Protocol of the Session on March 20, 2012

Tagesordnungspunkt 1: Mitteilungen des Präsidenten

Ich bitte Sie, sich von den Plätzen zu erheben.

Meine Damen und Herren, am 15. März 2012 verstarb der ehemalige Abgeordnete des Niedersächsischen Landtages und Landesminister a. D. Herr Erich Küpker im Alter von 78 Jahren. Herr Küpker gehörte dem Niedersächsischen Landtag von 1974 bis 1978 und von 1982 bis 1994 an. In der Zeit von 1989 bis 1994 war er stellvertretender Vorsitzender der Fraktion der FDP.

Der breiten Öffentlichkeit wird er wohl insbesondere als Minister für Wirtschaft und Verkehr in Erinnerung bleiben. Dieses Amt hatte er von 1974 bis 1976 und dann noch einmal in den Jahren 1977 und 1978 inne. Während der übrigen Zeit seiner Mitgliedschaft im Landtag war er Mitglied im Ausschuss für Häfen und Schifffahrt, im Ausschuss für Haushalt und Finanzen, im Unterausschuss „Prüfung der Haushaltsrechnungen“ des Ausschusses für Haushalt und Finanzen, im Ausschuss zur Vorbereitung der Zustimmung des Landtages nach Artikel 53 Abs. 3 der Verfassung sowie im Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr.

Erich Küpker wurde mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Wir werden den Kollegen in guter Erinnerung behalten und widmen ihm jetzt ein stilles Gedenken. - Vielen Dank, dass Sie sich von den Plätzen erhoben haben.

Ich stelle jetzt die Beschlussfähigkeit des Hauses fest.

Zur Tagesordnung: Die Einladung, die Tagesordnung und der Nachtrag zur Tagesordnung für diesen Tagungsabschnitt liegen Ihnen vor. Außerdem haben Sie eine Übersicht erhalten, aus der Sie ersehen können, wie die Fraktionen die ihnen zustehenden Zeitkontingente verteilt haben. - Ich

stelle das Einverständnis des Hauses mit diesen Redezeiten fest. Die heutige Sitzung soll demnach gegen 19.40 Uhr enden.

Für die Initiative „Schulen in Niedersachsen online“ werden in den kommenden Tagen Schülerinnen und Schüler der BBS aus Winsen/Luhe wieder mit einer Onlineredaktion live aus dem Landtag berichten. Die Patenschaft dafür hat die Kollegin Brigitte Somfleth übernommen.

(Beifall)

Sendungen, die das „Modellprojekt Landtagsfernsehen“ der Multi-Media Berufsbildenden Schule erstellt, stehen im Internet auf der Homepage der Schule www.mmbbs.de zum Abruf bereit und sollen auch über den Regionalsender h1 gesendet werden.

Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin mit.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Es haben sich entschuldigt: von der Fraktion der CDU Herr Focke und Herr Lammerskitten, von der Fraktion der SPD Herr Bosse ab 15 Uhr, Herr Krogmann ab 17 Uhr, Frau Seeler bis ca. 15 Uhr, Frau Stief-Kreihe, Herr Schneck, Herr Tanke und Herr Brinkmann, von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Meyer und von der Fraktion DIE LINKE Herr Perli.

Danke schön.

Vielen Dank. - Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt 2 auf:

Abschließende Beratung: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Betreuungsgesetz und der Allgemeinen Vorbehaltsverordnung - Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 16/4153 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen - Drs. 16/4535 - Schriftlicher Bericht - Drs. 16/4603

(Unruhe)

- Wir können warten.

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf mit Änderungen anzunehmen.

Eine mündliche Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten in die Beratung ein. Ich erteile dazu der Kollegin Heister-Neumann das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ziel einer Betreuung war und ist es, Menschen zu helfen, die sich selbst nicht mehr oder nur eingeschränkt helfen können. Eine solche Situation kann wegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen eintreten, und das Gericht hat dann letztendlich zu entscheiden, welche Unterstützung sinnvoll ist, beispielsweise in der Gesundheitsfürsorge, in Vermögensangelegenheiten, Behördenangelegenheiten oder gegebenenfalls allumfassend für sämtliche Lebensbereiche, und das - je nach Bedarf - kurzfristig oder auch längerfristig.

