Ich zitiere hier einmal den Kollegen Peter Weiß, den Vorsitzenden der CDU-Arbeitnehmergruppe. Ich weiß das auch von Herrn Matthiesen und Herr Toepffer, die hier schon ähnlich argumentiert haben.
Diese gehen davon aus, dass die Entscheidung gefallen ist, dass Deutschland einen gesetzlichen Mindestlohn bekommen wird. Einzig und allein an der FDP hier in diesem Landtag und im Bundestag scheitert aber dieser eigentlich schon längst entstandene gesellschaftliche Konsens.
Ich finde, wir können diese Debatte hier nicht einfach zudecken. Die FDP ist ein Modernisierungshindernis in unserem Land.
Die FDP klammert sich an alte Glaubenssätze und redet staatlich subventioniertem Lohndumping das Wort. Denn anders kann man es nicht begreifen, wie Sie sich die Zahlen zurechtbiegen, Frau König, wenn Sie hier die richtigen Vorhaltungen in Bezug auf den am stärksten wachsenden Arbeitsbereich auch in Niedersachsen, nämlich den der Leiharbeit, schlichtweg ignorieren.
Das Schicksal der vielen Menschen - nämlich 2 % -, die voll arbeiten, aber von ihrer Arbeit nicht leben können und staatlich subventioniert werden müssen, ist ein Tatbestand, der spätestens einen Mindestlohn einfordert. Hinzu kommen die vielen, die Teilzeit in prekären Verhältnissen arbeiten müssen. Deswegen ist der Modernisierungsbedarf mit Händen zu greifen.
Die FDP als Modernisierungshindernis wird im Augenblick zu Recht in den Fokus der öffentlichen Meinung genommen, dass sie an dieser Stelle nicht mehr bereit ist, unser Land, unsere soziale Marktwirtschaft zu stabilisieren, sondern Sie argumentieren rein ideologisch, unabhängig von allen Statistiken und von normalen Wirtschaftsforschungsinstituten vorgelegten Zahlen.
Haben Sie ein einziges Gutachten, das behauptet, Mindestlohn würde Arbeitslosigkeit provozieren? - Ich kann Ihnen ein halbes Dutzend anderer Gutachten nennen, die sehr seriös darstellen, dass das längst nicht der Fall ist. Es kommt auf die Höhe des Mindestlohns und darauf an, wie er gestaltet wird. Mit der Mindestlohnkommission, in der Arbeitnehmer und Arbeitgeber vertreten sein sol
len, und mit dem Einziehen einer Untergrenze von 8,50 Euro haben wir einen sehr der sozialen Marktwirtschaft entsprechenden Weg gefunden, den wir unbedingt umsetzen müssen.
Das Einzige, was mich in dieser Debatte beruhigt, ist, dass wir höchstens noch anderthalb Jahre warten müssen, bis sich das durch Entscheidungen des Wahlvolks umsetzen lässt.
Lieber Herr Schminke, auch wenn mir die große Beachtung, die Sie meiner Person heute geschenkt haben, durchaus schmeichelt, muss ich Ihnen sagen: Seien Sie nicht enttäuscht! Ich bin nicht für alles, was in der CDU passiert, verantwortlich.
Wir haben zwar bereits im November-Plenum engagiert über das Thema prekärer Beschäftigungsverhältnisse und Mindestlohn diskutiert. Ich will die Haltung der CDU aber trotzdem noch einmal kurz mit wenigen Worten zusammenfassen.
Wir sind in der Tat der Meinung, dass die Würde des Menschen verletzt wird, wenn er nicht angemessen bezahlt wird.
Wir sind weiter der Meinung, dass eine erfolgreiche Marktwirtschaft auch eine gerechte Entlohnung benötigt, weil nur derjenige Arbeitnehmer, der gerecht entlohnt wird, sich wirklich für sein Unternehmen einsetzt und auch die Arbeitsleistung bringt, die das Unternehmen braucht, um erfolgreich agieren zu können.
Aus dieser Haltung heraus erwächst unsere Forderung, dass in der Tat der Arbeitnehmer zumindest ein Einkommen erhalten muss, das ihm seinen Mindestunterhalt sicherstellt.
Wir sind ferner der Meinung, dass die vorhandenen Mechanismen derzeit nicht ausreichen, um diese Forderung zu erfüllen.
Anders als Teile des Hauses sind wir nicht der Meinung, dass die Politik nun festlegen soll, wie hoch dieser Mindestlohn sein soll.
Wir sind weiter der Meinung, dass die Tarifparteien Mittel an die Hand bekommen müssen, um selbst festzulegen, wie hoch der Mindestlohn ist, und dass dies der einzige Weg ist, um der Tarifautonomie in diesem Land gerecht zu werden.
Dann könnte das Gesetz über die Mindestarbeitsbedingungen sicherlich der richtige Weg sein. Das hat ja auch die SPD angesprochen. Der Ball liegt unseres Erachtens jetzt in Berlin. Das eine oder andere, was man von dort hört, erfüllt mich mit vorsichtiger Hoffnung. Aber zur Wahrheit gehört in der Tat auch, dass es in Hannover nicht gelungen ist, eine gemeinsame Position zu formulieren. Da sind die Koalitionsparteien unterschiedlicher Meinung.
