Protocol of the Session on February 23, 2012

Tagesordnungspunkt 11 abzuarbeiten. Ins MärzPlenum kommen dann die Tagesordnungspunkte 10 und 12. Das zu Ihrer Kenntnis.

Jetzt rufe ich den Tagesordnungspunkt 26 auf:

Abschließende Beratung: Klimaschutz in Niedersachsen voranbringen durch Einführung eines flächendeckenden, systematischen Stoffstrommanagements - Antrag der Fraktion DIE LINKE - Drs. 16/2402 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt und Klimaschutz - Drs. 16/4473

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

(Unruhe)

Ich eröffne die Beratung. Von der Fraktion DIE LINKE hat sich eine Person gemeldet, der ich auch das Wort erteile, wenn es gleich wieder ein bisschen ruhiger geworden ist. - Herr Herzog, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als kürzlich mit schwarz-gelb-geschwollener Brust die Ergebnisse der Regierungskommission Klimaschutz vorgestellt wurden, wurde eines deutlich: Da haben viele - auch Ehrenamtliche - zahlreiche Ideen eingebracht. Etliches davon war dem kreativen Praktiker nicht neu, was aber zeigt, wie wenig die Landesregierung bisher selbst auf den Weg gebracht hat. Was aber ganz fehlte, ist eine Strategie für einen regionsangepassten, sparsamen Umgang mit Ressourcen. An die Stelle des Mottos, „Energieträger mit viel Energie zu vernichten“, müssten synergieerzeugende Strukturen treten, ein Akteursmanagement; denn der Rohstoff des einen ist der Abfall des anderen, und umgekehrt.

Wir wollen ein Zusammenführen vieler Beteiligter aus Wirtschaft, Verwaltung, Politik, Landwirtschaft etc., die durchaus wirtschaftlich denken sollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wollen ein intelligentes, kreatives Management, das Stoffströme jedweder Art lenkt.

Meine Damen und Herren, ich hatte gehofft, dass die gewaltigen Potenziale, die in dieser Art des Voneinander-Profitierens liegen, auch Neoliberale überzeugen müssten. Ich hatte geglaubt, dass die

Wertschöpfungsmöglichkeiten insbesondere für die dahinsiechenden strukturschwachen ländlichen Räume nicht auf diese Beratungsresistenz stoßen würden, wie ich es dann bei Ihnen erlebt habe. Dabei wurde offenkundig, dass Sie das Prinzip des Stoffstrommanagements gar nicht verstehen wollten und dass Sie die vielen wertschöpfenden, existenzsichernden, arbeitsplatzschaffenden, energie- und ressourcensparenden praktischen Beispiele, die uns Professor Heck von der Uni Trier, aus der Praxis kommend, vortrug, bewusst falsch verstanden. Ich sage Ihnen: Da erlebe ich in jedem CDUdominierten Gemeinderat bei uns offenere Ohren und fundiertere Diskussionen.

Weil dieser Antrag von den Linken kommt, kleben Sie an den üblichen Klischees und unterstellen Dirigismus, Gleichschaltung, politische Gängelung etc.

(Zuruf von Jens Nacke [CDU])

Dabei habe ich Ihnen mehrfach erklärt, dass genau das Gegenteil gewollt ist, Herr Nacke. Freiwillige, flexible, selbstorganisierte Strukturen, die gebündelt werden. Parallel und gegeneinander arbeitende Institutionen werden zusammengeführt. Wie das vor Ort organisiert wird, bleibt regionaler Kreativität überlassen. Ob das an eine vorhandene Wirtschaftsfördergesellschaft angedockt wird, ob die kommunale Verwaltung als Mediator agiert im Sinne einer aktiven Füllung von Raumordnungsprogrammen, ob Null-Emissions-Zielsetzung für Gemeinden oder Betriebe, ob Kompetenznetzwerk oder Masterplan für einen ganzen Landkreis, ob man klein anfängt und später ausbaut - all das regeln die örtlichen Akteure in eigener Regie. Das Land soll dafür einen Rahmen setzen und Anreize auch und gerade für die finanzschwachen ländlichen Gebiete bieten, und zwar eben nicht per Gesetz, nicht per Verordnung, sondern mit überzeugendem Progamm. Das verstehen wir Linke unter aktiver Strukturförderung, bei der gehandelt wird, statt bunte Broschüren zu basteln.

