Protocol of the Session on March 23, 2012

Frau Weisser-Roelle hat es doch gerade - - -

(Anhaltende Zurufe von der CDU)

- Ich kann auch noch viermal anfangen, wenn Sie das wollen.

Meine Damen und Herren, ich greife noch einmal ein. Ich bitte Sie wirklich, Herrn Lies jetzt reden zu lassen und nicht permanent Koreferate zu halten.

(Ulf Thiele [CDU]: Er hält hier doch ei- ne Wahlkampfrede! Das ist doch fürchterlich!)

- Meine Damen und Herren, was Wahlkampf ist und was nicht, habe ich nicht zu beurteilen.

(Anhaltende Zurufe)

- Können wir jetzt weitermachen? Sonst unterbreche ich die Sitzung.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Heute ist - Frau Weisser-Roelle hat es gerade gesagt - der Equal-pay-Day, also ein besonderer Tag, an dem wir noch einmal darüber nachdenken sollten, wie es mit den Löhnen ist, die Frauen bei gleicher Beschäftigung erhalten. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? Das sieht bei Frauen noch immer ganz anders aus.

Gerade die Frauen bei Schlecker haben eine ganze Menge mitgemacht. Einen Teil davon haben wir gerade gehört: Der jahrelange massive Druck, den sie von ihrem Arbeitgeber bekommen haben. Das Kämpfen um Betriebsräte. Denen ist es gelungen, Betriebsräte einzurichten. Das ist ein toller Erfolg, den die Kolleginnen dort erzielt haben. Der Kampf - das haben wir hier oft diskutiert - gegen die Verlagerung in Verleihbetriebe, wo geringerer Lohn gezahlt werden sollte. Und dann die Insolvenz nach häufig langjähriger Tätigkeit im Unternehmen! Da ist die Politik einfach in der Verantwortung zu helfen. Deswegen geht es uns heute darum, mit einer klaren Botschaft aus dem Land Niedersachsen deutlich zu machen, dass wir insgesamt in Deutschland eine Lösung für die Transfergesellschaft brauchen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Das Problem ist nur, dass das einigen in diesem Hause etwas fern liegt. Deswegen ist es gut, dass wir eine Debatte darüber führen. Ich würde mich freuen, wenn wir am Ende zu einem Ergebnis kämen. Und wissen Sie, woran ich das festmache? Das greife ich ja nicht aus der Luft, so wie Sie es immer vermuten. Das mache ich z. B. an der Aussage des Ministers Bode fest, der relativ früh erklärte, dass eine Transfergesellschaft eigentlich gar nicht notwendig sei, weil die Frauen auf dem regulären Arbeitsmarkt wieder einen Arbeitsplatz finden könnten.

Herr Bode, das ist Ihre Vorstellung vom Arbeitsmarkt in Niedersachsen. Die Realität des Arbeitsmarktes in Niedersachsen sieht aber ganz anders aus!

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Wenn die Kolleginnen und Kollegen, die davon betroffen sind, ihren Arbeitsplatz verlieren, dann haben sie morgen vielleicht eine Chance auf einen 400-Euro-Job. Die Realität ist, dass wir keine vernünftige, sozialversicherungspflichtige und nach Tarif bezahlte Beschäftigung im Einzelhandel haben. Auch darum geht es heute, wenn wir darüber streiten, dass wir die Beschäftigung bei Schlecker sicherstellen wollen.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Wir erinnern uns noch gut an Ihre Aussage - ich glaube, es war im Jahr 2010 -, im Einzelhandel

würden die Menschen im Durchschnitt 13 Euro verdienen.

(Widerspruch von Minister Jörg Bode - Zuruf von der CDU: Das ist gelo- gen!)

- Genau, das war gelogen! Das war nämlich Unsinn.

Wenn ich das an dieser Stelle einmal sagen darf: Es ist doch auffällig, dass gerade die FDP - mit Ihnen, Herr Bode, aber auch die FDP in Hessen - dieses Verfahren mit sehr viel Kritik und Skepsis begleitet - das ist zumindest wahrnehmbar -, während die anderen Bundesländer hingegen durchaus bereit sind, ein klares und deutliches Signal auszusenden.

(Heinz Rolfes [CDU]: Was hat er denn eben vorgetragen?)

- Herr Bode hat noch gar nichts vorgetragen.

(Heinz Rolfes [CDU]: Herr Möllring!)

Meine Damen und Herren, Herr Bode hat von der Regierungsbank nichts vorzutragen.

(Zuruf von der CDU: Das hat er doch gar nicht getan!)

Eben. Und deshalb hat Herr Lies jetzt das Wort.

Ich habe auf eine Frage Ihres werten Kollegen geantwortet.

Ich will gerne zugestehen, dass es in der CDU durchaus einige gibt, die bereit sind zu helfen. Aber die müssen endlich anerkennen, dass mit den Vorstellungen, die die FDP vom Markt hat - „das wird der Markt schon regeln“ -, Schluss sein muss, weil sie nämlich falsch sind. Hier geht es um Kolleginnen, denen wir helfen müssen. Hier muss endlich Schluss damit sein, dass das kleine gelbe Schwänzchen ständig mit dem schwarzen Hund wedelt! Wehren Sie sich doch dagegen, und setzen Sie sich wirklich für die Interessen der Menschen ein!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Das Problem ist, dass wir keine Zeit mehr haben. Wir können hier lange debattieren und diskutieren, aber die Transfergesellschaft muss jetzt eingerichtet werden. Wenn umfangreiche Prüfungen not

wendig sind, dann muss das zügiger gehen. Genau das ist der Vorwurf. In der Vergangenheit standen viele Entscheidungen an, bei denen es um unsere Hilfe ging und bei denen es uns gelungen ist, in starker Beschleunigung des Verfahrens schnell zu handeln. Jetzt entsteht der Eindruck, dass, obwohl das Thema lange präsent ist, vieles auf die lange Bank geschoben und unnötig Zeit vertan wird. Lassen Sie uns die Zeit nicht mehr vertun, sondern lassen Sie es uns schnell angehen, weil wir keine Zeit mehr haben, wenn wir die Transfergesellschaft wirklich einrichten wollen!