Bei dieser Haltung und Darstellung der Position könnte man es eigentlich belassen. Jetzt habe ich aber noch vier Minuten, und die möchte ich dafür nutzen, einen Blick nach außen zu wagen und zu schauen, wie außerhalb dieses Parlaments mit prekären Arbeitsverhältnissen auch hier in Niedersachsen umgegangen wird.
Schauen wir zunächst einmal nach NordrheinWestfalen, Herr Adler. Dort beschäftigt sich der Landtag seit längerer Zeit mit den Praktiken des Versandunternehmens Amazon. Amazon ist ein Unternehmen, das dafür bekannt ist, dass es viele seiner Beschäftigten als kurzfristig Beschäftigte einstellt, etwa für sechs Wochen. Von den sechs Wochen werden dann zwei Wochen von der Agentur für Arbeit als Praktikum bezahlt, nach sechs Wochen wird der Arbeitnehmer entlassen und einige Wochen später wieder eingestellt, und die Jobagenturen bezahlen dann noch einmal zwei Wochen. Das geht immer so weiter. Amazon ist ein Unternehmen, das in Sachsen bis vor Kurzem Einstiegslöhne von 7,76 Euro bezahlt hat und nach
großen Protesten jetzt 8,33 Euro bezahlt. Amazon ist ein Unternehmen, das bei dieser Lohnpolitik schwierig Arbeitskräfte findet, weswegen man in Leipzig vor Kurzem ein Containerdorf für 800 osteuropäische Leiharbeitskräfte auf dem Gelände des Amazon-Logistikcenters bauen wollte.
Jetzt kommen wir nach Niedersachsen. Amazon ist - dazu zitiere ich die Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 17. Januar 2012 - „dem Vernehmen nach“ das Unternehmen, welches in Hannover ein gigantisches Logistikzentrum mit 110 000 m² Hallengrundfläche bauen und dort 1 000 Arbeitsplätze schaffen will. Das ist an sich gut. Aber die Bevölkerung fragt sich auch: Ist das wirklich in allen Punkten gut?
Deswegen wird auf diversen Bürgerversammlungen in Hannover derzeit berichtet und unterrichtet, was dort passieren soll. Derjenige, der dort unterrichtet, ist diejenige Person, die diese SPD in den kommenden Landtagswahlkampf führen soll. Dann wird es spannend. Da machen sich Bürger nämlich nicht nur darüber Gedanken, wie der Verkehr bewältigt werden soll und wie es mit dem Straßenlärm ist, sondern diese Bürger machen sich auch darüber Gedanken - das ist vielleicht auch Folge dieser Debatte -, wie die Menschen, die dort arbeiten werden, bezahlt werden sollen. Dort wird gefragt: Wie viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse werden geschaffen? Wie wird bezahlt?
Diese Fragen sind auch berechtigt. Denn wenn die Landeshauptstadt Hannover ein solches eigenes Grundstück entwickelt und anbietet, dann ist es Teil einer vernünftigen und üblichen Standortpolitik, dass man solche Fragen stellt. Dann antwortet der Spitzenkandidat der sozialdemokratischen Partei in Niedersachsen auf die Frage, welche Zusagen seitens des Unternehmens zu sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen und zum Mindestlohn gemacht worden sind, dass diese Absprachen nicht Thema der Verhandlungen mit dem Unternehmen gewesen sind.
Während Sie, lieber Herr Schminke, hier die moralische Entrüstung zelebrieren, schert sich Ihr SPDSpitzenkandidat in Hannover überhaupt nicht darum, ob das, was Sie hier fordern, tatsächlich in der Realität umgesetzt wird.
Wir haben es in dieser Frage überhaupt nicht nötig, von Ihnen moralisch belehrt zu werden. Bringen Sie doch erst einmal tatsächlich die eigenen Leute auf die Spur!
Meine Damen und Herren, zu einer Kurzintervention hat sich der Kollege Schminke gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.
Herr Toepffer, Sie haben hier vorgetragen, dass die Tarifvertragsparteien wieder alles regeln sollen. Es gibt Branchen, in denen wir die Tarifvertragsparteien nicht an den Tisch kriegen und der Organisationsgrad so gering ist, dass wir keine Möglichkeit haben, noch irgendwelche Dinge zu steuern und zu regeln. Insbesondere in Ostdeutschland ist das der Fall, weil dort auch die Arbeitgeberverbände ganz schwach und schlecht aufgestellt sind.
Und Sie kommen und erklären immer wieder, die Arbeitnehmer könnten sich mit den Arbeitgebern zusammen an einen Tisch setzen und würden das regeln. - Genau das funktioniert nicht. Deswegen brauchen wir einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn für alle, der unabhängig von solchen Sachen ist.
Herr Schminke, ich will Ihnen eines sagen: Es gibt auch in Sachsen Tarifverträge, auch für den Bereich des Handels, auch für Amazon. Das Problem entsteht dann, wenn unterhalb dieser Tarifverträge bezahlt wird. Das Problem besteht darin, dass manche Genossen das offensichtlich zulassen und