Protocol of the Session on March 21, 2012

Wir kommen zur Abstimmung zu Nr. 2 der Beschlussempfehlung. Wer der Nr. 2 der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit die in die Beratung einbezogene Eingabe 2570 für erledigt erklären möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist auch das einstimmig so beschlossen worden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf:

Abschließende Beratung: Betreuungsgeld ist rückwärtsgewandt - Finanzmittel stattdessen für Krippenausbau zur Verfügung stellen! - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 16/4360 - Beschlussempfehlung des Kultusausschusses - Drs. 16/4525

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten in die Beratung ein. Zu Wort gemeldet hat sich Herr Kollege Brammer für die SPDFraktion. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Brammer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hat diesen Antrag eingebracht, um zu verhindern, dass die regierenden Fraktionen in Hannover und Berlin in der frühkindlichen Bildung einen gefährlichen Irrweg gehen.

(Beifall bei der SPD)

Die Einführung eines Betreuungsgeldes ist Bestandteil des Koalitionsvertrages zwischen den Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und FDP nach der Bundestagswahl 2009. Es handelt sich um die Zahlung von letztlich 150 Euro für jedes

Kind vom zweiten bis zum dritten Lebensjahr, das von seinen Eltern nicht in eine Krippe geschickt wird. Durch einen Beschluss des Koalitionsausschusses am 6. November 2011 hat die Regierungskoalition in Berlin ihr Vorhaben, dieses Betreuungsgeld zum 1. August 2013 einführen zu wollen, noch einmal bekräftigt. Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP: Wir fordern Sie auf, dieses Vorhaben zu verhindern!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Seit 2005 werden bundesweit Anstrengungen unternommen, das Tagesbetreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren auszubauen. Zielte das Tagesbetreuungsgesetz im Jahr 2005 auf den Ausbau der Versorgungsangebote, so sollte mit dem Kinderförderungsgesetz im Jahre 2008 für die Schaffung eines hochwertigen Betreuungsangebotes für mindestens 35 % aller Kinder unter drei Jahren gesorgt werden. Jetzt aber sagt die Bundesregierung: Kommando zurück, wir kaufen die Kinder aus den Einrichtungen heraus! - Das kommt übrigens dieser Landesregierung sehr zupass; denn Sie schaffen die Erfüllung des Rechtsanspruchs zum Jahre 2013 sowieso nicht mehr.

(Beifall bei der SPD - Frauke Heili- genstadt [SPD]: Genau!)

Aber, meine Damen und Herren von CDU und FDP, zu welchem Preis? - Die Einführung des Betreuungsgeldes wird bundesweit mindestens 2 Milliarden Euro kosten - jedes Jahr, und zwar dauerhaft. Darin sind die anfallenden Verwaltungskosten für die Verteilung der Gelder noch gar nicht eingerechnet. Für Niedersachsen sind das jedes Jahr ca. 200 Millionen Euro. Finanziert werden soll das Ganze durch erhöhte Steuereinnahmen. Ich kann Ihnen sagen: Der nächste Konjunktureinbruch wird so manchem Finanzminister schlaflose Nächte bereiten.

Ich möchte an einem Beispiel klarmachen, was Sie hier gerade anstellen. Wir haben uns hier über den Neubau des Landtages gestritten. Dieses Betreuungsgeld entspricht in jedem Jahr den Kosten von vier neuen Landtagen.

(Jens Nacke [CDU]: Wir brauchen doch gar keine vier Landtage! - Hei- terkeit bei der CDU)

Noch ein Beispiel.

(Jens Nacke [CDU]: Auch so ein gu- tes Beispiel?)

- Herr Nacke, Sie haben sich heute Morgen schon sehr weit aus dem Fenster gelehnt. Nun seien Sie einmal ein bisschen ruhig!

Das nächste Beispiel: Im Herbst 2007 verkündet die CDU: Wir wollen den Kindergartenbesuch nach der Landtagswahl 2008 beitragsfrei stellen. - Im Februar 2009 wird dieses Ziel nach einer Fraktionsklausur auf Eis gelegt: „Am Ziel wird festgehalten, aber wir haben kein Geld.“

Im Herbst kommt das Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Jetzt knallen Sie hier jedes Jahr 200 Millionen Euro heraus. So viel: Versprochen - gebrochen, meine Damen und Herren. Sie investieren kein Geld in gute Bildung, aber Sie investieren viel Geld für schlechte Bildung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, um das einmal mit den Worten von Rita Pawelski von der Frauenunion zu sagen: Ich habe große Sorgen, dass Eltern, die auf jeden Cent schauen müssen, ihre Kinder zu Hause behalten. Dabei bekommen jene, die sich eine Nanny finanzieren können, noch extra Geld obendrauf. - Dass es Eltern gibt, bei denen es um jeden Cent geht, liegt u. a. übrigens auch daran, meine Damen und Herren von der CDU, dass Sie in Sachen Mindestarbeit und Leiharbeit nichts unternehmen.

(Jens Nacke [CDU]: Mindestarbeit? - Mindestlohn ist das, was Sie meinen!)