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Ich finde, man muss einmal überlegen, was den Frauen, den Kolleginnen in den letzten Wochen widerfahren ist. Sie haben von ihrer Kündigung erfahren, sie haben von den Schließungen erfahren. Wenige Tage zuvor, am vorletzten Freitag, sind sie aufgefordert worden, Gründe zu nennen, warum ihre Filiale vielleicht erhalten werden sollte. Dann haben sich die Kolleginnen eingesetzt, haben selbst überlegt, obwohl sie die Grundlagendaten gar nicht zur Verfügung hatten, haben selbst Papiere geschrieben und diese eingereicht. Ein Teil davon war sogar erfolgreich. Ich finde, das ist ein Riesenerfolg, den wir vor allen Dingen den Kolleginnen und ver.di zuschreiben können, die es geschafft haben, deutlich zu machen, dass ein Teil der Filialen doch erhalten bleibt. Das ist schon ein erster Erfolg, den die Kolleginnen erzielt haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Genau darum geht es bei einer Transfergesellschaft, nämlich nicht nur zu überlegen, welche Perspektiven sich durch Qualifizierung in Bezug auf andere Stellen am Arbeitsmarkt ergeben, sondern auch zu überlegen, welche Perspektiven es gibt, Filialen zu erhalten, die eine regionale Bedeutung haben. Dafür brauchen wir die Zeit. Darum brauchen wir die Transfergesellschaft. Dafür brauchen die Kolleginnen die Sicherheit.

Ich finde, dass es nach den Aussagen von Herrn Möllring keinen Grund gibt, warum wir dieses Signal hier heute nicht aussenden sollten. Sie sollten uns unterstützen, diesen Antrag, diese Resolution zu fassen.

Aber wir dürfen auch nicht vergessen - da hat Herr Möllring recht -, den Druck auf den Bund zu verstärken. Hier sind Bund und Länder in der Pflicht,

für eine Lösung zu sorgen. Und da ist es nicht mit Worten getan, da ist es nicht mit Reden getan, sondern da brauchen wir Handlungen. Eine der Handlungen ist die Gründung der Transfergesellschaft, und eine notwendige Handlung dafür ist der heutige Beschluss.

Deswegen erwarten wir, dass Sie unserem Antrag heute zustimmen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Die Kolleginnen haben es verdient. Der Gesellschaft würden wir damit helfen, weil die Kolleginnen nicht alleine stehen, sondern auch Familien davon betroffen sind. Manchmal ist es schwer. Ich kann mir vorstellen, dass es vielen nicht leicht fällt, diesen Schritt mitzugehen, weil sie sagen, dass das irgendwie am Markt geregelt werden muss. Das wird aber nicht passieren, das wissen wir. Deshalb habe ich die Bitte an Sie: Springen Sie über Ihren Schatten! Sorgen Sie mit dafür, dass eine klare Botschaft und ein klares Signal vom Niedersächsischen Landtag an die Landesregierung und an die Bundesregierung ausgeht,

(Dr. Stephan Siemer [CDU]: Die Lan- desregierung arbeitet schon daran!)

- wunderbar! - alles möglich zu machen, dass die Transfergesellschaft eingerichtet wird. Es hilft den Kolleginnen nicht, wenn wir hinterher sagen, wir haben alles versucht. Es hilft den Kolleginnen nur, wenn wir tatsächlich eine Lösung haben. Genau darum bitten wir Sie, meine Damen und Herren.

(Starker Beifall bei der SPD, bei den GRÜNEN und bei der LINKEN - Dr. Stephan Siemer [CDU]: Wenn wir sachgerecht arbeiten - das hilft!)

Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Thümler von der CDUFraktion gemeldet. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Lies, ich habe in diesem Haus noch niemanden getroffen, der nicht die Absicht hat, den Beschäftigten von Schlecker helfen zu wollen.

(Starker Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn Sie gerade dem Finanzminister zugehört hätten, dann hätten Sie mitbekommen, dass er sehr dezidiert vorgetragen hat, wie die Schrittfolge auf dem Weg zu einer Lösung ist.

Es ist schon bemerkenswert. Vor Wochenfrist sagt Herr Schmid noch: Wir werden Schlecker retten. Die Bundesländer müssen in die Mitfinanzierung, und dann läuft das. - Gestern erklärt Herr Schmid: Das Land Baden-Württemberg - dort ist der Hauptsitz von Schlecker - übernimmt eine komplette Bürgschaft. - Und heute sagt Herr Schmid: Na ja, so schnell geht das nicht. Ich muss den Weg einhalten.

Das ist das, was der Finanzminister gerade dargestellt hat. Er hat deutlich gemacht, dass sorgfältig daran gearbeitet wird, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Schlecker zu helfen und in der nächsten Woche eine Entscheidung herbeizuführen. Wenn das Land Baden-Württemberg zunächst eine Bürgschaft in Höhe von 71 Millionen Euro übernimmt und dann eine Rückfallbürgschaft bei den Ländern einwirbt, dann ist das ein Schritt in die richtige Richtung, um den Konzern so zu stabilisieren, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben.