Protocol of the Session on December 7, 2011

Meine Damen und Herren, wir haben uns heute Morgen in der Aktuellen Stunde über die ärztliche Versorgung unterhalten. Ich möchte kurz darauf zurückkommen, weil ich den von den Regierungsfraktionen vorgeschlagenen Haushaltsansatz von 1 Million Euro im Vorgriff auf den Strukturfonds als ausgesprochen wichtigen Beitrag empfinde. Er ermöglicht uns, gemeinsam mit den Akteuren, die in der Verantwortung stehen, mit der Kassenärztlichen Vereinigung, die Dinge gemeinsam zu gestalten und uns damit ein Mitspracherecht einzuräumen.

Wir wissen es doch, verehrte Kolleginnen und Kollegen: Wenn der Arzt im Dorf bleibt, dann bleiben auch die Apotheke, der Physiotherapeut sowie Angehörige anderer Gesundheitsberufe; denn der Arzt ist nun einmal das Zentrum der dortigen Gesundheitsdienstleistungen. Die Staatsmedizin, die sich hier manche Kolleginnen und Kollegen vorstellen, würde zu einer ungeheuer aufwendigen Planung, aber nicht zu einer Verbesserung der fühlbaren Leistungen führen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, die Regierungsfraktionen schlagen vor, die bewährte Ausbildung der Familienhebammen zusätzlich zu verstärken. Das ist ein Weg, auf dem wir in Niedersachsen weit vorne sind. Die Mittel werden uns sozusagen von den Kommunen aus den Händen gerissen. Damit wird vieles Leid vorausschauend vermieden, weil dort frühzeitig auf richtige Weise begleitet und, wenn nötig, auch eingegriffen wird.

Im gleichen Kontext sind die kommunalen Netzwerke früher Hilfen zu nennen. Wir stabilisieren sie; denn sie kommen in die Regelförderung. Sie werden Ausstrahlung entfalten und nicht nur an den hier bereits genannten Orten tätig sein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ein paar kurze Worte zur Integration: Unsere Integrationsministerin leistet erfolgreiche Arbeit. Sie stellt neue Weichen. Der Integrationsbeirat, dem sie vorsitzt, wird die Regierung unmittelbar beraten können und die

Exekutive unmittelbar über die Situationen unterrichten können, die für diejenigen, die in der Integration tätig sind, von Bedeutung sind. Aber auch hier begleiten wir: Die Regierungsfraktionen stellen 800 000 Euro für die Sprachförderung gleich in den zentralen Aufnahmestellen zur Verfügung. So wird frühzeitig mit der Integration begonnen.

Meine Damen und Herren, die Beispiele können nur für ein Gesamtbild stehen. Aber CDU und FDP, damit die Mehrheit des Landtages, nehmen die Menschen in ihrem Wunsch nach Selbstverantwortung, nach eigener Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse ernst. Wir begleiten sie, wo sie ehrenamtlich auch im sozialen Bereich tätig sind. Wir lassen sie nicht im Stich, wo eine staatliche Mitfinanzierung geboten ist. Bei CDU und FDP sind die Menschen in Niedersachsen in besten Händen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Für die Fraktion Die Linke hat Herr Humke das Wort.

(Elke Twesten [GRÜNE] meldet sich)

- Entschuldigung, Herr Humke, ich habe keine Meldung zu einer Kurzintervention gesehen. Das war meine Unaufmerksamkeit. - Sie sind so nett und gehen schon zurück. Jetzt spricht Frau Kollegin Twesten von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Riese, ich hoffe, ich habe Sie eben falsch verstanden. Ich kenne kein Frauenhaus in Niedersachsen, das die zugewiesenen Mittel nicht zielgerichtet einsetzt. Für den Fall, dass Sie auch nach meinem Redebeitrag noch der Auffassung sein sollten, dass das so ist, empfehle ich Ihnen, die Frauenhäuser zu besuchen

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Besser nicht!)

und sich nicht nur nach Aktenlage zu informieren.

Ich habe andere Erfahrungen gemacht. Im Zusammenhang mit der Richtlinienüberarbeitung habe ich fast die Hälfte der niedersächsischen Frauenhäuser besucht. Solch eine Einschätzung ist mir dort in keiner Weise vermittelt worden. Das, was ich hier eben von Ihnen gehört habe - Förderung „wie im Hotel“ -, mag vielleicht gesagt worden sein.

Aber Sie haben es mit Sicherheit falsch verstanden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Riese möchte antworten. - Auch Sie haben 90 Sekunden Redezeit.

Wenn es notwendig wäre, könnte ich mich auch entschuldigen. Es ist aber an dieser Stelle überhaupt nicht nötig; denn es handelt sich um ein öffentlich zugängliches Zitat aus dem Frauenhaus in Verden. Da können Sie sich klugmachen.

Ich habe im Laufe meiner politischen Tätigkeit nicht wenige Frauenhäuser besucht, meine Damen und Herren, und habe dabei unterschiedlichste Erkenntnisse gesammelt, u. a. die, dass Frauenhäuser mitunter gar nicht bereit sind, darüber nachzudenken, ob sie mit Einrichtungen in unmittelbar benachbarten Gebietskörperschaften auf eine Weise zusammenarbeiten könnten, dass die Kosten gesenkt werden. Da möchte jeder seine eigenen Räumlichkeiten und sein eigenes Personal. Da nimmt man die Frauen, die aus einer direkten Nachbargemeinde kommen, nicht auf, sondern schickt sie in die entfernte Kreisstadt, weil sich die Kämmerer nicht einig werden können. Da gibt es viele Punkte, an denen noch nachgesteuert werden kann, meine verehrten Damen und Herren.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Bitte setzen Sie sich wieder! Das ist uner- träglich!)

Ich glaube, es geht bei Frauenhäusern wie bei allen Empfängern öffentlicher Leistungen auch um die wirtschaftliche Verwendung von Mitteln.

Herr Riese, einen Augenblick, bitte! Das wird nicht von der Redezeit abgezogen. Wir warten noch ein bisschen ab.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Lassen Sie die Frauenhäuser in Ruhe!)

- Herr Kollege Adler regt sich auch wieder ein bisschen ab, kühlt sich ab. - Herr Riese, Sie haben noch 30 Sekunden.

(Zuruf von der SPD: Klären Sie das mal!)

So viel Zeit werde ich jetzt gar nicht mehr brauchen.

Es geht bei den Frauenhäusern, wie bei allen anderen Empfängern staatlicher Leistungen, auch im sozialen Bereich, immer auch um den Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit. Wer das im politischen Raum verschweigt und sich nicht daran hält, der führt auch Niedersachsen in die Situation von Griechenland.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Nun aber hat Herr Humke von der Fraktion DIE LINKE das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich erspare es mir, etwas zu den Äußerungen von Herrn Riese zu den Frauenhäusern zu sagen. Es ist unerträglich, so etwas im Landtag zu hören.

Bei vordergründiger Betrachtung könnte man denken, dass die Landesregierung beim Einzelplan 05 - da komme ich doch noch einmal auf die Frauenhäuser zu sprechen - sogenannte Geschenke - so möchte ich es bezeichnen - in den Haushalt eingebaut hat. Damit soll der Eindruck vermittelt werden, dass der vorliegende Einzelplan auf irgendeine Weise sozialer gestaltet wird.

Die beiden Beispiele, die dann sehr häufig genannt werden - wir konnten uns in den Ausschussberatungen davon überzeugen -, sind zum einen die längst überfälligen Anpassungen bei der Behindertenhilfe nach Ihrem Kahlschlag in diesem Jahr und zum anderen die Förderung der Frauenhäuser und der Frauenberatungsstellen; dazu werde ich noch ausführlich etwas sagen.

Überfällig bleibt hingegen die Überführung dieser Haushaltstitel in gesetzliche Leistungen. Außerdem werden wir als Linke wie bisher darauf achten, dass bei der Umsetzung der neuen Richtlinien für die Förderung von Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ab 2012 keine einzelnen Bereiche dieser Arbeit herunterfallen.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Für die Linksfraktion ist es nach wie vor zentral, dass regionale Versorgungslücken geschlossen werden. Wie in jedem Jahr haben wir auch in diesem Jahr einen Änderungsantrag eingebracht, der

darauf zielt, den Investitionsstau bei den Frauenhäusern zu bekämpfen. Wir haben vorgeschlagen, dafür 500 000 Euro einzustellen, damit die betroffenen Frauen mit ihren Kindern nicht in Provisorien hausen müssen.