- Mindestlohn. Das tut mir leid, Herr Nacke.

(Jens Nacke [CDU]: Schon gut! Ich helfe ja gern!)

Das hat dann zur Folge, dass es Familien gibt, in denen Mama abends noch an der Tanke arbeiten muss.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, frühkindliche Bildung ist der Schlüssel zu lebenslangem Bildungserfolg. Insbesondere bildungsfernen und zugleich einkommensschwachen Eltern bietet das Betreuungsgeld einen starken Anreiz, auf den KitaBesuch zu verzichten und die Geldleistung in Anspruch zu nehmen. Die Oppositionsparteien im Deutschen Bundestag sind sich mit vielen Experten, aber z. B. auch mit den Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften und den Frauen in der CDU

einig: Das Betreuungsgeld ist sozial-, integrations-, bildungs- und gleichstellungspolitisch eine Katastrophe!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der FDP, ich fordere Sie auf: Unterstützen Sie unseren Antrag! Sorgen Sie mit dafür, dass dieses Betreuungsgeld nicht eingeführt wird und dass die vorgesehenen Gelder stattdessen für den Ausbau im Bereich der frühkindlichen Bildung verwendet werden!

Auf der einen Seite schmeißen Sie jährlich 200 Millionen Euro zum Fenster heraus, und auf der anderen Seite wollen Sie die Schuldenbremse einführen. Meine Damen und Herren auf der rechten Seite dieses Hauses, Sie haben kein Konzept. Wir fordern Sie auf: Verhindern Sie die Einführung des Betreuungsgeldes zum Wohle der frühkindlichen Bildung und als ersten Beitrag für eine wirksame Schuldenbremse!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Frau Reichwaldt das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das von der Bundesregierung geplante Betreuungsgeld wird mehr und mehr zu einer einzigen Farce. Von der Sache her ist und bleibt es ein milliardenschweres Ausgrenzungsprogramm. Über die familien- und sozialpolitischen Folgen mag ich, sollte es denn kommen, gar nicht nachdenken.

Die Bundesregierung streitet noch immer darüber, woher das Geld überhaupt kommen soll. Wofür das Geld besser verwendet werden könnte, dafür bietet der vorliegende Antrag der SPD-Fraktion Lösungsmöglichkeiten.

Sie, meine Damen und Herren auf der rechten Seite dieses Hauses, betonen immer wieder, wie wichtig Ihnen die frühkindliche Förderung ist. - Dann können Sie dem SPD-Antrag eigentlich nur zustimmen. Andernfalls gehen Sie mit dem Betreuungsgeld einen fatalen Weg und führen Ihre eigenen Aussagen ad absurdum.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie passt der hohe Stellenwert, den Sie der frühkindliche Bildung beimessen, mit einem Anreiz zusammen, der gerade Kinder aus bildungsfernen Milieus und sozial benachteiligten Familien davon fernhält? - Der Thüringer Kindersozialbericht zu den Auswirkungen des Landeserziehungsgeldes von 2009 hat dies sehr deutlich gemacht.

Und wie passt das Betreuungsgeld zu der Aussage von Herrn Kultusminister Althusmann, dass der frühkindlichen Bildung gerade angesichts des demografischen Wandels und des enorm angestiegenen Anteils von Erstklässlern mit Migrationshintergrund eine besondere Bedeutung zukomme? - Meine Damen und Herren von CDU und FDP, nehmen Sie sich und Ihren Kultusminister bitte ernst!

Das Betreuungsgeld diskriminiert, und es grenzt aus. Es ist ein Rückschritt in die Familienpolitik vergangener Jahrhunderte.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die 200 Millionen Euro, die für Niedersachsen frei würden, wären sinnvoller in den weiteren Krippenausbau, in mehr Qualität und mehr Zeit für Erzieherinnen und Erzieher investiert - so wie dies in dem SPD-Antrag gefordert wird.

Unsere Forderungen gehen jedoch noch weiter. Wir sagen, jedes Kind muss das Recht auf eine beitragsfreie öffentliche Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr haben. Ich erinnere nur an Ihre Wahlversprechen, z. B. über weitere beitragsfreie Kita-Jahre. Darüber hinaus brauchen wir eine eigenständige Kindergrundsicherung, die alle Kinder vor Ausgrenzung und Diskriminierung schützt.

Niedersachsen liegt beim Krippenausbau weit hinten. Die Kommunen werden vom Land bei der Finanzierung im Regen stehen gelassen. Aber auch diese möglichen 200 Millionen Euro des Bundes werden das nicht grundsätzlich richten können. Wir brauchen insgesamt erheblich mehr Investitionen des Landes in der frühkindlichen Bildung, um dem Anspruch auf chancengleiche, individuelle Förderung eines jeden Kindes gerecht zu werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Miriam Staudte [GRÜNE])

Frau Kollegin Vockert hat jetzt das Wort für die CDU-Fraktion. Bitte sehr!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem vorliegenden Antrag der SPD-Fraktion handelt es sich um einen Antrag, der - das möchte ich gleich vorausschicken - bereits auf Bundesebene von den Ländern Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen eingebracht worden ist.