.

Ich will das noch einmal ganz deutlich sagen: Das heißt nichts anderes, als dass es eine Internetzensur gibt, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Widerspruch bei den GRÜNEN)

Ich froh und dankbar, dass sich die schwarz-gelbe Bundesregierung hier sehr klar positioniert hat: Löschen statt sperren. - Es kann nicht angehen, dass man immer ein bisschen damit spielt und sagt: Wir sind einerseits die Partei der Bürgerrechte, aber andererseits, beim Thema Glücksspiel, ist Internetzensur nicht so schlimm. Das kann nicht ernsthaft die Haltung einer Bürgerrechtspartei sein. Die Haltung von CDU und FDP in Niedersachsen ist es jedenfalls nicht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nun hat für die Landesregierung Herr Minister Bode das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich, bevor ich zu dem vorliegenden Gesetzentwurf komme, kurz etwas zu den Vermutungen, die hier über Schleswig-Holstein geäußert worden sind, sagen. Die Landesregierung mischt sich selbstverständlich nicht in die anstehenden Koalitionsverhandlungen in SchleswigHolstein ein und auch nicht in die Frage, wie man dort nach den Koalitionsverhandlungen, wer auch immer dort am Ende koaliert, beispielsweise in die Frage einer Glücksspielgesetzgebung einsteigen will. Aber eines ist aus heutiger Sicht nach Einschätzung der Landesregierung eindeutig,