Seit Einrichtung des Betreuungsrechts im Jahre 1992 hat die Anzahl von Betreuungsfällen stark zugenommen. Das hat auch mit der Bevölkerungsentwicklung zu tun; denn, meine Damen und Herren, wir alle werden älter. Wir werden Gott sei Dank gesünder älter. Aber in einem hohen Alter wächst dann eben doch die Hilfsbedürftigkeit. Es ist eine Tatsache, dass Menschen, wenn sie hilfsbedürftig werden, oft nicht mehr auf die Unterstützung von Familienangehörigen zurückgreifen können. Diese stehen entweder überhaupt nicht zur Verfügung, oder sie leben und arbeiten in einem großen Abstand zu ihren Lieben.

Aber, meine Damen und Herren, Sie, ich, unsere Kinder, wir alle können in eine solche Situation geraten. Sie kann auch durch einen Unfall eintreten. Wir alle setzen dann auf die Leistungsfähigkeit unseres Betreuungssystems. Um diese Leistungsfähigkeit auch in Zukunft zu erhalten, bedarf es großer Anstrengungen. Wir brauchen erstens mehr Betreuer. Wir müssen zweitens aber auch die Kosten mit im Blick behalten. Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, dass sich die Aufwendungen für diesen Bereich innerhalb der letzten 15 Jahre verhundertfacht haben, obwohl sich die Anzahl der Betreuungsfälle pro Jahr quasi nur - ich sage das wirklich in Anführungszeichen - verdoppelt hat. Deshalb ist ein ganzes Maßnahmenbündel notwendig, um zu helfen, zu dem auch der vorliegende Gesetzentwurf gehört.

Er sieht vor, dass das Landessozialamt Betreuungsbehörde wird. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können dann von den zuständigen Gerichten als Behördenbetreuerinnen oder Behördenbe

treuer den Hilfsbedürftigen zur Seite gestellt werden. Das soll auch für dienstunfähige bzw. teilweise dienstunfähige Kolleginnen und Kollegen aus dem öffentlichen Dienst gelten. Dienstunfähige oder teilweise dienstunfähige Kolleginnen und Kollegen sollen hilfsbedürftigen Menschen helfen. Meine Damen und Herren, was spricht dagegen, dass Kolleginnen und Kollegen aus dem öffentlichen Dienst - seien es Polizisten, Lehrer oder andere - eine wertgeschätzte und sinnstiftende Aufgabe freiwillig übernehmen, nachdem ihre Eignung durch das zuständige Gericht festgestellt wurde? - Die Gerichte erhalten dadurch die Möglichkeit, in Eilfällen, wenn die Prüfung, wer als naher Angehöriger oder Vertrauter vorrangig als Betreuer in Betracht kommen kann, zu lange dauern würde, schnell auf die Behördenbetreuer zu setzen.

Wir können davon ausgehen, dass diese Behördenbetreuer ihre Aufgabe schneller an ehrenamtliche Betreuerinnen oder Betreuer übergeben werden, weil sie nicht auf die Vergütung dieser Aufgabe als Existenzgrundlage angewiesen sind. Sie werden ja vom Land besoldet.

(Zustimmung von Björn Thümler [CDU])

Die Befürchtungen des Verbandes der Berufsbetreuer, die neue Regelung stelle eine Gefahr für die Existenzgrundlage der Berufsbetreuer dar, teile ich nicht, und zwar wegen des großen Bedarfs an Betreuern. Außerdem ist die Anzahl der infrage kommenden Bediensteten wirklich nicht so groß, dass dadurch eine existentielle Bedrohung für die Berufsbetreuer vorhanden wäre. Darüber hinaus kann ich Ihnen versichern, dass die CDU-Fraktion gerade nicht für die Verstaatlichung von Aufgaben steht. Das ist eher bei den Vertretern der Linken festzustellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Hans-Henning Adler [LINKE]: Dazu werde ich gleich etwas sagen!)

Wir haben uns im Ausschuss darauf verständigt, dieses Gesetz kontinuierlich zu evaluieren und gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen.

Meine Damen und Herren, die Aufgabe der Betreuerin oder des Betreuers ist sehr anspruchsvoll. Sie setzt neben fachlicher Kompetenz auch hohe soziale Kompetenz und großes Einfühlungsvermögen voraus. Der Helfende muss sich auf die spezielle Situation des Betroffenen einlassen und in dessen Interesse bestmöglich handeln. Ich habe großen Respekt vor dieser anspruchsvollen, emotional herausfordernden Arbeit und vor der Leis

tung der Menschen, die diese Arbeit leisten. Deshalb möchte ich abschließend all denjenigen Dank sagen, die diesen Dienst für die Hilfsbedürftigen in unserer Gesellschaft, aber auch für unsere Gemeinschaft mit großem Engagement und mit viel Empathie leisten.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erteile dem Kollegen Bosse das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen, meine Herren! Frau Kollegin Heister-Neumann hat es schon betont: Bei diesem Wortungetüm „Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Betreuungsgesetz und der Allgemeinen Vorbehaltsverordnung“ geht es um recht wichtige Dinge. In der Tat kann es uns alle, aber auch unsere nächsten Familienangehörigen betreffen.

Warum sage ich das? Warum wird dieses Gesetz eingebracht? - Das Hauptanliegen der geplanten Änderungen scheint zu sein, dass das Landesamt für Soziales, Jugend und Familie als weitere Betreuungsbehörde anzuerkennen ist und damit dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit der Führung rechtlicher Betreuung beschäftigt werden. Darüber hinaus sollen dienstunfähige und begrenzt dienstfähige Beamte als sogenannte Behördenbetreuer eingesetzt werden. Kostenersparnisse in der Justizkasse sollen durch die Einsparung von Betreuungsvergütungen erzielt werden. Letzten Endes geht es also um Kostenersparnis und um Einsparungen, zum Teil auf dem Rücken der zu Betreuenden. Es geht aber auch um strukturelle Verbesserungen. Zumindest die strukturellen Verbesserungen durch die Gesetzesänderung, die im Ausschuss vonseiten der Landesregierung angesprochen wurden, sind jedoch für die Betreuungslandschaft und die zu betreuenden Personen nicht erkennbar, meine Damen, meine Herren.

Im Gegenteil: Wollte man mit Einführung des Betreuungsgesetzes im Jahre 1992 nicht weg von einer großen Betreuungsbehörde, wie es sie damals noch gegeben hat, hin zur engagierten Einzelbetreuung zunächst in der Familie und dann im nahen Umfeld? - Das war der damalige Weg. Nun wird der Rückweg eingeschlagen. Man schafft eine weitere Behörde.

Damals, 1992, wollte man ein hohes persönliches Engagement der einzelnen Betreuer erreichen. Ich stelle hier die Frage, ob es tatsächlich im Sinn der betreuungsbedürftigen Menschen sein kann, dass dienstunfähige Beamte, die also selber dienstlich eingeschränkt sind, ihre Belange regeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich stelle auch die Frage der Qualität. Im Ausschuss ist letzten Endes die Frage unbeantwortet geblieben, wann ein Landesbediensteter geeignet ist. Diese Frage wurde nicht beantwortet.

(Zuruf von der CDU)

Bei Betreuern muss ein hohes Maß an Engagement vorausgesetzt werden. Ja, ich gebe der Kollegin Heister-Neumann recht, dass wir mehr Betreuer brauchen. Zunächst muss das aber immer über die Familienangehörigen laufen. Das ist auch richtigerweise so geregelt. Die Landkreise, die kreisfreien Städte und die Region müssen mehr Werbung für eine Betreuungstätigkeit machen, meine Damen, meine Herren.

(Beifall bei der SPD)

Von Betreuern ist ein in hohem Maße eigenständiges und eigenverantwortliches Handeln zu erwarten. Das muss Voraussetzung sein. Betreuung von Menschen darf kein ungeliebter Nebenjob sein. Das kann nicht das Ziel einer Betreuung sein.

(Zustimmung bei der SPD)

Sowohl die kommunalen Spitzenverbände als auch die freien Wohlfahrtsverbände haben darauf hingewiesen, dass durch die Schaffung einer weiteren Behörde die große Gefahr der Schaffung von Doppelstrukturen besteht. Ich prophezeie, dass es zu Reibungsverlusten kommen wird, meine Damen, meine Herren.

Es ist auch absehbar, dass Berufsbetreuer möglicherweise die schwierigeren Fälle bekommen. Behördenbetreuer bekommen möglicherweise die - in Anführungszeichen - einfachen und leichten Betreuungen - es wird ja dementsprechend verrechnet -, während die Berufsbetreuer, die pauschal abrechnen, möglicherweise die etwas schwierigeren Fälle bekommen. Darum sage ich an dieser Stelle ganz deutlich: Es sind noch sehr viele Fragen offen geblieben. Es besteht die Gefahr, dass die Berufsbetreuer grundsätzlich aus dem Markt gedrängt werden. Noch sind es nur einige wenige Behördenbetreuer; da gebe ich Ihnen Recht. Aber wer garantiert uns, dass die Zahl von derzeit 36 Behördenbetreuern nicht aufgestockt wird? - Dann

sähe die Situation in der Betreuungslandschaft schon ganz anders aus, meine Damen, meine Herren.