(Beifall bei der LINKEN)

Dass Sie von CDU und FDP aber immer wieder mit mentaler Zentralverriegelung auf alle überzeugenden ökonomischen Argumente und Beispiele reagierten, zeigt, dass bei Ihnen Hopfen und Malz verloren sind. Die Welt verliert den Halt unter den Füßen, und Sie agieren immer noch nach dem Motto: Wat de Buer nicht kennt, dat fredd hie nich.

(Beifall bei der LINKEN)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Kollegin Rakow das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Menschen sind die einzigen Lebewesen auf der Erde, die Abfälle produzieren, und zwar Abfälle, die beseitigt werden müssen. Wir sprechen heute zwar nicht mehr von Abfällen, sondern von Wertstoffen, aber trotzdem bauen wir Berge oder füllen Berge mit diesen Wertstoffen, die sich derzeit nicht erheblich gewinnbringend vermarkten lassen. K+S beispielsweise baut riesige Berge, sogenannte Rückstandshalden. Fast jeder Landkreis hat seinen Berg, die Hausmülldeponie. Und was in den vom Bergbau ausgehöhlten Bergen alles versenkt worden ist, das beschäftigt uns hier seit Langem.

Mit gutem Stoffstrommanagement, meine Damen und Herren, lassen sich diese Berge kleiner halten, lassen sich Material- und Energieverbrauch verringern. Das ist ein wirklich gutes Ziel.

(Zustimmung von Detlef Tanke [SPD] und Stefan Wenzel [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, wir sind der Fraktion der Linken dankbar, dass sie das Thema Stoffstrommanagement aufgegriffen hat. Das Stoffstrommanagement hat das Ziel, Produkte und Produktionsverfahren zu optimieren und dabei den Einsatz von Energie und Rohstoffen zu minimieren, und zwar derart, dass möglichst keine Abfälle zur Beseitigung entstehen. Dieses Stoffstrommanagement birgt viele Chancen für Unternehmen und für Kommunen und damit in der Folge für die Umwelt und den jeweiligen Geldbeutel. Diese Chancen wollen und müssen wir nutzen. Alles andere wäre kurzsichtig und dumm.

Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir die Einschätzung der FDP, die sie bei der Einbringung des Antrags hier im Plenum vorgetragen hat, nämlich dass die Einführung eines regionalen oder betriebsinternen Stoffstrommanagements mit unglaublich viel Bürokratie verbunden ist, so auf keinen Fall teilen. Wir teilen auch nicht die Einschätzung der FDP, dass alles, was finanziell nützt, von Firmen und Kommunen von ganz alleine realisiert wird und man sich nicht darum kümmern müsse. Wenn das wirklich so wäre, Herr Dr. Hocker, dann wäre jedes Anreizprogramm völlig überflüssig - auch das von den Kommunen gut nachgefragte Programm des Landes zur Umrüstung von Straßenbeleuchtung auf LED-Technik.

Da frage ich mich im Nachhinein: Will die FDP dieses Programm gar nicht? Heißt sie das gar nicht gut?

Meine Damen und Herren, wir teilen auch nicht die Einschätzung der CDU, alles sei schon gut geregelt, und der Antrag der Fraktion der Linken sei überflüssig. Wir sind davon überzeugt, dass mit einem guten Stoffstrommanagement die Umwelt geschützt und gleichzeitig die Kasse geschont werden kann und dass man sich mit dem Thema auseinandersetzen muss.

Das hat der Vortrag von Professor Heck vom IfaS gezeigt. Er hat uns viele Anregungen gegeben. Professor Heck beschrieb Beispiele, die in Kommunen umgesetzt werden sollten, z. B. NullEmissions-Städte und -Dörfer, Bioenergiedörfer, Nutzung von Rohstoffen in Biomasse, Abwasser und Ähnliches mehr.

Dem konnten Sie sich, meine Damen und Herren von CDU und FDP, in der Ausschussdiskussion nicht so ganz verschließen. Aber so richtig wollten Sie sich dann auch nicht auf das Thema einlassen. Einer richtigen Auseinandersetzung sind Sie permanent ausgewichen.

(Dr. Gero Clemens Hocker [FDP]: Das stimmt doch gar nicht, Frau Rakow! Ich habe mindestens fünf Fragen ge- stellt!)

- Doch, Sie haben sich nie so richtig darauf eingelassen, Sie haben nie versucht, mit uns zu gemeinsamen Lösungen zu kommen

(Ulf Thiele [CDU]: Das hatte andere Gründe!)

oder die wesentlichen Dinge herauszuarbeiten. Da kam schon der Eindruck auf, dass der Antrag vielleicht von der falschen Seite gekommen ist.