Herr Riese, Sie sagen, dass Sie sich schon mehrere Frauenhäuser angeschaut haben. Ich weiß wirklich nicht, was Sie da gesehen haben.

Bei genauerer Betrachtung bedeutet Ihr Haushalt für die Träger sozialer Arbeit und Projekte seit vielen Jahren in aller Regel faktische Kürzungen, da Sie die Fördersummen seit Jahren nicht wirklich erhöht haben und tarifliche Steigerungen oder höhere Energiekosten somit nicht aufgefangen werden konnten.

Darüber hinaus lassen Sie wichtige Projekte auslaufen und verzichten gleichzeitig auf eine Kompensation aus Landesmitteln zum Erhalt von Arbeitsstellen und damit der Gewährleistung professioneller Arbeit. Ich möchte bereits an dieser Stelle darauf hinweisen, dass es sich hier zu etwa 80 % um Frauenarbeitsplätze handelt. Das sind Arbeitsplätze von Frauen, die in der sozialen Arbeit eine hohe Verantwortung übernehmen und hierfür als Dankeschön eine unterirdische Bezahlung erhalten. Meine Fraktion hat daher zahlreiche Änderungsanträge erstellt, die bei diesen Arbeitsplätzen eine tarifliche Anpassung ermöglichen sollen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein weiteres herausragendes, aber negatives Beispiel Ihrerseits und darüber hinaus sind die NiKoProjekte, deren Förderung zum Ende dieses Jahres landauf, landab ausläuft und bei denen Sie mit Ihrer Verweigerungshaltung hinsichtlich einer Kompensation zur Sicherung dieser vorbildlichen Projekte einen riesigen Flurschaden in der Präventionsarbeit hinterlassen. Und das ist sehr schlimm. Ich weiß nicht, ob Sie sich einmal damit befasst haben. Eigentlich können Sie es gar nicht rechtfertigen, diese wichtigen Projekte auslaufen zu lassen.

Empörend sind Ihre Vorschläge, die Attraktivität der Pflegeberufe zu steigern, um dem immer weiter wachsenden Pflegenotstand entgegenzutreten. Sie wollen zu diesem Themenfeld 6,5 Millionen Euro für eine Imagekampagne - so möchte ich sie bezeichnen - ausgeben und verschweigen gleichzeitig wissentlich, dass Sie bereits 8 Millionen Euro durch gesetzliche Maßnahmen auf dem Rücken der Betroffenen im Bereich der Kurzzeitpflege eingespart haben.

Was die Umsetzung der UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderungen angeht: Fehlanzeige. Sie haben auch für die kommenden zwei Jahre nichts, aber auch gar nichts geplant, was einen spürbaren Einstieg in die Umsetzung der rechtsverbindlichen UN-Konvention zu verstehen wäre.

(Uwe Schwarz [SPD]: Falsch! Er hat die Theaterpädagogik genannt!)

- Das stimmt, das Projekt der Theaterpädagogik in Emden. Das ist richtig, aber das ist kein spürbarer Einstieg in die Umsetzung der UN-Konvention. Das müssen auch Sie zugeben.

Barrierefreiheit, Teilhabe, Inklusion und Integration sind für Sie anscheinend nach wie vor unverständliche Fremdwörter. Die Linke hat dieses Querschnittsthema immer wieder angesprochen und um Unterrichtung gebeten, außerdem immer wieder Anträge zum Haushalt gestellt, genauso wie die anderen Oppositionsfraktionen. Informationen Ihrerseits: Fehlanzeige. - Das ist ein Rechtsbruch.

Darüber hinaus verzichten Sie seit Jahren darauf, den niedersächsischen Krankenhäusern entsprechende Investitionsmittel zukommen zu lassen, damit der Investitionsstau von mittlerweile über 1 Milliarde Euro spürbar reduziert werden kann. Dazu sind Sie im Übrigen gesetzlich verpflichtet. Auch hierbei können und müssen wir von einem Rechtsbruch sprechen.

(Reinhold Hilbers [CDU]: Wer hat denn den Betrag ermittelt?)