Meine Damen und Herren, wir würden auch gute Ideen von Ihnen, von CDU und FDP, diskutieren, wenn Sie denn kämen.

(Zustimmung bei der SPD - Jens Na- cke [CDU]: Das ist aber nett!)

Meine Damen und Herren, der Antrag der Fraktion der Linken beschreibt die Chancen des Stoffstrommanagements. Diese Chancen sehen wir; das habe ich dargestellt. Probleme haben wir aber an etlichen Stellen mit dem vorgeschlagenen Weg: Die Fraktion der Linken wünscht das Stoffstrommanagement flächendeckend, fordert ein Förderprogramm plus Beratung für Kommunen, möchte

Hochschulen und Schulen auf dem Weg zum flächendeckenden Stoffstrommanagement einbinden.

Meine Damen und Herren von den Linken, bei aller Sympathie für Ihren Antrag: Dieser vorgeschlagene Weg ist für uns so nicht gangbar. Wir haben uns deshalb im Ausschuss bei der Abstimmung enthalten und werden das hier heute wieder tun. Ich will ganz kurz ein paar Gründe dafür aufzählen.

Der erste Grund ist: Ein Förderprogramm aufzulegen, das dann laut Antrag allen Kommunen zugute kommen müsste, ist doch sehr ambitioniert oder - mit anderen Worten - kaum finanzierbar.

Der zweite Grund: Stoffstrommanagement ist ein Thema, das schon von vielen Akteuren behandelt wird: vom IfaS in Rheinland-Pfalz, vom BMU, vom Umweltbundesamt, vom IÖW, dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung. Die niedersächsische Fachhochschule Suderburg und das 3NKompetenzzentrum aus Werlte beschäftigen sich damit. Ich gehe davon aus, dass auch etliche Universitäten entsprechende Studiengänge in ihrem Programm haben.

Meine Damen und Herren, bevor man über ein Förderprogramm und eine Beratungsagentur nachdenkt, sollten erst einmal vorhandene Kompetenzen gebündelt werden und sollte dann überlegt werden, wie viel Beratung man braucht. Zum Schluss kann man dann überlegen, wo die notwendige Beratung angegliedert wird. Eine vorzeitige Entscheidung für eine bestimmte Richtung halten wir doch für etwas voreilig.

(Zustimmung bei der SPD)

Der dritte Grund: Wenn man Schulen und Hochschulen einbinden will, muss man zunächst einmal wirklich prüfen, was man diesen Einrichtungen noch zumuten kann, wie viel schon vorhanden ist und wie man überhaupt mit diesen Einrichtungen umgeht.

Trotz alledem, meine Damen und Herren: Stoffstrommanagement wird uns weiterhin beschäftigen. Ich gehe davon aus, dass wir uns noch in vielen anderen Zusammenhängen mit diesem Thema auseinandersetzen werden. Wir sind davon überzeugt, dass das Stoffstrommanagement in größeren Zusammenhängen betrachtet werden muss und dass es in eine Landesenergieagentur gehört. Wir werden in den kommenden Monaten umfassende Anträge zum Thema Energie stellen und dieses große Thema Stoffstrommanagement in anderen Zusammenhängen aufnehmen.

Wir wollen den Antrag heute nicht ablehnen, können ihm aber auch nicht zustimmen. Wir werden ihn jedoch ernst nehmen und weiter über dieses Thema reden.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin Rakow. - Für die FDP-Fraktion hat Herr Dr. Hocker das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Kollege Herzog, ich unterstelle Ihnen ja, dass Sie bei der Formulierung Ihres Antrags durchaus gute Absichten hatten. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Aber das reicht nun einmal nicht aus, wenn man auch etwas Gutes erreichen will. Wenn man einen Antrag formuliert, dann muss er sich auch in der Praxis bewähren können, dann muss er funktionieren und etwas Positives bewirken.

Ich muss Ihnen sagen: Daran habe ich nach der Anhörung, die wir übrigens sehr aufmerksam, Frau Rakow, verfolgt haben und an der wir uns auch sehr aktiv beteiligt haben, doch so meine Zweifel. Diese Zweifel haben Sie nicht ausräumen können und hat auch diese Anhörung nicht ausreichend ausräumen können. Ich glaube nach wie vor, dass das, was Sie vorhaben, zu mehr Bürokratie bei Unternehmen und in den Landkreisen führt.

(Ursula Körtner [CDU]: Richtig!)

Sie möchten gerne, dass Betriebe einem Stoffstrommanager möglichst täglich ihre Stoffströme melden.